Bereichsnavigation Themen:

Papst Benedikt erklärt die Liturgiereform

Wiederbelebt: Das FanonIn seiner Rede vor den Klerikern der Diözese Rom am 14. Februar hat Papst Benedikt eine umfassende Deutung des gesamten 2. Vatikanischen Konzils vorgetragen. In Deutschland wurde die lange und teilweise sehr grundsätzliche Rede - wie so viele Äußerungen des Papstes - kaum zur Kenntnis genommen. Auch auf der vatikanischen Website ist sie bis jetzt nicht in deutscher Sprache zu lesen - wohl aber auf Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch. Am vergangenen Samstag hat Die Tagespost die Ansprache in einer eigenen Übersetzung auf zwei vollen Zeitungsseiten abgedruckt. Wir übernehmen daraus - mit leichten sprachlichen Anpassungen - den Abschnitt, in dem der scheidende Papst die Position des Konzils zur Reformbedürftigkeit der Liturgie darstellt - neben der Ekklesiologie und dem Umgang mit dem Wort Gottes eines von drei Hauptthemen der Kirchenversammlung.

Die verhältnismäßig kurzen und sicher nicht auf Vollständigkeit bedachten Ausführungen von Papst Benedikt zur Lage der Liturgie vor dem Konzil sind geeignet, wenigstens teilweise eine Antwort auf die oft gestellte Frage zu geben, warum er als Papst zumindest öffentlich nie nach dem „nie abgeschafften“ Missale der überlieferten Liturgie zelebriert hat.

Zum Auszug aus der Rede des Papstes

Wäre die Spaltung vermeidbar gewesen?

Anläßlich eines Pressegespräches, das er am 15. Januar in der spanischen Botschaft in Rom führte, überraschte Kardinal Cañizares die Journalisten mit einer bemerkenswerten Mitteilung: „Damals (eine genauere Präzisierung des Zeitpunktes gab er nicht) war Bischof Fellay, der Kopf der Piusbruderschaft, bei mir zu Besuch und sagte: 'Wir sind gerade in einer Abtei in der Nähe von Florenz gewesen. Wenn Erzbischof Lefebvre gesehen hätte, wie sie dort zelebrieren, hätte er nicht den Schritt getan, den er getan hat.' Die Messe dort,“ fügte der Kardinal dann hinzu, „war die nach dem Missale Papst Pauls VI., allerdings in ihrer strengsten Form. Selbst die Anhänger der Piusbruderschaft räumen also nach der Teilnahme an einer korrekt gefeierten Messe ein, daß das, was geschehen ist und die bestehende Trennung verursacht, nicht hätte geschehen müssen, wenn die Messe so wie dort zelebriert würde.“ (Quelle)

Nun wissen wir natürlich nicht, ob der Journalist den Inhalt des Gespräches korrekt wiedergegeben hat. In jedem Fall bleiben Fragen. Die erste ist die, warum denn eine Messe „in der strengsten Form“ der reformierten Liturgie so selten vorkommt, daß Bischof Fellay sie nur höchst selten und Erzbischof Lefebvre sie anscheinend nie zu Gesicht bekommen hat. Diese Frage richtet sich auch an Kardinal Canizares, der als Präfekt der Gottesdienstkongregation schließlich dafür zuständig ist, daß die Messe korrekt nach den liturgischen Vorschriften zelebriert wird.

Zur zweiten und weiteren Fragen

Erlaubt ist, was gefällt

Ausschnitt aus dem Gemälde von Guido ReniGleich der erste Tag eines jeden Jahres gibt uns Gelegenheit, zwei der unangenehmsten Elemente der liturgischen Veränderungen des vergangenen Jahrhunderts zu bedenken: Zum einen die Tatsache, daß diese Veränderungen durchaus vor das Stichjahr 1962 zurückreichen und daher auch das heute verbindliche Missale des überlieferten Ritus in vielem bereits von der Tradition abweicht. Zum zweiten, daß viele Veränderungen in mehreren Stufen erfolgten, die Schritt für Schritt unliebsam gewordene Elemente des Glaubens aus der Liturgie herausdrängten, so daß sie heute kaum noch erkennbar sind.

Konkret zum 1. Januar: Der 8. Tag nach der Geburt Christi galt seit Alters her dem Gedächtnis der Beschneidung des Herrn, die nach dem jüdischen Gesetz an diesem Tag vorzunehmen war und nach dem Zeugnis der Evangelien so auch an Jesus vorgenommen wurde. Die erste Kalenderreform des Jahres 1961 ließ zwar das Messformular des 1. Januar mit seiner Erwähnung der Beschneidung intakt, veränderte aber den Namen des Tages zum „Oktavtag von Weihnachten“ - eine wenig einleuchtende Betonung des Prinzips der Oktavfeier, wenn man bedenkt, daß gleichzeitig alle traditionellen Oktaven mit Ausnahme derer von Ostern, Pfingsten und eben von Weihnachten „abgeschafft“ wurden.

Die zweite Kalenderreform von 1969 ersetzte dann das Gedächtnis der Beschneidung vollständig durch die Umwidmung des Oktavtags zum Hochfest der Gottesmutter Maria. Das Herrenfest zum Gedenken an das erste Blutvergießen des Erlösers wurde zum Marienfest gemacht. Umgekehrt unterdrückten die Liturgieingenieure Papst Pauls VI. dann zum früheren Marienfest am 2. Februar das Gedächtnis von „Mariä Reinigung“ und schoben zum neuendefinierten Herrenfest den Aspekt der „Darstellung des Herrn“ in den Vordergrund. Erlaubt ist, was gefällt.

Operation am lebenden Objekt -

so sieht eine Tagung des Römischen Instituts der Goerres-Gesellschaft (Leiter: Prof. Stefan Heid) die Geschichte der Liturgiereformen von Trient bis zur Gegenwart. Das Einleitungsreferat vom 14. Dezember hat Kardinal Kurt Koch übernommen, er spricht zum Thema „Roms Liturgiereformen in Ökumenischer Perspektive“.

Eine Auswahl weiterer interessanter Themen:

  • Prof. Harm Klüting: Die liturgischen Vorstellungen in der katholischen Aufklärung und im Josephinismus – und was sich davon in der Liturgiereform des Vaticanum II und danach wiederfindet
  • Prof. Albert Gerhards: Was ist „gelungener Gottesdienst“? Zum Spannungsverhältnis zwischen agendarischer Vorgabe und Liturgieerleben in der westlichen Kirche
  • Prof. Harald Buchinger: Reformen der Osterfeier: Prinzipien und Auswirkungen ihrer Kodifikation und Modifikationen
  • Dr. Uwe Michael Lang: Historische Stationen zur Frage der Liturgiesprache
  • Dr. Alcuin Reid: The Fundamental Principles of Liturgical Reform in Sacrosanctum Concilium in the Light of History

Das vollständige Programm finden Sie auf der Website des Instituts. Wir hoffen, den einen oder anderen der gehaltenen Vorträge zumindest auszugsweise präsentieren zu können.

Reform und Kontinuität - vor 1962

Die Wahl des Missales und der anderen Bücher nach dem Stand von 1962 als liturgische Basis für die „außerordentliche Form“ des römischen Ritus ist ganz klar ein Notbehelf. Allerdings ein durchaus sinnvoller: Der Stand von 1962 gehört unbestreitbar der „überlieferten Form“ an - was beim Ordo von 1965  schon nicht mehr ganz so unbestreitbar ist. Außerdem ist der Stand von 1965 niemals in einer Editio Typica fixiert worden. Er bildet schlicht die Summe der unaufhörlichen kleinen und größeren Änderungen, die Ritenkongregation und Consilium zur Liturgiereform in den Jahren zwischen 62 und 65 produzierten. Die Bücher von 1962 repräsentieren den Stand der Liturgie, den die Väter des 2. vatikanischen Konzils selbst zelebrierten - das macht es möglich, diese Form des Ritus zu vertreten, ohne sich damit im Geringsten in eine Gegenposition zum Konzil zu begeben oder drängen zu lassen. Schließlich enthebt die Wahl des Missales von 1962 als Basis für die „außerordentliche Form“ den päpstlichen Gesetzgeber auch der Notwendigkeit, eine Auswahl unter den vorhergehenden Stadien liturgischer Reformbemühungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu treffen und diese damit zu bewerten: Das 62er Missale ist das letzte vor der Promulgation des tiefgreifend reformierten und wohl auch deformierten „Novus Ordo Missae“ im Jahre 1969 und damit der natürliche Bezugspunkt für eine Gesetzgebung, die einen Anschluss an die Tradition ermöglichen will, ohne sich in Einzhelfragen und -polemiken zur Ritusentwicklung seit Trient oder noch früher zu verlieren.

Das bedeutet freilich nicht, daß die Diskussion dieser Fragen überflüssig oder gar unzulässig wäre. Insbesondere die Veränderungen seit Mitte der 50er Jahre, die zur Umgestaltung der Karwochenliturgie und des Triduums führten, werfen viele Fragen auf. Verstärkt gilt das für das Motu Proprio „Rubricarum Instructum“ von 1960, mit dem die traditionellen Rubriken von Brevier und Missale tiefgreifend vereinfacht wurden. Viele dieser Teil-Reformen aus den Jahren vor 1962 atmen bereits den selben Geist wie die spätere Totalrevision von 1969 - kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die leitenden Grundsätze und das handelnde Personal vor und nach dem Konzil weitgehend die Gleichen waren.

Allerdings würde es zu kurz greifen, die Probleme der Reform nur an den handelnden Personen oder gar alleine an Erzbischof Bugnini festmachen zu wollen. Auch die Brevierreform von Papst Pius X., so notwendig sie gewesen sein mag, wirft bereits schwerwiegende Fragen nach dem Verhältnis von Tradition und Reform, von Kontinuität und Bruch auf. Tatsächlich brechen diese Fragen seit Beginn der Moderne mit neuer Qualität auf: Schon im Missale von Trient finden sich Ansatzstellen für eine liturgische Praxis, die das selbstverständliche Leben in einer überkommenen Tradition mit Misstrauen betrachtet und „gemachte“ Vorgaben an dessen Stelle setzt. Die Schwierigkeit, das richtige Verhältnis zwischen Kontinuität, Reform und Bruch zu bestimmen, geht weit vor das 2. Vatikanische Konzil und sogar weit vor das 20. Jahrhundert zurück.

Da ist es ein glücklicher Umstand, daß mit Fr. Christopher Smith einer der Köpfe hinter dem Blog „The Chant Cafe“ auf den 1965 verstorbenen Msgr Léon Gromier (geb. 1879, zum Priester geweiht 1902) gestoßen ist, der im Amt für die päpstlichen Zeremonien von Papst Pius XII. tätig war. Gromier war ein scharfzüngiger Kritiker der liturgischen Reformen des 20. Jahrhunderts. Das brachte ihn schon damals um alle Aufstiegschancen, dennoch blieb er wegen seiner profunden Kenntnisse der Liturgiegeschichte für die Ritenkongrgation unentbehrlich. Smith stellt auf „The Chant Cafe“ einen Vortrag von Gromier von 1960 vor, in dem er die Reform der Osterliturgie von 1955 sehr kritisch beleuchtet. Eine nicht immer leicht verständliche englische Übersetzung dieses Vortrags findet sich auf civitas-dei.eu.

Zusätzliche Informationen