„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
Themen und Meldungen:
Vom Reservat zum Zoo
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- 19. Juli 2021
„Unter der Überschrift „Von Summorum Pontificum zu Traditionis Custodes - Vom Reservat zum Zoo“ erschien heute (19. 7.) auf der Website der Priesterbruderschaft St. Pius X. eine ungezeichnete und somit zumindest halb-offizielle erste Stellungnahme der FSSPX zum neuen Motu Proprio. Der durchgängig satirische Ton der Stellungnahme – deren inhaltliche Aussagen wir weitgehend teilen können - erscheint uns an dieser Stelle und in dieser Sache wenig passend. Falls die Bruderschaft über ein „Wir haben es euch ja immer gesagt“ in Richtung auf eine konstruktive Bewältigung der die ganze Kirche in Mitleidenschaft ziehenden Krise hinausgehen möchte, muß da noch mehr und vor allem Substantielles und theologisch Fundiertes kommen. Derzeit ist der Text nur auf Französisch im Netz - Google translate ist als Notbehelf brauchbar. Und hier seit dem frühen Abend die deutsche Version.
Zur Ergänzung zwei deutschsprachige Artikel mit fundierterem Ansatz:
Peter Winnenmöller: Die Tradition wird sich zu wehren müssen: Papst Franziskus hat seiner Kirche einen schlechten Dienst erwiesen
Ein ungenannter Diözesanpriester: Ein Motu Proprio und bischöfliche Tollwut
Was wird aus den Gemeinschaften: Petrus, Christkönig, Bon Pasteur?
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- 19. Juli 2021
Die neuen Anordnungen von Franziskus zur Unterdrückung der überlieferten Liturgie – motu proprio und Begleitbrief zusammen genommen – enthalten nur einen einzigen inhaltlichen Schwerpunkt. Das ist die autoritative Feststellung in Artikel 1 des MP: Die liturgischen Bücher, die von den Heiligen Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils promulgiert wurden, sind der einzige Ausdruck der lex orandi des Römischen Ritus. Wie das im Einzelnen zu verstehen ist und was das rechtlich bedeutet, wird die entsprechenden Spezialisten noch eine Weile beschäftigen – was damit gewollt ist, liegt indes klar auf der Hand.
Eine der daraus vom Gesetzgeber abgeleiteten und gewollten Konsequenzen wird in den letzten Abschnitten des Begleitbriefes an die Bischöfe selbst ausgeführt. Dort heißt es am Ende des drittletzten Abschnittes: Es liegt vor allem an Ihnen, sich für eine Rückkehr zu einer einheitlichen Form der Feier einzusetzen, indem Sie von Fall zu Fall die Realität der Gruppen, die mit diesem [traditionellen] Missale Romanum feiern, überprüfen. Der folgende Abschnitt sagt dann: Die Hinweise, wie in den Diözesen zu verfahren ist, werden vor allem von zwei Prinzipien diktiert: einerseits, um für das Wohl derjenigen zu sorgen, die in der bisherigen Zelebrationsform verwurzelt sind und Zeit brauchen, um zum Römischen Ritus zurückzukehren, der von den Heiligen Paul VI. und Johannes Paul II. promulgiert wurde.
Das heißt: Das übergeordnete Prinzip für die aus pastoralen Gründen noch begrenzt gewährte Duldung der Verwendung eines nicht der aktuellen lex orandi entsprechenden Missales ist die (euphemistisch als Rückkehr bezeichnete) Hinführung der „Gruppen“ zum Missale von 1970. Tatsächlich erhalten die Bischöfe – denen nämlich mit diesem Motu Proprio keinesfalls die Autorität über die Liturgie in ihren Diözesen „zurückgegeben wird – den Auftrag, durch fallweise (also eher häufige) Kontrolle besagter „Gruppen“ sicherzustellen, daß diese sich tatsächlich auf dem rechten Weg zur alleine anerkannten lex orandi befinden.
Dabei ist es müßig, darüber nachzusinnen, ob mit den besagten „Gruppen“ auch die bestehenden Personalpfarreien oder die Apostolate der ehemaligen Ecclesia Dei-Gemeinschafften gemeint sind. Wo es nur eine einzige „lex orandi“ gibt, sind alle gemeint, und über die tatsächliche Bedeutung einer der vielfach (juristisch gesehen) unpräzisen Bestimmungen von MP und Begleitbrief entscheiden im konkreten Fall die Machtverhältnisse. Aus dieser betrüblichen Einsicht rührt die nach LaPorteLatin zitierte Feststellung des Oberen der französischen Petrusbruderschaft, es gehe jetzt nur noch darum, die „Sterbebegleitung“ für die letzten Gläubigen der überlieferten Liturgie zu übernehmen. (Quelle)
Damit sind wir bei einem Punkt von allergrößter Bedeutung – zu dem das MP in der für Franziskus typischen Ausdrucks- und Arbeitsweise „ex negativo“ kein Wort verliert: Was wird aus den Priestergemeinschaften, deren besonderes Charisma die Pflege der von Benedikt XVI. so bezeichneten „außerordentlichen Form des römischen Ritus“ ist?
Alcuin Reid: Es gibt keine Pflicht zum Selbstmord der Kirche
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- 19. Juli 2021
Dom Alcuin Reid, Prior der kleinen Benediktinergemeinschaft von Saint Benoit und Liturgiewissenschaftler, hat eine umfangreiche Erklärung zur Aufhebung von Summorum Pontificum veröffentlicht. Wir übersetzen daraus in Anlehnung an die Auswahl von New Liturgical Movement zunächst einige aktuell besonders aussagekräftig erscheinende Passagen:
Unser Heiliger Vater hat anscheinend entschieden, daß der usus antiquior des römischen Ritus in Zukunft keinen rechtmäßigen Platz mehr in der "Einheit in Verschiedenheit" des gottesdienstlichen Lebens der katholischen Kirche haben soll. Die Gründe, die er dafür anführt, sind tatsächlich schwerwiegend. Wo solche Abirrrungen vorliegen, müssen sie zu Recht korrigiert werden.
Es muß jedoch ganz klar gesagt werden, daß der usus antiquior des Römischen Ritus so, wie er in vielen, wenn nicht den meisten Gemeinden in aller Welt zelebriert wird, auf gar keine Weise gleichbedeutend mit den Irrtümern ist, die unser Heiliger Vater zu berichtigen versucht. Im Gegenteil ist es meine Erfahrung, die ich oft und in vielen Ländern machen durfte, daß es eine volle, bewußte, tatsächliche und fruchtbare Teilnahme (am Leben der Kirche) gibt, wo diese Riten gefeiert werden. Ich fordere alle, die das bezweifeln auf, solche Gemeinden zu besuchen und sich mit offenen Herzen und offenem Geist auf deren Leben einzulassen. Sie werden eine Wirklichkeit vorfinden, die von Glauben, Schönheit und Freude geprägt ist, und auf die die Väter des 2. Vatrikanischen Konzils (und insbesondere dessen Peritus und nachmaliger Papst) stolz sein können. Alle, die sich davon überzeugen wollen, lade ich ein, das hier als unsere Gäste zu tun.
In diesem Zusammenhang wirft der Befehl, die Reichtümer des usus antiquior aufzugeben – von denen Papst Benedikt in seinem Schreiben vom 7. 7. 2007 doch so überzeugend geschrieben hat – Widersprüche auf. In seiner Aussage: „Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein“ hat Papst Benedikt eine Wahrheit ausgesprochen, die dadurch, daß gerade einmal 14 Jahre vergangen sind, nicht weniger wahr wird.
Ein Sohn, der ungehorsam ist oder noch schlimmeres tut, wird wenn auch murrend den Tadel und die gerechte Strafe seines Vaters hinnehmen. Doch wenn ein Vater von seinem Sohn unter Berufung auf den Gehorsam brutal verlangt, sich auf der Stelle umzubringen, wird und muß er ihm zu Recht widerstehen. Und sollte ein erzürnter Vater nach einem Messer greifen, um seinem Sohn die Schlagadern durchzuschneiden, kann man ihm mit den Mitteln Widerstand leisten, die der drohenden Gefahr angemessen sind.
Bewahrer oder Bewacher?
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- 17. Juli 2021
‚Traditionis Custodes’ und der Lockdown für die Alte Messe
von Peter Stephan
„Traditionis custodes“ lautet der Titel des neuen Motu Proprio, mit dem Franziskus die Alte Messe de facto unter Quarantäne gestellt hat. Die Wortwahl ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. „Custos“ ist die lateinische Vokabel für Wächter. In seiner überwiegend positiven Bedeutung meint sie den „Hüter“ und „Bewahrer“, den „Schützer“ und „Schirmer“. In diesem Sinne ist Christus der „Hüter“ der menschlichen Seele, weshalb der Priester bei der Spendung des Altarsakraments die Worte spricht „Corpus Domini Jesu Christi custodiat animam tuam (Der Leib Christi beschütze deine Seele)“. Im weltlichen Bereich ist der Kustos der leitende Angestellte eines Museums, der für die Präsentation, aber auch für die sichere Aufbewahrung von Kunstwerken Sorge trägt. Wenn Franziskus in diesem Sinne die Bischöfe als „Hüter der Tradition“ bezeichnet, dies aber mit der Absicht verbindet, die Feier der Alten Messe so weit wie möglich einzuschränken, sie de facto in den Untergrund zu drängen, so ist der Titel des Motu Proprio an Heuchelei und Zynismus nicht zu überbieten. Dann bezeichnet sich jemand als Kustos, der die Altargemälde Alter Meister in die Rumpelkammern und Depots seines Museums verbannt, damit sie kaum jemand zu Gesicht bekommt – und um Platz zu schaffen, für Installationen einer modernistischen Event-Kunst, ganz gleich wie banal und gesichtslos diese ist.
Allerdings hat das Wort „custos“ noch eine zweite Bedeutung. Es kann auch den Wärter und Gefängnisaufseher bezeichnen. Mit diesem zweiten Sinngehalt erweist sich der Titel des Motu Proprio als selbstentlarvend. Die Tradition wird eingekerkert, die Gläubigen, welche die Messe in ihrer überlieferten Form feiern wollen, werden ausgesperrt. Der gregorianische Ritus wird einem Lockdown unterworfen, der vorgibt, Menschen zu schützen, sie in Wahrheit aber (gemäß seiner eigentlichen Bedeutung) „ausschließt“ (englisch „lock“ = Türschloss, Riegel). Vielleicht glauben die hohen Herren in Rom ja wirklich, die Anhänglichkeit an die Alte Messe sei eine Art Krankheit. Vielleicht fürchten sie sogar, der gregorianische Ritus wirke besonders ‚ansteckend’ und könne sich zu sehr verbreiten. Mit Sicherheit sehen sie in der Tradition eine Gefahr für ihr gegenwärtiges System.
Traditionis Custodes - die neue Atombombe
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- 17. Juli 2021
Von Peter Kwasniewski (übersetzt aus The Remnant vom 16. 7.)
Vor 76 Jahren, am 16. Juli 1945, wurde in einer leeren Wüste 210 Meilen südlich von Los Alamos in Neu Mexiko die erste Atombombe gezündet. Heute, am 16. Juli 2021 hat Papst Franziskus eine Atombombe auf die katholische Kirche abgeworfen. Sie wird nicht nur denen schaden, die „der lateinischen liturgischn Tradition anhängen“, sondern allen, die Kontinuität und Zusammenhang, Ehrfurcht und Schönheit, unser Erbe und unsere Zukunft lieben.
Als ich Traditionis Custodes heute morgen aufschlug, zog ich schon bei dem unerwarteten Titel die Augenbrauen hoch - Traditionis Perditores, Zerstörer der Tradition, wäre weitaus passender gewesen – und mit jedem Absatz nahm meine ungläubige Verwunderung zu. Als ich dann schließlich auch mit dem Begleitbrief fertig war, war ich tief in die ideologische Fantasy-Welt eingetaucht, in der Papst Franziskus und die anderen Feinde der überlieferten Liturgie der Kirche von heute wohnen. Es war, als ob ein junger George Orwell beauftragt worden wäre, diesen Text zu schreiben. Das Dokument trieft vor Herablassung und Herzlosigkeit und es ist entworfen wie ein Schweizer Armee-Messer, um den Bischöfen ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sie traditions-liebende Katholiken auf jede erdenkliche Weise piesacken und jagen können.
Und der Inhalt sollte sofort in Kraft treten, „alle früheren Vorschriften, Regelungen, Gewohnheiten und Genehmigungen sind hiermit aufgehoben“!
Es ist gerade so, als ob wir es beim Traditionalismus mit einer globalen Pandemie zu tun hätten, die um jeden Preis und mit allen Mitteln aufgehalten werden muß.
Franziskus beendet das Experiment der Tradition?
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- 17. Juli 2021
Erste Überlegungen von Clemens Victor Oldendorf
Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., fasste wiederholt sein Anliegen formelhaft in der Bitte an die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. zusammen, das Experiment der Tradition machen zu dürfen. Als 2007 Papst Benedikt XVI. mit seinem Motuproprio Summorum Pontificum (SP) zugunsten der liturgischen Tradition initiativ wurde, schien es vielen auf den ersten Blick und auf der rein praktischen Ebene lange so, als habe der Theologenpapst, dem die Liturgie der Kirche stets ein eigenes Anliegen gewesen war und blieb, mit Summorum Pontificum dieses Experiment schlussendlich erlaubt und ermöglicht.
Wem die Freude darüber den Blick für eine strengtheoretische Auseinandersetzung mit dem damaligen Dokument nicht verstellte, dem freilich blieben von Anfang an verschiedene Schwachpunkte, Lücken und selbst Fallstricke nicht verborgen, die jetzt recht unkompliziert und ohne Benedikt XVI. zu widersprechen, dazu hätten führen können, die Freiheit für die überlieferte Römische Liturgie neuerlich rigide einzufrieden. Tatsächlich geht das am 16. Juli 2021 datierte und erschienene Motuproprio Traditionis Custodes (TC) aber noch weit darüber hinaus.
1. ) Während in SP der Ausgangspunkt der Prämisse der einen lex orandi des Ritus Romanus bestand, wovon das MR2002 (und in der Praxis auch die approbierten landessprachlichen Fassungen des MR1975) der ordentliche Ausdruck sein sollte und das MR1962 der außerordentliche (vgl. SP Art. 1), widerspricht dem TC unumwunden, indem es heißt, das Missale Pauls VI. in seiner geltenden Fassung sei der einzige Ausdruck des Römischen Ritus (vgl. TC Art. 1).
Hier rächt sich, dass Benedikt XVI. die Koexistenz zweier Formen eines Ritus dem Nebeneinander zweier Editiones typicae vorgezogen hat.