Rom - immer noch im Nebel
- Details
- 25. Februar 2017
Aus der 8. Woche
Zwei Gerüchte, die dieser Tage in Rom umlaufen, markieren zwei Extrempositionen dessen, was im gegenwärtigen Pontifikat als möglich gelten muss: Das erste Gerücht spricht von der die angeblich bevorstehenden Entlassung Kardinal Müllers als Präfekt der Glaubenskongregation und seiner Ersetzung durch den philippinischen Kardinal Tagle. Das zweite Gerücht, das gestern lauter wurde, handelt davon, daß die Piusbruderschaft Kirche und Gebäude Santa Maria Immacolata all‘Esquilino erworben habe, um dort den künftigen Sitz ihrer Personalprälatur einzurichten. Maria Immacolata all‘Esquilino ist der frühere Verwaltungssitz einer der vielen Ordensgemeinschaften, die nach dem 2. Vatikanum eingegangen sind; der geräumige Bau liegt etwa 1 km östlich von Maria Maggiore und 500 m nördlich des Lateran entfernt in einem Wohn- und Geschäftsviertel der Innenstadt.
Wie passt beides zusammen? Oder, wenn einem der Gedanke an die Absetzung Müllers unwahrscheinlicher vorkommen sollte als die Errichtung einer Personalprälatür für Pius: Warum sollten die gegenwärtigen Machthaber im Vatikan einerseits die überlieferte Lehre der Kirche nach Kräften in Zweifel ziehen und als Richtschnur für die Pastoral entwerten, und auf der anderen Seite der Piusbruderschaft als eines der stärksten Repräsentanten der Tradition einen regulären Status gewähren? Wobei freilich ein erster und keinesfalls bedeutungsloser Schritt dazu mit der Verlängerung der Beichterlaubnis für die FSSPX bereits erfolgt ist.
In der Gedankenwelt Bergoglios und seiner Umgebung gibt es mehr als eine Vorstellung, nach der das, wenn auch auf verdrehte, um nicht zu sagen „dialektische“ Weise, durchaus zusammen gehen kann.
Vor allem ist da die Vorstellung, die römische Kirche befinde sich, seit sie mit dem 2. Vatikanum die Fesseln der Vergangenheit abgestreift und sich der Modernisierung geöffnet habe, alles in allem in einem neuen Frühling der erfreulichsten Entwicklungen. Vielfältig, pluralistisch und inklusiv gehe es zu in dieser neuen Kirche, harmonisch einer trotz gewisser Unvollkommenheiten den gleichen Werten verpflichteten Welt zugewandt, und nur ein paar nostalgische Spielverderber hinderten sie an der vollen Entfaltung ihres Potentials. Leider wird man diese Spielverderber nicht so einfach los, hartnäckig weigern sie sich, auszusterben, und hier und da ziehen sie sogar junge Leute an. Da liegt der Gedanke nahe, auf der einen Seite – siehe Franziskaner der Immakulata - klare Kante zu zeigen, auf der anderen Seite aber die nicht fortschrittsfähigen Elemente, wenn man sie schon nicht kurzfristig herausdrängen kann, auf ihrer eigenen Spielweise zu konzentrieren, damit auch leichter zu kontrollieren und nach Möglichkeit zu isolieren.
Weihen bei der Piusbruderschaft
- Details
- 08. Februar 2017
Am 2. und am 6. Februar konnte die Piusbruderschaft zahlreiche Studenten neu in die Reihen ihrer Anwärter aufnehmen bzw. Seminaristen durch die Erteilung von niederen Weihen auf den Stufen ihres Weges zum Priestertum begleiten und unterstützen.
Im neuen amerikanischen Seminar des hl. Thomas in Virginia wurden am Fest Mariä Lichtmeß 17 Seminaristen eingekleidet. Ein schöner Jahrgang also, und wir hoffen und beten, daß möglichst viele von Ihnen auch das Ende des damit eingeschlagenen Weges erreichen. Sieben Kandidaten wurden durch die Erteilung der Tonsur entsprechend dem Verständnis der Bruderschaft in den Klerikerstand aufgenommen. Nach dem seit 1983 geltenden Kirchenrecht erfolgt diese Aufnahme allerdings erst mit der Weihe zum Diakon. Bischof de Mallerais, der die Zeremonien vornahm, betonte in seiner Predigt, daß es sich bei der Erteilung der Tonsur ebenso wie bei den niederen Weihen um Sakramentalien handelt, die nicht bloß symbolischen Charakter haben, sondern als wirkungsmächtige Zeichen die Seminaristen stärken und fördern:
Papst Paul VI. hat seinerzeit die Tonsur in der Annahme „ageschafft“, daß sie „altmodisch“ sei und nicht länger in unsere Zeit passe. Im Ergebnis sind moderne Seminaristen in der nachkonziliaren Kirche bloß Laien, die Theologie studieren, bis sie zum Ende ihrer Priesterausbildung zu Diakonen geweiht werden; sie sind einfach Studenten und nicht mehr. Unsere Seminaristen haben demgegenüber die tröstliche Gewissheit, daß sie nicht nur Theologiestudenten sind, sondern Angehörige des katholischen Klerus mit einer von der Kirche selbst erteilten Ausrichtung auf das Priestertum.
Ebenfalls am 2. Februar begannen die entsprechenden Zeremonien im europäischen Seminar der Bruderschaft im bayrischen Zaitzkofen. Dort wurden insgesamt sieben junge Männer (drei Deutsche, ein Schweizer, ein Pole, ein Belgier, ein Ungar) durch die Einkleidung in die Reihe der Anwärter für die Bruderschaft aufgenommen; sechs weiteren aus dem 2. Studienjahr wurden durch die Erteilung der Tonsur in die Reihen der Kleriker der Bruderschaft aufgenommen.
Am 6. Februar wurden dann in Zaitzkofen von Bischof Galarreta niedere Weihen gespendet. Der Bischof erteilte zunächst den 6 Seminaristen des 3. Jahrgangs (drei Deutsche, ein Österreicher, ein Tscheche und ein Pole) die Weihen des Ostiariers (Türhüter, Sakristan) und des Lektors. Anschließend wurden vier Seminaristen des 4. und 5. Jahrganges (ein Deutscher, ein Österreicher, ein Pole und ein Franzose) zu Exorzisten und des Akolythen geweiht. Damit haben sie die letzte Stufe vor dem Subdiakonat erreicht und übernehmen die Pflichten des Zölibats sowie des Breviergebets und weihen sich ausschließlich dem Dienst Gottes.
Nachtrag zum Nachtrag
- Details
- 30. Januar 2017
Gestern gaben wir der Vermutung Ausdruck, angesichts der brutalen Machtausübung des Papstes gegenüber den seinem Zugriff unterworfenen Personen und Organisationen werde man vom Thema „Rückkehr der Piusbnruderschaft in die volle Einheit mit dem Päpstlichen Stuhl“ wohl so schnell nichts mehr hören.
Nun, zumindest was das Hören bzw. Lesen betrifft, haben wir uns geirrt. Schon einen Tag später - die Halbwertszeiten von Gewißheiten werden immer kürzer - lesen wir von einem Interview Bischof Fellays von der Piusbruderschaft, in dem der Bischof dahingehend zitiert wird, daß an einem Abkommen nur noch wenig mehr als Unterschrift und Siegel fehlen würde (Quelle). Gleichzeitig läßt die päpstliche Kommission Ecclesia Dei verlauten „Wir arbeiten derzeit gerade an der Fertigstellung einiger Aspekte des kanonischen Rahmens für die künftige Personalprelatur“ (Quelle).
Wir sind gespannt auf die Nachrichten von morgen und vor allem auf die Fakten von übermorgen: Werden sie Meldungen von heute zu fake news machen oder werden sie sich selbst nach einiger Zeit als wenig mehr erweisen denn als diplomatische Gesten, als Versuche, zu retten, was nicht mehr zu retten ist?
Wahrhaft ein Pontifikat der Überraschungen - und fast alle davon waren übel.
Zusammenfassende Berichte über den aktuellen Stand der Krise um den Malteserorden finden sich von Giuseppe Nardi auf katholisches.info und von Julius Müller-Meiningen auf Zeit-Online.
Nachtrag und Abgesang
- Details
- 29. Januar 2017
Auf seiner Zusammenkunft am Samstag hat das Generalkapitel des Malteserordens die von Papst Franziskus bereits getroffenen Maßnahmen akzeptiert: Die Suspendierung des Großkanzlers von Boeselager, der wegen der Hinnahme von Aktionen zur Kondomverteilung in Krisengebieten in die Kritik geraten war, wird zurückgenommen. Der Rücktritt des vom Papst zum Amtsverzicht gedrängten Großmeisters (er war quasi der „Staatspräsident“ des souveränen Ordens) wird akzeptiert, ebenso die Einsetzung eines päpstlichen „Delegaten“, unter dessen Aufsicht eine spirituelle Neuausrichtung erfolgen soll. Die Souveränität des Ordens „hinsichtlich der Beziehungen zu den Botschaftern ausländischer Mächte“ wird unterstrichen. Ausdrücklich
dankt das Generalkapitel Papst Franziskus und Kardinalstaatssekretär Parolin für Ihr Interesse an und ihre Fürsorge für den Orden. Der Orden weiß es zu schätzen, daß alle Entscheidungen des Papstes unter Beachtung und Respekt für den Orden getroffen wurden, um dessen Souveränitt zu stärken“ (Quelle).
Einige Einzelheiten der insgesamt äußerst unappetitlichen Affäre sind in der laufenden Berichterstattung und Kommentierung auf Rorate Cæli nachzulesen. Andere, insbesondere hinsichtlich der Rolle, die deutsches Geld und deutsche Theologie bei der Gleichschaltung des traditionsreichen Ordens gespielt haben, werden wohl erst von zukünftigen Historikern aufgeklärt werden können – wenn überhaupt.
Beendet ist die traurige Angelegenheit mit den Entscheidungen der vergangenen Woche wohl kaum. Katholisch.de als Sprachrohr des Deutschen Katholizismus spricht bereits offen die Erwartung aus, die Krise könne nun „zu einer Causa Burke werden“ - schließlich hatte Papst Franziskus den amerikanischen Kardinal nach seiner Entlassung als oberster Richter der Kirche in die Position eines „Kardinalpatrons“ des Malteserordens abgeschoben.
Eine solche Ausweitung der Affäre ist jedenfalls nicht auszuschließen, wird jedoch den Kardinal selbst nur wenig berühren. Kardinal Burke hat bereits öffentlich erklärt, daß sein Glaube, seine Auslegung des Kirchenrecht und seine Entscheidungen nicht davon abhängen, welche Ämter und Titel ihm verliehen oder entzogen werden könnten.
Auswirkungen sind dagegen zu erwarten auf die bereits seit einiger Zeit in der Schwebe verharrenden Gespräche über eine Rückkehr der Piusbruderschaft in die volle Einheit mit dem päpstlichen Stuhl. Nachdem Franziskus und die ihn umgebenden Kreise nun bereits mehrfach demonstriert haben, mit welcher Brutalität sie gegen alle materiell oder geistlich Abhängigen vorgehen, die sich ihren revolutionären Bestrebungen nicht unterwerfen, werden wir von diesem Thema in der näheren Zukunft wohl nichts mehr hören.
Kirche in der Grauzone
- Details
- 22. November 2016
Die am gestrigen Montag erfolgte Veröffentlichung von Misericordia et misera (Text hier) blieb ohne die von einigen erhofften, von anderen befürchteten sensationellen Verfügungen zur Priesterbruderschaft Pius X. Auf die Bruderschaft bezieht sich genau ein Absatz, in dem es heißt:
Im Jubiläumsjahr hatte ich den Gläubigen, die aus verschiedenen Gründen die von den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. betreuten Kirchen besuchen, gewährt, gültig und erlaubt die sakramentale Lossprechung ihrer Sünden zu empfangen.15 Für das pastorale Wohl dieser Gläubigen und im Vertrauen auf den guten Willen ihrer Priester, dass mit der Hilfe Gottes die volle Gemeinschaft in der Katholischen Kirche wiedererlangt werden kann, setze ich aus eigenem Entschluss fest, diese Vollmacht über den Zeitraum des Jubeljahres hinaus auszudehnen, bis diesbezüglich neue Verfügungen ergehen.
Das kann man fast ohne Einschränkung begrüßen. Die Bestimmung löst die Zweifel, denen sich manche Mitglieder von Bruderschafts-Gemeinden oder Besucher ihrer Gottesdienste bisher ausgesetzt gesehen haben mögen. Und sie entzieht jedem dummen Geschwätz von den „schismatischen Piusbrüdern“ den Boden. Die Bruderschaft hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie den Papst trotz Kritik an einzelnen Maßnahmen als Papst anerkennt – und der Papst hat spätestens mit dieser Anordnung klargestellt, daß er die Bruderschaft als einen Teil der Kirchenstruktur betrachtet, in dem er etwas anzuordnen hat. Wenn es nach der Logik geht, sollte sich damit auch die Annahme erübrigt haben, die Priester von Pius seinen zwar gültig geweiht, aber automatisch suspendiert und daher von der Ausübung priesterlicher Funktionen ausgeschlossen.
Fast ohne Einschränkung – denn da bleibt eine Grauzone. Die Erklärung zu Beginn des „Jahres der Barmherzigkeit“ hatte noch sehr gewunden nur von einer „Gewährung“ für die Gläubigen gesprochen, ohne die Priester als Spender des Sakraments selbst zu benennen. Jetzt ist ausdrücklich von einer ihnen gewährten Vollmacht die Rede – das hellt die Grauzone zumindest etwas auf, und das ist nur zu begrüßen.
Damit ist klar, daß die Bruderschaft und ihre Priester für Rom offiziell zur verfassten Kirche gehöen, nicht nur zur „Gemeinschaft der Getauften“ oder was dergleichen Formeln mehr sind. Gleichzeitig bleibt es offensichtlich dabei, daß diese Zugehörigkeit nicht in allem den üblichen Regularien entspricht – um nicht gleich zu sagen: irregulär ist. Das mag aus der Sicht dieses Pontifikats, in dem Regularien weniger gelten, nicht so erheblich sein, bleibt aber bis auf weiteres Streitpunkt und Reibungsfläche für Auseinandersetzungen. Auf lokaler Ebene sowieso, wo die Tätigkeit der Bruderschaft in den Diözesen nach wie vor ungeregelt und oft konfliktbehaftet ist. Aber auch auf gesamtkirchlicher Ebene, was sich spätestens dann manifestieren wird, wenn die Bruderschaft eines nicht allzu fernen Tages einen oder mehrere neue Bischöfe benötigt und Rom wie schon einmal keine Anstalten machen sollte, dieser Notwendigkeit zu entsprechen. Soll dann erneut ein vielleicht wieder 40-jähriger Zyklus von Exkommunikation und schrittweiser Wiederannäherung einsetzen?
In den Gesprächen mit China zeigt dieses Pontifikat – wie zu Zeiten des Stalinismus schon seine Vorgänger – eine gewisse Bereitschaft, Grauzonen auch in der zentralen Strukturfrage von Bischofsernennung hinzunehmen. Das ist kritikwürdig, aber vielleicht auch unumgänglich. Mag sein, daß sich die Piusbruderschaft auf unabsehbare Dauer in einer solchen Grauzone einrichten muß, bis die Kirche eines Tages einmal wieder zu der Kraft und Klarheit zurückfindet, die als einzige ihrem göttlichen Wesen angemessen sind.