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Apostasie konkret

Bild: Luca Signorell1, 1445-1523, WikimediaGeht man nach den alleine in dieser Woche veröffentlichten Stellungnahmen katholischer Repräsentanten aus Deutschland, ist nicht zu sehen, wie die Spaltung der Kirche noch zu verhindern oder – soweit schon eingetreten – jemals zu überwinden sein wird.

Unser erster Bezugspunkt ist das Interview von Gerhard Kardinal Müller mit LifeSiteNews, das wir hier bereits kommentiert hatten und das inzwischen bei kath.net in ganzer Länge übersetzt vorliegt. Den zweiten Bezugspunkt bilden diverse Äußerungen auf der offiziellen Website der katholischen Kirche in Deutschland, von denen wir bisher allein das Interview von Klaus Mertes S.J. kurz gewürdigt hatten. „Unglaublich dreist“ und „abgründig falsch“ sind nach Ansicht des Jesuiten die Ausführungen von Kardinal Müller zur Kirchenkrise im allgemeinen und der Mißbrauchskrise im besonderen. An dieser seien nicht die Homosexuellen schuld, sondern die Tabuisierung der Homosexualität. Während er vor arrogantem Lachen kaum an sich halten konnte, erklärte er im Video-Interview (Zitat ab 9:30) auf die Frage, was er Müller denn raten würde: „Ich habe eigentlich das Interesse daran verloren, mit ihm (Müller) zu sprechen. ... Ich würde seinesgleichen raten, sie sollen endlich einmal zehn Jahre lang Pfarrer in einer normalen Stadtgemeinde sein. Schweigen, und nach zehn Jahren sehen wir uns noch mal.“

Die Ausführungen Mertes‘ in diesem Interview sind nicht nur nach Form und Sprache extrem ungehörig. Entscheidend sind die Inhalte – und die Tatsache, daß diese Inhalte nicht nur von Einzelpersonen, sondern anscheinend von der Mehrheit der Bischöfe vertreten werden. Auf der Webseite der Bischöfe stellen sie die praktisch ohne Widerspruch vertretene Hauptlinie dar. Um nur Beispiele aus der heute zu Ende gehenden Woche anzuführen:

Am Montag den 19. 11. fordert Bischof Franz-Josef Overbeck eine „Weiterentwicklung“ der katholischen Sexualmoral. Die Kirche müsse die Frage beantworten, was Erkenntnisse aus anderen Wissenschaften zu Homosexualität, zu Gender-Fragen oder zu den Rollen von Mann und Frau für die Theologie bedeuten. Mit Blick auf homosexuelle Menschen forderte der Bischof, sie dürften in keiner Weise diskriminiert werden.Die Kirche habe in der Vergangenheit versucht, "verloren gegangene politische Macht durch die Moral zu retten", sagte der Bischof. Dadurch sei in Fragen der Sexualität ein moralischer Druck auf die Gläubigen entstanden, der - im Vergleich zu anderen Glaubensthemen - unverhältnismäßig gewesen sei.

Was uns hier besonders auffiel: Die Bereitschaft, „andere Wissenschaften“ (und sei deren Wissenschaftlichkeit noch so fragwürdig) zur Lehrmeisterin der Theologie zu machen, und der skandalöse Ansatz, die bisherige kirchliche Sexuallehre als Versuch zur Rettung politischer Macht zu diffamieren. Damit stellt sich Overbeck in Widerspruch zum zweitausendjährigen Lehramt der Kirche.

Hier geht es weiterEin Beschluß der Bischofskonferenz stößt ins gleiche Horn und kündigt darüberhinaus ein „Überdenken der zölibatären Lebensform der Priester“ an. Es ist, als hätten die Exzerllenzen gerade auf die erneute Diskussion über Mißbrauch gewartet, um ihren bislang nicht recht in Gang gekommenen Lieblingsprojekten neuen Schwung zu verleihen.

Dazu gehört natürlich auch „Kommunion für alle“.

Am Dienstag den 20. 11. zitiert katholisch.de den Münsteraner Genn mit der Behauptung: „Wir haben als Seelsorger nicht das Recht, jemandem die Zulassung zur Eucharistie zu erlauben beziehungsweise zu verbieten. Es ist unvereinbar, die heilige Kommunion strikt zu verweigern.“ Bemerkenswert hier eine doppelte Verallgemeinerung: Einmal durch das Wort „Seelsorger“, das vom Bischof bis zur Gemeindereferentin alle in einen Topf werfen will, dann aber auch durch die entgrenzende Formulierung „jemandem“. Evangelische Kirchenpräsidenten oder demonstrative „öffentliche Sünder“ und Skandal-Verursacher – alle sind eingeladen. Aber wozu?

Am 21. dann darf die Pressereferentin der deutschen Jesuiten die Bestrebungen zur „Weiterentwicklung“ der kirchlichen Sexuallehre um eine weitere Facette bereichern: „Wir bekommen offenbar, wenn auch langsam, eine Debattenkultur, in der auch bisherige Tabu-Themen (Einschätzung von Homosexualität, Zölibat, Machtmissbrauch und die Rolle der Frau) angesprochen werden dürfen.“ Wir lernen: Was bisher galt, war mit Tabus bewehrtes unaufgeklärtes Denken – doch jetzt bekommen wir etwas ganz toll Modernes: Eine Debattenkultur. Und wer hat es erfunden? „Diese Möglichkeit der Diskussion haben wir nicht zuletzt auch Papst Franziskus zu verdanken, der für eine hörende Kirche eintritt, auch wenn nicht alle Teile dieser Kirche das auch hören wollen.“ „Hören“ ist immer gut – aber auf wen? Und wie sagt man eigentlich „hörende Kirche“ auf Latein? „Ecclesia orans“ ist es sicher nicht.

Am 22. 11. instruiert uns die Stimme der Bischöfe über die Segnungen des so unversehens in die öffentliche Diskussion geratenen Migrationspaktes, zu dem Bischof Heeße zu sagen weiß, er „ist menschenrechtlich fundiert, geht auf die unterschiedlichen Herausforderungen für Herkunfts-, Transit- und Zielländer ein und formuliert pragmatische Lösungsvorschläge“. „Menschenrechtlich fundiert, pragmatische Lösungsvorschläge“ – was darüberhinaus könnte es noch brauchen, um der vollen und vorbehaltlosen Unterstützung der Kirche Jesu Christi würdig zu sein?

Der 23. 11. brachte dann das zu Eingang bereits zitierte Interview mit SJ-Mertes und den Verweis auf ein weiteres Interview, diesmal mit dem Frankfurter Stadtdekan zu Eltz. Der sieht nicht nur in der Abschaffung des „Pflichtzölibats“ ein geeignetes Mittel zur Überwindung des Mißbrauchs von pubertierenden Knaben und jungen Männern durch sexual unausgeglichene ältere Männer, sondern denkt schon ein Stück weiter: Es müssen überhaupt mehr Frauen in kirchliche Ämter (deren segensreiches Wirken beobachten wir ja derzeit gerade in der Politik), und „das nächste wäre die Weihe von Diakoninnen und ein ergebnisoffenes Gespräch über weitere Weihestufen“. Vor diesem großen Denken sind wahrhaft tausend Jahre wie ein Tag und die Erklärungen von Päpsten und Konzilien wie Herbstblätter im Wind – seht nur, wir machen alles neu.

Das Ende der Woche faßt dann all dieses zusammen im Verweis auf eine Reformerklärung, die das letzte amtierende Zentralkomitee auf deutschem Boden (die Website gendert hier im Vorgriff auf zukünftige Dudenregelungen ‚Zentralkomitess‘) beschlossen hat: „Zu den Forderungen gehören, Frauen den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu gewähren, die Abschaffung der verpflichtenden Ehelosigkeit für Priester und eine Neuausrichtung der kirchlichen Sexualmoral.“

Die Übersicht über das Absterben des Glaubens und das Vordringen der Gottlosigkeit in der deutschen Kirche wäre unvollständig ohne wenigstens einen Blick nach Rom. Dort hat in dieser Woche der erprobte Ordensvernichter Braz de Aviz zwei ganz neue theologische Erkenntnisse vermittelt. Die eine besagt, daß „Papst Franziskus ein unvorstellbares Geschenk ist, weil er uns mit Klarheit, Transparenz und Einfachheit die Linie vorgibt, der in diesem schwierigen Moment für die Kirche zu folgen ist“. Klarheit, Transparenz und Einfachheit – auf diese Prädikate muß man im 5. Jahr der großen Verwirrung erst einmal kommen.

Aber es kommt noch besser. Kardinal Braz de Aviz belehrt uns: „Der Heilige Geist ist heute mehr ein Zeichen der Instabilität als der Stabilität: Er bewegt das Wasser und läßt uns das Wasser bis zum Hals stehen, damit wir uns nicht auf unseren Sicherheiten ausruhen“. Und das, wo wir dem Herrn doch zumindest für Italien gerade erst untersagt haben, uns in Versuchung zu führen! Spricht aus den Worten des Papstvertrauten nur brüllende Dummheit – oder schon Gotteslästerung? In jedem Fall ist Kardinal Müllers Fazit aus dem Interview auf LifeSiteNews zuzustimmen: Der Säkularismus ist nicht länger nur eine beklagenswerte Tendenz innerhalb der Kirche. Vielerorts ist sein Wesen als Atheismus kenntlich geworden – damit tritt er aus der Kirche heraus und dieser feindlich gegenüber. Aus Schisma wird Apostasie.

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