„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
Themen und Meldungen:
Interview mit Dom Alcuin Reid
- Details
- 16. Juli 2022
Dom Alcuin Reid, der Prior der als jüngstes Opfer (s. unseren Bericht) des bergoglianischen Liturgiekrieges für aufgelöst erklärten Benediktinergemeinschaft von Saint Benoit , hat Rorate Caeli ein ausführliches Interview gegeben: Zu den Hintergründen seiner ohne Erlaubnis des Ortsbischofs erfolgten Priesterweihe, zur Begründung der Notlage für die Mönchsgemeinschaft, zum (fehlenden) Realitätsgehalt der von den üblichen Verdächtigungen gegen ihn erhobenen Verdächtigungen, zu Desiderio Desideravi. Besonders lesenswert fanden wir seine von deutlicher Sympathie und dem Bemühen um Verständnis geprägten Ausführungen zu dem offenbar unter starkem römischen Druck stehenden Diözesanbischof Rey von Frejus-Toulon. Ebenso beeindruckend die von Reid formulierte Entschlossenheit seiner Gemeinschaft, an ihrem Weg festzuhalten:
Wir wußten, daß Suspensionen und die Auflösung drohten – aber wir (und nicht die Diözese) sind Besitzer unserer Niederlassung mit allem Drum und Dran, niemand kann uns vertreiben.
Das ist unsere Berufung und die Pflicht, die wir gegenüber dem Allmächtigen Gott versprochen haben. Wenn wir anders handelten, würden wir zu bloßen Mietlingen, die vor den Wolfen davonlaufen.
Wenn wir für eine Weile kanonisch ungebunden sein müssen, dann soll es so sein. Das ist natürlich nicht unser Wunsch, … und wir werden darauf achten, uns nicht zu isolieren.
Im Folgenden verweist Reid dann auf den seinerzeit ebenfalls suspendierten Gründer von Le Barroux, Dom Gerard Calvet, und erinnert daran, daß auch die Petrusbruderschaft und das Institut vom guten Hirten heute nicht existieren würden, wenn nicht Erzbischof Lefebvre und seine Piusbruderschaft sich damals der Suspendierung und Auflösung widersetzt hätten. Er schließt diesen Abschnitt mit den Worten:
Wir vertrauen darauf, daß alles zu einem guten Ende komen wird, wenn wir unserer Berufung treu bleiben und das klassische Benediktinerleben in Aufrichtigkeit und Nächstenliebe weiterführen, wenn wir bei der überlieferten Liturgie in ihrer vollen und unverfälschten Form bleiben. Natürlich gehen wir ein Risiko ein, aber wir finden, es ist den Umständen angemessen, in denen wir uns befinden. Wir sind in Gottes Hand – und das ist der beste Ort, an dem man sein kann.
Hier noch einmal der Link zur Originalfassung und hier zu einer inzwischen erschienenen deutschen Version bei gloria TV.
Keine Kirche ohne Priester!
- Details
- 14. Juli 2022
Die Piusbruderschaft hat zu Anfang des Monats mitgeteilt, daß sie nach den Weihen dieses Frühsommers erstmals in ihrer Geschichte mehr als 700 priesterliche Mitglieder hat; genau sind es 707. Sechs Weihen entfielen auf das Seminar der Bruderschaft in den USA, acht auf Ecône in der Schweiz und drei auf Zaitzkofen in Deutschland. In allen dieser Seminare werden Seminaristen aus mehreren Ländern ausgebildet. Insgesamt kommen die Neupriester aus acht Ländern – Spitzenreiter sind Frankreich mit sechs und die USA mit fünf Neugeweihten.
Wie die Piusbruderschaft gleichzeitig verlauten ließ, gehören der benachbarten Petrusbruderschaft derzeit 341 Priester an; beim Institut Christus König und Hoher Priester sind es 80 und beim Guten Hirten ungefähr 50. Dazu kommen noch eine Zahl von Priestern in den kleineren Gemeinschaften und in den der überlieferten Liturgie folgenden Klöstern. Insgesamt dürften es weltweit mehr als 1300 sein.
Das ist eine schöne Zahl. Sie relativiert sich freilich beim Blick auf einige historische Bistümer Deutschlands wie Köln mit um die 700 und Münster mit um die 750 gegenwärtig aktiven Priestern. Das sind freilich absolute Sonderfälle. In den USA z.B. beträgt die durchschnittliche Zahl der Priester (bei großen Unterschieden im Einzelfall) pro Diözese 125; viele bleiben weit unter 100. Noch gravierender ist, daß in den alten ehemals katholischen Ländern Europas der Klerus stark überaltert ist. Fast die Hälfte seiner Mitglieder wird das kommende Jahrzehnt nicht überleben – und es wächst kaum noch etwas nach. Gerade wird gemeldet, daß die Personalchefin der Speyrer Diözese mit derzeit 530 „Seelsorgern“ (wie viele davon Priester sind, wird hier wie auch sonst oft nicht gesagt) erwartet, im Jahr 2030 nur noch rund 370 Seelsorger*innen einsetzen zu können.
Das ist bei den traditionellen Gemeinschaften entschieden anders. Stürmische Zunahme der Seminaristen – wie seinerzeit bei den Franziskanern der Immakulata – gibt es zwar nur als Ausnahmeerscheinung. Aber generell herrscht – auch wegen der ausgeglichenen Altersstruktur – ein gutes natürliches Wachstum. Wenn einige Diözen noch stärker als Speyer bis 2030 den Verlust von mehr als einem eines Drittel ihrer „Seelsorger“ erwarten müssen, können die traditionellen Gemeinschaften mit einem Zuwachs an Priestern um ebenfalls vielleicht ein Drittel rechnen.
Traditionis Custodes hin oder her: Das Überleben der überlieferten Lehre und Liturgie in starken und immer stärker werdenden Bereichen der Kirche ist gesichert und kann weder von diesem noch einem zukünftigen „Dikatator-Papst“ zunichte gemacht werden. Ein Nachfolger von Franziskus wird sich daran messen lassen müssen, ob er diese Entwicklung für die Kirche im Sinne von Benedikts Summorum Pontificum zu einem Kraftquell oder nach der Vorgabe von Franziskus zu einem Motor der Spaltung machen wird.
'Gender' im Missale und die Folgen
- Details
- 12. Juli 2022
Gestern gedachte die deutschkatholische Kirche des 30. Jahrestages der offiziellen Zulassung von Mädchen als Messdienerinnen – Papst Johannes Paul II. in jahrelang praktiziertem Ungehorsam gegen mehfach ausgesprochene und bekräftigte Verbote des Vatikans abgetrotzt. Heute sieht man in vielen Kirchen sonntags fast nur noch Mädchen im Altardienst – werktags bleiben auch die meistens weg – aber mit den ins Bodenlose fallenden Zahlen bei Priesterberufungen hat diese Verdrängung der Jungen aus dem Altardienst natürlich nicht das geringste zu tun. Und damit, daß immer mehr Frauen sich nun die Priesterweihe ertrotzen wollen, auch nicht. An manchen Tagen – gestern und heute waren wieder mal solche – hat das synodalistische Zentralorgan katholisch.de kaum ein anderes Thema als „Geschlechtergerechtigkeit“ am Altar und im Kirchenrecht.
Dabei wäre nur ein wenig angewandte Jugendpsychologie nötig gewesen, um diese Entwicklung vorauszusehen: Allen Gleichmachungsphantasien zum Trotz sind nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Mädchen und Jungen in vielem ziemlich verschieden. Gerade in den für den Altardienst (und potentielle Berufungen) kritischen Jahren zwischen 9 und 14 sind Mädchen oft gewandter, kommunikativer und spirituell aufgeschlossener sowie sozial „interaktiver“ und „leichter handelbar“ als die meisten Jungen. Die spüren ihre (da vorübergehend eher vermeintlichen) Defizite und reagieren mit Rückzug – voilà.
Wie es der Zufall so will, hörten unsere auf die Wahrnehmung der Symptome des Gleichstellungsfurors trainierten Ohren am vergangenen Sonntag (5. nach Pfingsten) in der Secreta eine dort eher selten vorkommende Wendung: „Herr, sei gnädig unseren Bitten und nimm diese Opfergaben Deiner Diener und Dienerinnen huldvoll an…“ Im Lateinischen: „Oblationes famulorum famularumque“. Diese „inkludierende“ Rederweise kommt sonst hauptsächlich im Zusammenhang mit Fürbitten für (mehr oder weniger) konkrete Personen vor: Im Gedächtnis der Lebenden zu Beginn des Kanons und im Gedächtnis der Toten zu dessen Ende. Auch im Requiem zu Allerseelen und den davon abgeleiteten „Totenmessen“ kommt sie vor – dort nicht nur in der Sekreta, sondern auch im Tagesgebet.
Ritus und Stil
- Details
- 11. Juli 2022
Zu Traditionis Custodes und Desiderio Desideravi ist schon viel richtiges gesagt worden – siehe u.a. die Liste mit wichtigen aktuellen Links zu DD bei Pro Missa Tridentina. Wir beteiligen uns an dieser Diskussion inzwischen nur noch mit halbem Herzen, weil wir davon ausgehen, daß diese Erlasse und Ermahnungen – wie fast alles, was Franziskus geschrieben und verordnet hat – schon bald wohlverdienter Vergessenheit anheim fallen werden. Inhaltlich Neues dazu zu zu sagen fällt schwer. Mit Vergnügen hat Summorum Pontificum daher einen Text zur Kenntnis genommen, der nicht den Anspruch erhebt, der Diskussion Neues hinzuzufügen, sondern der das, was zu sagen ist, in einem der Debatte über die römische Liturgie überaus angemesenen Idiom aussagt: In klassischem an der Diktion Ciceros geschultem Latein.
Verfasser des an Papst Franziskus gerichteten Literae responsoriae ad ‚Traditionis Custodes‘ ist der Münsteraner Altphilologe Prof. Christian Pietsch, der uns den Text freundlicherweise zur Verbreitung zur Verfügung gestellt hat. Hier der Link zum Download als PDF, und eine kleine Leseprobe:
… Concilio Tridentino adhortante Pius V papa summa vi omnibus posterioribus temporibus ita servandum tradidit, mandavit, praescripsit ut in perpetuum mutari vel etiam abrogari nequeat. itaque Benedictus papa ille cum missae sacrificium iuxta editionem typicam missalis Romani a B. Ioanne XXIII anno 1962 promulgatam et numquam abrogatam celebrare licere fortissime asseveravit (Summorum pontificum, Art. 1) plane nihil novi docuit sed id tantum confirmavit quod semper valebat, valet, valebit.
his dictis unicuique concludendum est haec missarum sollemnia a patribus tradita inseparabilem esse traditionis apostolicae partem sine qua traditio stare non potest. sine traditione autem ecclesia non est ecclesia sed hominum conventus ecclesiae nomen usurpans.“
Ein solches Schreiben steht für mehr als eine Kuriosität aus Akademia. Eines der auffälligsten Kennzeichen dieses Pontifikats ist seine umfassende Stillosigkeit. Seit Jahren zeigt der Vatikan der Welt ein Erscheinungsbild, das mehr an eine Parteizentrale im Wahlkampf erinnert als an die von Christus eingesetzte Instanz zur Weide und Bewahrung seiner Herde. Natürlich kann der Heilige Stuhl den Presseagenturen zuliebe auch die Originalfassungen seiner Dokumente in italienischer Sprache veröffentlichen – Kenner sagen uns freilich, es wäre schlechtes Bürokraten-Italienisch. Oder wenn doch einmal in Latein, mit so vielen Fehlern, daß nicht nur Professoren für alte Sprachen mit den Augen rollen.
Das zu bemängeln hat nichts mit Formalismus zu tun: Die Häresie der Formlosigkeit (Mosebach) ist nur ein Symptom dafür, daß Häresie sich in allen Bereichen breit macht. Inhalte bestehen nicht unabhängig von Formen – das zu übersehen oder zu bestreiten ist der große Irrtum der Liturgiereform. Eine Wortmeldung in der klassischen Sprache der Kirche (und das ist nicht das Kirchenlatein) ist in diesem durch und durch stillosen Pontifikat eine Erinnerung daran, daß der Ritus nicht zuletzt auch eine Frage des Stils ist. Und daß die Opposition gegen den stilistischen und rituellen Nihilismus der Jesuiten auch ein Bestandteil des Kampfes für die Bewahrung der Tradition in Lehre und Liturgie der Kirche ist.
In diesem Sinne, allen, die sich nicht vor Cicero (der nebenbei bemerkt auch ein fulminanter Wahlkämpfer war) fürchten: Besinnliches Vergnügen bei der Lektüre. Und das wünschen wir natürlich auch dem Papst selbst und seinen sprachenkundigen Beratern.
„Lateinischer“ Ritus ohne Latein?
- Details
- 09. Juli 2022
New Liturgical Movement hat ein bislang größerer öffentlicher Beachtung entgangenes Video aufgespürt, das die Aufzeichnung eines „glagolitischen“ Pontifikalamtes im tschechichen Velegrad aus dem Jahr 2016 zeigt. Das glagolitische Missale, letzte Auflage 1927, ist ein Messbuch des klassischen römischen Ritus der auf den hl. Papst Gregor zurückgehenden Tradition – allerdings nicht in lateinischer Sprache, sondern in einem gemeinhin als „(alt)kirchenslavisch“ bezeichneten Idiom. Zelebrant in Velegrad war Weihbischof Athanasius Schneider. (Mehr zur glagolitischen Sondertradition enthält ein Beitrag auf New Liturgical Movement von 2011).
Bischof Schneider, mehrsprachig als Kind einer rußlanddeutschen Familie im damals sowjetischen Kasachstan aufgewachsen, bringt ideale Voraussetzungen für ein derartiges Pontifikalamt mit: Er ist vertraut mit der überlieferten Liturgie wie nur wenige andere „römische“ Bischöfe, und für die Aussprache des Kirchenslavischen ist er nahezu Muttersprachler.
Nach dem oben verlinkten Video würde man ohne Ton praktisch keinen Unterschied zwischen einem normalen Pontifikalamt und dessen glagolitischer Version erkennen können. Die gesungenen Teile zumindest der Offizianten sind reine Gregorianik – beim Gesang von Schola und Gemeinde sind wir nicht ganz sicher, aber alles klingt „westlich“, ohne Anklang an die doch deutlich andersartige musikalische Tradition auch der mit Rom verbundenen Rituskirchen des Ostens. Die Zelebration von Velegrad unterstreicht also zumindest für die Gegenwart: Der manchmal so genannte „Glagolitische Ritus“ ist in keiner Weise ein eigener Ritus, noch nicht einmal ein besonderer „Usus“ des römischen Ritus – sondern die Feier des „lateinischen“ Ritus in einer anderen Sprache – nämlich der kirchenslavischen.
Synodalisches in und um Köln
- Details
- 07. Juli 2022
Die Diskussion über Desiderio Desideravi – das eher untypischerweise für ein Dokument mit der Unterschrift von Franziskus durchaus bedenkenswerte Aussagen enthält – geht weiter. Hier gibt es einen laufend ergänzten Überblick. Diese Debatte findet im wesentlichen in traditionellen oder gegenüber der Tradition offenen Kreisen statt. In Hardcore-Novus-Ordo-Land begnügt man sich mit knappen Kundgebungen der Genugtuung über die tatsächlich in DD erneut bekräftigte Absage an die überlieferter Liturgie. Man kennt derlei dort ja schon seit langem und freut sich nur noch mäßig über Wiederholungen.
Unterdessen ist die zweite Häfte des Jahres 2022 angebrochen und die die Deutschsynode geht auf ihr Endstadium zu. Liturgie ist in diesen Kreisen längst kein Thema mehr, schließlich ist man schon mehrere Schritte weiter und bei der Frage angekommen, ob es denn überhaupt noch eines Priestertums bedürfe. Falls man aber doch noch „geweihtes“ Personal benötigen sollte, dürften Frauen von dieser Stellung keinesfalls ausgeschlossen werden, das gebiete die Geschlechtergerechtigkeit. Auch Bischöfe wie Elbs, Jung und seit längerem schon Bischof Fürst gehen in diese Richtung.
Mit gemischten Gefühklen verfolgt man die Diskussion über das Ende des Priestertums freilich nicht nur bei den Frauen, die dieses Amt nach dem Diakonat als Zwischenstufe um jeden Preis erreichen wollen, sondern auch in der Universitätstheologie, auf deren dürren Boden die Idee von der Entbehrlichkeit eines besonderen Priestertums doch herangezüchtet worden war. Die staatlich finanzierte und deshalb nicht zu Unrecht auch als Repräsentanten einer „Staatstheologie“ angesehenen theologischen Fakultäten sind in ihrem Bestand durch die diversen in Deutrschland gültigen Konkordate nämlich vor allem dadurch geschützt, daß sie einer staatlich anerkannten Priesterausbildung für die Inhaber direkt oder indirekt staatlich finanzierter Positionen im Kirchendienst dienen. Daher haben bereits die von den Bischöfen erwogenen Pläne, die Priesterausbildung anegsichts brutal zurückgehender Bewerberzahlen an wenigen Fakultäten zu konzentrieren, unter den dortigen Lehrstuhlinhabern und hoffnungsfrohen Nachwuchsakademikern beträchtliche Unruhe ausgelöst. Sollten Gottesdienstleiter alsbald überhaupt keine langjährige Ausbildung mehr benötigen, sondern nach ihrer Wahl durch die Gemeinde im Kurzlehrgang fit gemacht werden, sieht das noch düsterer aus – selbst dann, wenn vermehrt Frauen in die Vorbereitungskurse drängen sollten. In der deutschen Staats- und Universitätstheologie herrscht schon seit längerem Alarmstufe Gelb.