„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Zum Ersten Advent
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- 27. November 2021
Beginnend mit dem morgigen ersten Adventssonntag singt die Kirche während der Zeit des Harrens auf An- und Wiederkunft des Herrn alltäglich zur Vesper den Hymnus Creator alme siderum, dessen textliche Wurzeln bis ins 7. Jahrhundert zurückreichen. Hier eine deutsche Übersetzung der älteren Textgestalt von Richard Zoozmann :
Allmächtiger Sternenschöpfer du,
Allewiges Licht der Glaubenden,
Jesu, Heilbringer aller Welt,
Hör unser demutvoll Gebet.
Dass nicht durch Satans List und Trug
Die Welt verderbe, wurdest du
Aus reiner Liebe Eifertrieb
Der schwererkrankten Schöpfung Arzt.
Dass du der Menschheit Sündenschuld
Am Kreuze tilgest, gehest du
Aus einer Jungfrau heiligem Schoß
Als Opfer makellos hervor.
Vor ihm, des Ruhmes Großgewalt
Und Namensklang vor allem schallt,
Fällt Engelchor und Teufelstrupp
Angstvoll-erbebend in die Knie.
Drum bitten wir, des Jüngsten Tags
Allmachtgewaltigen Richter dich:
Mit deiner Himmelsgnade Schild
Verteidige vor den Feinden uns.
Lob, Ehre, Vollkraft, Ruhmeszier
Sei Gott, dem Vater und dem Sohn
Mitsamt dem heiligen Tröstergeist
Durch die zeitungebundne Zeit.
Eine neuere Textform, die auf die antikisierende Überarbeitung unter dem Renaissance-Papst Urban VIII. zurückgeht und mit den Worten Conditor alme siderum beginnt, war Jahrhunderte lang für das Breviarium Romanum offiziell vorgeschrieben:
Allmächtiger Sternenschöpfer du,
Allewiges Licht der Glaubenden,
Jesu, Heilbringer aller Welt,
Hör unser demutvoll Gebet.
Der du tieftrauernd sinken sahst
Die Menschheit in des Todes Schlund,
Und, heilend die erschöpfte Welt,
Den Büßern Heiltrankspender warst:
Zum Abend neigte sich die Zeit,
Da trat, wie aus dem Brautgemach
Der Bräutigam, aus dem würdigsten
Jungfrauen-Mutterschoß er dar.
Vor dem Gewaltigmachtenden
Beugt aller Knie sich demuttief;
Ob himmlisch es, ob irdisch sei,
Gehorsam ist es seinem Wink.
Die Sonne befolgt den Untergang,
Der Mond bewahrt den blassen Schein,
Der Glanz leuchtet in den Gestirnen wider,
Die ihren vorgeschriebenen Weg gehen.
Dich, Hehrer, bitten wir deshalb,
Dich Zukunftstrichter dieser Welt,
Beschirme gegenwärtig uns
Vorm Pfeil des tücketrächtigen Feinds.
Selbst in der Übersetzung, die notwendigerweise in beiden Fassungen vielfach vom lateinischen Text abweicht, sind die Unterschied erkennbar, in denen der Zeitgeschmack der jeweiligen historischen Epoche seinen Ausdruck findet. Allerdings verläßt auch die Renaissance-Version bei allen antikisierenden Anklängen an keiner Stelle den Bilder- und Gedankenkenraum des christlichen Glaubens – was nicht für alle Überarbeitungen der Hymnen unter Urban VIII. gesagt werden kann.
In den aktuellen nationalsprachlichen Fassungen finden sich stark unterschiedliche Versionen zum Teil aus dem 19. Jahrhundert, zum Teil aus der Gegenwart. Das deutsche Stundenbuch bringt die sprachlich modernisierte Übersetzung des Reformators und Revolutionärs Thomas Müntzer, wie sie in der evangelischen Tradition gebräuchlich ist. Müntzer folgt in seiner Übertragung generell dem Breviarium Romanum, er – oder seine Vorlage – ersetzen aber die zweitletzte Strophe durch die entsprechende der älteren Form.
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Die Ilustration stammt aus einer englischen Prachtbibel des 15. Jahrhunderts (Quelle und Näheres hier), wo sie dem 4. Schöpfungstag im Liber Genesis zugeordnet ist. Sie weicht in einem interessanten Punkt von neuzeitlicheren Illustrationen ab, die den Weltenschöpfer als den uralten Mann mit weißem Bart imaginieren – geradezu archetypisch dargestellt von Julius Schnorr von Carolsfeld in seiner Bilderbibel. Das steht natürlich quer zum textlichen Befund des Alten Testaments und auch zum Glauben der Kirche: Gott in seiner Ersten Person wohnt im unzugänglichen Licht und entzieht sich jeder Darstellung. Von Anfang an handelt der Allmächtige an und in der Welt nur durch sein Wort, seinen Sohn, in dem und mit dem alles geschaffen ist. Wer ihn sehen oder gar bildlich darstellen will, ist auf den Sohn verwiesen. Dem Mittelalter war das durchaus geläufig: Versuche zur individualisierenden Darstellung der ersten Person im Anklang an den „Alten vom Berge“ sind m.W. eine durch und durch neuzeitliche, also „moderne“ Angelegenheit.
Die englische Illumination weist dazu noch eine Besonderheit auf, die dem kunsthistorischen Laien hier zum ersten Mal auffällt: Der Nimbus des Logos-Christus ist nicht kreisrund, wobei seine drei Strahlen zumindest für meine Augen die Ergänzung durch einen vierten hervorrufen und somit das Kreuz der Erlösung assoziieren, sondern betont die Dreistrahligkei: Die Schöpfung ist das Werk der ganzen hochheiligen Dreifaltigkeit.
Leben und Bauen für die Ewigkeit
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- 25. November 2021
Die beauftragte Sprecherin der Karmelitinnen von Fairfield, Catherine Bauer – die selbst nicht dem Orden angehört, aber durch familiäre Beziehungen eng mit dem Konvent verbunden ist – hat in einem ausführlichen Gespräch mit dem CatholicNewsReport einige Informationen zur aktuellen Situation nach der päpstlichen Visitation im September mitgeteilt. Der Konvent mit gegenwärtig 25 größtenteils jüngeren Mitgliedern sieht sich hart bedrängt, die Vorschriften der Instruktion Cor orans für kontemplative Frauenorden umzusetzen. Dieses Dokument, erlassen 2018 von Papst Franziskus und mit Nachdruck implementiert von der Ordenkongregation unter João Braz de Aviz, verfolgt nach übereinstimmender Ansicht zahlreicher Frauenklöster – die Sprecherin nennt allein für die USA eine Zahl von etwa 60 mit entsprechenden Befürchtungen – die Absicht, die kontemplativen Gemeinschaften nach den Vorstellungen des gegenwärtigen Papstes zu „verheutigen“.
Dazu gehört zum einen ihre Einbindung in sogenannte Föderationen, die als Eigentümer jeglichen Konventsbesitzes und letzte Instanz in allen Personalangelegenheiten – auch Aufnahme oder Entlassung von Mitgliedern – strikte Kontrolle über das gesamte klösterliche Leben ausüben. Dazu gehört auch die Aufhebung zentraler Elemente der kontemplativen Existenz wie Abschaffung oder Lockerung der Klausur, Verbot der überlieferten Liturgie und der lateinischen Sprache im Chorgebet usw. Das Interview vermittelt einen kurzen, aber überaus abschreckenden Einblick in den Inhalt der insgesamt 298 Regeln, mit denen Rom künftig das Leben der frommen Schwestern bis ins Einzelne reglementieren will – für alle auf der ganzen Welt gleich.
Stark dem römischen Vorbild...
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- 23. November 2021
...entsprechen die Einschränkungen für die Feier der überlieferten Liturgie in der Diözese Charleston, die Bischof Robert E. Guglielmone (geb. 1945) mit Geltung vom 28. November an soeben erlassen hat. In den vier Pfarreien seines Bistums, in denen in der Vergangenheit schon sonn- und feiertags Messen nach dem überlieferten Ritus gefeiert worden sind, kann das auch weiterhin geschehen - allerdings nur eine Messe am Tag und nur durch Priester, die bisher schon mit Kenntnis/Genehmigung des Bischofs entsprechend tätig waren. Werktagsmessen sind nur zulässig, soweit am gleichen Tag in der Kirche auch eine Messe im NO stattfindet. Das könnte zum Problem für die mindestens zwei Messorte werden, die von Priestern der Petrusbruderschaft betreut werden.
Wie in Rom (s. hier) dürfen während des österlichen Triduums und in der Osternacht keine Messen im überlieferten Ritus stattfinden. Zusätzlich sind in Charleston auch Mitternachtsmessen zu Weihnachten verboten, denn - so hat der Bischof oder ein belesener Mitarbeiter herausgefunden - „vor DEM KONZIL durfte die hl. Messe an Festtagen nur zwischen Mitternacht und 12 Uhr mittags stattfinden - deshalb verbeiten die Rubriken eine Feier im traditionellen Ritus am Weihnachtsabend“. So geht Rubrizistik!
Ähnlich wie in Rom gibt es auch Einschränkungen bei den übrigen Sakramenten. Firmungen und Krankensalbungen sind generell verboten - man kann gespannt darauf sein, wie der Bischof vor allem letzteres sicherstellen will. Eheassistenz bedarf der Genehmigung des Bischofs, eine Beerdigung in der alten Form ist nur möglich, wenn der Verstorbene das zu Lebzeiten schriftlich beantragt hat. Ähnliches gilt für Taufen nach dem überlieferten Rituale: Sie bedürfen einer entsprechenden Bitte der Eltern. Auch bei diesen Regelungen ist eine Stoßrichtung gegen die Petrusbruderschaft zu vermuten - obwohl es bisher eher selten vorgekommen sein dürfte, daß tiefschwarz vermummte Petrusbrüder etwa eine nichtsahnende Taufgesellschaft überfallen hätten, um den Täufling zu entführen und nach den misbilligten Riten der Zeit vor DEM KONZIL von der Erbsünde zu befreien und in die Gemeinschaft der Erlösten aufzunehmen.
Weitere Einzelheiten und ein Faksimile des bischöflichen Erlasses bringt CatholicWorldReport. Eine Auseinandersetzung mit dem zutiefst unpastoralen Geist der Anordnung findet sich bei Fr. Zuhlsdorf.
Lesestoff zum Wochenende
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- 20. November 2021
Zunächst ein Hinweis auf zwei Nachträge zur kleinen Linkliste unseres Artikels über den aus dem Innern der Kirche selbst vorgetragenen Angriff auf das kontemplative Leben. Der Artikel Notes and question about the new directives on contemplative convents von Fr. Joseph Fessio S.J. stellt einige kirchenrechtliche Fragen, die für den Fortgang der Dinge bedeutsam sein können. Können, nicht müssen, denn wie die italienische Jura-Professorin Geraldina Boni in einem soeben erschienenen Buch ausführt, bedeutet die hemdsärmlige, um nicht zu sagen anarchistische Art, mit der Papst Franziskus das Kirchenrecht je nach Gusto übergeht oder ändert, eine Gefahr, die das ganze Gebäude des kanonischen Rechtes zum Einsturz bringen könnte. Eine englische Besprechung des bisher nur auf itralienisch erschienen Werkes bringt der National Catholic Register.
Doch zurück zum Thema der kontemplativen Orden: Peter Kwasniewski hat auf OnePeterFive einen Beitrag veröffentlicht, der im Wesentlichen zwei Aspekte beleuchtet: In einem ersten Teil skizziert der Autor Möglichkeiten, wie Angehörige von für „aufgelöst“ erklärten Gemeinschaften oder Klöstern ihr monastisches Leben als „Laienvereinigung“ fortsetzen können, ohne kirchenrechtliche Angriffspunkte zu bieten. Der zweite Teil greift auf ein Buch über das Untergrund-Leben orthodoxer Frauengemeinschaften im stalinistischen Russland zurück und endet mit dem einigermaßen erschütternden Statement: „Mentalität und Vorgehen der „katholischen“ Verfolger des traditionellen Ordenslebens ähneln auf seltsame und übelkeiterregende Weise denen der Kommunisten.“ Was die Bolschewiken überstanden hat, so können wir den Autor verstehen, wird auch Braz d‘Aviz und Co überdauern.
Auf verquere Weise mit dem Kampf gegen das kontemplative Leben verknüpft ist das Thema der anthropozentristischen Wende der Kirche, zu dem wir in dieser Woche Lesenswertes bei den Nachtgedanken von Uwe Lay gefunden haben. Wo es vor allem um den „Dienst am Menschen“ geht, muß der Gottesdienst allgemein und die Kontemplation insbesondere wie zur Zeit des Josephinismus im 18. Jahrhundert vor allem als Verschwendung gesellschaftlicher Ressourcen betrachtet und im Sinne der allgemeinen Wohlfahrt bekämpft werden. Und wegen des kollektivistischen Menschenbildes, das dem säkularien Anthropozentrismus zugrunde liegt, kann man dabei natürlich auf Bedürfnisse von Einzelnen keine Rücksicht nehmen: Der Staat, die Partei, die Kongregation wissen, was allen frommt und daher ausnahms- und gnadenlos für alle durchgesetzt werden muß.
Großes Thema der vergangenen Woche in den USA war die Herbst-Vollversammlung der amerikanischen Bischofskonferenz mit der Abstimmung über ein Dokument zur hochheiligen Eucharistie. Im Vorfeld hatte es heftige Auseinandersetzungen auch mit Rom gegeben, weil ein Teil der Bischöfe sich offen gegen den Mißbrauch des Sakraments durch Abtreibungspolitker – am prominentesten hier Präsident Biden – wenden wollten, die durch demonstrativen Kommunionempfang Stimmen von katholischen Wählern einwerben wollen. Der Vatikan hat sich mit seinen offenen Interventionen zugunsten von Biden & Co weitgehend durchgesetzt – wenn auch nicht vollständig, wie George Weigel in einem Beitrag auf Catholic World Report nachgezeichnet hat. Im übrigen ist das Dokument der US-Bischöfe abseits seiner politischen Zurückhaltung lehrmäßig von hohem Wert, zumindest, was die dogmatische Seite der Lehre von der der Eucharistie betrifft. Ebenfalls auf Catholic World Report hat Peter M. Stravinskas darauf hingewiesen, daß in der gottesdienstlichen Praxis das bereits im Titel des Dokuments herausgestellte „Geheimnis der Eucharistie“ vielfach nur unzureichend sichtbar und kenntlich gemacht wird – und daß die im Gefolge der Liturgiereform Pauls VI. vollzogene „anthropozentristischen Wendung“ des Gottesdienst dafür die Hauptschuld trägt.
Die Liturgiereform ist auch das Thema eines lesenswerten Artikels von Fr. Hunwicke auf Mutual Enrichment, der anhand eines Messbuchs von 1957 einen Blick auf die bereits vor dem Konzil erfolgten und stark von Bugnini beeinflußten Veränderungen und Verarmungen des römischen Ritus wirft. Sein Fazit: „Die Periode von 1955 bis 1976 ist eine einzige, zusammenhängende Periode von Einschnitten und Rissen, die immer brutaler und respektloser mit dem liturgischen Erbe der lateinischen Kirche umgegangen ist“.
Der Mißbrauch dauert an
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- 18. November 2021
Der Angriff des gegenwärtigen Pontifikats auf die Tradition der Kirche Christi ist umfassend. Die überlieferte Liturgie des hl. Gregor steht schon alleine wegen ihrer Reichweite und ihrer zunehmenden Resonanz bei den Gläubigen im Zentrum. Aber mit kaum geringerer Wut richten sich die Angriffe der Modernisten auf alle anderen Stränge, die die Kirche mit ihrer Vergangenheit verbinden und ihrer Umwandlung in einen global player in der Politik und auf dem Markt der Sinnstiftungangebote im Wege stehen. Veröffentlichungen in den letzten Wochen lenken (s. Links unten) unsere Aufmerksamkeit darauf, daß derzeit die kontemplativen Frauenorden frontal angegriffen werden – zumindest jene Klöster, die wie einige Niederlassungen der Klarissen (gegründet 1012) und der Karmelitinnen (gegründet 1452) ihr ursprüngliches Charisma – eben das der Kontemplation in Weltabgeschiedenheit und Armut – beibehalten oder wiedergewonnen haben.
Hauptakteur bei den aktuellen Attacken ist die Ordenskongregation unter ihrem berüchtigten Präfekten João Braz de Aviz, der 2013 den wegen ihrer partiellen Rückwendung zu überlieferten Liturgie unerträglich gewordenen Franziskanern der Immakulata und 2014 deren weiblichem Zweig mit ausgesuchter Brutalität den Garaus machte. Der selbst auf offiziellen Photos oft einigermaßen derangiert wirkende Brasilianer kann sich bei seinem Vorgehen nicht nur auf enge persönliche Verbindungen zu Papst Franziskus stützen, sondern auch auf von diesem verfaßte oder unterzeichnete (pseudo)lehramtliche Dokumente wie die apostolische Konstitution Vultum dei querere (hier deutsch zum Abruf als PDF) und die sich darauf berufende Instruktion Cor orans (hier ebenfalls deutsch) „über das weibliche kontemplative Leben“. „(Pseudo)lehramtlich“ deshalb, weil Dokumente, die, so sehr sie auch mit frommen Sprüchen und Zitaten der Väter und DES KONZILS verziert sein mögen, aber in wesentlichen Inhalten, Schlußfolgrungen und Konsequenzen der überlieferten Lehre und darauf gegründeten Praxis widersprechen, schwerlich als authentischer Ausdruck des Lehramtes gelten können.
Insbesondere Cor orans mit Vorschriften zur faktischen (kichenrechtlichen) Enteignung und Fremdbestimmung von Konventen
Wie überleben III
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- 15. November 2021
Bei aller berechtigten Empörung über die Lügen und Verdrehungen von Prälaten wie Cupich oder Roche sowie die jüngst über die Petrusbruderschaft in Rom durch den Generalvikar des Papstes verhängten Restriktionen sollte man zweierlei nicht übersehen: Die tatsächlichen und wirksamen Einschränkungen für die Gläubigen, an der heiligen Messe im überlieferten Ritus teilzunehmen oder die Sakramente nach der alten Form zu empfangen, sind gering, wenn überhaupt erkennbar. Die überwiegende Zahl der Bischöfe weltweit ist nicht bereit, sich dem Kreuzzug von Franziskus anzuschließen – warum auch immer. Und selbst mit dem Aufbau einer kirchlichen GeStaPo könnte Kardinal De Donatis kaum überprüfen oder gar verhindern, daß Taufen oder letzte Ölungen im überlieferten Ritus gespendet und Absolutionen nach der alten Formel erteilt werden. Ob und inwieweit solche Vorgänge dann öffentlich gemacht werden, ist zunächst eine Frage der Taktik: Vielleicht lernt das Pferd ja doch noch sprechen, oder der Kalif stirbt.
Ein zweites Element ist in Deutschland bisher weniger zur Kenntnis genommen worden, spielt dafür in den USA und weltkirchlich eine umso größere Rolle: Die von herzlichstem Einvernehmen bestimmten Zusammenkünfte des Papstes mit den Pro-Abtreibungs-Aktivisten Biden und Pelosi haben auch in bei Katholiken, die den Krieg gegen die überlieferte Liturgie kaum zur Kenntnis genommen haben, große Verärgerung und tiefgehende Befürchtungen ausgelöst. Die römischen Bemühungen, zu verhindern, daß die US-Bischöfe sich vernehmlich gegen den demonstrativen Kommuniongang von Abtreibungspolitkern aussprechen, spielen in diesen Kreisen die gleiche Rolle wie das Vorgehen gegen die überlieferte Liturgie bei den Konservativen: Sie machen erkennbar, daß in diesem Pontifikat trotz gelegentlicher frommer Sprüche alle traditionellen Formen und Inhalte des Glaubens zur Disposition stehen, wenn das den Machtinteressen der jesuitischen Kamarilla am päpstlichen Hof (und der Eitelkeit des regierenden Papstes) dienlich erscheint.
Unmittelbare Konsequenz dieser Entwicklung ist zunächst einmal ein deutlicher Rückgang bei den aus den USA eingehenden Spenden, die für den gerade von einem 100-Millionen-Verlust seiner Londoner Immobilienspekulation betroffenen Vatikan mindestens ebenso wichtig sind wie die Zuwendungen aus der deutschen Kirchensteuer. Längerfristig zeichnet sich als Folge ab, daß nicht nur amerikanische Kardinäle, sondern auch viele Teilnehmer des nächsten Konklaves „von den Rändern“ der dritten Welt nicht mehr so bereitwillig einen Franziskus II. wählen werden, wie das noch vor zwei, drei Jahren erscheinen mochte. Damit besteht noch kein Grund, die Wahl von Pius XIII. zu erwarten – aber das Schlimmste erscheint abwendbar.
Von daher ist es durchaus nachvollziehbar, wenn einige Beobachter der römischen Szene angesichts der jüngsten Entwicklung eine sich ausbreitender Panik in den päpstlichen Hinterzimmern konstatieren. Und es ist auch nicht völlig abwegig, in einigen Situationen als Strategie zum Überleben einfach mal die Füße ruhig zu halten. Für eine begrenzte Zeit.