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Zurück „ad Dominum“

In Teutonien werden nach wie vor altehrwürdige Kirchengebäude mit „Volksaltären" besetzt, deren einziger Sinn wohl in der Behauptung liegt: Sehr, wie neu und modern ich bin. Jetzt ist alles viel besser als früher im Mittelalter“. (Hier und hier)

In den angelsächsischen Ländern war man oft - nicht immer - bei der Einrichtung von Volksaltäre wesentlich sensibler. Gerne hat man den neuen umschreitbaren Altar so vor den weitgehend unveränderten alten Hauptaltar gestell, daß sich beim Betreten der Kirche zunächst gar kein sichtbarer Unterschied gegenüber dem früheren Bild ergab. Aber selbst in solchen Fällen spüren die Verantwortlichen in den Gemeinden inzwischen immer öfter, daß die Messfeier „ad populum“ vielfach dazu einlädt, im geschlossenen Kreis der Versammelten zu verharren, statt den Blick auf den kommenden Christus und auf den Himmel zu richten. Gut 50 Jahre nach der „flächendeckenden“ Einführung werden daher in den ersten Gemeinden diese Relikte des Konzilsgeistes wieder entfernt. Das neueste Beispiel dazu bietet die Londoner Corpus-Christi-Kirche, wo zu Beginn dieses Jahres der Volksaltar plötzlich verschwunden ist:

Die Hoffnung der abtretenden Konzilsirrlichter, ihre Ideen mit Beton und Stahl „unumkehrbar“ zu befestigen, wird sich nicht erfüllen - zumindest nicht überall. Die Spaltung, die bisher hauptsächlich in der „Software“ (Gebete und Predigten) sichtbar war, erfasst auch die „Hardware“ der Kirchengebäude. (Beide Bilder von Joseph Shaw).

Glaube und Wissenschaft

Liturgiehistorisch gesehen ist alles geklärt: Die Tatsache, daß der 4. Adventssonntag in früher Zeit zu den „ausgefallenen Sonntagen“ (dominica vacat)  gezählt wurde und im traditionellen römischen Ritus lange kein eigenes Proprium hatte, sondern auf dem des vorhergehenden Quatembersamstages aufbaute, kommt daher, daß die langdauernde nächtliche Feier eben dieses Quatembersamstages - zumindest in Rom und in der päpstlichen Liturgie - bis weit in den Sonntag hinein dauerte und so eine besondere Sonntagsliturgie entbehrlich erscheinen ließ.

Ob uns diese Erklärung nicht nur wissender, sondern auch klüger macht, steht dahin. Rupert von Deutz, der diese historische Ableitung nicht kannte, greift jedenfalls zu einer anderen Erklärung aus dem Geist der Allegorese. Sie spürt also mehr dem Geist der Liturgie nach als ihrem historischen Buchstaben, und darin hat sie uns heute mindestens eben so viel zu sagen wie die Kenntnis der genetischen Zusammenhänge. Das ihm vorliegende Missale verwandte für das Evangelium Johannes 1, 19-28, das heute im überlieferten Ritus am 3. Adventssonntag genommen wird; es enthält die Aussage des Johannes, daß er „dem, der nach mir kommen wird, nicht wert (sei), die Schuhriemen zu lösen.“ Darauf und auf den ebenfalls in seinem Proprium zitierten Vers aus Psalm 60 „Nach Edom will ich meinen Fuß ausstrecken“ gründet Rupert eine Betrachtung, die eben diese Schuhriemen in den Mittelpunkt stellt:

Edom, das sind die Heidenländer und die ganze ungläubige Welt. Sie zu erretten hat der Erlöser sich auf den Weg gemacht und seine Füße „mit den wunderbaren und unauflöslichen Schuhriemen der heiligen Menschwerdung umwunden“, hat sich „zu unserem Heil wie mit Schuhen bekleidet“. Daran schließt er - ab hier wörtlich - an:

Wem von den Heiligen, die alle seine Beauftragten sind, ist das Geheimnis in der Weise anvertraut worden, daß dieses Offizium als vorgeschriebener Stationsgottesdienst zu Recht in einer ihrer Kirchen gesungen werden könnte? Denn die Offizien, die für eine jede von ihnen mit festlichen Stationsfeiern bestimmt sind, erweisen sich, wenn sie richtig betrachtet werden, als übereinstimmend mit den Tugenden und Verdiensten eines jeden Heiligen. So wird in der Kirche des seligen Petrus, der vornehmlich die Gewalt hat, zu binden und zu lösen (vgl. Mt 16,19), der Stationsgottesdienst gefeiert, wenn uns, wie gesagt worden ist, als Vorausbild der Kirche das „Losbinden“ der „Eselin“ (vgl. Mt 21,2) verkündigt wird“; so wird, wenn wir die Skrutinien (sc. die Prüfungen zur Taufe) abhalten und die Katechumenen vorher bezeichnet werden, der Stationsgottesdienst in der Kirche des seligen Paulus gefeiert, des Lehrers des Glaubens bei den Heiden.“

Jedoch jenes Band der Schuhriemen zu lösen, das heißt das Geheimnis der heiligen Menschwerdung Christi zu enthüllen, erklärt sich selbst Johannes für unwürdig“, wiewohl „unter den von einer Frau Geborenen kein Größerer als er aufgetreten ist“ (Mt 11,11). „Wer nämlich vermag zu erforschen, wie das Wort einen Leib annimmt, wie der höchste, das Leben spendende Geist im Inneren des Schoßes der jungfräulichen Mutter Leben erhält, wie der, der keinen Anfang hat, in das irdische Leben tritt und empfangen wird? Keinem der Heiligen also ist dieses Geheimnis in der Weise anvertraut worden, daß seiner Stationskirche die Feier dieses Offiziums zugewiesen werden durfte.“

Das wird auch nicht dadurch falsch, daß Rupert dann der (nicht falsifizierbaren) Allegorese in dem in seiner Zeit erwachenden Geist neuzeitlicher Wissenschaftlichkeit (und damit Fehleranfälligkeit) hinzufügt:

Deshalb fehlt für den vierten Adventssonntag ein Stationsgottesdienst, nicht weil das Offizium, wie es einigen scheint, weniger zuverlässig überliefert ist, sondern weil dieser Sonntag von der so geordneten Einrichtung der Stationsgottesdienste mit sionnvoller Begründung ausgenommen worden ist.“

Soviel zu den Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Denkansätze, Liturgie zu verstehen und zu erklären.

Das überlieferte Missale auch noch in der Form von 1962 enthält neben einem im Mittelalter entstandenen eigenständigen Proprium für den vierten Adventssonntag noch ein in vielem höchst altertümliches Proprium für den vorausgehenden Quatembersamstag - allerdings nicht das gleiche, das Rupert von Deutz seinerzeit vorlag. Bei den Proprien gab es weniger der Struktur als der Textauswahl nach gelegentlich Unterschiede nach Gemeinschaften und Regionen. Dieses Proprium enthält - insoweit ähnlich der Karfreitagsliturgie - vier Lesungen aus dem alten Testament, zwischen denen die niederen und die höheren Weihen gespendet werden, und deren Orationen einen Eindruck davon vermitteln, wie die angeblich mit den „Fürbitten“ des Novus Ordo wiederbelebten Bittgebete der frühen Liturgie wirklich ausgesehen haben dürften. 

Quatembertage im Dezember

Selbst im überlieferten Ritus und bei denen, die seinem Kalender folgen, finden die Quatembertage im Dezember oft nur geringe Beachtung. Zu sehr haben der Advent und das bevorstehende Weihnachtsfest den ursprünglichen Charakter dieser Tage überlagert. Zumal dieser Charakter der vierteljährlichen Fastenzeiten, die den Beginn der Jahreszeiten markierten, innerhalb des ursprünglich generell als Fastenzeit begangenen Advents nicht allzu markant zum Ausdruck kam.

Die Ursprünge der Quatembertage reichen bis in das vorchristliche Judentum zurück, wo sie der Gliederung der Jahreszeiten entsprechend den Abläufen der Landwirtschaft dienten. Im Monat mit den kürzesten Tagen des Jahres fand mit der Ernte der letzten Oliven die Erntesaison ihren endgültigen Abschluss. Papst Leo I. (+ 461) stellte in einer Predigt zur Winterquatember den Zusammenhang zwischen Erntedank und Fasten so her: „Nach vollendeter Ernte ist es geziemend, dem Spender allen Segens durch Mäßigung des Genusses geziemenden Dank darzubringen  - das nähert uns Gott und verleiht uns die Stärke, den Verlockungen der Welt besser zu widerstehen, denn stets war das Fasten eine Nahrung für die Tugend.“

In der römischen Tradition wurde die Winterquatember schon früh zum bevorzugten und über Jahrhunderte hindurch wohl auch einzigen regulären Termin der Priesterweihen. In der Messe vom Mittwoch wurden die Namen der neu zu weihenden Priester öffentlich bekannt gegeben - wir erinnern uns, daß zum überlieferten Weiheritus dann auch eine später nur noch ritualisierte Frage gehört, ob jemand aus dem Volk Einwände gegen einen Kandidaten zu erheben hat. Die frühzeitige Nennung der Namen gab genau dazu Gelegenheit. Die Weihen selbst fanden dann am Quatembersamstag statt. Genauer gesagt: In einer langen Vigilfeier mit anschließenderm Pontifikalamt in der Nacht von Samstag auf Sonntag, gerade so wie die Taufen in der Nacht auf den Ostersonntag gespendet wurden. Später wurde die Messe samt den Weihen dann auf den Samstag und noch später auf den Vormittag vorgezogen; der Sonntag gehörte zu den „leeren Sonntagen“ (dominica vacat), die erst verhältnismäßig spät ein eigenes Messformular erhielten.

Paramente der Buß- und Fastenzeit

Während die überlieferte römische Liturgie in den Lesungen beim Übergang vom alten zum neuen Kirchenjahr eher die Kontinuität betont, hat sie - zumindest in der Vergangenheit - andere Mittel genutzt, um den besonderen Charakter des Advent, der immer auch eine Buß- und Fastenzeit war, hervorzuheben. Neben dem Fastengebot waren das insbesondere bestimmte „Äußerlichkeiten“ in der Liturgie, die demgemäß von den Reformern des letzten Jahrhunderts auch samt und sonders aufgegeben worden sind.

Rupert von Deutz († 1129) widmet diesen Besonderheiten in seinem Buch vom Gottesdienst ein eigenes Kapitel (3,2) mit der Überschrift „Warum in der Zeit des Advents der Diakon und der Subdiakon nicht die gewohnten heiligen Gewänder tragen“. Dabei beschreibt er eine Praxis, die damals bereits auf eine mehrhundertjähige Tradition zurückging, wie Shawn Tribe 2009 in New Liturgical Movement ausführlich dargelegt hat. Wir zitieren Rupert nach der deutschen Übersetzung des Liber de divinis officiis in den Fontes Christiani, Bd II, S. 371.

Von jetzt an bis zur heiligen Nacht der Geburt des Herrn zeigen sich der Diakon und der Subdiakon in weniger festlichen Gewändern. Denn weder legt der Diakon die Dalmatika noch der Subdiakon die Tunika an. Der Subdiakon stellt gleichsam das Gesetz dar, dem vor der Menschwerdung des Herrn der Schmuck des Evangeliums noch fehlte, der Diakon gleichsam das Evangelium selbst“, dessen Glanz in seiner ganzen Fülle vor dem Offenbarwerden der Geheimnisse der Geburt, des Leidens, der Auferstehung und der Himmelfahrt des Herrn noch nicht hatte erscheinen können.

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„Lex orandi – lex credendi“

„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt." Mit dieser Aussage hat Papst Benedikt 2007 sein Motu Proprio „Summorum-Pontificum" eingeleitet und sie erschien damals als ein überaus passendes Motto für diese Website. Das kann inzwischen als hinfällig gelten. Wie so vieles, das vor wenigen Jahren noch als gesicherter Bestand erscheinen mochte. Wir haben daher einen neuen Leitsatz gewählt, dessen Gültigkeit jedenfalls nicht davon abhängt, ob es einem gerade regierenden Papst gefällt, dem gerecht zu werden. „Lex orandi – lex credendi", oder wie es bei Prosper von Aquitanien († 455) heißt, auf den die Formulierung zurückgeht: „Legem credendi lex statuat supplicandi".

Vor Mißdeutungen und Streit schützt auch dieser Satz nicht – Papst Pius XII. sah sich in „Mediator Dei" veranlaßt, Prospers Aussage gegen diejenigen zu verteidigen, die in einer (wie auch immer zustande gekommenen) Frömmigkeitspraxis das Wahrheitskriterium für die Lehre der Kirche sehen wollten. Es geht jedoch nicht darum, der einen Seite den Vorrang vor der anderen zuzusprechen, sondern um die Feststellung, daß beide unlösbar miteinander verbunden sind und Entwicklungen auf der einen Seite auf Anstöße aus der anderen zurückgehen und ihrerseits auch wieder dorthin ausstrahlen.

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  • Stationskirchen

    Die römischen Stationskirchen

    Kupferstich von Giusepppe Lauro aus dem Jahr 1599

    In der Fastenzeit 2013 haben wir zu jedem Tag die entsprechende Stationskirche kurz vorgestellt. Damit sind zwar alle gegenwärtigen Stationskirchen erfasst, aber nicht alle Tage mit einer Statio, von denen es auch etliche außerhalb der Fastenzeit gibt.

    Bei der Vorstellung der Stationskirchen orientierten wir uns im wesentlichen an „Die Stationskirchen des Missale Romanum“ von Johann Peter Kirch, Freiburg 1926. Zu Ergänzungen haben wir Hartmann Grisar „Das Missale im Licht römischer Stadtgeschichte“, Freiburg 1925, und Anton de Waals „Roma Sacra - Die ewige Stadt“ von 1905 in der Überarbeitung Johann Peter Kirchs von 1925 (Regensburg 1933) herangezogen. Daneben haben wir auch auf Informationen aus Internetquellen zurückgegriffen. Die Illustrationen stammen, soweit nicht anders angegeben, von eigenen Aufnahmen.

    Wie der gegenwertige Nachfolger de Waals und Kirchs als Direktor des römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, Prof. Msgr. Stefan Heid, uns mitteilte ist diese älter Literatur insbesondere in Sachen der Datierungen vielfach überholt. Nach seinen Untersuchungen geht die Institution der Stationes nicht wesentlich vor die Zeit Gregors d. Großen zurück. Was natürlich nicht bedeutet, daß die Stationskirchen bzw. deren Vorgängerbauten nicht wesentlich älter sein können.

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