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Präfation und Hochgebet

Bild: Aus dem Projekt 'Missa Mediaevalis' der UNI Münster, Meister von CulemborgStellung und Bedeutung der Praefation in der römischen Liturgie haben sich im Lauf der liturgiegeschichtlichen Entwicklung mehrfach gewandelt, ohne doch ihre grundlegende Funktion zu verlieren: Das mit dem Aufruf „sursum corda“ beginnenden Gebet markiert den Übergang vom Wortgottesdienst zur eigentlichen Eucharistiefeier. Ursprünglich, d.h. soweit uns diese Ursprünge noch fassbar sind, handelte es sich dabei wohl um ein einziges großes Gebet, das die Danksagung für die von Gott empfangenen Wohltaten und das erneuernde Gedächtnis der größten dieser Wohltaten, nämlich des Erlösungsopfers am Kreuz, in sich vereinigte. In dieser Form begegnet uns ein Präfation und Wandlungsgebete zusammenschließendes Hochgebet bereits in der Traditio Apostolica des Hippolytos, die auf das zweite Jahrhundert zurückgeht. Die Problematik dieses Textes, der sehr wahrscheinlich nur eine als „Muster“ dargebotene Paraphrase in dieser Zeit üblicher Gebetsweise darstellt, kann hier nicht behandelt werden. Der von den Liturgiereformern erhobene Anspruch, darin ein authentisches Hochgebet der frühesten Zeit vorgefunden und im sog „2. Hochgebet“ des NO wieder für die Gegenwart erschlossen zu haben, steht jedenfalls auf schwachen Füßen.

Für die allgemeine Liturgieentwicklung stehen hier zwei andere Elemente im Vordergrund: Zum einen, daß dieser Text eine einheitliche Gestalt des Hochgebetes vermuten läßt – der später als „Präfation“ wahrgenommene Teil und die folgenden Gebete bilden eine Einheit, die noch nicht durch Sanctus und Benedictus voneinander abgesetzt sind. Auch die Vorstellung, daß die Gebete um die „Wandlung“ als heiligster Bezirk alleine dem Priester vorbehalten sein müßten, war noch nicht ausgebildet. Das zweite bemerkenswerte Element ist, daß mit dem nach dem sursum corda folgenden „gratias agamus“ eine Formel aufgegriffen wird, die bereits bei jüdischen rituellen Gemeinschaftsmählern das Ende des eigentlichen Mahles und den Übergang zum Dankgebet mit dem „dritten Kelch“ markierte. Diese Markierung, die insbesondere im Lukasevangelium (22,17-18) deutlich ausgebildet ist, wurde offensichtlich auch dann beibehalten, als die in Verbindung mit der Eucharistierfeier begangenen Agapen zurückgedrängt oder ganz aufgegeben worden waren. Im übrigen wurde in den jüdischen rituellen Mählern auch der bereits vor dem Aufruf zur Danksagung liegende Teil von Vorträgen aus der Schrift begleitet – insoweit blieb eine Erinnerung an den alten Brauch erhalten.

Seit dem 4. Jahrhundert erfolgte unter fränkischem Einfluß durch das vom Volk gesungene (und heiß geliebte) „sanctus“ eine zunehmende Abtrennung der „Präfation“ von den folgenden Teilen des Hochgebets, die dann auch immer stärker als allein dem Priester zugehörig empfunden wurden – was schließlich zur Ausbildung der Canonstille beitrug.

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Ostern im alten Ritus - vor 1955

Bild: Aus dem zitierten Artikel bei OnePeterFiveAls Lektüreempfehlung für die Karwoche hatten wir auf die umfangreiche Kritik László Dobszays an den bereits 1955 ganz im Geist der späteren Liturgiereform tiefgreifend veränderten Liturgien vom Palmsonntag bis Ostern verwiesen. Das Institut Christus König und Hoherpriester sowie einige andere Gruppierungen feiern mit Erlaubnis der Gottesdienstkongregation die österlichen Liturgien im „unreformierten“ Ritus aus dem Missale der Jahre vor 1955. Peter Kwasniewski hatte in den letzten Jahren erstmal die Gelegenheit, an dieser Liturgie teilzunehmen und hat seine Erfahrungen und Einsichten in einem ausführlichen Berricht für OnePeterFive zusammengefasst.

Eine Schwerpunkte dieses Berichtes liegt auf den in der Tradition am Karfreitung und in der Osternacht gefeierten Sonderformen der Meßliturgie: Zum einen die missa praesanctificatorum am Karfreitag, die tatsächlich eher einen Wortgottesdienst als eine vollständige Messfeier darstellt. Es gibt keine Wandlung, und ausschließlich der Priester kommuniziert in der consumptio die bereits am Vortage konsekrierten Hostie. Dann die Vigilmesse der Osternacht, die im Gegensatz zum Wortgottesdienst gleich eine dreifache Konsekration in einer harmonischen Einheit zusammenschließt, die in sich das ganze Geheimnis dieser Nacht umfassen: Nach der Segnung (nicht Weihe) des Osterfeuers außerhalb der Kirche erfolgt zunächst die Konsekration der Osterkerze mit dem seinem Wortlaut und Charakter entsprechend als Weihepräfation – und nicht nur als bloßes Preisgebet – gesungenen Exsultet und dann die ebenso feierliche Konsekration des Taufwassers. In der dazu stattfindenden Prozession vom Altarraum zum Taufbecken zieht die soeben feierlich geweihte Osterkerze dem Zug der Kleriker voraus wie Christus in der Wolken- und Flammensäule dem Volk Israel beim Auszug aus Ägypten – dessen wunderbare Geschichte zuvor in den 12 Prophetien verkündet worden war. Schon bald danach und immer wieder ist das auserwählte Volk in die Irre gegangen. Mit Christus und in der Osterkerze erhält das Taufwasser die sakramentale Kraft, die Ursünde abzuwaschen und dem Volk des neuen Bundes den Weg zum ewigen Heil zu erschließen. In der dritten Konsekration des Brotes und des Weines wiederholt und vergegenwärtigt sich dann das immerwährende Opfer Christi vor dem Vater, das allen Sakramenten ihre Wirkung verleiht und das Versprechen einlöst: Seht ich bleibe bei euch bis ans Ende der Tage.

Daß diese Vigilmesse in ihrer traditionellen Form auch sonst von „Irregularitäten“ gekennzeichnet ist – keine Antiphonen zum Offertorium und der Kommunion, kein Agnus Dei, stattdessen eine verkürzte Vesper mit dem Magnificat – unterstreicht das Außergewöhnliche dieser Feier zu diesem Zeitpunkt. Das alles sind keine „Irregularitäten“, die im Sinne moderner Ordnungsvorstellungen beseitigt werden müssen, sondern Stolpersteine, die unübersehbar signalisieren: Dies ist der Tag, dies ist die Nacht...

Die pianische Reform von 1955, an der Hannibale Bugnini, wenn auch in eher untergeordneter Funktion, bereits mitwirkte, hat genau diese modernen Ordnungsvorstellungen gegenüber der organisch gewachsenen Liturgie zur Geltung gebracht und dabei wichtige innere Zusammenhänge aufgelöst und unkenntlich gemacht. Die „Vollendung“ der Reform 1969 hat zwar einige Überspitzungen des ersten Reformschrittes – etwa bei der Zahl der Lesungen – zurückgenommen, insgesamt aber den inneren Zusammenhang noch weiter zerstört. Treibendes Motiv bei alledem dürfte des Neo-Dogma von der „Gemeindemesse“ gewesen sein, das liturgische Vollzüge nur insoweit als legitim anerkennen will, als sie (wie man glaubt und gegen jeden Augenschein unerschütterlich behauptet) von jedermann mitgemacht, mitvollzogen und verstanden werden können.

Freu Dich, Jerusalem!

Bild: Wikimedia Commons, FOTLbillDie freudige Aufforderung „Laetare Jerusalem“ bestimmt am 4. Fastensonntag den Ton der Liturgie. Sogar den Farbton der Gewänder, die an diesem Tag vom Violett der Fastenzeit in eine hellere rosenfarbige Variante (nein, nicht pink!) wechseln.

Nach der traditionellen Zählung der Fastentage war am Donnerstag vor dem 4. Fastensonntag „Halbzeit“ der Tage von Buße und Entbehrung und damit ein äußerer Anlaß, nicht am Tage selbst, aber doch am darauffolgenden Sonntag (und somit außerhalb des eigentlichen Fastens!) schon in der Vorausschau ein wenig von der Osterfreude zu kosten. Laetare, Jerusalem! Den Aufruf des Propheten Jesaias verstärkt die Kirche noch mit dem Zitat des ersten Verses von Psalm 121.: „Wie freute ich mich, als man mir sagte: Wir ziehen zum Hause des Herrn. Die Freude wird allerdings gleich wieder gedämpft im Tagesgebet, das daran erinnert, daß die Zeit der Vorbereitung und der Buße noch nicht vorbei ist:

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir mit Recht für unsere Missetaten gezüchtigt werden, durch den Trost Deiner Gnade wieder aufatmen

Das Zitat aus Psalm 121 und seine Verwendung in der Liturgie dieses Sonntags gibt willkommene Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie die Kirche sich die aus dem Judentum ererbten Psalmen und die anderen Bücher des Alten Testaments zum eigenen Besitz erworben hat.

Zunächst lenkt der Vers den Blick, der bei Jesajas auf den als gegenwärtig vorgestellten Tempels gerichtet ist, wieder auf die Zukunft, die erst noch kommen soll: Wir ziehen zum Hause des Herrn – aber noch sind wir nicht da. Das entspricht sowohl der Entstehungssituation des Psalms als auch seinem Gebrauch im vorchristlichen Judentum. Die Entstehung wird allgemein in die Zeit der Beendigung des babylonischen Exils, in die Jahre nach der Freilassung, aber vor der Wiederaufnahme des Kultes im erst wiederherzustellenden Tempel datiert. Danach wurde der Psalm zum Lied der Pilger auf dem Weg in die heilige Stadt. Gut vorstellbar, daß es unter den Liedern war, die gesungen wurden, als die Familie Jesus‘ den 12-Jährigen zum ersten Mal mit zur Feier des Paschafestes nahm. (Lukas 24,41)

Die Kirche hat den Psalm nach der Zerstörung von Stadt und Tempel früh umgedeutet oder besser erweitert in dem Gedanken des pilgernden Aufstiegs zum himmlischen Jerusalem – womit wir wieder ein gutes Stück näher am Sonntag zur Markierung der Mitte des vorösterlichen Fastens wären.

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Die Orationen der Fastenzeit

Bild: Wikimedia CommonsZu den Verlusten, die die überlieferte Liturgie bereits in den Jahren 1955 und 1960 hinnehmen mußte, gehören auch die besonderen Orationen für die Sonn- und Werktage der Fastenzeit, die dem Gebet der Kirche in diesen Wochen seit vielen Jahrhunderten eine besondere Prägung verliehen. Während jeder Tag an erster Stelle seine eigenen Orationen hatte, wurden als zweite und dritte Oration allltäglich die vom Aschermittwoch wiederholt - bis zu den Reformen der 50er Jahre.  Das Missale von 1962 enthält dann nur noch einen Bruchteil der Mehrfach-Orationen, die vordem einen besonderen Reichtum und eine besondere Flexibilität der Messordung ausmachten – auch und gerade in pastoraler Hinsicht.

Die Orationen, von denen hier zu sprechen ist, sind die einleitende Oratio, also das Tagesgebet, dann die Secreta vor dem Canon und schließlich die Postcommunio, das alte Schlußgebet vor der Entlassung der Gläubigen. Diese Orationen gehören zu den Säulen des Propriums für jeden Tag und jedes Fest, und dadurch, daß man ihre Zahl vermehrte, gewann man die Möglichkeit, Überschneidungen und Verdrängungen im liturgischen Kalender abzumildern. Ein Beispiel: Wenn ein Sonntag auf ein Datum fiel, an dem auch ein Heiligenfest zu begehen und die Vigil für einen kommenden Festtag zu halten war, „verdrängte“ der Sonntag diese beiden anderen Begängnisse nicht einfach, sondern nahm ihre Orationen als zusätzliche „Kommemorationen“ in sein Messformular auf. Andere Kommemorationen waren für bestimmte Zeiten des Kirchenjahres vorgeschrieben, wieder andere ermöglichten es dem Zelebranten, besondere Anliegen der Gemeinde oder auch seiner selbst in die Messfeier mit aufzunehmen.

Diese Möglichkeiten wurden in den „kleinen Liturgiereformen“ der 50er Jahre deutlich reduziert; im Novus Ordo von 1969 sind sie dann ganz verschwunden. Das erscheint einigermaßen inkonsistent, denn an anderen Stellen erweitert das Messbuchs Pauls VI. die Optionen von Priestern und Liturgieausschüssen ganz beträchtlich, wenn er etwa die Ersetzung von Gloria, Credo oder Sanctus durch „ein anderes geignetes Lied“ zuläßt bzw. sogar dazu ermutigt.

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Schönheit und Stärke der Liturgie

Kopie des Genter Altarbildes der Brüder van Eyck im Berliner Bode Museum, eig. Aufnahme.Vielleicht kommt es ja von dem „Dienst“ im Wort Gottesdienst, vielleicht auch von dem zentralen Gedanken des Opfers, daß der Aspekt der Schönheit der Liturgie in unseren Gottesdiensten allzuoft an den Rand geschoben oder ganz verdrängt wird. Und das nicht nur im Novus Ordo, dessen mißverstandene „edle Schlichtheit“ viel zur Säkularisierung der Kirche und ihres geistigen Lebens beigetragen hat. Auch in Gemeinden der Tradition steht die Betonung der Schönheit der Liturgie gelegentlich unter dem Verdacht, Ausdruck überkommener Prachtentfaltung fürstbischöflicher Zeiten zu sein, der nicht mehr in die Gegenwart passt.

Zur Abwehr solcher Tendenzen kann die Tradition sich zumindest auf das seit 1500 Jahren gebrauchte Kanongebet „Unde et memores“ stützen, das in drei Begriffen beschreibt, worum es bei der Messfeier der Diener, aber auch des heiligen Volkes Gottes geht: Um das Gedächtnis des heilbringenden Leidens, der Auferstehung von den Toten und der glorreichen Himmelfahrt Christi, der nun auf ewig zur Rechten des Vaters sitzt und im Glanz des himmlischen Jerusalem die Hochzeitsfeier mit seiner Kirche begeht. Einen Abglanz dieser Feier hat der Seher der Apokalypse eindrucksvoll beschrieben, und Künstler wie die Brüder van Eyck haben in ihrem Genter Altarbild versucht, einen Abglanz dieses Abglanzes wiederzugeben. Wer glaubt, dem Wesen dieser Feier mit der geschäftigen Nüchternheit einer Gemeindeversammlung, in einer aufgegebenen Fabrikhalle oder im nachempfundenen Elend einer Favela am besten gerecht werden zu können, hat einige wichtige Dinge nicht verstanden.

Auch ein Begriff von der überlieferten Liturgie, der diese am liebsten auf die „stille Messe“ reduzieren wollte, hätte Wesentliches nicht verstanden.

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