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Ein Ritus in zwei Formen?

Bild: Netzfund ohne QuellenangabeZur Unterstützung seiner These, daß die Liturgie des Novus Ordo nicht dem römischen Ritus angehört, verweist Peter Kwasniewski auch auf einige Stimmen aus dem Kreis der Radikalreformer, die ebenfalls von einer Diskontinuität zwischen dem alten und dem neuen Ritus ausgehen - von einem Bruch, den sie begrüßen. Nicht aufgeführt hat er dabei einen der prominentesten Vertreter dieser Bruchs-Theorie, den französischen Jesuiten Joseph Gelineau. Gelineau sah in den Reformen des Consiliums und Pauls VI. nur erste Schritte auf einem Weg, der mit der Abschaffung des überkommen Ritus beginnen und schließlich zu einer neuen Theologie und einer neuen Kirche führen sollte. Es lohnt sich, einen Blick in das 1978 erschienene Büchlein mit dem vielversprechenden Titel „Demain la liturgie“ zu werfen, das im gleichen Jahr auch auf Englisch und 1979 auch auf Deutsch: „Die Liturgie von morgen“ herausgekommen ist.

Und es schadet nichts, dabei zwei Werke mit ganz ähnlichem Titel daneben zu legen: Das bereits 1948 erschienene „The Mass of the Future“ des amerikanischen Jesuiten Gerald Ellard, das eine wichtige Rolle beim Umschlag der liturgischen Bewegung in den USA in die liturgische Revolution gespielt hat, und Klaus Gambers „Liturgie Übermorgen“ von 1966. Das stammt aus einer Phase, in der Gamber noch große Hoffnungen auf die in „Sacrosanctum Concilium“ projektierte Liturgiereform setzte und es nicht für ausgeschlossen hielt, „daß erst jetzt, nach fast zweitausend Jahren Kirchengeschichte, die eigentliche Blütezeit der Kirche beginnt“ (S. 20). Von den genannten jesuitischen Reformern unterscheidet sich Gamber freilich in seinem weitaus nüchterneren und nicht auf Bruch, sondern auf Erneuerung zielenden Herangehen, in dem bereits die Grundlagen seiner später überaus kritischen Einschätzung der Liturgiereform sichtbar werden.

Doch zurück zu Gelineau. Anders als Ellard und Gamber, die – ersterer bereits Jahrzehnte – vor der Inkraftsetzung des Novus Ordo geschrieben haben, hatte der Franzose schon 10 Jahre Gelegenheit, die Auswirkungen der Reform zu beobachten, und das ermutigt offenbar ihn zu weitgespannten Hoffnungen. Gleich auf einer der ersten Seiten (englische Ausgabe S. 11) macht er eine Aussage, die ein bezeichnendes Licht auf die Fragewirft, ob der neue Ritus noch zur römischen Ritenfamilie gehört.

Denken Sie – falls sie sich überhaupt noch daran erinnern können – zurück an das gesungene lateinische Amt mit gregorianischem Choral. Vergleichen sie das mit mit der modernen Messe nach dem Konzil. Nicht nur die Worte, sondern auch die Melodien und bestimmte Handlungen sind jetzt anders. Tatsächlich ist es eine andere Messliturgie. Wir müssen es ganz klar sagen: Der römische Ritus, wie wir ihn gekannt haben, existiert nicht mehr. Er ist weg. Einige Mauern des Gebäudes sind gefallen, andere wurden versetzt – wir können das als eine Ruine ansehen, aber auch als Teile des Fundaments für ein neues Gebäude“.

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Was ist der Ritus?

Bild: Eigene MontagePeter Kwasniewski arbeitet an einem neuen Buch über die in der aktuellen Kirchenkrise immer deutlicher hervortretende Notwendigkeit, am alten Ritus festzuhalten, das noch in diesem Jahr erscheinen soll. Ein Kapitel daraus, das sich mit der rechtlichen Figur des „zwei Formen des einen römischen Ritus“ aus Papst Benedikts „Summorum Pontificum“ befasst, hat er im September bereits auf Rorate Cæli veröffentlicht. Wir haben wesentliche Argumente daraus ausgewählt und geben sie in einer zusammenfassenden Form wieder, die noch nicht den Anspruch einer endgültigen Übersetzung erhebt.

Ausgangspunkt für Kwasniewski ist die Unterscheidung zwischen der rechtlichen Fiktion von den „zwei Formen“, die er als solche nicht weiter thematisiert, und der liturgiehistorischen oder -systematischen Frage, ob das Missale Pauls VI. Bestandteil der römischen Ritusfamilie ist. Des weiteren unterscheidet er zwischen „Ritus“ und „Usus“, auch wenn dieser Unterschied weder in offiziellen kirchlichen Dokumenten noch im allgemeinen Sprachgebrauch konsistent definiert ist. „Ritus“ ist für ihn, und dabei kann man ihm leicht folgen“, der Oberbegriff, innerhalb dessen sich örtlich und zeitlich differierend verschiedene „Usus“ herausgebildet haben, die eben diesem „Ritus“ zugehörig sind. Als Beispiele innerhalb des römischen Ritus nennt er Lokal-Bräuche wie die von Sarum oder Lyon und die verschiedener Gemeinschaften wie die der Cisterzienser oder der Dominikaner.

Um festzustellen, ob ein bestimmter Usus dem römischen Ritus zuzuordnen ist, geht Kwasniewski daran, die wesentlichen Merkmale zu definieren, deren Vorhandensein Voraussetzung für die Zuordnung zu einer bestimmten Ritusfamilie darstellt. Dabei beschränkt er sich nicht auf den Canon, sondern fasst die ganze Struktur des Ordo Missae mit Introitus, Kyrie, Gloria, Collecta, Epistel, Graduale, Alleluja usw. ins Auge. Auch das Stundengebet nimmt er in den Blick. Um Usus ein- und desselben Ritus zu sein, müssen dieses Strukturen im wesentlichen übereinstimmen – ohne daß dabei kleinere Unterschiede in Zahl oder Reihenfolge oder in der sprachlichen Fassung ausgeschlossen wären. Als „Grundmuster“ für den Römischen Ritus identifiziert Kwasniewski auf dieser Grundlage die Struktur und die Elemente des Usus (die Texte selbst sprechen von „consuetudo“, d.h. „einvernehmliche Gewohnheit“) der römischen Kurie seit dem hohen Mittelalter, die Papst Pius V. nach dem Konzil von Trient zur Grundlage seines „Missale Romanum“ gemacht hatte – ohne damit die Verwendung anderer Messbücher ausschließen zu wollen, soweit sie durch Verankerung in der Tradition als unzweifelhaft katholisch gelten konnten.

Vor diesem Hintergrund – und hier folgt ein ganzer Abschnitt in wörtlicher Übersetzung – stellt sich durch die Formulierung von den „zwei Formen“ ein Problem:

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Bouyer und das II. Hochgebet - Nachtrag

Der anekdotische Bericht von Louis Boyer über die Entstehung des 2. Hochgebets „am Wirtshaustisch“ und dessen kongeniale Aufbereitung durch Fr. Hunwicke bedarf einiger sachlicher Unterfütterung. Ganz so hemdsärmlig ist es im Consilium zur Liturgiereform denn doch nicht zugegangen, zumindest nicht die ganze Zeit. Wer ganz genau wissen will, was es mit dem von Bouyer genannten „Hochgebet des Hippolytos“ auf sich hat, sei auf das 250-seitige Buch „Die Mär vom antiken Kanon des Hippolytos“ von Heinz-Lothar Barth verwiesen, das 1999 bei Editiones Una Voce erschienen ist. Danach überwiegen auch hier, wie so oft, wo es um die alte Kirche geht, die Dinge, die wir nicht wissen, das gesicherte Wissen bei weitem. Wir wissen nicht genau, wann und von welchen Autoren die „Traditio Apostolica“, als deren Teil das sogenannte „Hochgebet“ überliefert ist, geschrieben wurde. Wir wissen auch nicht, inwieweit der dort gebotene Text tatsächlich liturgischem Gebrauch entspricht oder nur eine zusammenfassende Darstellung bieten will - „Arkandisziplin“ war in der frühen Zeit kein leeres Wort. Und wir wissen auch nicht, welcher Tradition der Text – soweit er überhaupt auf Hippolytos zurückgeht – entspricht. Immerhin gehörte Hippolytos während eines nicht geringen Teils seiner kirchlichen Laufbahn schismatischen Strömungen an und schaffte es sogar bis zum Gegenpapst, bevor er schließlich seinen Christusglauben als Märtyrer bekräftigte.

Außerdem ist es auch nicht so, daß der fragliche Text „einfach so“ als Zweites Hochgebet übernommen worden wäre. In Beratungen, die sicher mehr Zeit erforderten als ein Abendessen in einer Trattoria in Trastevere, entfernten die Redakteure mehrere dem Verständnis der 60er Jahre unwillkommene Passagen aus dem Text, darunter auch eine, die überaus plastisch davon spricht, der Erlöser habe durch seinen Kreuzestod „die Fesseln des Teufels zerrissen, die Unterwelt niedergetreten, die Gerechten erleuchtet und eine Grenze gezogen“. In der gerne als „umstritten“ dargestellten Frage des „für viele“ oder „für alle“ markiert der Text die strenge Position und spricht von „für euch“. Im Übrigen scheint für die Redakteure des NO die Attraktivität des Textes vor allem darin gelegen zu haben, daß er keine der von ihnen als „mitteltalterliche Erweiterungen“ abgetanene Passagen enthält, die den Glauben der Kirche für 1500 Jahre ebenso zum Ausdruck gebracht wie geprägt haben.

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Louis Bouyer und das II. Hochgebet

Bild: Von der Website des AutorsFr. Hunwicke veröffentlicht heute erneut einen Beitrag aus dem Jahr 2015, in dem er sich über die Umstände der Entstehung des II. Hochgebets für den Novus Ordo entrüstet hatte. Anlaß seiner Empörung waren die damals gerade in französischer Sprache erschienenen Memoiren von Louis Boyer, der für kurze Zeit in einer der Kommissionen zur Liturgiereform mitgearbeitet hatte und bemerkenswerte Details zu berichten hatte. Vor fünf Jahren erschien uns die Kritik von Fr. Hunwicke wohl noch zu scharf, so daß wir von einer Übersetzung und Übernahme abgesehen haben. Schon seit langem ist erkennbar geworden, daß auch gerade die faktische Ersetzung des Canon Romanus durch das „II. Hochgebet“ eine besonders beklagenswerte Rolle bei der Zerstörung der römischen Liturgie gespielt hat. Wir nehmen die heutige Neuveröffentlichung auf Fr. Hunwickes Blog daher zum Anlaß, den Text hier komplett und unkommentiert zu veröffentlichen. Auf das Thema „II. Hochgebet“ wird in weiteren Beiträgen zurück zu kommen sein - hier jedoch zunächst die Übersetzung aus „Fr. Hunwicke's Mutual Enrichment“.

Es beginnt ein langes ZitatLouis Boyer, der hervorragende Liturgiewissenschaftler und begnadete Autor und Lehrer der 50er und 60er Jahre hat in seinen Memoiren (erstmals auf Französisch veröffentlicht 2014) von seiner Mitwirkung an der Entstehung des 2. Hochgebetes berichtet. Ein guter Freund ließ mir (das war vor Erscheinen der englischen Übersetzung 2015 bei Angelico) einige Auszüge aus dem französischen Text zukommen.

Bouyer war in die Unterkommission berufen worden, die den Auftrag hatte, ein neues Missale zu erfinden, und wollte die Arbeitsgruppe sofort wieder verlassen, als er die bis dahin erstellten Entwürfe gesehen hatte. Aber Dom Bernard Botte überredete ihn, dabei zu bleiben – und sei es nur, um das Schlimmste zu verhindern. Und Boyer war einverstanden. Im folgenden meine eigene vermutlich ungenaue (Korrekturen werden gerne entgegen genommen) Übersetzung der Passagen, in denen Boyer schildert, wie sie das zusamengeleimt hatten, was dann unglücklicherweise zum meistgebrauchten Hochgebet der westlichen Kirche im vergangenen halben Jahrhundert geworden ist: Das II. Hochgebet, von dessen älteren Teilen man in den 60er Jahren annahm, daß sie auf einen frühen römischen Autor mit Namen Hippolytus zurückgingen.

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Wort - Element - Sakrament

In seinem hier bereits mehrfach angesprochenen kleinen Buch „Mit den Sakramenten spielt man nicht“ weist Dom Nicola Bux im Zusammenhang mit der Spendung des Taufsakraments auf zwei nach dem II. Vatikanum eingeführte Neuerungen hin, die sich durchaus negativ auf das Sakramentenverstädnis ausgewirkt haben. Die erste betrifft die in vielen Kirchen vorgenommene Platzierung des Taufsteins im oder nahe beim Altarraum. Bux schreibt dazu:

Dieser Brauch könnte so erklärt werden, daß dieses Sakrament zusammen mit der Eucharistie aus dem durchstoßenen Herzen Christi am Kreuz hervorgegangen ist. Die Bedeutung, die damit vermittelt wird, ist, daß die beiden Sakramente auf der selben Ebene sind. Aber die Taufe ist ein Sakrament für die noch nicht bekehrten, während die Eucharistie das Sakrament für die Bekehrten ist. Das Baptisterium stand früher außerhalb vor der Kirche und das Taufbecken später im Eingang und zeigte so den Initiationsweg von der Taufe zur Eucharistie au; das ist auch der Grund, weshalb der Tabernakel zur Aufbewahrung der Eucharistie nicht außerhalb der Kirche stand, wie es heute hier und da versucht worden ist.. Um zur Eucharistie zugelassen zu werden, musste man nämlich eingeweiht gewesen sein, das heißt, man musste in das Mysterium der Kirche eingeführt worden sein. (S. 20)

Eine zweite vielleicht noch folgenschwerere Veränderung sieht Bux in der Veränderung des Sprachgebrauchs, mit dem die Kirche auch in offiziellen Dokumenten ihr Handeln bezüglich der Sakramente beschreibt.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat man für die Sakramente den Ausdruck „feiern“ (celebrare) statt „verwalten“ (administrare) vorgezogen. Die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium sagt, „die liturgischen Handlungen sind nicht privater Natur, sondern feiern der Kirche, die das ‚Sakrament der Einheit‘ ist (Nr. 26); dennoch spricht sie auch von „Verwaltung“ der Sakramente (Nr. 63). Das lateinische Wort celeber bedeutet „häufig“, wenn man den Ausdruck „celebrare“ benutzt, dann bedeutet das, daß man zahlreich zusammenkommt, aber der Ausdruck möchte auch sagen, daß es eine öffentliche Handlung ist, eine kirchliche Handlung, auch wenn nur wenige Personen anwesend sind. Ein Sakrament zu spenden (administrare) bedeutet, eine konkrete Lebenssituation im Licht des Glaubens zu betrachten und sie durch das liturgisch-sakramentale Gebet als das Heilswerk Gottes zu verwandeln. Das Verb „verwalten“ oder „spenden“ (administrare) von ministrare „dienen“ betrachtet die Sakramente aus der Sicht des Priesters, der ihr Minister (Diener) ist; die Diener muß aber treu sein – sagt Jesus - , darf nichts Eigenes hinzufügen, geschweige denn etwas von dem wegnehmen, was ihm anvertraut ist. Die Verwaltung (administratio) bedeutet, sehr sorgfältig zu bewahren, was man empfangen hat. Die Sakramente müssen nach den liturgischen Büchern der Kirche verwaltet und gefeiert werden...

Das göttliche Wort schafft die Wirklichkeit des Sakraments, das Zeichen und Empfänger beinhaltet, und sie ist nicht nur kommunikativ oder informativ, sondern performativ. Der hl. Augustinus erklärt: „Nimm das Wort weg, und was ist das Wasser als eben Wasser? Es tritt das Wort zum Element, und es wird zum Sakrament“. (S. 21-22)

Soweit Nicola Bux. Die aktuelle Mentalität ist dazu geneigt, solche Ausführungen als pedantische Wortklaubereien zu betrachten, die bestenfalls von philologischem Interesse sind. Doch das wäre verfehlt. Die verunglückte Taufformel „Wir taufen dich...“ bietet ein drastisches Beispiel dafür, wie ursprünglich von wohlgemeinten pastoralen Überlegungen geleitete Versuche zur „Verheutigung“ des kirchlichen Sprachgebrauchs Entwicklungen auslösen oder zumindest befördern können, in deren Verlauf Anpassungen an aktuelles Sprechen und Empfinden, die doch nur den Zugang zur Sache erleichtern sollten, von den Zeitgeistern dazu genutzt werden können, das Verständnis der Sache in ihrem Sinne zu verändern – bis dahin, wo das falsche und unzutreffende „Wort zum Element“ tritt und das Sakrament vielleicht noch als Gemeinschaftserlebnis „gefeiert“, aber nicht durch die Kirche gespendet wird.

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Nicola Bux: Mit den Sakramenten spielt man nicht, 156 Seiten, 14,80 €, Edition Una Voce, Tremsbüttel 2018.

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