„Lex orandi - lex credendi“ - Nach Prosper von Aquitanien († 455) formulierter Kernsatz zur gegenseitigen Abhängigkeit von Glaube und Liturgie.
Themen und Meldungen:
Ein Rüffel für den Kardinal
- Details
- 27. Oktober 2017
Mit strengen Worten hat die Theologieprofessorin Dorothea Sattler den Kölner Kardinal Woelki getadelt, weil der sich zurückhaltend zum aktuellen Stand und den Zukunftsaussichten der Ökumene geäußert habe, ohne dabei die bahnbrechenden Erkenntnisse des münsteraner Lehramtes genügend zu berücksichtigen. Katholisch.de, wo die Dame als Expertin stets gerne gesehen ist, reicht den Rüffel eilfertig weiter und gibt eine Kostprobe der sublimen akademischen Theologie, wie wir sie aus Münster kennen und schätzen:
Sattlers Kritik an Woelkis Verständnis von der Sakramentalität der Kirche bezieht sich offenbar unter anderem auf dessen Aussage, dass es keine gemeinsame Feier des Abendmahls geben könne, solange die Protestanten die "Christusgemeinschaft des je einzelnen Gläubigen von der Bekenntnisgemeinschaft mit Papst und Bischof" trennten. Sattler hingegen verweist in ihrem Aufsatz darauf, dass "nach ökumenischer Lesart gerade die Rede von der eigenartigen Sakramentalität der Kirche " dazu veranlasse, "deutlich zwischen dem Grund der Kirche und ihrer Gestalt zu unterscheiden", als so zwischen Christus und der Kirche in ihrer konkreten Gestalt.
Mit Blick auf den von Kardinal Woelki konstatierten "zunehmenden Dissens in moral- und sozialethischen Fragen" schreibt Sattler, es sei "sehr bedauerlich", das der Kardinal nicht die Ergebnisse einer von der Deutschen Bischofskonferenz und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zu diesem Thema eingesetzten Arbeitsgruppe würdige. Diese sei 2017 zu einem "höchst differenzierten Urteil in einzelnen Sachfragen" gekommen.
Aus diesen Sätzen schaut uns aber nicht nur das ganze Elend der deutschen Universitätstheologie an, sondern das der ganzen deutschkatholischen Kirche, den kritisierten Kardinal eingeschlossen. Hätten deren Oberhirten nicht das Lehramt seit Jahrzehnten an akademische Karrieristen abgetreten und würden sie nicht unentwegt Arbeitsgruppen einsetzen, deren einziger Daseinszweck der Dauerdialog ohne fassbare Ergebnisse ist – dann bliebe uns manches erspart.
Ginge es nur um das Geplänkel zwischen einer Vertreterin des (auftrumpfenden) akademischen und des (weitgehend verstummten) episkopalen Lehramtes, wäre der Auftritt Sattlers nicht der Beachtung wert. Interesse verdient er im Zusammenhang mit dem von Papst Franziskus durch die schallende Ohrfeige für Kardinal Sarah bekräftigten Willen des gegenwärtigen Pontifikats, die Gestaltung der Liturgie einschließlich der nationalsprachlichen Übersetzungen weitestgehend in die Hand der örtlichen Bischofskonferenzen zu geben.
Das bedeutet, daß wir in Zukunft nicht nur verstörende Unterschiede im Äußerlichen haben werden, wie sie heute schon oft genug zwischen benachbarten Pfarreien festzustellen sind. Auch die Differenzen zwischen den nationalen Bischofskonferenz, deren Aufbrechen wir jetzt z.B. am Fall der widerstreitenden Interpretation von Amoris Laetita durch die Bischöfe Polens oder Argentiniens beobachten können, werden sich auf die Liturgie auswirken. Und das nicht nur in Äußerlichkeiten, sondern wie schon beim Verständnis des Sakramentes der Ehe und der Eucharistie auch im innersten Kern. Außerdem werden wir – die Rüge Sattlers für den Kardinal gibt einen Vorgeschmack – erleben, wie es auf der nationalen/sprachgemeinschaftlichen Ebene zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden akademischen Schulen untereinander und mit einzelnen Bischöfen oder Fraktionen in den Bischofskonferenzen kommt.
Und weder auf nationaler noch auf gesamtkirchlicher Ebene wird es eine Autorität geben, die für ein Lehramt sprechen könnte, das sich in der Kapitulation vor dem antiautoritären Zeitgeist selbst aufgegeben hat. Solange dieses Lehramt nicht wiederhergestellt ist, bleibt als einzige verläßliche Autorität die Tradition.
Rektorat für die Tradition
- Details
- 26. Oktober 2017
Eine erfreuliche Nachricht erreicht uns aus Bridgeport, mit 150 000 Einwohnern die größte Stadt des übrigens stark katholisch geprägten kleinen US-Staates Connecticut an der Ostküste. Dort hat der in der Stadt residierende Diözesanbischof Frank Caggiano das Institut Christus König und Hoher Priester eingeladen, die Seelsorge in der Pfarrei der Hl. Cyril und Method zu übernehmen. Das Institut hat dazu am Rosenkranzfest in Bridgeport ein zunächst mit zwei Klerikern besetztes Oratorium eingerichtet.
Die feierliche Einsetzung des neuen Rektors erfolgte am Sonntag den 8. Oktober im Rahmen eines Hochamtes im überlieferten Ritus durch den Bischof selbst, der in choro an der Messe teilnahm und auch die Predigt hielt. Ebenfalls anwesend waren der Generalvikar und der Klerusvikar der Diözese sowie der Generalvikar des Instituts, Msg. Michael Schmitz. Die rechtliche Stellung des neuen Rektorats geht aus den hier vorliegenden Meldungen nicht eindeutig hervor; es handelt sich jedoch allem Anschein nach nicht um eine speziell für die Gläubigen im überlieferten Ritus eingerichtete Personalpfarrei nach Canon 518, sondern um die in Art. 10 von Summorum Pontificum ebenfalls vorgesehene Form eines Rektorats, die einer Ortspfarre entspricht.
Der neue Rektor Fr. Andrew Todd ist der Nachfolger des bisherigen Gemeindepfarrers Joseph Pekar, der die Gemeinde seit 1971 geleitet hat. Pfarrer Pekar hat während seiner langen und erfolgreichen Amtszeit dafür gesorgt, daß der Geist der Liturgie in seiner Kirche erhalten geblieben ist. Dazu gehörte es auch, daß er dort eine fast ungebrochen gepflegte Tradition der Messfeier im überlieferten Ritus ermöglichte. Es ist Bischof Caggiano sehr zu danken, daß er die aus Altersgründen unumgängliche Amtsaufgabe von Pfarrer Pekar nicht nutzte, um einen Bruch im liturgischen Leben der Gemeinde zu erzwingen, sondern daß er im Gegenteil den vorhandenen Boden nutzte, für die überlieferte Lehre und Liturgie einen sicheren Stützpunkt einzurichten.
Zu Geist und Form der Liturgie
- Details
- 24. Oktober 2017
Martin Mosebach hat einen neuen Beitrag auf First Things veröffentlicht, der sich mit einer grundlegenden Frage der Liturgie beschäftigt. Die Überschrift geht das Thema frontal an: Holy Routine – the Mystery of Repetition. Oder in der ebenfalls auf First Things gebotenen deutschen Fassung: Heilige Gewohnheit - Das Geheimnis der Wiederholung. Dem frommen Sinn mag es widerstreben, Liturgie und Routine in einem Atemzug zu benennen – aber der Zusammenhang ist unübersehbar: Liturgie ist einerseits Einbruchsstelle des Übernatürlichen in die Welt. Dennoch braucht sie Selbstverständlichkeit, braucht tiefe Verwurzelung in Lebenswelt und Lebenstätigkeit, muß sich ereignen können, ohne ständig reflektiert, erläutert, angeleitet und kommentiert zu werden. Wiederholung in Gesten und Aktionen, Gebeten, Worten und Tonen sind daher Wesensmerkmale und Erkennungszeichen jeder uns bekannten und historisch zugänglichen Liturgie.
Die Erklärung der Liturgiekonstitution des Konzils, die Riten sollten von „edler Einfachheit“ gekennzeichnet sein, steht soweit von vornherein in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinem wesentlichen Element von Liturgie. Das gilt auch dann, wenn gerade diese Forderung, wie Mosebach ausführt, sich auf Gedanken des bedeutenden Kunsthistorikers Winckelmann stützen könnte. Das Spannungsverhältnis wird zum Widerspruch, wenn die Liturgiekonstitution vorgibt, die Liturgie von „unnötigen Wiederholungen“ zu reinigen (Art. 34): Was ist „unnötig“? kann es in der Liturgie überhaupt „unnötige Wiederholungen“ geben, ohne die Liturgie und damit das Metaphysische dem Urteil der Alltäglichkeit zu unterwerfen.
„Wiederholung“ ist denn auch das Schlüsselwort des Artikels von Mosebach – es kommt genau 38 mal darin vor, wie durch die Segnungen der modernen Internettechnik mühelos fetstellbar ist. Es ist daher weder möglich noch wäre es sinnvoll, die reichhaltige Argumentation auch nur ansatzweise nachzuzeichnen. Sie behandelt, von der Liturgie ausgehend, zahlreiche Fragen der Ästhetik und der Kunsttheorie, die in der Tradition der Kirche eine große Rolle spielen, seit dem Konzil und der danach durchgesetzten Liturgiedestruktion jedoch aus dem Bewußtsein gedrängt worden sind. Formlosigkeit und Häresie, das ist immer deutlicher zu erkennen, sind eng miteinander verwandt. Formlosigkeit ist Häresie, denn Gottes Schöpfung hat eine bestimmte Gestalt, die Lehre der Kirche hat eine feste Form, und ihre Liturgie hat ein historisch ausgebildetes Wesen, das weder dem Hochmut eines Papstes noch dem Opportunismus von Bischofskonferenzen ausgeliefert werden kann. Gerade in so chaotischen Zeiten wie denen, die wir in diesen Jahren erleben, sind Mosebachs Erinnerungen an das, was wirklich wichtig und richtig ist, überaus begrüßens- und empfehlenswert. Hier noch einmal der Link zur deutschen Version.
Maximum Principium
- Details
- 23. Oktober 2017
Verkehrt der Papst mit ungeliebten Mitarbeitern nur noch über die Presse? Es steht zu befürchten. Jedenfalls erschien zum Wochenende in La Nuova Bussola Quotidiana ein Schreiben von Franziskus an den Liturgiepräfekten Sarah, das der Papst ausdrücklich zur Veröffentlichung an den „neuen Kompass“ hatte schicken lassen. Der in Form eines persönlichen Briefes verfasste Text enthält eine Zurückweisung der Interpretation Kardinal Sarahs, die dessen Kongregation zu dem in gewohnt unpräziser Sprache verfassten Motu Proprio „Magnum Principium“ herausgegeben hatte.
Das Motu Proprio hatte Anlaß zu Fragen gegeben, wie weit die darin hervorgehobene Kompetenz der Bischofskonferenzen zur Abfassung nationalsprachlicher Übersetzungen der Liturgie gehen soll und ob die 2001 erlassene Instruktion „Liturgiam authenticam“ zur Abfassung von Übersetzungen in die Volkssprache weiterhin gelte. Kardinal Sarah hatte dazu eine eng an der geltenden Rechtslage orientierte Interpretation herausgegeben – diese wird in dem jetzt veröffentlichten Schreiben (das wer weiß wer aus den Hinterzimmern des Palasts von S. Martha verfasst hat) entschieden zurückgewiesen.
Das neue Schreiben interpretiert die in „Magnum Principium“ verwandten Rechtsbegriffe gegen ihren bisherigen Gebrauch in einer Weise, die den Bischofskonferenzen die entscheidende Rolle für die Genehmigung von Übersetzungen zuweist, und es beschränkt die Rolle Roms bzw. der Liturgiekongregation auf eine wenig präzise gefasste „Anerkennung“, die wohl nur in extremen Fällen der Abweichungen von der Lehre (welcher Lehre?) verweigert werden kann. Überdies kündigt das Schreiben an, bestimmte von Sarah unterstrichene Abschnitte von „Liturgiam Authenticam“ müssten dann eben geändert werden bzw. seien entsprechend dem neuen Motu Proprio als „überholt“ zu betrachten. Offenbar hatten die Hinterzimmer es bei der Abfassung von Magnum principium“ gar nicht für nötig erachtet, ihren Text auf Übereinstimmung mit der nach wie vor geltenden Rechtslage zu überprüfen.
Womit ziemlich präzise ein „Magnum principium“ des aktuellen Pontifikats erfasst sein dürfte. Der oberste Gesetzgeber der Kirche tut, was er bzw. sein Umfeld will, ohne das geltende Recht zu beachten. Entstehen Widersprüche in der Sache oder gar Widerspruch in der Kurie, wird das Gesetz geändert. Basta la vista, baby.
Dankenswert kurzfristig hat das Beiboot Petri eine in der Rechtsterminologie vermutlich noch verbesserungsfähige Übersetzung des Artikels in La nuova Bussola bereitgestellt.
Nachträge: Bei der ersten Durchsicht der Materialien zu dieser Sache war uns entgangen, daß der Papst Kardinal Sarah den ausdrücklichen Auftrag gegeben hat, den Text seiner - d.h. Franziskus - höchstselbiger Interpretation von Principium Maximum allen Empfängern der vorherigen Interpretation des Präfekten zukommen zu lassen.
Weitere Informationen zum Thema auf Vatican-History News Blog (deutsch) und Rorate Cæli. Erwartungsfroher Jubel bei katholisch.de: Unter der Überschrift Kardinal Sarah im Abseits spekuliert das Zentralorgan der deutschen Bischöfe über die Möglichkeit, widerspenstigen Kardinälen ihre Titel zu entziehen.
Im modernistischen Teil Amerikas geht es noch lustiger zu. Fr. Zuhlsdorf bericht von einem auf Twitter laut gewordenen Jubelruf @jamesmartinsj @massimofaggioli:
GET 'IM! GET 'IM BOYZ! GO FOR THE KILL!"
Womit der Stand des Gesprächs über die heilige Liturgie im Pontifikat der Barmherzigkeit ausreichend beschrieben sein dürfte.
Kürzung oder Fälschung?
- Details
- 20. Oktober 2017
Der vergangene Sonntag war nach dem neuen Kalender der 28. „im Jahreskreis“ und nach der Tradition der 19. Sonntag nach Pfingsten. Und außerdem war er einer der wenigen Sonntage, an denen in allen katholischen Kirchen der gleiche Evangeliumstext vorgetragen wird: Das Gleichnis vom Himmelreich als dem Hochzeitsmahl des Königssohnes, zu dem, nachdem sich die geladenen Gäste zum Teil gewaltsam verweigern, schließlich die von den Wegen und Feldrainen herbeigeholten Zufallsgäste versammeln. Doch einer von ihnen hat es versäumt, sich ein hochzeitliches Gewand anzuziehen. Der Gastgeber stellt ihn streng zur Rede und läßt ihn schließlich, an Händen und Füßen gebunden, hinauswerfen in die Finsternis, „wo Heulen und Zähneknirschen“ herrscht. So ist es bei Matthäus 22, 1-14 aufgezeichnet.
Ob es allerdings auch überall so vorgetragen worden ist, ist höchst ungewiß. Die neue Leseordnung erlaubt nämlich ohne besondere Bedingungen – „pastorale Überlegungen“ oder „Zeitmangel“ reichen aus – die Wahl einer kürzeren Fassung. Sie endet, welch wundersame Fügung, mit der Versammlung der Gäste im Festsaal – die zweite Hälfte des Gleichnisses mit dem Erfordernis des „hochzeitlichen Gewandes“ und der Ausstoßung des unvorbereitet gekommenen in die Finsternis darf ersatzlos entfallen.
Es fällt schwer, darin nicht eine verfälschende Beschneidung des Inhalts der Parabel zu sehen: Der Gedanke von Hölle und ewiger Verdammnis ist der Theologie des Primats der Barmherzigkeit, die weit vor Franziskus zurückgeht, schwer erträglich, und sei dieser Gedanke im Evangelium, in den Worten Christi, noch so klar ausgesprochen.
Keine Statistik weist nach, in wie vielen Kirchen am vergangenen Sonntag die vollständige und in wie vielen die gekürzte Fassung vorgetragen worden ist. Nach der allgemeinen Vorliebe für die jeweils kürzestmögliche Option zu gehen, dürfte es eine satte Mehrheit gewesen sein. Soviel zum Mythos von der angeblich reichhaltigeren Auswahl der Schrifttexte in der neuen Leseordnung.
Dank an Matthew Hazell, der in New Liturgical Movement auf diesen leider durchaus nicht vereinzelt stehenden Fall hingewiesen hat.
Zeitgeister in Heiligenkreuz
- Details
- 19. Oktober 2017
Das Stift Heiligenkreuz hat sich dieser Tage in starken Worten von der Unterschriftenaktion „Correctio filialis“ distanziert, die auch von einem Wissenschaftler unterzeichnet worden ist, der dort als Gastprofessor tätig ist. In der Erklärung heißt es:
(Wir) distanzieren uns entschieden davon, dass ein an unserer Hochschule zeitweise wirkender Gelehrter die öffentliche Kritik an Papst Franziskus, die sich euphemistisch „Correctio filialis de haeresibus propagatis“ nennt, unterzeichnet hat. Auch wenn der Betreffende nur als Gastprofessor tätig ist und seine Unterschrift einzig und allein in seinem Namen geleistet hat, so können wir es nicht hinnehmen, dass dies einen Schatten auf unsere Hochschule wirft. Wir stellen daher klar, dass die Hochschule Heiligenkreuz dem römischen Lehramt in allem aufs engste verbunden ist und wir es als unsere größte Ehre und erste Pflicht ansehen, dem jeweiligen Petrusnachfolger, das heißt unserem Heiligen Vater Papst Franziskus, die Treue zu halten."
Nun, diese Treue hätten wir uns auch gewünscht, als 2007 nach dem Erlass von Summorum Pontificum Studenten der Hochschule darum baten, auch die überlieferte Liturgie in den Ausbildungsplan aufzunehmen. Der damalige Rektor Karl Wallner hat die Bittsteller dann hochfahrend abgefertigt:
Es ist ein betrübliches Missverständnis von Summorum Pontificum wenn man daraus ableitet, dass es eine Ausbildung zum Alten Ritus geben sollte. Das Dokument dient der Versöhnung mit den Gestrigen und nicht einer Auflage des Gestrigen. (…) Wir sind nicht nach hinten verkorkst und nicht nach vorne vermurkst, sondern leben aus dem, was die Kirche uns durch das 2. Vatikanische Konzil WIRKLICH geschenkt hat. (…) Zelebrationsübungen im tridentinischen Ritus kann es daher nicht im Fächerkanon geben, weil wir die Liturgie der Kirche so feiern wollen, wie sie im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil durch die oberste Leitung der Kirche vorgegeben wurde. Und weil wir nicht wollen, dass unsere Absolventen zu einem Ritus erzogen werden, der zwar wieder erlaubt, aber nicht im großen Atem der Kirche liegt...
Glücklich, wer diesen „großen Atem“ zu erkennen weiß – selbst dann, wenn in einem päpstlichen Gesetz etwas ganz anderes steht, und das in jener Klarheit der Sprache, für die Papst Benedikt zu recht gerühmt wird.
Im gegenwärtigen Pontifikat, zu dessen Kennzeichen unter anderem auch eine bis zur Selbstwidersprüchlichkeit gehende Unklarheit der Aussageweisen in Worten und Gesten gehört, liegen die Dinge freilich anders. Das ist gerade in diesen Tagen, in denen die polnischen Bischöfe ( ) Amoris laetitia ganz anders auslegen als etwa ihre deutschen Kollegen, wieder schmerzlich deutlich geworden. Wer hier so argumentiert, wie die offizielle Erklärung von Heiligenkreuz, muß sich schon die Frage gefallen lassen, worin er denn das Wesen der Kirche erkennt, wenn „der jeweilige Petrusnachfolger“ etwas deutlich anderes zu sagen scheint als seine Vorgänger im gleichen Amt.
Die Kirche hatte bisher das große Glück und die große Gnade, daß solche Widersprüche und Unklarheiten nur selten vorgekommen sind, weil die jeweiligen Inhaber des Petrusamtes fähig waren, den Sinn ihrer hohen Stellung zu erkennen und in Demut zu erfüllen: Getreulich die empfangene Lehre weiterzugeben und entschlossen gegen Entstellungen zu schützen, die Brüder zu stärken und die Herde zu leiten. Auch die großen lehramtlichen Dokumente der unmittelbaren Vorgänger Franziskus' – selbst wenn einzelne Punkte ihrer Amtsführung Fragen aufwerfen mögen – sind von diesem Bewußtsein geprägt und verleihen ihm in großer Entschiedenheit Ausdruck: Pius XII. in Mediator Dei, Paul VI. in Humanæ Vitæ, Johannes-Paul II in Familiaris Consortio oder Dominus Jesus, Benedikt XVI. in Caritas in Veritate.
Auch diese Dokumente stießen innerhalb und außerhalb der Kirche auf zum Teil wütende Kritik und Ablehnung – aber nicht, weil sie sich von der überlieferten Lehre der Kirche entfernten, sondern weil sie diese Lehre im Widerspruch zum immer herrischer auftretenden Zeitgeist bekräftigten und entfalteten. Das hat sich unter Franziskus geändert: Die Zeitgeister in Welt und Kirche jubeln – aber glaubenstreue Theologen und Seelsorger schweigen mehrheitlich betreten. Einige wenige tragen Zweifel vor, um deren Zerstreuung sie bitten, oder mahnen, keine Anlässe zu geben, aus dem sich Abweichungen und Widersprüche von der Lehre entwickeln können.
Soll das unzulässsig sein, muß man sich davon distanzieren? Zählt nur noch das „jeweilige“ und der „große Atem“ des Zeitgeistes? Wie unterscheidet sich dieser Hyperpapalismus von einem Ultranationalismus nach der Art „right or wrong – my country!“
Die Heiligenkreuzer haben natürlich in einem Recht: Die Einheit der Kirche unter dem Papst ist ein hohes Gut und größter Anstrengungen zur Verteidigung wert. Aber die Einheit in der Kirche, darauf hat gerade Benedikt XVI. immer wieder hingewiesen, findet nicht nur im Raum der Gleichzeitigkeit statt, sondern erstreckt sich durch Zeit und Ewigkeit – sichtbar und wirksam durch die Kette von den Aposteln über die Kirchenväter und Kirchenlehrer bis zu den Dokumenten des lebendigen, aber in sich widerspruchsfreien Lehramts der Kirche. Der Papst mag Souverän des Kirchenstaates sein – hinsichtlich der Lehre ist er nicht Herr, sondern Diener. Wenn sein Reden und Schreiben Zweifel aufkommen läßt, daß er diesen Dienst erfüllt und die Einheit durch die Zeit bewahrt, hilft keine Berufung auf die Treue zum jeweiligen Papst. Christus, dessen mystischer Leib die Kirche ist, ist gestern, heute und morgen nicht nur der gleiche, sondern der selbe.