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Wahrheit und Barmherzigkeit

Das vergangene halbe Jahr hat einige bemerkenswerte Entwicklungen hinsichtlich der rechtlichen Stellung der Priesterbruderschaft St. Pius gebracht. Auffälligstes Anzeichen war die Anerkennung der Bruderschaft als Einrichtung der katholischen Kirche durch den argentinischen Staat, die erst auf Intervention des damaligen Kardinals Bergoglio und später des Vatikans ermöglicht worden sein soll. Diese staatliche Anerkennung betrifft zwar lediglich den steuerlichen Status der Bruderschaft in Argentinien und ist kirchenrechtlich irrelevant. Aber die römische Intervention hat, soweit sie denn tatsächlich stattgefunden hat, zweifellos klimatische Auswirkungen auf die Position der Bruderschaft innerhalb der Kirche.

Andere klimatische Entwicklungen deuten genau in diese Richtung. Bereits im Dezember war S.E. Walter Kardinal Brandmüller bei einem inoffiziellen Besuch des Priesterseminars der FSSPX in Zaitzkofen auch mit Bischof Fellay zusammengetroffen. Thema des Gespräches war, unter anderem, die Lehrautorität des Zweiten Vatikanischen Konzils. Am 16. Januar hatte Weihbischof Schneider Das Seminar zum hl. Pfarrer von Ars in Flavigny besucht; am 11. Februar traf er sich im Seminar Thomas von Aquin in Winnona in den USA mit Bischof Fellay und weiteren Priestern der Bruderschaft. Bei diesen Treffen handelt es sich jedenfalls nicht nur um private Besuche. Wie die FSSPX mitteilte, sind diese Treffen eine Fortführung der „erweiterten und weniger Formellen Gespräche", auf die sich Bischof Fellay und Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation (und Präsident von Ecclesia Dei) im September 2014 verständigt hatten. Dann ist da die Einsetzung von Bischof Fellay als Richter erster Instanz für die Untersuchung eines Disziplinarfalls in der Bruderschaft. Damit erkennt der Vatikan ganz offiziell seine letzte Zuständigkeit für die Bruderschaft an und ebenso Bischof Fellay als deren zuständigen Oberen - und vermeidet es gleichzeitig, einen eigenen Beauftragten für die Angelegenheit einzusetzen. So geht Diplomatie, wenn man auf Kooperation und nicht auf Konflikt setzt.

Offenbar wird das diplomatische Spiel derzeit von beiden Seiten gepflegt. Bei der Gelegenheit einer Glockenweihe für die Kapelle einer Schule in Chateauroux gab Bischof Fellay Ende Juni ein Intervierw, in dem er den aktuellen Stand der Dinge zwar nicht überoptimistisch, aber doch überaus abgewogen und in konstruktivem Ton zusammenfasste. Sehr positiv wertete er die vom Präfekten der Gottesdienstkongregation Robert Kardinal Sarah ins Gespräch gebrachte Möglichkeit, die überlieferten Gebete des Offertoriums als Option in den Neuen Ritus aufzunehmen. Als großes aktuelles Problem bezeichnete er die Behandlung der Franziskaner der Immakulata durch die Ordenskongregation und den bisherigen Administrator – hier deutet sich durch die Neubesetzung der Position eine Entschärfung an. Gleichzeitig räumte er ein, daß es auch im Umfeld der Bruderschaft Scharfmacher gibt, die jeden Ausgleich blockieren. Namentlich erwähnte er die „Resistance“ des aus der FSSPX ausgeschlossenen Bischofs Williamson, der er unkatholisches Denken und sektiererisches Verhalten vorwarf. Ausdrücklich verwahrte sich Bischof Fellay gegen Versuche, der FSSPX eine Art Alleinvertretungsanspruch zur Rettung der Seelen zu unterstellen oder einen solchen in ihrem Namen erheben:

„In solchen Äußerungen kann ich mich nicht wiedererkennen. Festigkeit in der Lehre ist tatsächlich unabdingbar, denn der Glaube steht nicht zur Verhandlung. Der Glaube ist als ein Ganzes von Gott gegeben, und wir haben kein Recht, eines aus den offenbarten Wahrheiten auszuwählen und anderes abzulehnen. ... Der Missionar muß die Stimme des Glaubens auch außerhalb vernehmbar machen und gleichzeitig versuchen, die, die bereits glauben, im Glauben zu s tärken. Wir können uns nicht nur an die Gläubigen der Bruderschaft richten. Die Fackel erleuchtet die Welt, und das Licht des Glaubens scheint mit Wärme. Der Glaube muß von Nächstenliebe und Barmherzigkeit getragen werden – so sehe ich den Missionar.“

Zum Abschluß des Interviews gab Bischof Fellay seinen Lesern einen etwas orakelhaften Satz mit, den wir hier nur weitergeben, aber nicht interpretieren wollen: „Meiner Ansicht nach stehen wir am Vorabend bedeutender Ereignisse, die wir noch nicht genau beschreiben können. Ich möchte alle um ihr Gebet bitten und schließe mit dem Blick auf Gott, der uns immer Hoffnung gibt.“

Neuer Priester für die F.SS.R.

Am vergangenen Samstag, den 11. April wurde der bisherige Frater  Jean-Marie der Söhne des Allerheiligsten Erlösers (Transalpine Redemptoristen, F.SS.R.) in Christchurch, Neuseeland, zum Priester geweiht. Weihender Bischof war der emeritierte Bischof von Christchurch, S. E. Basil Meeking, der der überlieferten Liturgie seit langem freundschaftlich verbunden ist. Eine ausführliche Bilderstrecke von der Priesterweihe und von der Primiz des neuen Paters am 12. April gibt es auf dem Blog der Transalpinen Redemptoristen unter Ordination bzw. First Solemn Mass.

Hauptstützpunkt der F.SS.R. ist nach wie vor die im hohen Norden Großbritanniens liegende Orkney-Insel Papa Stronsey. Das Neuseeländische Apostalat dient auf Einladung des Ortsbischofs der Seelsorge für die ortsansässigen Katholiken, die sich der traditionellen Lehre und Liturgie verbunden sehen.

P. Volpi will nun doch eine Verhandlung

In einer unter dem Datum vom 18. Februar auf der Website der FFI veröffentlichten Erklärung zieht P. Fidenzio Volpi das von ihm zuvor erklärte Einverständnis zu einer vorgerichtlichen Einigung mit der Familie des FFI-Gründer Manelli zurück. Durch die aus dem Umfeld der Familie erfolgte Veröffentlichung des Inhalts bzw. Interpretation der Erklärung sieht er sich nun seinerseits verunglimpft und will eine gerichtliche Klärung herbeiführen. Die Kernsätze seiner Erklärung, die auf der FFI-Website auch in englischer Übersetzung veröffentlich ist, lauten:

Die Absicht des Autors (der auf Rorate Caeli publizierten Erklärung) liegt auf der Hand: Er will in euren Augen, liebe Mitbrüder, meinen Ruf und die mir übertragene Autorität herabsetzen.

Tatsächlich bin ich jedoch keines Vergehens für schuldig befunden worden und stehe auch nicht unter Anklage, auch habe ich niemals - weder vor Gericht, noch anderswo - eingeräumt, ein Vergehen begangen oder Verleumdungen und Lügen ausgesprochen zu haben.

Ich habe daher meine Anwälte beauftragt, gegen die Verantwortlichen eine Anklage wegen Verleumdung durch die Presse vorzubereiten und ich habe den Mitglieder der Familie Manelli mitteilen lassen, daß ich mich nicht länger an das am 12. Februar unterzeichnete Übereinkommen gebunden sehe, weil es durch schwerwiegendes Fehlverhalten auf der Gegenseite aufgekündigt worden ist.“

Mit der Frage, was diese offensichtlich von Rechtskundigen formulierte Erklärung nun exakt aussagt und was nicht, werden sich auch auf der anderen Seite Rechtskundige befassen müssen. Es wird wohl zu einem regelrechten Prozess kommen, und dessen Ende ist weder in haltlich noch vom Zeithorizonz her absehbar.

Unabhängig davon, was letztlich beim Gang durch die Instanzen herauskommt, scheint jedoch folgende Interpretation der Abläufe einleuchtend: Die Annahme des Schiedsspruchs der vorgerichtlichen Einigung, die eine Entschädigungszahlung von 20 000 Euro und eine öffentliche Ehrenerklärung für die Familie Manelli vorsah, wurde wohl nicht nur vom Autor der bei Rorate Caeli veröffentlichten Erklärung, sondern auch von vatikanischen Stellen als Schuldeingeständnis Volpis wahrgenommen - unabhängig davon, was die exakte juristische Auslegung nun hergibt oder nicht. Ein solches Eingeständnis kann keine Behörde, die an den in ihrem Auftrag vorgenommenen Verwaltungsakten festhalten will, hinnehmen. Also wurde dem Kommissar auferlegt, seine Anerkennung des (in den Augen seiner Vorgesetzten) zumindest missverständlichen Schiedsspruches zurückzunehmen und eine reguläre gerichtliche Klärung herbeizuführen.

Ob diese noch zu Lebzeiten der involvierten Personen erfolgt, bleibt abzuwarten.

P. Fidenzio Volpi in Beweisnot

Nach einer Mitteilung auf dem italienischen Blog chiesaepostconcilio hat ein italienisches Gericht den Päpstlichen Kommissar zur Verwaltung der Franziskaner der Immakulata, P. Fidenzio Volpi, dazu verurteilt, bestimmte gegen den Ordensgründer und dessen Familie erhobenen Anschuldigungen öffentlich zurückzunehmen, eine Entschuldigung auszusprechen und Schmerzensgeld in Höhe von 20 000 Euro zu zahlen. Nähere Informationen darüber, welches Gericht diesen Spruch gefällt hat und ob er bereits rechtskräftig geworden ist, liegen derzeit noch nicht vor. In englischer Sprache wird die Meldung auf roratecæli verbreitet - das ist auch unsere Quelle.

Die nun gemeldete Entscheidung bezieht sich darauf, daß Kommissar Volpi in einem am 8. Dezember 2013 veröffentlichten Schreiben als einen der wenigen konkreten Vorwürfe, die den FFI gemacht werden, folgende Behauptungen aufstellte:

Eine äußerst schwerwiegende Angelegenheit, die ich Ihnen erst jetzt offiziell zur Kenntnis gebe, ist die Übertragung des Eigentums an beweglichen Gütern und immobilien des Instituts an Laien (bezeichnet als die geistlichen Söhne und Töchter des Instituts, und an Mitglieder der Familie des Gründers, P. Stefano M. Manelli und in einigen Fällen auch an Eltern von Nonnen. Solche Manöver sind aus moralischer ebenso wie aus kanonischer Sicht in höchstem Maße unzulässig und haben auch Folgen im Bereich des Zivil.- und des Staatsrechtes. Sie erfolgten nach der Einsetzung des Apostolischen Kommissars und brachten damit die Absicht zum Ausdruck, die genannten Güter der Verfügung des Heiligen Stuhles zu entziehen. Diejenigen, die daran beteiligt oder solches zugelassen haben, haben schwere Schuld auf sich geladen und müssen, soweit es sich um Kleriker handelt, mit schweren kirchenrechtlichen Strafen rechnen. Ähnliche Vorgänge ereigneten sich in den Apostolats-Einrichtungen des Orden, dem Verlag und dem Fernsehen.“

Offenbar war Volpi nicht dazu in der Lage, diese Behauptungen vor dem weltlichen Gericht zu belegen. Er muß sie daher nun öffentlich zurücknehmen und der in ihrer Ehre geschädigten Familie eine Entschädigung zahlen.

Zur Sache selbst ist folgendes anzumerken: Die franziskanischen Gemeinschaften waren nach ihrer Regel und Tradition, der sich auch die FFI verpflichtet sehen, stets besitzlos. Noch in den 60er Jahren gehörten auch in Deutschland die Klöster, Kirchen und anderen Einrichtungen der Franziskaner nicht dem jeweiligen Konvent oder dem Orden, sondern meist örtlichen Freundeskreisen, die diese den Brüdern unentgeltlich zur Verfügung stellten. Das Modell ist nicht gänzlich unproblematisch, da es die „Besitzlosigkeit“ gelegentlich zu einem leeren Wort werden lässt und verschiedene Möglichkeiten des Missbrauchs eröffnet. Es ist jedoch in der Kirche seit Jahrhunderten gebräuchlich und wird auch von staatlichen Stellen (z.B. den Finanzbehörden) der meisten Länder nicht prinzipiell in Frage gestellt - selbst wenn Präzision der Buchführung und Vermögensverwaltung nicht immer den im heutigen Geschäftsleben üblichen Anforderungen entsprechen.

P. Fidenzio Volpi als Angehöriger einer Gemeinschaft der franziskanischen Familie hätte diese Verfahrensweise eigentlich kennen müssen - aber vielleicht ist diese ja bei den weitgehend verweltlichten Kapuzinern bereits seit Jahrzehnten außer Gebrauch gekommen. Jedenfalls scheint er bei seinem Amtsantritt schon sehr konkrete Vorstellungen über die Verwendung und Verwertung einzelner Liegenschaften der FFI insbesondere in Rom gehabt zu haben und war entsprechend erbost, als sich herausstellte, daß diese seinem und der Ordenskongregation Zugriff entzogen waren.

Das nun gemeldete Urteil, selbst wenn es noch nicht rechtskräftig sein sollte, bringt also jedenfalls den Gewinn, diese Seite der Auseinandersetzung um die FFI wieder ins Bewußtsein zu heben. Nun bleibt abzuwarten, ob und wie die Instanzen, die P. Volpi mit der Abwicklung der Franziskaner der Immakulata beuaftragt haben, auf diese Entwicklung reagieren.

Nachtrag 18. Februar: Der Spruch der Richter beruht auf einer dem Deutschen „Strafbefehl“ ähnlichen Einrichtung des Italienischen Rechts: Das Gericht stellt den Beklagten vor die Alternative, entweder die verlangte Buße zu akzeptieren oder sich in einer Hauptverhandlung zu verantworten. P. Volpi hat diesen Mediationsspruch - es handelt sich also um keine 'Verurteilung' - inzwischen akzeptiert. Irgendeine Reaktion vatikanischer Autoritäten auf diese bemerkenswerte Entwicklung ist noch nicht bekannt geworden.

Nichts Neues von den FFI

Am 8. Dezember 2013, eben an dem Tag, an dem der von Papst Franziskus eingesetzte Kommissar die Verfügung zur Auflösung des Priesterseminars der Franziskaner der Immakulata ausfertigte, machte einer der Seminaristen Filmaufnahmen zum Leben der Seminaristen. Sie sind jetzt - ergänzt durch weitere Aufnahmen aus Liturgie und Leben der FFI - über Rorate Cæli veröffentlicht worden. Die Bilder geben einen bemerkenswerten Eindruck in das Leben der Ordensgemeinschaft - unser Screenshot zeigt die Studenten bei der Vorlesung in offenbar ungeheizten Räumen. Die späte Veröffentlichung der Aufnahmen wird von Rorate Cæli mit dem Hinweis erklärt, es sei notwendig gewesen, die Verantwortlichen für die Aufnahmen vor Repressionen zu schützen.

Bis heute sind immer noch keine Gründe dafür bekannt gemacht worden, warum die FFI mit einer in der Kirche seit Jahrhunderten nicht bekannten Brutalität - es ist ihnen noch nicht einmal erlaubt, um Aufnahme in andere Gemeinschaften oder Ausscheiden aus dem Orden zu bitten - unterdrückt werden. Es ist auch gänzlich unklar, warum ausgerechnet ein Vertreter einer der im nachkonziliaren Winter am schlimmsten vor dem Zusammenbruch durch geistige und personelle Auszehrung stehenden reformierten Gemeinschaften dazu eingesetzt wurde, die FFI „auf Linie“ zu bringen - es sei denn, diese doppelte Auszehrung sei exakt das Programm der herrschenden Linie, deren Vertreter sich unter dem aktuellen Regiment anscheinend höchster Unterstützung gewiss zu sein glauben.

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