Opferung oder Gabenbereitung?
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- 11. März 2021
Es ist angebracht, auf das Thema der Opferung zurück zu kommen, deren Ersetzung durch eine „Gabenbereitung“ hier in der vergangenen Woche kritisiert wurde. Worum geht es in diesem Teil der traditionellen Liturgie, der von den Reformern als Vorwegnahme oder Verdoppelung der Konsekration empfunden und daher – da sie ihn wegen des Einspruchs von Paul VI. nicht ganz beseitigen konnten – durch die erwähnten pseudojüdischen Gebete zur Gabenbereitung ersetzt worden ist?
Zweierlei vorweg: Die Gebete des „kleinen Kanons“, wie die traditionellen Opferungsgebete auch bezeichnet wurden, haben nicht das ehrwürdige Alter des eigentlichen Kanons, die sicher bis ins 4. Jahrundert und teilweise bis in die Zeit der Apostel zurückreichen. Sie wurden im hohen Mittelalter an verschiedenen Orten in lange unterschiedlicher Form in den Ritus aufgenommen und gehören von daher nicht zum unverfügbaren Grundbestand der hl. Messe. Allerdings ist schon die Rede von einem „unverfügbaren Grundbestand“ sehr wohl geeignet, den Blick in eine falsche Richtung zu lenken, da sie voraus zu setzen scheint, daß Elemente, die dem Ritus im Lauf seiner Entwicklung zugewachsen sind, deshalb von minderem Wert und daher entbehrlich sei.
Zum zweiten ist einzuräumen, daß es um diesen Teil der Messe tatsächlich Unklarheiten, Mißverständnisse und sogar Mißbräuche gegeben hat, die den Gedanken an eine Reform nahelegen konnten. Allerdings beruhen diese Mißverständnisse nicht auf den nun abgeschafften Gebeten, sondern auf historisch längst überwundenen Vorstellungen und Praktiken des Mittelalters. Für die „Abschaffung“ der Gebete, wie sie spätestens seit Trient in der ganzen Kirche verbindlich waren, gab es keinen Grund – wohl aber ein Motiv: Luther und den auf ihn gründenden Traditionen ist alles, was den Gedanken eines Opfers der Kirche zum Ausdruck bringt, ein Gräuel, und daher wollten die einem inhaltsentleerten Ökumenismus zugeneigten Reformer diesen Stein des Anstoßes aus dem Weg räumen.
Präfationen - eine oder viele?
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- 08. März 2021
Fr. Hunwickes heutiger Beitrag zur Frage einer möglichen Reduzierung der Vielfalt der Präfationen hat gleich zwei Berührungspunkte zu unserem Artikel vom 6. 3.: Zum einen erwähnt er die Abneigung gegen den Gebrauch des Begriffs „Opferung“, der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhundert nicht nur katholische, sondern auch anglikanischen Theologen plagte, und dann der Hinweis darauf, daß auch in zahlreichen protestantischen Denominationen die ergebnisse der römischen Liturgiereform nicht nur mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen, sondern vielfach auch als Bekräftigung eigener Positionen verstanden und übernommen wurden. Doch nun zu Fr. Hunwickes Beitrag selbst, der sich primär mit der Frage befasst, warum die in den 60er Jahren bei den Anglikanern starken Bemühungen zur Schaffung einer für möglichst viele Gelegenheiten nutzbaren „Gemeinsamen Präfation“ schließlich im Sande verlaufen sind.
Als ich 1964-1967 in Staggers war, war viel von einer „Gemeinsamen Präfation“ (Thanksgiving series) die Rede. Das bezog sich auf die tiefe Überzeugung, daß das Hochgebet nach dem „Es ist wahrhaft würdig und recht...“ ursprünglich mit einem Dankgebet an den Vater für seine Schöpfung und die Erlösung begonnen hat, das bis zum Sanctus reichte. Während ich dem Haus angehörte, wurde dem zuständigen Ordinarius, Bischof Harry Carpenter von Oxford, die Bitte vorgetragen, daß das Haus ad experimentum eine Präfation verwenden dürfe, die genau dem entsprach. Dieser Vorschlag bestand in der Hauptsache aus zusammengefügten Teilen verschiedene Präfationen des Festkreises aus dem Book of Common Prayer – daran war also nichts Ungewöhnliches oder gar Papistisches.
Leser erinnern sich vielleicht an frühere Artikel, in denen ich davon sprach, daß das Haus ständig mißtrauisch beäugt wurde, weil die Beobachter Verstöße gegen die Ord-nung oder papistische Verirrungen befürchteten. Ich nehme an, das war der Grund, daß der Prinzipal, Canoniker Derek Allen, die Erlaubnis des Bischofs erbat – und daß der Bischof „Nein“ sagte.
Im Juni 1956 veröffentlichte die Kirche von England den Entwurf einer Liturgie, der nicht zur praktischjen Verwendung, sondern nur als Diskussionsgrundlage bestimmt war. Mitglieder der Liturgiekommission waren unter anderem Arthur Couratin, langjäh-riger früherer Prinzzipal unseres Hauses, Craddock Ratcliff, Austin Farrer und als Sek-retär G.G. Willis – alles sehr angesehene Personen. Die Einführung erklärt, „wir haben uns bemüht, eine Danksagung für die Erschaffung der Welt, die Erlösung der Mensch-heit und die Heiligung des Gottesvolkes durch Christus zu schaffen“. Aber das wurde nicht in die Endfassung übernommen, wie sie gegenwärtig in der Kirche von England in Gebrauch ist.
Ich habe den Verdacht, daß die „Gemeinsame Präfation“, für die es in der Anglikani-schen Kirche der 60er Jahre so viel Begeisterung gab, aus zwei Gründen aus dem Blick geraten ist: 1) Einige der Liturgiker in der Kommission von 1965, vornehmlich Couratin, zogen sich zurück, weil die synodalen Beratungen der Church of England letztlich ein „evangelisches“ Veto gegen die Worte „wir opfern“ hervorbrachten. 2) spiel-te eine „Gemeinsame Präfation“ in den Texten, die das zweite Vatikanische Konzil her-vorbrachte, keine Rolle. Stattdessen kehrte der entstehende Novus Ordo zu einer gal-likanischen oder ambrosianischen Vielzahl von Einzelpräfationen zurück. Und dieser römische „Reform“Prozess hat einen unnötigen Einfluß auf anglikanische Kreise ausgeübt.
Vier Kennzeichen einer wahren Liturgie
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- 11. November 2020
In einem Artikel auf New-Liturgical Movement, der seinerseits die Wiedergabe eines Vortrags vom Vergangenen September ist, gibt Peter Kwasniewski eine beeindruckende Analyse des Standes der Liturgie in der Kirche der Gegenwart, ihrer Stärken und Unzulänglichkeiten – und der Gründe dafür, wie es dahin gekommen ist. Sein Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß die Feier der hl. Messe in der überlieferten Form sich (in den USA!) mehr und mehr ausbreitet – er führt das allgemein auf die kirchlichen Zerfallserscheinungen im aktuellen Pontifikat und dann noch einmal insbesondere auf die Erschütterungen durch die Corona-Krise zurück: Die Menschen suchen einen Halt und eine Seelsorge, Seelsorger, die ihnen keine Modeartikel verkaufen, sondern den Weg zu Wahrheit und Leben zeigen.
Doch es gibt in dieser positiven Tendenz auch Probleme. Vielen Katholiken fehlt es am Grundverständnis für das Wesen der Liturgie:
Es besteht großer Bedarf für sorgfältige, gedankenreiche und wohlfundierte Ausführungen zu allen liturgischen Angelegenheiten, damit wir unser Verständnis der komplexen Fragen, die hier angesprochen werden, vertiefen können, ohne die Geradlinigkeit unseres Glaubens und die Spontaneität unseres geistigen Lebens zu verlieren, während wir uns darum bemühen, die Heiligen zu werden, zu denen uns der Herr berufen hat.“
Als Hauptursache für den mangelnden Tiefgang nennt Kwasniewski den Umstand, daß sich das Nachdenken über die Liturgie hauptsächlich an zwei Fragen abarbeitet: Ist die Liturgie „gültig“ (d.h. bewirkt sie das sakramentale Geschehen) und erfolgt sie „rechtmäßig“ , also im Rahmen der kirchlichen Rechtsordnung? Zu beiden Aspekten bietet der Artikel eine kurze, verständliche und dennoch profunde Interpretation und Begründung. Ohne die Bedeutung dieser beiden Kriterien zu bestreiten, schlägt Kwasniewski jedoch vor, sie durch zwei weitere ebenso wichtige Punkte zu ergänzen: Angemessenheit (fittingness) und Authentizität. Durch ihre Einbeziehung, so der Autor, können die Mängel der aktuellen Diskussion leichter überwunden werden.
Kwasniewskis Beschreibung und Begründung der beiden zusätzlichen Kriterien soll hier kurz referiert werden.
„Liturgiefähigkeit“ - modern oder vormodern?
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- 21. Oktober 2020
Der Brief Romano Guardinis an Johannes Wagner anläßlich des 3. liturgischen Kongresses in Mainz (April 1964), den wir hier anhand einer Kritik Peter Kwasniewskis thematisiert hatten, liegt uns jetzt in authentischer Form auf Deutsch vor. Er ist, wenn wir uns auf die Google-Suche verlassen können, in deutscher Sprache nicht im Internet veröffentlicht, sondern nur gedruckt im Band „Liturgie und Liturgische Bildung“ der Werkausgabe bei Grünewald/Schöningh nachzulesen. Und er entfaltet tatsächlich, wie von Kwasniewski anhand der englischen Übersetzung kritisiert, einen durchaus bedenklichen Begriff von „Liturgie“, der von den Anhängern der Liturgiereform auch heute noch – nachdem ihr Scheitern doch unübersehbar geworden sein sollte – mit einigem Recht als Stütze ihrer Vorstellungen in Anspruch genommen wird.
Schlüsselbegriff ist dabei die Frage nach der Fähigkeit oder Unfähigkeit des modernen Menschen zum „liturgischen Akt“ - die oft zu lesende Formulierung als Frage nach der „Liturgiefähigkeit“ ist eine Verkürzung, die den eigentlichen Inhalt der Überlegungen Guardinis nicht voll zum Ausdruck bringt. In der Rede von der „Liturgiefähigkeit“ bleibt unbestimmt, wie das Verhältnis des „modernen Menschen“ zur Liturgie gedacht ist und woran es wohl liege, daß er nicht (mehr) in der Lage sei, an der Liturgie auf rechte Weise teilzunehmen. In der Formulierung vom „liturgischen Akt“ klingt unüberhörbar als Unterton die „participatio actuosa“ an – und das in einer ziemlich radikalen Spielart dieser an Auslegungsvarianten reichhaltigen Begrifflichkeit, wie Guardini in seinen Versuchen, den „liturgischen Akt“ zu beschreiben, deutlich macht.
Ist der moderne Mensch liturgiefähig?
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- 13. Oktober 2020
Auf New Liturgical Movement thematisiert Peter Kwasniewski erneut die berühmte Frage Romano Guardinis aus dem Jahr 1964: „Ist der moderne Mensch noch liturgiefähig?“ Zu Recht weist Kwasniewski dabei darauf hin, daß diese Frage bzw. die darauf gegebenen Antworten sich immer mehr als Schlüssel zum Verständnis der liturgischen Bestrebungen und Reformen des letzten Jahrhunderts erweisen.
Den von Guardini dazu geleisteten Beitrag sieht Kwasniewski in seinem Artikel überaus kritisch, wenn er schreibt:
Auch wenn Guradini selbst ein paar Jahre später die Entwürfe des consiliums als „Klempnerarbeit“ verwarf, kann man den Schaden, den er mit seinen Bemerkungen in dem Brief von 1964 verursacht hat, gar nicht schwer genug einschätzen. Er hat – so wie viele andere Halb-Modernisten auch – darin den Anschein erweckt, daß die gesamte christliche Liturgie seit Konstantins Zeiten und auf jeden Fall seit dem Mittelalter heute irrelevant, nutzlos und unverständlich geworden sei und damit reif für den Abfallhaufen geworden sei. Es ist schon erstaunlich, daß ein Theologe vom Rang eines Guardini, der einen so zutreffenden Begriff von der (richtig verstandenen) „Irrelevanz“ und „Nutzlosigkeit“ der Heiligen Liturgie hatte, derart in chronologischen Relativismus verfallen konnte.
Einerseits können wir vielleicht Guardini in begrenztem Umfang beipflichten: Die Liturgischen Reformbestrebungen schienen von der Idee auszugehen, daß die Liturgie, wenn sie so, wie sie ist, nicht „funktioniert“, einer grundlegenden „Überarbeitung“ nach einem „funktionierenden“ Modell bedarf – dann könne man das neue Produkt, getrost verpacken, versenden und dem erwartungsfrohen Publikum quasi frisch von der Rolle ausliefern. In dieser Sicht liegen alle Probleme auf der Seite der liturgischen Riten – nicht der Mensch muß sich ändern, sondern nur der Ritus.