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„Organische“ Entwicklung von Liturgie

Ende letzten Jahres gab es auf New Liturgical Movement eine Diskussion über die Brauchbarkeit des Begriffs „organische Entwicklung“ für die Liturgie - Beispiele hier und hier. Ohne sich explizit auf diese stellenweise etwas irritierenden Beiträge zu beziehen, hat Fr. Hunwicke am 25. 4. in einem Beitrag auf Fr. Hunwicke's Mutual Enrichment über liturgische Entwicklungen und Fehlentwicklungen in der anglikanischen Church of England musterhaft ausgeführt, wie „organische“ Entwicklung aussehen kann - und wo und wann sie unorganisch, krampfhaft und letztlich verderblich wird. Wir haben den Beitrag übersetzt und bringen ihn hier in voller Länge.

Organisch?

Bild: Von der Website des Autors

1927 und 1928 hat das Parlament zwei mal Vorschläge für eine Revision des anglikanischen „Book of Common Prayer“ abgelehnt. Ein Grund dafür war eine seltsame Kampagne, in der zwei Gruppen gegen die Annahme kämpften, die selbst untereinander bis aufs Blut verfeindet waren. Die in der Wolle gefärbten Calvinisten hielten die revidierte Form für zu römisch. Die anglokatholiken, die zu einem großen Teil Rom-orientiert waren, kämpften dagegen, weil sie die Reform für einen Teil eines Planes der Bischöfe hielten, den tridentinischen Ritus abzuschaffen, der sich damals wie ein Steppenbrand in der Kirche von England ausbreitete.

(Warum hassen eigentlich schlechte oder fehlgeleitete Menschen den tridentinischen Ritus so sehr?)

Man muß wissen, daß das „alte“ Buch von 1662 (im wesentlichen war es das von 1552) von niemandem in der Kirche von England befolgt wurde. Das erschwerte es den Bischöfen, gegen die „Papalisten“ vorzugehen, denn wenn er einen Priester angriff, weil der die Seiten 11, 21 und 31 der Ausgabe von 1662 nicht befolgte, konnte der darauf zurückgeben: aber Sie mißachten Seiten 15, 25 und 35. Wenn der Entwurf von 1928 angenommen worden wäre, hätte das Establishment die Papalisten für jede Widersetzlichkeit gegenüber „dem Buch“ angreifen können, ohne selbst als Heuchler dazustehen.

Der Fehlschlag von 1928 hatte zur Folge, daß die Anglo-Römer weiterhin den tridentinischen Ritus verwandten, entweder in Englisch oder in Latein, bis die dummen, dummen Kerle so um 1970 herum Trient zugunsten des neuen römischen „Bugnini-Ritus“ aufgaben, den wir auf diesem Blog als Usus deterior bezeichnen wollen.

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Papst, Liturgie und Autorität

Bild: Von der Website des Autors Unter der Überschrift "Popes, Liturgy and Authority" hat Fr. John Hunwicke auf seiner Website beginnend mit dem 27. März vier Postings veröffentlicht, die ganz wesentlich zum Verständnis des schwierigen Zusammenhanges beitragen. Alle Beiträge sind auch auf Deutsch beim Beiboot Petri erschienen, dessen Besuch wir wärmstens empfehlen.

Den 3. Beitrag der Reihe wollen wir hier komplett übernehmen, weil er einen Gegenstand anspricht, der den Anhängern der überlieferten Lehre und Liturgie besonders am Herzen liegen dürfte.

Es beginnt ein langes ZitatManchmal sagt man uns, daß die Einführung eines neuen Ritus durch den Hl. Paul VI genau das selbe war, was der Hl. Pius V 1570 tat,

Das ist es nicht.

Was der H. Paul VI tat ist genau das Gegenteil von dem was de Hl. Pius V tat...

Leute, die Ihnen irgendwas anderes erzählen, haben Quo primum nicht gelesen...oder verstehen kein Latein...oder haben eine bedauernswert ungenauen Zugriff auf die Wahrheit.

Der Hl. Pius V ging mit der Frage, daß die Kirchen einen mehr als 200 Jahre alten Usus nutzten (d.h. der auf die Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks zurückging, der es liturgischen Bastlern und Erneuerern leicht machte) auf folgende Weise um:

Er sagte: "nequaquam auferimus" - auf keine wie auch immer geartete Weise nehmen wir ihnen (ihren alten Ritus) weg.

Es ist wahr, daß er ein "permittimus" hinzufügte "wir erlauben, daß sie, wenn sie meine Ausgabe des Missale lieber mögen, ihn annehmen können "de episcopi vel praelati capitulique universi consensu" - vorausgesetzt, daß der Bischof und das Kapitel einstimmig zustimmen.

Wenn der Hl. Paul VI ...oder PF... wirklich so handeln wollten wie der Hl. Pius V., hätten sie so etwas wie dieses anordnen müssen:

"Wir nehmen das Recht das Missale das mehr als 200 (oder 600? oder 1200?) Jahre legal benutzt wurde, zu gebrauchen nicht weg; aber wenn ein Bischof und sein gesamtes Kapitel statt dessen meinen Novus Ordo benutzen wollen. werde ich ihnen erlauben das zu tun."

Mit Feuer und Flamme für die Tradition?

Bild: Screenshot aus Gloria-TVIm südindischen Bundesstaat Kerala, wo mit der Syrisch-Malabarischen Kirche die größte und älteste christliche Minderheit des Subkontinents zuhause ist, ist es wegen einer Liturgiereform zu tumultarischen Protesten gekommen. Als makabrer Höhepunkt wurden sogar in Talar gekleidete Strohpuppen mit den Photo-Gesichtern der Kardinäle Leonardi Sandri und George Alencherry verbrannt. Ein Pressesprecher der in Einheit mit Rom stehenden Kirche äußerte sichauf höchste empört, sprach von einer „offenen Herausforderung von Kirche und Papst“ und kündigte „Maßnahmen gemäß den Bestimmungen des Kirchenrechtes“ gegen die Aufrührer an. Worum geht es?

Die Syro-Malabarische Kirche verfügt über eine sehr eigentümliche und vermutlich bis ins 7. Jahrhundert zurückreichende Liturgie, deren Hauptkennzeichen darin besteht, daß ihr Hochgebet, die Qurbana nach Addai und Mari, die Wandlungsworte in keiner der im Evangelium überlieferten Formen enthält, sondern in einer uns eher umständlich anmutenden Weise umschreibt oder besser noch umkreist. Diese Tatsache galt lange als Hindernis für die Anerkennung der Syro-Malabaren bzw. deren zur Union mit Rom bereiten Teile, die darin begründeten Auseinandersetzungen fanden erst unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. einen Abschluß, als dessen Experten – darunter auch Joseph Ratzinger – die Gültigkeit der Qurbana bestätigten.

Damit war der Konfliktstoff in der indischen Kirche, die ihren Ursprung bis auf die freilich sagenhafte Indienmission des hl. Thomas zurückführt, jedoch nicht ausgeräumt.

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Organisches Wachstum und Reformeifer

Bild: Hozen-jiManchmal hilft es, einen weiter entfernten Standpunkt einzunehmen, um einen klareren Blick auf die Nähe zu gewinnen. Wie etwa bei dieser Geschichte, die vor einigen Tagen durch die japanische Presse ging. Im kleinen, aber durchaus gut frequentierten (buddhistischen) Tempel Hozen-ji aus dem Jahr 1637 mitten in Osaka hatte sich gegen Ende des zweiten Weltkriegs der Brauch entwickelt, daß Besucher die dort aufgestellten steinernen Statuen von Schutzgottheiten mit Wasserspenden ehrten – vulgo: Sie mit Wasser besprengten. Das ist kein allgemein üblicher, aber auch kein exzeptioneller Brauch, der von den Mönchen daher akzeptiert wurde.

In der Folge überzogen sich die Statuen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit einer dicken Moosschicht, die alle Einzelheiten der Skulpturen überdeckte, im übrigen aber dem Ruf des Tempels durchaus förderlich war. Kurz vor Weihnachten hat nun ein Mann aus der Nachbarschaft mit fehlgeleitetem Ordnungs- und Reinheits-Sinn – vielleicht wollte er die ursprüngliche Einfachheit und den schlichten Glanz der Figuren wiederherstellen – das Moos von den Köpfen zweier Statuen entfernt - s. Bild oben. Die Gesichtszüge der Figuren waren erstmalig wieder sichtbar – und ihre geheimnisvolle Aura verflogen.

Der Tempel fand das gar nicht gut und erstattete Anzeige, und die Polizei begann umgehend die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Enweihung eines gottesdienstlichen Ortes. Nun war der Vorfall im Dezember aber von einer Sicherheitskamera aufgezeichnet worden, und und als der Missetäter Ende Dezember den Tempel ein weiteres Mal besuchte, wurde er er von den Mitarbeitern erkannt, die die Polizei benachrichtigten. Da in Japans Großstädten Polizeistationen nie weiter als wenige Gehminuten entfernt sind, waren die Uniformierten denn auch sogleich zur Stelle und nahmen den Mann ins Gebet.

Der gestellte Verbrecher entschuldigte sich daraufhin bei der Polizei und den Mönchen mit der Erklärung, ein kleiner Teil des Mooses hätte sich von selbst gelöst gehabt und er habe daraufhin beschlossen, die Statuen zu reinigen.

Glaubhaft oder nicht: Der Tempel zog jedenfalls seine Anzeige zurück, und der stellvertretende Vorstand Shinei Kanda entließ den zerknirschten Übeltäter mit der Mahnung: „Wieviele Jahre hat es gebraucht, daß das Moos so anwachsen konnte? Wieviele Menschen haben die Statuen mit Wasser besprengt und für die Erfüllung ihrer Wünsche gebetet? Mache so etwas nie wieder!“

„Hau drauf, schlag tot!“

Bild: ArchivInzwischen wird für Beobachter der römischen Szenerie etwas deutlicher sichtbar, wie die Durchsetzung des Missales von Papst Paul VI. als „einziger lex orandi“ des römischen Ritus bewerkstelligt werden soll. Die Promulgationsphase von TC im Jahr 2021 war sehr stark geprägt vom grobianischen Naturell des Papstes und seiner Berater von SanAnselmo, die den Übergang zum Novus Ordo am liebsten bis gestern vollzogen und die – ihrer Erwartung nach nur wenigen – Widerspenstigen dann per Machtwort aus der Herde ausgeschlossen hätten. Soviel nur zu den Themen Barmherzigkeit und Dialog.

Ganz so schnell wie vielleicht gedacht geht es nun aber doch nicht. Bei der Wahl der Mittel scheint man sich jetzt gelegentlich des Rates erfahrener Kurialer zu bedienen, deren lange Erfahrung sie gelehrt hat, daß „Hau drauf, schlag tot!“ nicht wirklich die effektivste Strategie zum Erreichen kirchenpolitischer Ziele darstellt. Am großen Ziel, die überlieferte Liturgie (samt der darin manifestierten Lehre) aus dem Leben der Kirche zu vertreiben, hat sich nichts geändert. Aber swohl die Responsa von Erzbischof Roche und die Maßnahmen von Kardinal Cupich als auch einige römische Mutmaßungen zur anstehenden „Disziplinierung“ der Priesterbruderschaften lassen sich dahingehend verstehen, daß weniger das völlige Verschwinden der alten Liturgie in den Vordergrund gestellt werden soll, zumindest für begrenzte Zeit nicht, sondern eine Art erzwungener Birituallismus. Wer die moderne Liturgie anerkennt und das nicht nur durch ihre verbale Anerkennung als einzige Form der lex orandi der römischen Kirche, sondern auch durch regelmäßige Zelebration nicht nur am Gründonnerstag belegt, darf auch im alten Ritus zelebrieren – sofern und solange der Bischof und die Gottesdienstkongregation das erlauben. Irenischen Gemütern könnte man das sogar als eine Art Kompromiss verkaufen, ein „Angebot, das Sie nicht ablehnen können“.

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