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Der Stand der Dinge

Jack o' lantern - Bild WikimediaIn diesen Tagen bereiten in vielen Pfarreien wieder Pastoralreferenten und Pfarrhelferinnen die Halloween-Fete vor, die am Ende des Monats im Pfarrheim Herz-Jesu oder wie auch immer unsere gläubigen Vorfahren das nannten stattfinden soll.

Ein passendes Bild für den Stand der Dinge rund um die Kirche in den „Ländern deutscher Zunge“, wie es manchmal so schön heißt. Dieser Stand wird gegenwärtig gekennzeichnet durch ein Superthema und einen Superstar, vor dem die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition, Dollarkrise und Flüchtlingselend gleichermaßen verblassen: Deutschland jagt den Skandalbischof.

Verblasst ist davor auch ein Detail von der letzten Herbsttagung der deutschen Bischofskonferenz, nämlich die Beerdigung dritter Klasse für die seit einem Jahrzehnt vorbereitete Neuübersetzung des deutschen Messbuchs, die nach einer Entscheidung von Papst Benedikt auch die korrekte Übersetzung der Wandlungsworte enthalten sollte. Im April 2012 hatten wir geschrieben, der Streit um das „pro multis“ sei nun beendet. Das war voreilig: Der Streit um modernistische Neuerungen ist immer erst dann beendet, wenn die Kirchenverderber sich durchgesetzt haben. Voller Genugtuung kann Christ in der Gegenwart-Redakteur Stephan U. Neumann in der Oktober-Ausgabe des Blattes feststellen, daß sich das Warten auf den neuen Papst gelohnt hat: Schon seit längerem hätte man sich in Österreich

...für eine ‚Entschleunigung‘ aus(gesprochen), um die ungeliebte Übersetzung gemäß der Richtlinien von „Liturgiam authenticam“ auf die lange Bank zu schieben und um kirchenpolitisch auf Zeiten zu hoffen, die eine sprachlich bessere Übersetzung in der Volkssprache zulassen. Auf diesen Kurs sind nun wohl auch die deutschen Bischöfe eingeschwenkt.“ Und weiter: Der Kommission Ecclesia celebrans dürfte damit ihr einziger Auftrag entzogen sein. Offiziell aufgelöst ist sie damit noch nicht, weil sie von der vatikanischen Gottesdienst-Kongregation eingesetzt worden war. Es ist jedoch fraglich, wie weit deren Weisungsautorität noch reicht.“

Ach ja, römische Weisungsautorität“ - womit wir uns wieder dem Skandalbischof Tebartz van Elst“ nähern. Der Fall Wagner hat gezeigt, daß „in den Ländern deutscher Zunge“ niemand gegen den von der Progressistenfronde konzertierten Widerstand der Medien Bischof werden kann. Der nun auf die Entscheidung zutreibende Fall Tebartz demonstriert nach Haas und Mixa ein weiteres Mal, daß auch niemand gegen den von eben dieser Fronde instrumentalisierten Chor der Medienmeute Bischof bleiben kann. Die höchste Autorität“ übersiedelt in die Redaktionen. Nun kann man nur noch darauf warten, in welcher Form Rom das von dieser höchsten Autorität längst gefällte Urteil exekutieren wird.

Soweit es um die Vermeidung überflüssiger Kosten geht, könnte man sich da schon eine Variante vorstellen. In den finsteren Zeiten vor DEM Konzil besuchten in Deutschland allsonntäglich etwa 12 Millionen Katholiken die hl. Messe - heute sind es weniger als 3 Millionen (Quelle). Die Zahl der Mitarbeiter in den kirchlichen Verwaltungen im Allgemeinen und in den Ordinariaten insbesondere ist demgegenüber sprunghaft angestiegen - in mancher Diözesanverwaltung gibt es heute mehr Dezernate und Abteilungen, als 1960 Mitarbeiter. Wie passt das zusammen? Braucht das Diözesane Zentrum auf dem Limburger Domberg wirklich einen neuen Bewohner, der dann wieder für teures Geld das Badezimmer umbauen lassen müsste? Braucht Limburg überhaupt einen Bischof - der nach Lage der Dinge doch nur einer von des Zeitgeists und der Hauptamtlichen-Kamarilla Gnaden sein könnte? Wieviele Bistümer braucht das erfolgreich entchristlichte Land?

Was sonst noch wichtig ist

Erzbischof Pozzo legt einem der Kandidaten die Hände auf.Manchmal haben wir tagelang wenig zu berichten - und dann überstürzen sich die meldenswerten Ereignisse. Also fassen wir zusammen:

Priesterweihe in SS. Trinità dei Pellegrini

Wie angekündigt, hat Erzbischof Pozzo am vergangenen Samstag in der römischen Pfarrkirche der Petrusbruderschaft 3 Männern die Priesterweihe nach dem überlieferten Ritus gespendet – einem italienischen Mitglied der Bruderschaft und zwei Mitgliedern der Söhne des Allerheiligsten Erlösers, aka Transalpinen Redemptoristen. Das waren die ersten Weihen, die Mitglieder dieser Gemeinschaft nach ihrer Rückkehr in die volle Einheit mit dem Papst empfangen konnten. Die Website der Transalpinen Redemptoristen hat einen ausführlichen Bildbericht.

Überlieferte und reformierte Liturgie in der Praxis

Die Gestaltung des Verhältnisses der beiden Formen der Liturgie des römischen Ritus bewegt alle, denen die Reform der Reform, die Wiederannäherung der liturgischen Praxis der Kirche an ihre historischen und spirituellen Wurzeln, am Herzen liegt. Die damit angesprochenen Fragen stellen sich ja nicht nur in nachgerade dramatischer Form in einer programmatisch birituellen Pfarrei wie All Saints in Minneapolis. Sie treten in der einen oder anderen Form überall da auf, wo Gläubige nicht ausschließlich an der Liturgie in der überlieferten Form teilnehmen können (oder wollen) bzw. wo sie erst noch darum ringen müssen, überhaupt Zugang zur überlieferten Form zu erhalten.

Anhand eines für sich gesehen nicht besonders ergiebigen Beitrags auf Fr. Zuhlsdorfs WDTPRS hat sich nun eine Diskussion entwickelt, in deren Rahmen die hier auftretenden Probleme in beispielhafter Fülle und – besonders wichtig – unter überwiegend praktischen Gesichtspunkten angesprochen werden. Sehr lesens- und bedenkenswert. Also nicht nur oder erst in zweiter Linie der Ausgangsartikel, sondern insbesondere die folgenden Leserzuschriften.

Die Entmännlichung der Liturgie in der neuen Form

Unter diesem Titel behandelt auf Rorate Cæli der Diözesanpriester Richard G. Cipolla die bemerkenswerte Entwicklung, die aus dem hl. Messopfer der streitenden Kirche weithin eine Wohlfühlveranstaltung mit Anklängen an Kindergartenpädagogik gemacht hat. Er schreibt ausdrücklich nicht: „Verweiblichung“ - denn seit wann hätten Katholiken etwas gegen das Prinzip der Weiblichkeit. Aber er zeichnet nach, daß und wie sehr die reformierte Liturgie von einem Zeitgeist geprägt ist, der alles Männliche ablehnt und durch verabsolutierte und verzerrte Formen einer neu definierten Weiblichkeit zu ersetzen versucht.

Als Ausgangspunkt nimmt Cipolla dabei das bekannte Diktum des britischen Kardinals Heenan, der 1967 nach der „Vorführungszelebration“ der „missa normativa“, die später zur neuen Messe Pauls VI. wurde, gesagt hatte: "Bei uns zu Hause besuchen nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch Familienväter und junge Männer regelmäßig die hl. Messe. Wenn wir ihnen so etwas anbieten wie das, was wir gestern gesehen haben, bleiben uns bald nur noch die Frauen und Kinder."

Trotz einiger möglicherweise etwas überspitzten Gedankenführungen eine höchst empfehlenswerte Lektüre.

Liturgie-Ingenieure am Werk

Unbeeindruckt vom faktischen Zusammenbruch des liturgischen Zusammenhaltes im Gefolge der Durchsetzung des Novus Ordo gehen die vatikanischen Verwalter der reformierten Liturgie ihrem aufreibenden Tagewerk nach: Mit der Applikation eines Flicken hier und eines Schnörkels dort die Fiktion zu erhalten, die römische Kirche verfüge über eine zumindest im Rahmen einheitliche Liturgie, und dieser Rahmen werde in Rom vorgegeben.

Nachdem bereits 2008 die bis dahin gebrauchten Formeln für die Entlassung der Gläubigen (am meisten verwandt nach wie vor „Ite, missa est“) durch teilweise neu konzipierte ersetzt worden waren, hat die zuständige Kongregation für den Gottesdienst sich jetzt einer weiteren Baustelle zugewandt und entschlossen gehandelt: Obwohl bereits 1962 der Hl. Joseph in die Liste der im Hochgebet angerufenen Heiligen aufgenommen wurde, war diese Maßnahme zwar im römischen Kanon der überlieferten Liturgie und dem entsprechenden „Ersten Hochgebet“ des Novus Ordo umgesetzt worden, nicht jedoch in den 1969 gleichzeitig promulgierten Hochgebeten 2 - 4.

Unter Datum vom gestrigen Tage veröffentlichte die Kongregation nun ein Dekret, mit dem diesem Versäumnis nach 44 Jahren ernsten Bemühens abgeholfen werden soll. Welche Bedeutung die Kongregation dieser Maßnahme beimisst, wird man daran ermessen können, daß das Dekret gleichzeitig in den Sprachen Latein, Italienisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Portugiesisch und Polnisch veröffentlich wurde. Das Motu Proprio „Summorum Pontificum“ dagegen ist auf der Website des Vatikans nach wie vor nur in Latein und Ungarisch einsehbar - man muß eben Prioritäten setzen.

In den angelsächsischen Ländern, wo gerade vor einem Jahr mit großem materiellem Aufwand und teilweise auch emotionalen Erschütterungen ein neues Missale mit einer treueren Übersetzung eingeführt wurde, hat die neue Verfügung ein gemischtes Echo gefunden. Da die in der Vergangenheit übliche Praxis, Änderungen im Missale durch Einlegeblätter oder Marginalien umzusetzen, inzwischen vielfach abgelehnt wird, befürchtet man, eher früher als später neue Bücher anschaffen zu müssen.

Aus Deutschland, wo die Neuauflage des „Gotteslobes“ mit wesentlichen Teilen des Missales teilweise bereits gedruckt ist und im Dezember eingeführt werden soll, sind noch keine Reaktionen bekannt geworden. Da Dekrete der Gottesdienstkongregation hierzulande oft ignoriert werden, ist mit einer solchen Reaktion vielleicht auch gar nicht zu rechnen - zumal jüngste Entwicklungen am Sitz des Bischofs von Rom eine deutliche Abwertung des Gewichtes der Kongregationen und der Verbindlichkeit ihrer Entscheidungen erwarten lassen.

Warum die „Reform der Reform“ dringlich ist

Von einer „Reform der Reform“ ist derzeit keine Rede mehr - selbst klein erscheinende Verbesserungen wie die allgemeine Übersetzzung des „pro multis“ mit „für viele“ erfordern Jahrzehnte und das persönliche Eingreifen des Papstes.

Der heutige Christkönnigssonntag bietet gleich ein doppeltes Beispiel dafür, warum die „Reform“ von 1969 keinen Bestand haben kann, wenn die Liturgie wieder Kraft und Stärke gewinnen soll, den Glauben der Kirche in seiner ganzen Fülle auszudrücken.

Da ist einmal das Problem des Kalenders. Das erst 1925 zum Abschluß des Jubeljahres eingeführte Christkönigsfest fällt nach dem alten Kalender auf den letzten Sonntag im Oktober. Das ist ein hervorgehobenes, aber nicht ein „herausgehobenes“ Datum. Der moderne Kalender legt es hinter den letzten „Sonntag im Jahreskreis“ an das Ende des Kirchenjahres und deutet dadurch an, Christi Königsherrschaft aus der Zeit herauszuheben, quasi auf das Ende der Zeiten aufzuschieben, dieweil die Welt bis dahin ihren Geschäften nachgeht.

Ebenso gravierend ist die Veränderung des Textes der früheren Secreta, die jetzt in amputierter Form als Gabengebet bzw. im deutschen Messbuch als Tagesgebet auftaucht. Die ältere Liturgie schrieb:

Hostiam tibi Domine, humanæ reconciliationis offerimus: præsta, quæsumus, ut quem sacrificiis præsentibus immolamus, ipse cunctis gentibuis unitatis et pacis dona concedat, Jesus Christus, Filius tuus, dominus noster.

Korrekte Übersetzung im alten Schott:

O Herr, wir bieten Dir dar die Opfergabe zur Versöhnung der Menschheit und bitten Dich: gib, daß Er, den wir bei dieser heiligen Handlung opfern, allen Völkern die Gabe der Einheit und den Frieden gewähre, Jesus Christus Dein Sohn, unser Herr.

Die neue Fassung läßt ausgerechnet den Nebensatz: „quem sacrificiis præsentibus immolamus“ weg und verschweigt damit die seit frühester Zeit geglaubte und auf dem Konzil von Trient dogmatisch bekräftigte Wahrheit, daß Die Kirche im Messopfer dem Göttlichen Vater seinen Sohn erneut zum Opfer darbietet.

Bemerkenswerter Weise hat das deutsche Missale von 1970 an dieser Stelle eine über das Wörtliche hinausgehende interpretierende Übersetzung, die zumindest einen Teil des ursprünglichen Inhalts bewahrt. Sie formuliert als einleitenden Satz::

Herr, unser Gott, wir bringen das Opfer deines Sohnes dar, das die Menschheit mit Dir versöhnt...

In anderen Fällen „übersetzerischer Freiheit“ müssen wir meistens feststellen, daß die deutsche Fassung die lateinische Vorlage abschwächt. Hier ist es also einmal umgekehrt. In jedem Fall sind solche Diskrepanzen jedoch ein Indiz dafür, daß eine „Reform der Reform“ nach wie vor auf die Tagesordnung gehört.

Neues zur lehrmäßigen Präambel?

Nach Auskunft von P. Schmidberger war der revidierte Text der „lehrmäßigen Präambel“ in der Fassung vom 13. Juni für die Piusbruderschaft nicht annehmbar und damit der Grund für die seitdem andauernde Unterbrechung der Gespräche mit der Glaubenskongregation. Clemens Victor Oldendorf hat den von P. Schmidberger in seiner Kommentierung des Vorgangs verwandten Ausdruck „Liceität“ eingehend untersucht und daran bemerkenswerte Überlegungen geknüpft. Wir zitieren einige Kernaussagen:

Der Wortlaut der Präambel war bis jetzt immer streng geheim, und er ist es noch. Doch in dem im Deutschen sehr ungebräuchlichen, ja gestelzten Wort „Lizeität“, das Schmidberger anführt, schimmert offenbar erstmals der lateinische Originaltext durch. Deswegen ist die Aussage für uns interessant. In der Präambel heißt es offensichtlich, die Piusbruderschaft müsse die liceitas der nachkonziliaren Liturgiereform und vermutlich konkret der liturgischen Feiern, die nach den neuen liturgischen Büchern vollzogen werden, anerkennen. (...)

Liceitas ist ein sehr schwacher Begriff. Man müsste den Kontext kennen, aber er könnte beispielsweise bloß bedeuten, dass die Piusbruderschaft angesichts der Tatsache, dass im Augenblick der Großteil der Lateinischen Kirche nicht die liturgischen Bücher von 1962 benutzt, denjenigen, die sich gewissenhaft an die Vorgaben der neuen liturgischen Bücher halten, nicht vorwerfen dürfte, etwas Unerlaubtes zu tun. Das bedeutet nicht, dass die Bruderschaft zu Praktiken schweigen müsste, die auch gemäß den Vorschriften der neuen liturgischen Bücher Verstöße darstellen. (...)

Praktisch hieße (das), jene Katholiken und Priester, die sich wirklich an die neuen Vorschriften halten, nicht zu schlechteren Katholiken, zu Katholiken zweiter Klasse, abstempeln zu dürfen. Da die Piusbruderschaft sich als eine Gemeinschaft nach dem Vorbild der Missionsgesellschaften versteht, sollte sie auch methodisch bedenken, dass sie kaum neue Gruppen von Katholiken von den Vorzügen der überlieferten römischen Liturgie überzeugen wird können, wenn sie ihnen von vornherein abfällig und vorwurfsvoll begegnet, nicht nur, wenn sie liturgische Missbräuche begehen, sondern auch, wenn sie schlicht das tun, was derzeit formal im neueren Usus vorgesehen ist.

Wenn diese Überlegungen zutreffen - und unwahrscheinlich klingen sie nicht - bedeutet das, daß P. Schmidtberger entweder bei der Würdigung des Präambel-Textes einem Missverständnis unterlegen ist, oder daß die Differenzen mit Rom tiefer gehen als bisher von offizieller Seite eingeräumt.

Den ganzen Text der Überlegungen Oldendorfs finden Sie auf kathnews.de.

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