Ein beunruhigender Plan
- Details
- 22. Oktober 2018
Fr. Geoffrey Kirk vom Ordinariat unserer Lieben Frau hat sich das kurz vor Beginn der Jugendsynode veröffentlichte Dokument Episcopalis Communio näher angeschaut und kommt zu alarmierenden Schlußfolgerungen. Wir haben den Beitrag von seinem Blog "ignatius his conclave“ übersetzt und teilen seine Beunruhigung:
Das päpstliche Dokument Episcopalis Communio, des den Bischofssynoden eine neue rechtliche Stellung gegeben hat, wurde vielerorts mit Irritation aufgenommen. Wieder einmal beklagten hohe Würdenträger „Manipulation“ und erreichten auch eine gewisse Relativierung durch das Staatsekretariat.
Allerdings haben sich die Kommentatoren mit Analysen der eigentlichen Ziele und Absichten der jüngsten Veränderungen zurückgehalten. Tatsächlich sind diese im Einzelnen ziemlich kompliziert, aber das Ziel ist einfach: Es ist offensichtlich, daß die Synode dazu dienen soll, die katholische Sexualmoral in Teilen zu verändern.
Bisher ist der Plan, liberale Reformen über Synodern durchzusetzen, nicht reibungslos aufgegangen. Amoris Laetitia, das vom Papst festgestellte Ergebnis der letzten Synode, hat bekanntlich zu den Dubia geführt, auf die Franziskus mit schweigender Verachtung reagieren mußte, so wie das jeder absolute Monarch hätte tun müssen. Die neuen Synodenregeln wurden dazu geschaffen, dem einen Riegel vorzuschieben. Das Schlußdokument der Jugendsynode, das von einer Gruppe, deren Mitglieder mehrheitlich von Franziskus bestimmt wurden, entworfen und vorformuliert wurde, während die Synodenväter es nur oberflächlich zur Kenntnis nehmen konnten, soll das päpstliche imprimatur erhalten und damit sofort Teil des ordentlichen Lehramtes.
Damit können Einwände gegen das Dokument, von welcher Stelle sie auch kämen, mit Leichtigkeit abgewehrt werden. Das Dokument, so wird es heißen, gibt ja nicht nur die Ansichten von Franziskus allein wieder, sondern die Stimme der in der Synode versammelten ganzen Kirche. Damit hat dann der „Diktator Papst“ seine Ziele unter einem scheindemokratischen Mäntelchen erreicht.
Dieses politische Manöver – man könnte auch von Arglist sprechen – entzieht jedem Widerstand und jeder Diskussion die Grundlage. Natürlich werden die vorgeschlagenen Änderungen zunächst geringfügig erscheinen – auf den ersten Blick. Franziskus verfolgt seine Revolution auf Fabianische Weise, allmählich und in kleinen Schritten. Aber die Folgen werden real und dauerhaft sein.
In Episcopalis Communio steckt weitaus mehr, als auf der Verpackung steht!
Die Heiligsprechung des Konzils
- Details
- 16. Oktober 2018
Das zweite Jahrtausend der Kirche hat viele große und bedeutende Päpste hervorgebracht - bis zum Jahr 1960 sind fünf davon (von etwa 150 in diesem Zeitraum) zur Ehre der Altäre erhoben worden: Leo IX., Gregor VII, Coelestin V., Gregor XIII., Pius X. Einer davon – Gregor VII., Papst des Investiturstreites und von Canossa - ist vor allem wegen seiner politischen Aktivitäten bekannt und auch deretwegen im Zuge der Gegenreformation heiliggesprochen worden – eine Verehrung als Heiliger hat es praktisch nie gegeben.
Nach diesem an heiligen Päpsten so armen Jahrtausend haben sich die Dinge in den letzten 50 Jahren grundlegend gewandelt – von den vier Päpsten des neuen Frühlings seit der Einberufung DES KONZILS sind nun bereits drei heiliggesprochen, alle drei von Franziskus, dem vom Geist des Konzils erleuchteten und von seinen Parteigängern bereits fast als lebender Heiliger betrachten Papst der zweiten Reformation, dem zugetraut wird, das Projekt der Verheutigung (aggiornamento) zu vollenden, das sein Vorgänger Paul VI., heiliggesprochen am letzten Sonntag, so kraftvoll in die Wege geleitet hat.
Wir leben wahrhaft in glücklichen Zeiten.
Für diejenigen, die sich dieser Sicht der Dinge nicht recht anschließen können, hat Peter Kwasniewski am 12. 10. auf OnePeterFive einen Artikel mit der Überschrift veröffentlicht: „Warum wir Paul VI. nicht als „Heiligen“ bezeichnen müssen – und das auch nicht tun sollten.“
In sieben ausführlich argumentierenden und zum Teil mit aufschlußreichen Fußnoten und weiteren Lesehinweisen versehenen Abschnitten begründet Kwasniewski seine Position.
- Die vielfach behauptete Irrtumsfreiheit von Heiligsprechungen ist eine freilich weit verbreitete Theologenmeinung und gehört nicht zum selbstverständlich verpflichtenden Glaubensgut der Kirche.
- Heiligsprechungen sind in der Geschichte bereits mehrfach aus Gründen erfolgt, die mehr auf welt- oder kirchenpolitischen Motiven beruhten, als auf dem Bestreben, die Gläubigen darin zu bestätigen, in einer von Ihnen bereits hoch verehrten Persönlichkeit ein Vorbild für das heiligmäßige Leben in Christus zu erkennen, dem nachzueifern höchstes Lob verdient.
- Seit Beginn der Neuzeit folgten Heiligsprechungen einem streng geordneten Verfahren, das umfangreiche Faktenerhebungen, gestützt durch das naturwissenschaftliche Argument des „auf keine andere Weise erklärbaren Wunders“ verlangte. Seit Paul VI. sind die Anforderungen an dieses Verfahren enorm gesenkt worden und erscheinen derzeit weitgehend ins Belieben des regierenden Papstes gestellt.
Die Causa Wucherpfennig
- Details
- 12. Oktober 2018
Die vatikanische Bildungskongregation hat die Bestätigung von Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig SJ als Rektor der philosophisch-theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt verweigert, weil dieser sich in mehreren wichtigen Punkten (u.a. Schwulen“ehe“ und Frauenpristertum) offen gegen die Lehre der Kirche ausgesprochen hat. Nun ist das Geschrei groß, und alle Lehramtsinhaber von der Münchener Vorsitzenden der Grünen Lux über den zuständigen Ortsbischof Bätzing, Jesuiten Deutschland-Chef Siebner bis zum Vorsitzenden des Zentralkomittes Sternberg werfen sich für den so ungewöhnlich zensurierten Professor in die Bresche. Der selbst kann es kaum glauben: er habe sich doch „auf die vergleichsweise liberalen Äußerungen von Papst Franziskus zum Umgang mit Schwulen und Lesben verlassen". Doch was ist schon verläßlich in Zeiten der Lehramtsausübung per Pressekonferenz im Flugzeug oder Interview mit kommunistischen Parteisoldaten.
Im Übrigen sollte sich niemand darauf verlassen, daß „der Vatikan“ bzw. die Bildungskongregation bei ihrem umstrittenen Beschluss bleibt: „Den Vatikan“ gibt es nicht mehr, verschiedene Fraktionen liefern sich dort Kämpfe bis ans Messer, im Einzelfall gibt immer Franziskus den Ausschlag, und dessen Entscheidungen werden von keiner erkennbaren Linie geprägt. Wir wollen uns auch nicht an Spekulationen beteiligen, das Team Bergolglio, erschreckt durch den amerikanischen Aufruhr in der Sache McCarrick und den gerade dort laut vorgebrachten Widerstand gegen seine Jugendsynode, habe beschlossen, den Konservativen ein paar Trostpreise zukommen zu lassen. Kann sein, oder auch nicht, und auf Trostpreise kommt es nicht an.
Auch auf den Wucherpfennig kommt es nicht an – Die Frage, wer in einer „kirchlichen“ Hochschule der Jesuiten Rektor wird, hat angesichts des Niedergangs dieses Ordens, den nur wenige seiner Mitglieder als Katholiken glaubhaft überleben konnten, keine praktische Bedeutung. Und es sind ja nicht nur die Jesuiten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen haben sich die Professoren an den für die Priesterausbildung zuständigen Fakultäten längst von der Lehre der Kirche emanzipiert und forschen und lehren, was ihnen gefällt. Dabei berufen sie sich einmal auf die „wissenschaftliche Freiheit“, und zum Anderen folgen sie der alles dominierenden Maxime des aktuellen Wissenschaftsbetriebes, der nach Neuheiten schreit wie der billige Jakob auf dem Jahrmarkt: Neue Gegenstände, Neue Aspekte, Neue Methoden – all das am besten verbunden mit einer möglichst krawallig vorgetragenen Abwertung dessen, was gestern neu war - von dem, was schon vorgestern wahr war, gar nicht zu reden.
Das ist nicht das Verfahren, mit dem man Theologie betreiben kann, wahrscheinlich noch nicht einmal dann, wenn man den Gott des „Wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“ durch einen „Gott der Überraschungen“ ersetzen wollte. An einem Institut für vergleichende Religionswissenschaft oder moderne Spiritualität mag die postmoderne „wissenschaftliche“ Methode vielleicht mit Gewinn eingesetzt werden – für die Ausbildung von Priestern ist sie weitgehend untauglich. Das ist keine gewagte Aussage, sondern die Bekräftigung einer Tatsache, die offen vor aller Augen derer liegt, die den Mut aufbringen, die desolaten Ergebnisse der seit Jahrzehnten praktizierten Priesterausbildung ohne Beschönigen wahrzunehmen.
Die meisten deutschen Bischöfe haben diesen Mut nicht – kein Wunder, stammen sie doch selbst großenteils aus diesen Zirkeln akademischer Inzucht. Und so muß man dem Fall Wucherpfennig dankbar sein, daß er die Frage nach der Vereinbarkeit von modernem universitärem Theologiebetrieb und katholisch-theologischer Ausbildung der Priester auf die Tagesordnung bringt – und damit die Frage nach der Sinnhaftigkeit katholisch-theologischer Fakultäten an staatlichen Hochschulen insgesamt.
Nichts zwingt die Kirche dazu, der vielfach an Wahnideen grenzenden „Theoriebildung“ moderner „Geistes- und Gesellschaftswissenschaften dadurch ihre Anerkennung auszusprechen, daß sie ihre Priester an den von diesem Ungeist beherrschten Fakultäten ausbilden läßt. Nur eines: Im aktuell geltenden Konkordat ist vereinbar, daß der Staat die Besoldung der in der Pfarrseelsorge eingesetzten Priester übernimmt – und eine der seinerzeit dafür ausgehandelten Bedingungen war die, daß die Priester ein „akademisches“ Studium mit einem dem „Staatsexamen“ gleichwertigen Abschluß beenden. Zu Zeiten einer Volkskirche mag diese symbiotische Verbindung zu rechtfertigen gewesen sein - vielleicht. Diese Zeit geht definitiv zu Ende. Die Kirche in einer kirchenfernen bis kirchenfeindlichen Gesellschaft braucht auch neue Wege der Priesterausbildung. Die Wucherpfennigs, Bätzings (Bischof Limburg), Pfeiffers (Genralvikar Essen) Marahrens (Priesterausbildung Hildesheim) und Mertes (Hoffnungsträger SJ) mögen sich um Stellen an staatlichen Fakultäten für Spiritualität des 3. Jahrtausends oder der „Kirchen des neuen Paradigmas“ bewerben; die dort schon einen Posten haben, mögen ihn behalten – für die Ausbildung von Priestern in der Kirche Christi sind sie nicht qualifiziert, davon sollten sie sich künftig fernhalten.
Die Spaltung wird tiefer
- Details
- 08. Oktober 2018
Am vergangenen Wochenende – das Schreiben ist gezeichnet „Am Fest unserer Lieben Frau vom Rosenkranz“ – hat Kardinal Ouellet auf die Vorwürfe von Erzbischof Vigano gegen den Umgang des Vatikans mit Mißbrauchsvorwürfen geantwortet. Ouellet ist in dieser Sache nicht allein zuständig, ist aber als Präfekt der Bischofskongregation insbesondere wegen der Causa McCarrick, mit verantwortlich.
Der Brief spricht zwei Ebenen an: Erstens die der Tatsachen, insbesondere die Behauptung Viganos, Franziskus habe McCarrick in Kenntn is seiner Sanktionierung durch Benedikt quasi rehabilitiert und mit höchsten Aufgaben betraut. Die zweite Eben ist – unsauber durcheinandergehend – spiritueller und kirchenrechtlicher Art: die Ansprache des ehemaligen Nuntius in den USA durch den Präfekten der Bischofskongregation, der Viganos Intervention als offene Rebellion gegen den von Gott eingesetzten und begnadeten Lenker der Kirche zu betrachten scheint.
Zum ersten ist der offene Brief in einem Punkt ganz eindeutig: Ouellet räumt ein, daß – möglicherweise schon zur Zeit von Johannes Paul II. – mehrfach Gerüchte und Anschuldigungen bezüglich des Lebenswandels von McCarrick bis nach Rom gedrungen sind, gegen die er sich dort, wie Ouellet schreibt, „mit Scharfsinn zu verteidigen wußte“. Außerdem gbt Ouellet zu, daß McCarrick zur Zeit Benedikts Auflagen zur öffentlichen Zurückhaltung gemacht worden sind, allerdings behauptet er, daß es sich dabei nicht um von Papst Benedikt selbst verhängt „Sanktionen“ im engeren kirchenrechtlichen Sinne gehandelt habe. Von daher bestreitet Oullet, daß Franziskus „Sanktionen“ aufgehoben bzw. McCarrick mit hervorgehobenen Aufgaben betraut habe. Ersteres klingt nach Wortklauberei – letzteres scheint demgegenüber offenkundig unwahr zu sein, hat doch Franziskus McCarrick nicht nur als Ratgeber bei Bischofsernennungen in den USA herangezogen, sondern auch mindestens zwei mal als inoffiziellen Sondergesandten nach China reisen lassen. Ob die vor einigen Tagen angeordnete interne Durchsicht vatikanischer Akten hier mehr Klarheit bringt, bleibt abzuwarten.
Wichtiger jedoch, da weit über die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Erzbischof Vigano und Teilen der Kurie hinausgehend, sind die Aussagen des Briefes zur zweiten Ebene: Sie betreffen die Stellung des Papstes in der Kirche allgemein und insbesondere die von Franziskus beanspruchte Autorität, die Lehre der Kirche auch gegen ihre 2000-jährige Tradition zu verändern. Einige Kernsätze aus diesen Teilen des Briefes sollen hier (aus der vom Vatikan veröffentlichten Arbeitsübersetzung des Briefes ins Englische) deutsch wiedergegeben und kommentiert werden.
In den einleitenden Abschnitten seines Briefes beklagt Kardinal Oullet:
Nun muß ich erkennen, daß ich in ihren Augen die frühere Hochachtung verloren habe, nur weil ich bei dem Dienst in der Kirche, den er mir anvertraut hat, weiterhin treu zur Führung des Papstes stehe. Ist denn nicht die Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri Ausdruck unseres Gehorsams gegenüber Christus, der ihn auserwählt hat und mit seiner Gnade trägt? Meine Interpretation von Amoris Laetitia, die Sie kritisieren, gründet in dieser Treue zur lebendigen Tradition, von der uns Franziskus kürzlich ein weiteres Beispiel gegeben hat, in dem er den Katechismus der Katholischen Kirche hinsichtlich der Todesstrafe geändert hat.
Das ist eine starke Definition des bisher schon zu Mißverständnissen einladenden Begriffes von „lebendiger Tradition“: Treue zur Tradition erweist sich demnach darin, daß man ihrer Veränderung zustimmt, da doch Christus den Papst ausgewählt hat und in all seinen Schritten (von Anmerkung 351 in Amoris Laetitia bis zur Neubestimmung der kirchlichen Haltung zur Todesstrafe) leitet!
Der große Wahnsinn
- Details
- 06. Oktober 2018
Die Gesellschaften des Typs „gottlose westliche Industriegesellschaft“ fallen langsam, aber sicher dem Wahnsinn anheim. Das nicht nur als Medienveranstaltung wie dieser Tage in Deutschland, wo ein paar Verrückte wie die „Sieben Sachsen mit dem Luftgewehr“ von den Verrückten der anderen Seite zum den Staat bedrohenden Umsturzversuch hochgelogen wurden. In den USA ist man uns da – wie so oft – schon ein bis zwei Schritte voraus: Seriöse Kommentatoren denken bereits darüber nach, ob die jedes Maß überschreitenden parteipolitisch organisierten Hassausbrüche gegen Richter Kavanaugh vielleicht die Vorstufe zu einem neuen Bürgerkrieg darstellen – oder ob wir nur mit einer Ausufern der öffentlichen Gesetzlosigkeit bis hin zu politischen Attentaten rechnen müssen. In einem äußerst aufschlußreichen Artikel auf Lifesite „Why Kavanaugh‘s biggest opponents are abortion activists“ () hat Jonathon van Maren versucht, einen Blick auf die tiefer im Dunkeln der Abgründe menschlicher Seele liegenden Hintergründe dieser Auseinandersetzungen zu werfen und schließt:
Einige sind besorgt, daß aus dieser Polarisierung Blutvergießen entstehen könnte. Sie vergessen, daß bereits Blut vergossen wurde, und daß das kollektive schlechte Gewissen des Mobs nun den Furor hervorgebracht hat, der sich gegen Brett Kavanaugh und alle anderen richtet, die Abtreibung für ein tragisches Übel halten. Die Abtreibungsaktivisten sind gekauft und bezahlt mit dem Blut der unschuldigen Kleinen, und es macht sie rasend, daß Brett Kavanaugh vielleicht der Mann sein könnte, dessen Stimme ihnen ihre brutale Macht über die Wehrlosen entwinden könnte.
Soviel also zu dem, was auf der Straße abläuft. Auf Ebenen, die eigentliche die „höheren“ sein sollten, sieht es nicht besser aus. Daß viele Universitäten im Genderwahn versunken sind, ist keine Überraschung mehr – obwohl Meldungen wie diese einen doch noch leicht zusammenzucken lassen: Die größte Sportorganisation kanadischer Universitäten hat ihre Statuten jetzt dahingehend geändert, daß studentische Sporttreibende künftig ohne weiteres an den Wettkämpfen des Geschlechts teilnehmen können, dem sie sich zugehörig fühlen – irgendwelche ärztliche Bescheinigungen, Hormonbehandlungen oder gar einschneidende Maßnahmen sind ausdrücklich nicht mehr erforderlich. Gefühlte „gender identity genügt“, und sei der Bartwuchs noch so stark, die Lunge männlich voluminös und das Herz doppelt so groß wie das der echten Mitbewerberinnen.
Doch derlei bleibt im anekdotischen Bereich. Wirklich zur Sache kommt ein großangelegtes Experiment eines Wissenschaftler-Teams, das in den letzten Jahren „wissenschaftliche“ Aufsätze in der selbsterfundenen Disziplin der Grievance Studies, etwa: Beschwernis-Studien verfasst hat – alle von Wortgebrauch Diktion und vor allem „Perspektive der (gerade aktuell modernen) Benachteiligten“ her her den höchsten Ansprüchen aktueller Gesellschaftswissenschaften entsprechend – und alle inhaltlich sinnlos oder kriminell-inhuman. Auch einen Abschnitt aus Hitlers „Mein Kampf“ haben sie dafür in den gängigen Soziologenjargon übersetzt.
Diese Artikel haben sie renommierten sozialwissenschaftlichen Fachzeitschriften angeboten – und zwar anders als Alan Sokal vor 20 Jahren bei seinem aufsehenerregenden Experiment an Zeitschriften, die das Instrument der „Peer Reviewe“ einsetzen – d.h. Beiträge werden vor Veröffentlichung von ausgewiesenen Fachleuten der jeweiligen Disziplin gegengelesen. Sieben dieser gemeingefährlichen Unsinnsttexte wurden anstandslos akzeptiert. Soll heißen: Die Wissenschaftsredakteure und ihre professoralen Berater erwiesen sich entweder als betrügerische Scharlatane oder – vielleicht noch schlimmer, da überindividuell: Der heute fast monopolistisch herrschende post-, neo- und sonstwas-strukturalistische Apparat von Sprache und Methoden ist definitiv ungeeignet, sinnvolle Aussagen hervorzubringen oder sinnlose zu erkennen.
Und so sehen die Ergebnisse der modernen Sozialwissenschaften zum guten Teil ja auch aus – bei weitem nicht nur beschränkt auf fake-sciences wie die Gender-Studies.
Gerne würden wir unseren Überblick über den galoppierenden Wahnsinn in Gesellschaft und Wissenschaft hier abschließen – doch es ist uns nicht vergönnt. Fr. Hunwicke macht uns auf einen bemerkenswerten Absatz im Abschlußkommunique der britischen Bischöfe von ihrem Ad-Limina-Besuch in Rom aufmerksam – in unserer Übersetzung:
(Papst Franziskus) ist in der Tat mit einer einzigartigen Gnade des Heiligen Geistes Gottes begabt. Selbst in diesen Zeiten der Unruhe ist der Heilige Vater völlig klar in Gott verankert und von Gott gesegnet. Sei Frieden ist sicher. Sein Leben ist unbeschwert und heiter. Das wissen wir, weil er uns sein Herz gezeigt hat. Es ist das Herz eines liebenden Vaters. Im Gegenzug haben wir ihn unserer tiefen Gemeinsamkeit mit ihm versichert und ihm unsere Liebe versprochen, unsere Unterstützung und unsere Gebete.“
Diese Litanei des Papolatrismus ist kein einmaliger Ausrutscher. Je eigenwilliger der gegenwärtig herrschende Mann auf dem Stuhl Petri die Lehre interpretiert, verändert und versucht, die Strukturen der Kirche umzustürzen, je stärker auch der Widerstand gegen diese Willkürherrschaft sich artikuliert, desto mehr versuchen Mitglieder des „Team Bergoglio“ und dessen Wasserträger, den Papst – genauer gesagt: diesen Papst – zu einer Art höheren Wesens zu stilisieren, dem uneingeschränkte Unterwerfung gebührt. Der amerikanische Autor James Kalb hat dazu im Chrisis Magazine einen ausführlichen Beitrag veröffentlich, der eine ganz Reihe dahingehender Aussagen zusammenstellt und kritisch beleuchtet. Überschrift: The Pope as Supreme Being.
Der große Wahn der Gegenwart, daß die Dinge nicht das sind, was sie sind und als die Gott sie gemacht und eingesetzt hat, sondern das, was wir in ihnen sehen wollen und wozu wir sie erklären, hat das Zentrum der Kirche erreicht.