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Franziskus gegen Paulus

Bild: ArchivIm Zentrum der von Papst Franziskus und seinen Unterstützern verfolgten Bemühungen zur Austreibung der überlieferten Liturgie aus der römischen Kirche steht die in Traditionis Custodes in normativem Ton vorgetragene Behauptung, diese Liturgie entspreche nicht mehr der „lex orandi“ Roms, die nunmehr ihren einzigen Ausdruck im Novus Ordo Missae von Papst Paul VI. gefunden habe. Mit dieser Behauptung haben sich Franziskus, sein Liturgiepräfekt Roche und Prof. Grillo als „geistiger Hintermann“ in eine logisch und theologisch unhaltbare Situation begeben. Sie widersprechen direkt den päpstlichen Vorgängern Johannes Paul und Benedikt, die beide den überlieferten Ritus als legitimen Ausdruck der „lex credendi“ der Kirche auch nach der Reform von 1969 anerkannt haben, wenn sie auch seine Praktizierung an bestimmte Bedingungen gebunden haben. Bedingungen, die keinen grundsätzlichen Vorbehalt ausdrücken wie jetzt Franziskus, sondern die eher das Ziel hatten, das Nebeneinander zweier ritueller Formen durch disziplinarische Vorgaben in geregelte Bahnen zu lenken und in längerer Sicht eine Versöhnung, vielleicht auch eine Konvergenz, zu ermöglichen.

Damit folgten beide letztlich nur dem bereits von Papst Paul VI. als Promulgator des neuen Missales gegebenen Ansatz. Auch er hat es nicht gewagt, die bis dahin verwandte Liturgie „abzuschaffen“ oder für ungültig zu erklären – dafür war sein Sinn für den Traditionszusammenhang denn doch zu stark. Statt dessen hat er ihre im Prinzip weiterhin mögliche Verwendung an strenge Bedingungen geknüpft. Von Anfang an gab es die Möglichkeit zur Dispens für Priester, die sich der Umstellung aus Altersgründen nicht gewachsen sahen. Bereits 1971 kam dann das „Agatha-Christie-Indult“ dazu, mit dem der Papst nicht nur auf die Bitte von Klerikern, sondern auch von Gläubigen (und Nichtgläubigen) reagierte. Dieses sehr begrenzte Entgegenkommen war bei Paul VI. zweifellos verbunden mit der Erwartung, daß solche Indulte nur ein Übergangsphänomen darstellten, das sich nach einigen Jahren angesichts der von ihm angenommenen Überlegenheit der reformierten Form selbst erledigen werde. Auch war sich der Papst durchaus bewußt, daß der anhaltende Widerstand gegen die Reform sehr wohl auch seine Autorität in Frage stellen und den Kristallisationskern für anhaltende Opposition gegen das II. Vatikanum bilden konnte – von daher war er zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit.

In diesem Punkt, bei dem es um den Einsatz päpstlicher Machtmittel zur Disziplinierung von Dissidenten geht, ist das Vorgehen von Franziskus dem von Paul VI. durchaus ähnlich. Hinsichtlich der „lex orandi“ unterscheidet es sich jedoch grundsätzlich.

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TC und Responsa - Stand Ende 2021

Bild: VaticanMediaDie verschiedenen juristischen Analysen und Kritiken von TC und den Responsa, die in den letzten Tagen erschienen sind (z.B. Stellungnahme der LMS von England und Wales oder die rechtlichen Überlegungen eines anonym bleibenden Kirchenrechtlers), sagen unsereinem als Nicht-Juristem eher wenig. Freilich fürchten wir, daß sie auch dem Papst und seinen Beamten wenig sagen: Wenn es ihnen um eine juristisch saubere Formulierung ihres Willens gegangen wäre, hätten sie schließlich alle Möglichkeiten gehabt, das sicherzustellen. Doch wie es heißt, gehört der päpstliche Rat für die Gesetzestexte zu den am wenigsten beschäftigten Ämtern der Kurie. Recht und Gesetz sind dem Regime dieses Pontifikats völlig gleichgültig – sie stützen sich ganz allein auf ihre (vermeintliche) Macht, und mit Hinweisen auf Paragraphen wird man sie nicht daran hindern können.
Außerdem sollte man ihren Einfallsreichtum nicht unterschätzen. In Neapel zum Beispiel war der Erzbischof den Gläubigen gegenüber, die für die Feiertage die Sicherstellung der Liturgie im überlieferten Ritus erbaten, erfreulich entgegenkommend und benannte ihnen einen Priester der Diözese, der über entsprechende Qualifikationen verfügte und den er mit dieser Aufgabe betrauen wollte. Doch dieser, ein Seelsorger ganz nach dem Herzen des Papstes der Barmherzigkeit, weigerte sich, die Gläubigen zu einem Gespräch über Termine und Details zu empfangen und wies ihnen die Tür: Ihre Zeit sei abgelaufen, sie sollten hingehen, wo der Pfeffer wächst.

Es liegt auf der Hand, daß die Gläubigen nach der Erfahrung mit dieser Art feinsinniger Gesetzesinterpretation sich auch ihrerseits nicht lange mit rechtlichen Abwägungen aufhalten werden, sondern die Messe dort mitfeiern, wo sie gehalten wird. Im konkreten Fall wahrscheinlich also bei der Piusbruderschaft, sofern nicht ein mutiger Pater einer der ex-ED-Gemeinschaften sich ihrer erbarmt – und eine ebenso mutiger Kirchenrektor ihnen die Türen öffnet. 

Die Feinde der überlieferten Liturgie und Lehre haben die Auseinandersetzung auf das Feld der aktuellen Kräfteverhältnisse „vor Ort“ verlagert, und sie sollen sich nicht wundern, wenn die Anhänger von Liturgie ihnen zumindest darin folgen, statt sich der Herrschaft der Gesetzlosigkeit (und letzten Endes wohl auch Gottlosigkeit) zu unterwerfen.

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Geist und Ungeist des Konzils

Bild: ArchivKardinal Robert Sarah ist nicht nur ein bewährter Freund der Tradition in Lehre und Liturgie, er sieht sich auch mehr als viele andere als Brückenbauer; als jemand, der sich mehr bemüht, Gräben einzuebnen, als ihren Verlauf schärfer nachzuzeichnen. Das sollte man schon im Hinterkopf haben, wenn man über seine letzte Woche bekanntgewordene Interviewäußerung nachdenkt, Papst Franziskus wolle die überlieferte Liturgie nicht abschaffen, sondern er erwarte lediglich, „daß die alte Liturgie im Geiste des zweiten Vatikanischen Konzils gefeiert wird, was ja auch durchaus möglich ist“.

Nun wissen wir nicht genau, was der Kardinal damit gemeint hat – schließlich hat das Zweite Vatikanum viele Geister und Ungeister hervorgebracht, die manchmal überraschend nahe beieinander wohnen. Sollte er damit gemeint haben, daß die Zelebration der alten Messe nicht zwangsläufig Gegnerschaft zum Konzil aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bedeutet, kann man ihm da sicher folgen – schließlich war eine so verstandene „Hermeneutik der Reform in Kontinuität“ auch Grundlage von Papst Benedikts „Summorum Pontificum“. Andererseits scheint des Nachfolgers „Traditionis Custodes“ mit seiner Behauptung, der angeblich exakt dem Willen DES KONZILS entsprungene novus ordo sei einziger Ausdruck der lex credendi und lex orandi der römischen Kirche, geeignet, jeder Hermeneutik der Kontinuität die Grundlage zu entziehen und an deren Stelle eine Hermeneutik des Bruches zu setzen, die es tatsächlich zweifelhaft, ja sogar unmöglich erscheinen läßt, die vorkonziliare Liturgie ohne Widerspruch zum Konzil zu zelebrieren oder an ihr teilzunehmen.

Wir sind damit wieder auf die Frage der korrekten Lesung DES KONZILS zurückgeworfen, die seit inzwischen über 60 Jahren in der Kirche schwelt und schwärt und zu deren Beantwortung sich die nachkonziliaren Päpste bisher nicht im Stande gesehen haben. Da ihre Beantwortung auch unsere Kompetenz weit übersteigt, müssen wir uns darauf beschränken, danach Ausschau zu halten, was denn so gemeinhin als „Geist des Konzils“ verstanden wird. Also gar nicht erst versuchen, zu beurteilen, inwieweit dieser „Geist“ dem in seinen Texten oft unklare und widersprüchliche Konzil entspricht, sondern inwieweit er mit den sehr klaren und eindeutigen Gesten und Worten der überlieferten Liturgie kompatibel ist.

Wie zeichnet man ein zutreffendes Bild eines Geistes, wie soll man eine Geistererscheinung beurteilen?

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Cupich und die Hermeneutik des Bruchs

ArchivWir können Kardinal Blaise Cupich durchaus dankbar sein, daß er in seinem kurzen Beitrag auf PrayTell den Geist und mehr noch den Ungeist von Traditionis Custodes so klar und übersichtlich zum Ausdruck gebracht hat. Das enthebt uns der Mühe, die in vielem gewohnt undeutlichen und widersprüchlichen Formulierungen des Originaltextes des päpstlichen motu proprio zu interpretieren – was immer mit dem Risiko verbunden ist, sich den Vorwurf der Überinterpretation, ja sogar der böswilligen Entstellung eines Textes zuzuziehen.

Cupich, 1998 zum Bischof ernannt von Johannes Paul II, 2010 „befördert“ von Benedikt XVI. und nach 2014 von von Franziskus zum Erzbischof und Kardinal erhoben, ist einer der engsten Vertrauten und Verbündeten des gegenwärtigen Papstes im amerikanischen Episkopat. Seine Lesart von TC kann als voll und ganz dem Willen des Urhebers entsprechend gelten. Wir übersetzen oder referieren daher hier die wichtigsten Absätze seines mit der Überschrift „Das Geschenk von Traditionis Custodes“ versehenen Textes,und schließen dem jeweils unseren Kommentar an.

Ich denke, es ist wichtig, von Anfang an darauf hinzuweisen, daß eine sorgfältige Lektüre des motu proprio die Absichten verdeutlicht, die den heiligen Vater zur Herausgabe dieses Dokuments bewogen haben. Es geht ihm schlicht gesagt darum, in der ganzen Kirche den Römischen Ritus wieder zur einzigen und überall gleichen Weise des Betens zu machen, die ihre Einheit entsprechend den liturgischen Büchern zum Ausdruck bringt, die von den heiligen Päpsten Paul VI. Und Johannes Paul II entsprechend den Dekreten des zweiten Vatikanischen Konzils herausgegeben worden sind. In anderen Worten: Es gibt keine „zwei Formen“ des Römischen Ritus, denn das Wort „Reform“ hat etwas zu bedeuten – nämlich daß wir eine frühere Weise der Feier der Sakramente hinter uns lassen und eine neue Form übernehmen.

Um nur die wichtigsten Fehlkonzeptionen dieses Absatzes zu benennen: Reform bedeutete immer auch, und so verstehen es auch zumindest im Wortlaut die Dokumente des II Vatikanischen Konzils, die Orientierung an, wenn nicht sogar die Rückkehr zu, einem früheren, und dem Ursprung näheren Zustand. „Das Frühere aufgeben und etwas Neues beginnen“ ist eine Entstellung des Reformbegriffs aus dem „Geist des Konzils“, die freilich im aktuellen Pontifikat zur Leitlinie der Politik erhoben worden ist.

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Der Bruch als kirchliches Prinzip

Bild: Screenshot

P. Johannes Maria Schwarz im Video

Zum Ende seiner Sommerpause hat P. Johannes Maria Schwarz (Liechtenstein) das Internet-Apostolat auf dem Kanal „kathmedia“ mit einem Beitrag wieder aufgenommen, der sich zum größten Teil (ab 0:50) mit Traditionis Custodes und dessen Bedeutung für das Leben der Kirche beschäftigt. Ausführlich kritisiert er die als „Geist des Konzils“ verkleidete und seit dem Rücktritt von Papst Benedikt wieder verstärkt gegenüber der Hermeneutik der Kontinuität ins Feld geführte Hermeneutik des Bruches:

Diese radikal verschiedenen Auffassungen … sind nicht kompatibel. Kontinuität und Bruch sind nicht nur zwei unterschiedliche Interpretationen eines „Konzilsereignisses“; ihnen liegen zwei verschiedene Kirchenbilder zugrunde. Das eine katholisch – das andere nicht. Und das ist das eigentlich Verunsichernde an TC. Es ist nicht so sehr der autoritäre Machtakt selbst, nicht die unbarmherzige Strenge der Umsetzung, sondern die Implikation, daß das, was die Kirche durch die Jahrhunderte lehrte und heiligte, nun nicht nur in den Augen mancher als verbesserungswürdig oder historisch datiert zu gelten habe, sondern für den Glauben schädlich sei. Denn es werden nicht schismatische Tendenzen verurteilt oder die Anerkennung des zweiten Vatikanischen Konzils angemahnt, von jenen Gläubigen der Tradition, die es vielleicht betrifft, sondern es wurde ein Akt gesetzt, dessen erklärtes Ziel im Begleitschreiben die mittelfristige Auslöschung der alten kirchlichen liturgischen Tradition ist. Sind viele der problematischen Äußerungen im Pontifikat von Papst Franziskus durch Ambiguität noch irgendwie gedeckt, haben jene, die den Papst zu diesem Schritt beraten haben, den Bruch zum kirchlichen Prinzip erhoben.

Sich das ganze Video (10 min) anzusehen bzw. zu hören ist auch denen empfohlen, die sonst lieber Texte lesen. Hier noch einmal der Link.

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