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Franziskus beendet das Experiment der Tradition?

Erste Überlegungen von Clemens Victor Oldendorf

Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., fasste wiederholt sein Anliegen formelhaft in der Bitte an die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. zusammen, das Experiment der Tradition machen zu dürfen. Als 2007 Papst Benedikt XVI. mit seinem Motuproprio Summorum Pontificum (SP) zugunsten der liturgischen Tradition initiativ wurde, schien es vielen auf den ersten Blick und auf der rein praktischen Ebene lange so, als habe der Theologenpapst, dem die Liturgie der Kirche stets ein eigenes Anliegen gewesen war und blieb, mit Summorum Pontificum dieses Experiment schlussendlich erlaubt und ermöglicht.

Wem die Freude darüber den Blick für eine strengtheoretische Auseinandersetzung mit dem damaligen Dokument nicht verstellte, dem freilich blieben von Anfang an verschiedene Schwachpunkte, Lücken und selbst Fallstricke nicht verborgen, die jetzt recht unkompliziert und ohne Benedikt XVI. zu widersprechen, dazu hätten führen können, die Freiheit für die überlieferte Römische Liturgie neuerlich rigide einzufrieden. Tatsächlich geht das am 16. Juli 2021 datierte und erschienene Motuproprio Traditionis Custodes (TC) aber noch weit darüber hinaus.

1. ) Während in SP der Ausgangspunkt der Prämisse der einen lex orandi des Ritus Romanus bestand, wovon das MR2002 (und in der Praxis auch die approbierten landessprachlichen Fassungen des MR1975) der ordentliche Ausdruck sein sollte und das MR1962 der außerordentliche (vgl. SP Art. 1), widerspricht dem TC unumwunden, indem es heißt, das Missale Pauls VI. in seiner geltenden Fassung sei der einzige Ausdruck des Römischen Ritus (vgl. TC Art. 1).

Hier rächt sich, dass Benedikt XVI. die Koexistenz zweier Formen eines Ritus dem Nebeneinander zweier Editiones typicae vorgezogen hat.

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Traditionis Custodes - die neue Atombombe

Von Peter Kwasniewski (übersetzt aus The Remnant vom 16. 7.)

Vor 76 Jahren, am 16. Juli 1945, wurde in einer leeren Wüste 210 Meilen südlich von Los Alamos in Neu Mexiko die erste Atombombe gezündet. Heute, am 16. Juli 2021 hat Papst Franziskus eine Atombombe auf die katholische Kirche abgeworfen. Sie wird nicht nur denen schaden, die „der lateinischen liturgischn Tradition anhängen“, sondern allen, die Kontinuität und Zusammenhang, Ehrfurcht und Schönheit, unser Erbe und unsere Zukunft lieben.

Als ich Traditionis Custodes heute morgen aufschlug, zog ich schon bei dem unerwarteten Titel die Augenbrauen hoch - Traditionis Perditores, Zerstörer der Tradition, wäre weitaus passender gewesen – und mit jedem Absatz nahm meine ungläubige Verwunderung zu. Als ich dann schließlich auch mit dem Begleitbrief fertig war, war ich tief in die ideologische Fantasy-Welt eingetaucht, in der Papst Franziskus und die anderen Feinde der überlieferten Liturgie der Kirche von heute wohnen. Es war, als ob ein junger George Orwell beauftragt worden wäre, diesen Text zu schreiben. Das Dokument trieft vor Herablassung und Herzlosigkeit und es ist entworfen wie ein Schweizer Armee-Messer, um den Bischöfen ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sie traditions-liebende Katholiken auf jede erdenkliche Weise piesacken und jagen können.

Und der Inhalt sollte sofort in Kraft treten, „alle früheren Vorschriften, Regelungen, Gewohnheiten und Genehmigungen sind hiermit aufgehoben“!

Es ist gerade so, als ob wir es beim Traditionalismus mit einer globalen Pandemie zu tun hätten, die um jeden Preis und mit allen Mitteln aufgehalten werden muß.

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Bewahrer oder Bewacher?

Bild: Buchillustration der Zeit‚Traditionis Custodes’ und der Lockdown für die Alte Messe

von Peter Stephan

„Traditionis custodes“ lautet der Titel des neuen Motu Proprio, mit dem Franziskus die Alte Messe de facto unter Quarantäne gestellt hat. Die Wortwahl ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. „Custos“ ist die lateinische Vokabel für Wächter. In seiner überwiegend positiven Bedeutung meint sie den „Hüter“ und „Bewahrer“, den „Schützer“ und „Schirmer“. In diesem Sinne ist Christus der „Hüter“ der menschlichen Seele, weshalb der Priester bei der Spendung des Altarsakraments die Worte spricht „Corpus Domini Jesu Christi custodiat animam tuam (Der Leib Christi beschütze deine Seele). Im weltlichen Bereich ist der Kustos der leitende Angestellte eines Museums, der für die Präsentation, aber auch für die sichere Aufbewahrung von Kunstwerken Sorge trägt. Wenn Franziskus in diesem Sinne die Bischöfe als „Hüter der Tradition“ bezeichnet, dies aber mit der Absicht verbindet, die Feier der Alten Messe so weit wie möglich einzuschränken, sie de facto in den Untergrund zu drängen, so ist der Titel des Motu Proprio an Heuchelei und Zynismus nicht zu überbieten. Dann bezeichnet sich jemand als Kustos, der die Altargemälde Alter Meister in die Rumpelkammern und Depots seines Museums verbannt, damit sie kaum jemand zu Gesicht bekommt – und um Platz zu schaffen, für Installationen einer modernistischen Event-Kunst, ganz gleich wie banal und gesichtslos diese ist.

Allerdings hat das Wort „custos“ noch eine zweite Bedeutung. Es kann auch den Wärter und Gefängnisaufseher bezeichnen. Mit diesem zweiten Sinngehalt erweist sich der Titel des Motu Proprio als selbstentlarvend. Die Tradition wird eingekerkert, die Gläubigen, welche die Messe in ihrer überlieferten Form feiern wollen, werden ausgesperrt. Der gregorianische Ritus wird einem Lockdown unterworfen, der vorgibt, Menschen zu schützen, sie in Wahrheit aber (gemäß seiner eigentlichen Bedeutung) „ausschließt“ (englisch „lock“ = Türschloss, Riegel). Vielleicht glauben die hohen Herren in Rom ja wirklich, die Anhänglichkeit an die Alte Messe sei eine Art Krankheit. Vielleicht fürchten sie sogar, der gregorianische Ritus wirke besonders ‚ansteckend’ und könne sich zu sehr verbreiten. Mit Sicherheit sehen sie in der Tradition eine Gefahr für ihr gegenwärtiges System.

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Jubel bei Deutschkatholens

Nicht nur die grenzenlose Verachtung der apostolischen Tradition - auch die ganze pervertierte „Ekklesiologie“ der neukatholischen Kirchensteuergemeinschaft wird in diesem Artikel in aller dankenswerten Deutlichkeit ausgeführt. Es lebe der Bruch mit der Vergangenheit - wir machen alles neu! Der Text ist Pflichtlektüre für jeden, der wissen will, mit welcher Mentalität die Bewahrer von Liturgie und Lehre der katholischen Kirche konfrontiert sind - die Zeit der (Selbst-)Täuschung ist vorbei.

Kommando rückwärts - 1971

Der Text des neuen Motu-Proprio ist veröffentlicht - hier die englische Version - und er erscheint uns noch hanebüchener, als zuvor von Pessimisten befürchtet - zumindest solange man einem päpstlichen Willkürakt, der um 180 Grad dreht, was der Vorgänger vor 15 Jahren in Anlehnung an die Tradition ebenso feierlich verkündet hat, irgendeine Verbindlichkeit zuerkennen will und kann. Wie zum Hohn trägt das Elaborat den Titel „Traditionis Custodes“ — klar, wenn die Tradition erst 1965 anfängt, ist das noch nicht mal gelogen.

Eine deutschsprachige Inhaltsangabe der 8 Punkte des Papiers ist in Vorbereitung und wird hier alsbald erscheinen, dazu dann Links zu ersten Stellungnahmen.

Die Einleitenden Abschnitte und deren rechtliche Haltbarkeit mögen die Kirchenrechtler beurteilen. Hier die einzelnen Punkte:

1) Die Bücher des NO sind der einzige Ausdruck der "Lex Orandi" des römischen Ritus

2) Es steht alleine dem Diözesanbischof zu, das liturgische Leben seiner Diözese zu bestimmen, und er hat die ausschließliche Zuständigkeit, den Gebrauch des Missales von 1962 zu erlauben.

3) Die Bischöfe, in deren Diözesen bis jetzt Gruppen mit der übelieferten Liturgie bestehen, sollen

a) sicherstellen, daß diese Gruppen Gültigkeit und Rechtmäßigkeit der Liturgiereform nicht bestreiten, wie sie vom 2. Vatikanum auferlegt worden ist;

b) einen oder mehrere Orte bestimmen, an denen sich die Anhänger der alten Liturgie zur Feier versammeln, jedoch nicht in Pfarrkirchen und ohne Errichtung neuer Personalpfarreien;

c) bestimmen, an welchen Tagen dort nach dem Buch von 1962 zelebriert werden kann. Dabei sind die Lesungen in der Volkssprache nach den von der jeweiligen Bischofskonferenz bestimmten Übersetzungen vorzutragen;

d) soll einen Priester als Beauftragten des Bischofs für diese Zelebrationen ernennen. Dieser Priester soll ... von lebendiger pastoraler Hingabe und dem Geist kirchlicher Einheit erfüllt sein;

e) soll keine Gründung neuer solcher Gruppen zulassen;

4) Priester, die ab jetzt geweiht werden, müssen eine formelle Bitte an den zuständigen Bischof richten, wenn sie nach dem Missale von 1962 zelebrieren wollen. Der Bischof muß in jedem Fall eine römische Genehmigung einholen.

5) Priester, die bereits nach dem Missale von 1962 zelebrieren, müssen vom Diözesanbischof die Erlaubnis erbitten, damit fortzufahren.

6) Die ehemaligen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften werden der Kompetenz der Ordenskongregation unterstellt.

7) Die Gottesdienstkongregation und die Ordenskongregation sind in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich dafür zuständig, die Einhaltung dieser Vorschriften sicherzustellen.

8) Vorhergehende Normen, Instruktion usw., die diesem entgegenstehen, sind ungültig.

Diese Verfügung tritt ab sofort in Kraft

(Liebevoll [Ergänzung des Übersetzers]) Franziskus

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Wie sein nun in einem beispiellosen Willkürakt "gecancelter" Vorgänger Benedikt hat Franziskus seinem Erlass einen Begleitbrief beigegeben, der hier in Englisch zu lesen ist. Ebenso wie das Motu Proprio selbst fällt an diesem Dokument die weitestgehende Abwesenheit theologischer Reflexion ins Auge - die Argumentation ist rein kirchen- und machtpolitisch. Soweit man hier überhaupt von „Argumenten“ sprechen kann, werden wir uns in den nächsten Wochen und Monaten damit zu beschäftigen haben. Die generelle Richtung ist bereits heute klar erkennbar: Als Kirche des zweiten Vatikanums soll das, und nur das gelten, was die Hermeneutiker des Bruches aus dessen Dokumenten herausgelesen und hineininterpretiert haben - allen, die etwas anderes sagen, ist unter dem Vorwand, die Einheit zu wahren, die Einheit aufgekündigt.

Hl. Athanasius, bitte für uns.

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Eine nichtamtliche, aber zweifellos sachkompetente Übersetzung des Motu Proprio durch den Kirchenrechtler Gero Weishaupt bringt kathnews.de.

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