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Rom sucht den Erlöser

Erstellt mit www.wordle.netEine „kopernikanische Wende“ in der Kirche hat der australische Erzbischof Coleridge auf der römischen Mißbrauchskonferenz gefordert. Wenn wir die Dinge recht sehen, hat er sie bekommen: Stand für die Kirche der Vergangenheit Gottes Gebot und das Erlösungswerk Christi im Zentrum, so scheint an zentraler Stelle jetzt das Urteil der Welt zu stehen, und der neue Erlöser ist das „heilige Volk Gottes“, das nach der Schlußrede von Papst Franziskus „uns vom Übel des Klerikalismus befreien (wird), der den fruchtbaren Boden für all diese Gräuel bildet“.

Das Urteil der Welt: Der Gegenstand der Konferenz war von vornherein strikt eingeschränkt auf das, was auch nach den staatlichen Gesetzen der meisten Staaten verwerflich und strafbar ist: Der sexuelle Mißbrauch Minderjähriger. Von allen anderen Übeln der Unzucht, die ebenfalls in Teilen des Klerus grassieren, wie Ehebruch und praktizierter Homosex, durfte nicht gesprochen werden. Statt dessen widmete Franziskus einen großen Teil seiner Abschlußrede der Anprangerung von Mißbrauchsvergehen wie sie in buchstäblich allen gesellschaftlichen Bereichen vorkommen – vom Sextourismus bis zum Mißbrauch in der Familie. Nicht völlig grundlos wurde das vielfach als Versuch wahrgenommen, den Skandal des Mißbrauchs in der Kirche zu relativieren.

Dem Urteil der Welt unterwarfen sich die bisher bekanntgewordenen Wortmeldungen und vor allem Franziskus selbst auch in der Wahl der Maßstäbe, die sie zur Bewertung von sexuellem Fehlverhalten heranzogen. Von Gottes Geboten, gegen die die sündigenden Diener Gottes so skandalös verstoßen, ist praktisch nirgendwo die Rede. Tatsächlich kommt das Wort „Sünde“ z.B. in der Abschlußrede des Papstes nur ein einziges Mal vor. Von Gottes Gebot wird überhaupt nicht gesprochen, ebensowenig spielen Begriffe wie „Unzucht“ oder der Komplementär „Keuschheit“ eine Rolle – es wird alles vermieden, was darauf hindeutet, daß das Fehlverhalten vieler Kleriker im Zusammenhang mit der gesamtgesellschaftlichen Verwahrlosung der „sexuellen Revolution“ stehen könnte. Tatsächlich erwecken die krampfhaften Versuche, um den rosa Elephanten im Konferenzsaal, die grassierende praktizierte Homosexualität, herumzureden, den Eindruck, als bereite man sich darauf vor, aus dieser gesellschaftlichen Entwicklung neue moralische Maßstäbe auch für die Kirche abzuleiten. Als ob „Einvernehmlichkeit“ für die Sexualmoral der Kirche jemals ein Kriterium gewesen wäre. Ein logischer Endpunkt für Jahrzehnte fehlgeleiteter „Öffnung zur Welt“.

Der Verlust des Zentrums: Offenbar herrscht hier weitgehende Blindheit gegenüber der Tatsache, daß Unzucht jeder Art generell gegen Gottes Gebote verstößt und nicht nur unter dem Aspekt (vermeintlicher) Sozialverträglichkeit gesehen werden kann. Auch hier scheint sich die horizontale Dimension, die Verengung der Sicht auf die soziale Ebene gegenüber der Vertikalen, die stets die Übernatur und letztlich Gott selbst im Blick hat, durchzusetzen. Besonders deutlich wird das bei den in Rom zur Zurückdrängung der Mißstände diskutierten Maßnahmekatalogen, die sich so oder sehr ähnlich jedes Unternehmen und jede Behörde auch geben könnten: Transparenz, sauberer Umgang mit den Akten, Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht zuletzt großzügige Entschädigung der Opfer - das bleibt alles im horizontalen Bereich. Nur ganz selten öffnet sich ein Blick auf die übernatürlichen Bedingungen, etwa wenn Franziskus im Zusammenhang mit der Priesterausbildung (Punkt 4 der Prioritätenliste der Schlußansprache) unvermittelt anmerkt:

Den geeigneten Kandidaten muss ein ausgewogener Ausbildungsweg geboten werden, der auf Heiligkeit ausgerichtet ist und die Tugend der Keuschheit miteinschließt.

Doch das bleibt eine Ausnahme, und der von Franziskus zur Erklärung der Mißstände mehrfach bemühte Verweis auf den Satan und das „Geheimnis des Bösen“ ist nicht geeignet, dem entgegenzuwirken. Zumindest solange nicht, wie der Verweis auf den Teufel in einem Gestus des „da kann man halt nichts machen“ daherzukommen scheint und ohne den Hinweis auf die Mittel bleibt, die der Kirche zur Eindämmung des teuflischen Wirkens und zur Ausrichtung auf die Heiligkeit zu Gebote stehen. Näheres nachzulesen etwa beim hl. Pfarrer von Ars, der sich freilich im „zeitgemäßen“ Klerus als Vorbild keiner großen Beliebtheit erfreut.

Einen absurden Höhepunkt erreicht die Verengung des Blickfeldes auf die Horizontale in der von Franziskus u.W. hier erstmalig so vorgetragenen Wendung vom „heiligen Gottesvolk“ das nachgerade die Züge eines „Ersatzchristus“ anzunehmen scheint:

Das heilige und geduldige gläubige Volk Gottes, das der Heilige Geist trägt und lebendig macht, ist das beste Antlitz der prophetischen Kirche, die es versteht, beim täglichen Einsatz ihren Herrn in die Mitte zu stellen. Eben dieses heilige Volk Gottes wird uns vom Übel des Klerikalismus befreien, der den fruchtbaren Boden für all diese Gräuel bildet.

Als ob dieses „heilige Gottesvolk“ nicht auch selbst – teils aus eigener Schwäche, teils auch wegen Vernachlässigung durch die Hirten – längst zu großen Teilen von den Übeln befallen wäre, die hier hinter dem durch und durch irreführenden Wort vom Klerikalismus versteckt werden: Die Anerkennung der „Früchte“ der „sexuellen Revolution“ als neue gesellschaftliche Leitlinie. Doch es gibt nur den einen Erlöser – und der offenbart sich beim Blick aus der Horizontalen nach oben.

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Eine hervorragende Hintergrundanalyse zur aktuellen Auseinandersetzung um die Moraltheologie gibt A. Cagliarducci in Monday Vatican, deutsch beim Beiboot Petri. Wie so oft bei A.C. hervorragend in der Analyse, aber schwach bis Fehlanzeige in der Entwicklung einer klaren Position.

Das Credo des Gottesvolkes

Bild: Pressebüro des VatikansUngeachtet der verhängnisvollen Fehlentscheidungen Papst Paul VI. hinsichtlich der Liturgiereform ist daran festzuhalten, daß dieser Papst in seinen großen Enzykliken und weiteren Dokumenten eine Auslegung und Verkündigung des Glaubens für die Gegenwart gegeben hat, die auch heute eine sichere Basis bietet. Eines dieser Dokumente ist das „Credo des Gottesvolkes“, das auf eine Initiative von Jaques Maritain zurückgeht und von Paul VI. am 30. Juni 1968 feierlich verkündet wurde. Es wurde später auch als Motu Proprio in den Akten des Apostolischen Stuhls veröffentlicht.

Dieses Glaubensbekenntnis orientiert sich eng an den traditionellen Formen der Glaubensbekenntnisse der Kirche, ist jedoch in seinen Formulierungen wesentlich ausführlicher und geht in allgemeiner Weise auf die Anfechtungen der Glaubensinhalte zu Ende des 20. Jahrhunderts ein. Es ist weniger aktuell und von daher heute auch weniger eingreifend als das soeben veröffentlichte Manifest Kardinal Müllers, das punktgenau Verirrungen des gegenwärtigen Pontifikats adressiert. Aber es ist auch umfassender und allgemeiner, so daß die beiden Texte sich auf glückliche Weise ergänzen.

Die deutsche Universitätstheologie hat dieses Glaubensbekenntnis in ihren meisten Vertretern nie akzeptiert; die aktuellen Rufe nach „Wissenschaftsfreiheit“ sind nicht zuletzt auch als Ausdruck eben dieser Ablehnung zu verstehen. Insoweit eignet sich dieses Credo auch hervorragend als Maßstab für Theologiestudenten, um festzustellen, ob das, was ihnen da vermittelt wird, tatsächlich katholisch ist - oder nur eine wissenschaftlich bemäntelte Privatmeinung. 

Den vollständigen Text können Sie hier auf Summorum Pontificum lesen, außerdem halten wir eine PDF-Fassung zum Download bereit.

Das Credo des Gottesvolkes - Text

Bild: Pressebüro des VatikansUngeachtet der verhängnisvollen Fehlentscheidungen Papst Paul VI. hinsichtlich der Liturgiereform ist daran festzuhalten, daß dieser Papst in seinen großen Enzykliken und weiteren Dokumenten eine Auslegung und Verkündigung des Glaubens für die Gegenwart gegeben hat, die auch heute eine sichere Basis bietet. Eines dieser Dokumente ist das „Credo des Gottesvolkes“, das auf eine Initiative von Jaques Maritain zurückgeht und von Paul VI. am 30. Juni 1968 feierlich verkündet wurde. Es wurde später auch als Motu Proprio in den Akten des Apostolischen Stuhls veröffentlicht.

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Es beginnt ein langes ZitatWir glauben an den einen Gott: Vater, Sohn und Heiligen Geist, Schöpfer der sichtbaren Dinge, wie es diese Welt ist, auf der unser flüchtiges Leben sich abspielt, Schöpfer der unsichtbaren Dinge, wie es die reinen Geister sind, die man auch Engel1 nennt, und Schöpfer der unsterblichen Geistseele eines jeden Menschen.

Wir glauben, daß dieser einzige Gott Seiner Wesenheit nach absolut einer ist, unendlich heilig, wie Er in allen Seinen Eigenschaften unendlich vollkommen ist: in Seiner Allmacht, in Seinem unbegrenzten Wissen, in Seiner Vorsehung, in Seinem Willen und in Seiner Liebe. Er ist der, der da ist, wie Er es Moses2 geoffenbart hat; Er ist Liebe, wie der Apostel Johannes3 es uns lehrt. Diese beiden Worte also, Sein und Liebe, bezeichnen in unaussprechlicher Weise die gleiche göttliche Wirklichkeit dessen, der sich uns zu erkennen geben wollte und der, da Er „in einem unzugänglichen Lichte wohnt“4, in sich selbst jenseits jeglicher Bezeichnung, über allen Dingen steht und alles geschaffene Denken übersteigt. Gott allein kann uns von sich eine angemessene und volle Erkenntnis mitteilen, indem Er sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. Durch die Gnade sind wir berufen, an Ihrem ewigen Leben teilzuhaben: hier auf Erden im Dunkel des Glaubens und nach dem Tode im ewigen Lichte.

Die gegenseitigen Bande, die von der Ewigkeit her die drei Personen wesentlich verbinden, deren jede das eine und selbe göttliche Sein ist, sind das beseeligende innerste Leben des dreimalheiligen Gottes, unendlich weit entfernt von alldem, was wir auf menschliche Weise begreifen können.5
Wir sagen indessen der göttlichen Güte Dank für die Tatsache, daß sehr viele gläubige Menschen mit uns vor der Welt die Einzigkeit Gottes bezeugen können, obwohl sie das Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit nicht kennen.

Wir glauben also an den Vater, der von Ewigkeit her den Sohn zeugt; an den Sohn, das Wort Gottes, das von Ewigkeit her gezeugt ist; an den Heiligen Geist, die unerschaffene Person, die vom Vater und vom Sohne ausgeht als Ihre ewige Liebe. In den drei göttlichen Personen also – coaeternae sibi et coaequales [untereinander gleich ewig und gleichen Wesens]6 – sind das Leben und die Seligkeit Gottes, der vollkommen eins ist, in überreicher Fülle vorhanden und vollenden sich in der Vollkommenheit und in der Glorie, die dem unerschaffenen Wesen eigen sind. Immer „muß also die Einheit in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit verehrt werden.“7

Wir glauben an unseren Herrn Jesus Christus, der der Sohn Gottes ist. Er ist das ewige Wort, gezeugt vom Vater vor aller Zeit und wesensgleich dem Vater (homoousios to Patri8). Durch Ihn ist alles erschaffen worden. Durch das Wirken des Heiligen Geistes hat Er im Schoße der Jungfrau Maria Fleisch angenommen und ist Mensch geworden: dem Vater also Seiner Gottheit nach gleich, der Menschheit nach aber ist Er geringer als der Vater. Er ist in sich selbst einer, nicht durch eine unmögliche Vermischung der Naturen, sondern durch die Einheit der Person.9

Er hat unter uns gewohnt, voll der Gnade und Wahrheit. Er verkündete das Reich Gottes und richtete es wieder auf und ließ uns den Vater durch sich erkennen. Er hat uns ein neues Gebot gegeben, einander zu lieben, wie Er uns geliebt hat. Er lehrte uns den Weg der Seligkeiten des Evangeliums: Armut im Geiste, Milde, Geduld im Leiden, Durst nach der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Reinheit des Herzens, Wille zum Frieden, Verfolgung erdulden um der Gerechtigkeit willen. Er litt unter Pontius Pilatus. Als Lamm Gottes nahm Er die Sünden der Welt auf sich. Er ist für uns am Kreuze gestorben und rettete uns durch Sein erlösendes Blut. Er ist begraben worden und am dritten Tage aus eigener Kraft wiederauferstanden. Durch Seine Auferstehung berief Er uns zur Teilnahme am göttlichen Leben, welches das Leben der Gnade ist. Er ist aufgefahren in den Himmel und wird wiederkommen aufs neue, und zwar dieses Mal in Herrlichkeit, um die Lebenden und die Toten zu richten: einen jeden nach seinen Verdiensten – jene, die der Liebe und dem Erbarmen Gottes entsprochen haben, werden eingehen zum ewigen Leben. Jene aber, die bis zum Ende ihres Lebens die Liebe und das Erbarmen Gottes ablehnten, werden dem Feuer überantwortet, das niemals erlischt.
Und Seines Reiches wird kein Ende sein.

Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der mit dem Vater und dem Sohne angebetet und verherrlicht wird. Durch die Propheten hat Er zu uns gesprochen und ist von Christus, nach Seiner Auferstehung und Himmelfahrt zum Vater, gesandt worden. Der Heilige Geist erleuchtet, belebt, beschützt und führt die Kirche. Er läutert ihre Glieder, wenn sie der Gnade nicht widerstehen. Sein gnadenvolles Wirken, das bis in das Innerste der Seele eindringt, macht den Menschen fähig, zu antworten auf den Anruf Christi: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!“10

Wir glauben, daß Maria, die allzeit Jungfrau blieb, die Mutter des menschgewordenen Wortes ist, unseres Gottes und Heilands Jesus Christus11, und daß sie im Hinblick auf diese einzigartige Gnadenauserwählung und durch die Verdienste ihres Sohnes auf eine vollkommenere Art12 erlöst worden ist, indem sie von jedem Makel der Erbsünde13 bewahrt und mit dem Gottesgeschenk der Gnade mehr bedacht wurde als alle anderen Geschöpfe.14
Verbunden in einer ganz innigen und unauflöslichen15 Weise mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung, wurde die allerseligste Jungfrau, die Unbefleckte Jungfrau, am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels16 aufgenommen und – in Vorausnahme des künftigen Loses aller Gerechten – ihrem auferstandenen Sohne in der Verklärung angeglichen. Wir glauben, daß die heilige Gottesmutter, die neue Eva, die Mutter der Kirche17 , im Himmel ihr mütterliches Amt fortsetzt im Hinblick auf die Glieder Christi, indem sie mitwirkt bei der Erweckung und Entfaltung des göttlichen Lebens in den erlösten Seelen.18

Wir glauben, daß in Adam alle gesündigt haben, was besagen will, daß die Erbschuld, die Adam beging, die menschliche Natur, die allen Menschen gemeinsam ist, in einen Zustand fallen ließ, in dem sie die Folgen dieser Schuld zu tragen hat. Und daß dieser Zustand nicht jener ist, in dem unsere Stammeltern sich zuerst befanden, da sie in Heiligkeit und Gerechtigkeit geschaffen waren und der Mensch weder das Böse noch den Tod kannte.
Die menschliche Natur ist also eine gefallene Natur: beraubt der Gnade, die sie bekleidete, verwundet in ihren eigenen natürlichen Kräften und dem Reich des Todes unterworfen, der auf alle Menschen übergegangen ist. Das ist der Sinn, daß jeder Mensch in Sünde geboren wird.
Wir halten also mit dem Konzil von Trient fest, daß die Erbsünde mit der menschlichen Natur übertragen wird, „nicht durch Nachahmung, sondern durch Fortpflanzung“, und „so zu einem jeden gehört.“19

Wir glauben, daß unser Herr Jesus Christus uns durch Sein Opfer am Kreuze von der Erbsünde und von allen persönlichen Sünden, die wir begangen haben, erlöst hat, so daß nach den Worten des Apostels dort, „wo die Sünde zugenommen hat, die Gnade überreich geworden ist.“20

Wir glauben an die Taufe, die von unserem Herrn Jesus Christus zum Nachlaß der Sünden eingesetzt worden ist. Die Taufe soll auch schon den Kindern im frühen Alter gespendet werden, die sich noch keiner persönlichen Sündenschuld bewußt sind, damit sie nicht der übernatürlichen Gnade verlustig gehen und „wiedergeboren werden aus dem Wasser und dem Heiligen Geist“ zum göttlichen Leben in Jesus Christus.21

Wir glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die von Jesus Christus auf dem Felsen gegründet wurde, der Petrus ist. Sie ist der mystische Leib Christi, von ihm sowohl als sichtbare Gemeinschaft mit hierarchischem Aufbau wie auch als geistige Gemeinschaft eingesetzt. Sie ist die Kirche hier auf Erden, das pilgernde Gottesvolk.

Und sie ist die Kirche, die beschenkt ist mit himmlischen Gütern – der Same und keimhafte Anfang des Reiches Gottes, durch das sich Werk und Leiden der Erlösung in der Geschichte fortsetzen und das seine Vollendung finden wird jenseits aller Zeitlichkeit, in der ewigen Herrlichkeit22. Der Herr Jesus Christus läßt Seine Kirche in der Zeit Gestalt annehmen durch die Sakramente, die aus Seiner göttlichen Fülle23 hervorgehen. Durch sie haben die Glieder der Kirche Anteil am Geheimnis Seines Todes und Seiner Auferstehung in der Gnade des Heiligen Geistes, der Leben und Tun verleiht24 . Die Kirche ist deshalb heilig, auch wenn sich in ihrer Mitte Sünder befinden, weil sie selbst kein anderes Leben besitzt als das der Gnade. Das heißt, daß sich ihre Glieder heiligen, wenn sie an ihrem Leben teilnehmen, und daß sie, wenn sie ihr Leben preisgeben, der Sünde und Unordnung verfallen, die den Glanz ihrer Heiligkeit verdunkeln. Deshalb leidet und büßt die Kirche für diese Verfehlungen. Sie hat die Gewalt, ihre Gläubigen davon zu heilen: durch das Blut Christi und die Gabe des Heiligen Geistes.
Sie ist dem Geiste nach Erbin der göttlichen Verheißungen und Tochter Abrahams, durch jenes Israel, dessen heilige Schriften sie in Liebe bewahrt und dessen Patriarchen und Propheten sie in Ehrfurcht gedenkt. Sie ist auf die Apostel gegründet und gibt im Nachfolger des heiligen Petrus und in den Bischöfen, die sich in Gemeinschaft mit ihm befinden, deren immerdar lebendiges Wort und deren Hirtengewalt durch die Jahrhunderte weiter. Unter dem immerwährenden Beistand des Heiligen Geistes hat die Kirche die Aufgabe, jene Wahrheit zu bewahren, zu lehren, auszulegen und in der Welt zu verkündigen, die Gott in verhüllter Weise durch die Propheten und in ihrer ganzen Fülle durch unseren Herrn Jesus Christus geoffenbart hat.

Wir glauben alles, was im geschriebenen oder überlieferten Gotteswort enthalten ist und was die Kirche als von Gott geoffenbarte Wahrheit zu glauben vorlegt: entweder durch eine feierliche Glaubensentscheidung oder durch das ordentliche und allgemeine Lehramt25. Wir glauben an die Unfehlbarkeit, die dem Nachfolger des heiligen Petrus zukommt, wenn er ex cathedra als Hirte und Lehrer aller Gläubigen26 spricht.
Diese (Unfehlbarkeit) ist auch dem Kollegium der Bischöfe verheißen, wenn sie – gemeinsam mit dem Papst – das höchste Lehramt ausüben.27

Wir glauben, daß die von Christus gegründete Kirche, für die Er gebetet hat, unfehlbar eine ist: im Glauben, im Kult und in der hierarchischen Gemeinsamkeit. Die reiche Vielfalt in der Liturgie, die zu Recht bestehende Verschiedenheit im theologischen und geistlichen Erbe, sowie in den eigenen Rechtsordnungen im Innern der Kirche, tun ihrer Einheit keinen Abbruch, sondern fördern sie.28
Wir anerkennen das Vorhandensein zahlreicher Elemente der Wahrheit und Heiligung außerhalb der Gemeinschaft der Kirche Christi, welche eigentlich ihr zugehören und auf die katholische Einheit29 hindrängen. Und wir glauben an das Wirken des Heiligen Geistes, der in den Herzen der Jünger Christi die Liebe zu dieser Einheit30 entflammt. Wir haben aber die Hoffnung, daß auch die Gläubigen, die noch nicht voll und ganz der Gemeinschaft der Kirche angehören, sich eines Tages in der einen Herde mit dem einen Hirten zusammenfinden werden.

Wir glauben, daß die Kirche heilsnotwendig ist; denn Christus, der alleinige Mittler und Weg zum Heil, ist für uns gegenwärtig in Seinem Leib, der die Kirche ist31 . Aber der göttliche Heilsplan umfaßt alle Menschen. Diejenigen, die ohne ihre Schuld die Frohbotschaft Christi und Seiner Kirche nicht kennen, aber aufrichtig Gott suchen und sich mit Hilfe der Gnade um die Erfüllung Seines Willens bemühen, den sie aus den Forderungen ihres Gewissens erkannt haben – ihre Zahl ist Gott allein bekannt – können das Heil erlangen.32

Wir glauben, daß die heilige Messe, wenn sie vom Priester, der die Person Christi darstellt, kraft der durch das Weihesakrament empfangenen Gewalt gefeiert und im Namen Jesu Christi und der Glieder Seines mystischen Leibes dargebracht wird, das Opfer von Calvaria ist, das auf unseren Altären sakramental vergegenwärtigt wird. Wir glauben, daß in der Weise, wie Brot und Wein vom Herrn beim heiligen Abendmahl konsekriert und in Seinen Leib und in Sein Blut verwandelt worden sind, die Er für uns am Kreuze geopfert hat, auch Brot und Wein, wenn sie vom Priester konsekriert werden, in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden, der glorreich in den Himmel aufgefahren ist. Und wir glauben, daß die geheimnisvolle Gegenwart des Herrn unter dem, was für unsere Sinne in derselben Weise wie vorher fortzubestehen scheint, eine wahre, wirkliche und wesentliche Gegenwart ist.33

Christus kann in diesem Sakrament nicht anders gegenwärtig sein als durch die Verwandlung der Substanz des Brotes in Seinen Leib und die Verwandlung der Substanz des Weines in Sein Blut. Dabei bleiben die Gestalten von Brot und Wein, wie sie unsere Sinne wahrnehmen, unverändert erhalten. Diese geheimnisvolle Verwandlung nennt die Kirche auf sehr treffende Weise: Transsubstantiation. Jede theologische Erklärung, die sich um das Verständnis dieses Geheimnisses bemüht, muß, um mit unserem Glauben übereinstimmen zu können, daran festhalten, daß Brot und Wein der Substanz nach, unabhängig von unserem Denken, nach der Konsekration zu bestehen aufgehört haben, so daß nunmehr der anbetungswürdige Leib und das anbetungswürdige Blut unseres Herrn vor uns gegenwärtig sind – unter den sakramentalen Gestalten von Brot und Wein.34 So hat es der Herr gewollt, um sich uns zur Speise zu geben und uns einzugliedern in die Einheit Seines mystischen Leibes.35
Die alleinige und unteilbare Daseinsweise des verklärten Herrn im Himmel wird damit keineswegs vervielfältigt. Sie ist durch das Sakrament vergegenwärtigt an den vielen Orten der Erde, wo das Meßopfer dargebracht wird.
Diese Gegenwart bleibt nach dem Opfer im Sakrament fortbestehen, das im Tabernakel aufbewahrt wird, der die Herzmitte unserer Kirchen ist. Es ist uns eine heilige Pflicht, das fleischgewordene Wort, das unsere Augen nicht erblicken können und das, ohne den Himmel zu verlassen, sich uns vergegenwärtigt in der heiligen Hostie, die unsere Augen sehen können, anzubeten und zu verehren.

Wir bekennen, daß Gottes Reich hier auf Erden in der Kirche Christi seinen Anfang nimmt, die nicht von dieser Welt ist und deren Antlitz ja vergeht. Und daß das Wachstum der Kirche nicht mit dem Fortschritt der Zivilisation, der Wissenschaft und der Technik des Menschen gleichgesetzt werden darf. Daß vielmehr die Kirche nur aus dem einen Grunde besteht, um immer tiefer den unergründlichen Reichtum Christi zu erkennen, immer zuversichtlicher auf die ewigen Güter zu hoffen, immer besser der Liebe Gottes zu antworten und den Menschen immer freigebiger die Güter der Gnade und Heiligkeit mitzuteilen. Ebenso ist es die Liebe, die die Kirche bewegt, sich stets um das wahre zeitliche Wohl der Menschen zu sorgen. Unablässig erinnert sie ihre Kinder daran, daß ihnen hier auf Erden keine bleibende Wohnung beschieden ist. Sie drängt sie dazu, daß jeder von ihnen, entsprechend seiner Berufung und seinen Möglichkeiten, zum Wohle seiner Gemeinschaft beiträgt, daß er Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit unter den Menschen fördert und seinen Brüdern, vor allem den Armen und Unglücklichen, hilft. Die stete Sorge der Kirche, der Braut Christi, für die Not der Menschen, für ihre Freuden und Hoffnungen, für ihre Arbeiten und Mühen ist demnach nichts anderes als die große Sehnsucht, ihnen nahe zu sein, um sie zu erleuchten mit dem Lichte Christi und sie alle in ihm, ihrem alleinigen Heiland, zu vereinen.
Diese Sorge kann niemals bedeuten, daß sich die Kirche den Dingen dieser Welt gleichförmig macht, noch kann sie die brennende Sehnsucht mindern, mit der die Kirche ihren Herrn und Sein ewiges Reich erwartet.

Wir glauben an das ewige Leben. Wir glauben, daß die Seelen aller, die in der Gnade Christi entschlafen sind – ob sie nun noch im Reinigungsort geläutert werden müssen oder ob Jesus sie im Augenblick, da sie ihren Leib verlassen, wie den guten Schächer am Kreuz in das Paradies aufnimmt – zum Volk Gottes gehören – jenseits aller Herrschaft des Todes, der am Tag der Auferstehung, wenn die Seele mit dem Leib vereinigt wird, endgültig besiegt sein wird.

Wir glauben, daß die große Schar derer, die mit Jesus und Maria im Paradies vereinigt sind, die himmlische Kirche bildet. Dort schauen sie in ewiger Glückseligkeit Gott, so wie Er ist36. Dort sind sie auch, in verschiedenen Abstufungen, mit den heiligen Engeln unter der Herrschaft Christi vereint in Herrlichkeit, legen für uns Fürsprache ein und helfen uns in unserer Schwachheit durch ihre brüderliche Fürsorge.37

Wir glauben an die Gemeinschaft aller Christgläubigen: derer, die hier auf Erden als Pilger wandern, der Verstorbenen, die ihre Läuterung abwarten, und der Seligen im Himmel. Alle zusammen bilden sie die eine Kirche. Und in gleicher Weise glauben wir, daß in dieser Gemeinschaft die barmherzige Liebe Gottes und Seiner Heiligen stets unsere Gebete erhört, wie uns Jesus gesagt hat: Bittet und ihr werdet empfangen.38 Mit eben diesem Glauben und eben dieser Hoffnung erwarten wir die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt.

Gepriesen sei der dreimalheilige Gott! Amen.

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Anmerkungen


1 Vgl. Denzinger 3002.
2 Vgl. Ex 3, 14.
3 Vgl. 1 Joh 4, 8.
4 Vgl. 1 Tim 6, 16.
5 Vgl. Denzinger 804.
6 Vgl. ebd. 75.
7 Vgl. ebd. 75.
8 Vgl. ebd. 150.
9 Vgl. ebd. 76.
10 Vgl. Mt 5, 48.
11 Vgl. Denzinger 251-252.
12 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 53.
13 Vgl. Denzinger 2803.
14 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 53.
15 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 53.58.61.
16 Vgl. Denzinger 3903.
17 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 53.56.61.63; vgl. Paul VI., Allocutio in conclusione III Sessionis Concilii Vaticani II, in Acta Apostolicae Sedis 56, 1964, S. 1016; Apostolisches Schreiben Signum magnum, Einleitung.
18 II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 62; Paul VI., Apostolisches Schreiben Signum magnum, 1.
19 Vgl. Denzinger 1513.
20 Vgl. Röm 5, 20.
21 Vgl. Denzinger 1514.
22 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 8.50.
23 Vgl. ebd. 7.11.
24 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Sacrosanctum Concilium, 5.6; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 7.12.50.
25 Vgl. Denzinger 3011.
26 Vgl. ebd. 3074.
27 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 25.
28 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 23; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Orientalium Ecclesiarum, 2.3.5.6.
29 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 8.
30 Vgl. ebd. 15.
31 Vgl. ebd. 14.
32 Vgl. ebd. 16.
33 Vgl. Denzinger 1651.
34 Vgl. ebd. 1642. 1651-1654; Paul VI., Enzyklika Mysterium fidei.
35 Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica III, 73, 3.
36 Vgl. 1 Joh 3,2; Denzinger 1000.
37 Vgl. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 49.
38 Vgl. Lk 11, 9-10; Joh 16, 24.


Ein Manifest für den Neuaufbau

Bild: Aus LifesiteNews, ALBERTO PIZZOLI/AFP/Getty ImagesWer in dem Manifest von Kardinal Müller (hier der volle Text) nach Sensationen sucht, wird enttäuscht werden. Seine fünf Punkte, in denen fast jeder Satz mit einem Hinweis auf entsprechende Abschnitte des Katechismus belegt ist, sind eine denkbar knappe Zusammenfassung der zentralen Aussagen des Glaubens – mit besonderem Gewicht auf den Elementen, die von den Häresien der Moderne geleugnet oder relativiert werden. Da findet sich auch nicht der Hauch einer Neuheit – alles so, wie es immer war. Eine unübersehbare Demonstration des ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation, der seinen bischöflichen Auftrag zur Wahrung des katholischen Glaubens unbeirrt fortsetzt, auch wenn man ihm sein römisches Amt genommen hat.

Versucht man, die 5 Punkte noch einmal zusammenzufassen, ergibt sich zunächst folgendes Bild:

  1. Das Christentum ist nicht die Religion eines unbestimmten Gottes, den es mit anderen, die auch (nur) einen Gott (im Gegensatz zu mehreren Göttern) kennen, gemeinsam hätte. Das Christentum ist, der Name sagt es schon, die Religion des einen wahren Gottes, der sich in Jesus dem Christus den Menschen zugewandt hat und der seine Schöpfung in der Person seines Geistes erhält und erfüllt.
  2. In der katholischen Kirche verwirklicht sich die sakramentale und wirkkräftige Fortexistenz Christi in Welt und Zeit zur Verkündung die göttliche Offenbarung einschließlich der mit ihr untrennbar verbundenen Sittenlehre.
  3. Kernelement von Wesen und Wirkung der Kirche unter den Menschen sind die Sieben Sakramente, die Christus seiner Kirche anvertraut hat und deren Verwaltung er seinen Priestern übertragen hat, um sein Erlösungswerk dauerhaft weiterzuführen.
  4. Das sittliche Gesetz ist keine von Menschen ihren Mitmenschen aufgezwungene Last, sondern unrelativierbarer Teil der offenbarten Wahrheit, die dem Christen den Weg zum Heil weist. Ohne diese Wahrheit zur Leitschnur zu machen, kann er diesen Weg nicht zu Ende gehen.
  5. Der Mensch ist mit einer unsterblichen Seele geschaffen, die nach dem irdischen Tod und dem Gericht in der seligen Anschauung Gottes oder in der Hölle der Gottesferne weiterlebt. Die Seelen vor diesem Schicksal der Hölle zu bewahren ist die höchste Aufgabe der Kirche. Alles andere ist dem zugeordnet.

Die Anknüpfungspunkte zur aktuellen Auseinandersetzung zeigen sich sowohl in dem, was der Kardinal sagt – als auch in dem, was er nicht sagt. Den „Dienst an den Armen“oder den „ Einsatz für Frieden und Menschenrechte“ z.B., den die Leute, die aus der Kirche eine NGO oder eine zweite UNO machen wollen, ständig im Munde führen, erwähnt er an keiner Stelle. Nicht daß er deren Bedeutung bestritte, aber diese Dinge gehören definitiv nicht zu den erstrangigen Aufgaben der Kirche. Diese jedoch benennt Müller in aller wünschenswerten Klarheit: Vor allem anderen ist es ihre Aufgabe, die Menschen auf dem Weg zum ewigen Leben zu führen und zu begleiten. Die Mittel dazu hat der Herr ihr anvertraut: Die Sakramente. Und die Wegmarken bildet das Sittengesetz, wie es im Evangelium und der beständigen Lehre der Kirche gelehrt wird. Wer aber ein anderes Evangelium verkündet, der, so liest es der Kardinal beim Apostel Paulus, „soll verflucht sein“. Oder wie frühere Konzilien es formulierten: anathema sit.

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Das „Manifest des Glaubens“

Angesichts sich ausbreitender Verwirrung in der Lehre des Glaubens, haben viele Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien der katholischen Kirche mich um ein öffentliches Zeugnis für die Wahrheit der Offenbarung gebeten. Es ist die ureigene Aufgabe der Hirten, die ihnen Anvertrauten auf den Weg des Heils zu führen. Dies kann nur gelingen, wenn dieser Weg bekannt ist und sie ihn selber vorangehen. Dabei gilt das Wort des Apostels: „Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe“ (1 Kor 15,3). Heute sind vielen Christen selbst die grundlegenden Lehren des Glaubens nicht mehr bekannt, so dass die Gefahr wächst, den Weg zum Ewigen Leben zu verfehlen. Es bleibt aber die ureigene Aufgabe der Kirche, die Menschen zu Jesus Christus, dem Licht der Völker, zu führen (vgl. LG 1). In dieser Lage stellt sich die Frage nach Orientierung. Nach Johannes Paul II. stellt der Katechismus der Katholischen Kirche eine „sichere Norm für die Lehre des Glaubens“ (Fidei Depositum IV) dar. Er wurde mit dem Ziel verfasst, die Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken, deren Glaube durch die „Diktatur des Relativismus“ massiv in Frage gestellt wird.

1. Der eine und dreifaltige Gott, offenbart in Jesus Christus

Der Inbegriff des Glaubens aller Christen findet sich im Bekenntnis zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Wir sind durch die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Jünger Jesu, Kinder und Freunde Gottes geworden. Die Verschiedenheit der drei Personen in der göttlichen Einheit (254) markiert im Hinblick auf andere Religionen einen fundamentalen Unterschied im Gottesglauben und im Menschenbild. Am Bekenntnis zu Jesus dem Christus scheiden sich die Geister. Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch, empfangen vom Heiligen Geist und geboren aus der Jungfrau Maria. Das Fleisch gewordene Wort, der Sohn Gottes, ist der einzige Erlöser der Welt (679) und der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (846). Daher bezeichnet der erste Johannesbrief denjenigen als Antichrist, der seine Gottheit leugnet (1 Joh 2,22), da Jesus Christus, der Sohn Gottes von Ewigkeit her eines Wesens ist mit Gott, Seinem Vater (663). Mit klarer Entschiedenheit ist dem Rückfall in alte Häresien entgegenzutreten, die in Jesus Christus nur einen guten Menschen, Bruder und Freund, einen Propheten und Moralisten sahen. Er ist zu allererst das Wort, das bei Gott war und Gott ist, der Sohn des Vaters, der unsere menschliche Natur angenommen hat, um uns zu erlösen und der kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. Ihn allein beten wir in der Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist als den einzigen und wahren Gott an (691).

2. Die Kirche

Jesus Christus hat die Kirche als sichtbares Zeichen und Werkzeug des Heils gegründet, die in der katholischen Kirche verwirklicht ist (816). Er gab seiner Kirche, die „aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus“ hervorgegangen ist (766), eine sakramentale Verfassung, die bis zur Vollendung bleibt (765). Christus, das Haupt, und die Gläubigen als Glieder des Leibes sind eine mystische Person (795), weshalb die Kirche heilig ist, denn der einzige Mittler hat ihr sichtbares Gefüge verfasst und erhält sie unablässig (771). Durch sie wird das Erlösungswerk Christi in Zeit und Raum gegenwärtig in der Feier der heiligen Sakramente, vor allem im eucharistischen Opfer, der heiligen Messe (1330). Die Kirche vermittelt mit der Autorität Christi die göttliche Offenbarung, die sich auf alle Elemente der Lehre erstreckt, „einschließlich der Sittenlehre, ohne welche die Heilswahrheiten des Glaubens nicht bewahrt, dargelegt und beobachtet werden können“ (2035).

3. Sakramentale Ordnung

Die Kirche ist in Jesus Christus das allumfassende Sakrament des Heils (776). Sie reflektiert nicht sich selbst, sondern das Licht Christi, das auf ihrem Antlitz widerscheint. Dies geschieht nur dann, wenn weder eine Mehrheit, noch der Zeitgeist, sondern die in Jesus Christus geoffenbarte Wahrheit zum Bezugspunkt wird, denn Christus hat der katholischen Kirche die Gnaden- und Wahrheitsfülle anvertraut (819): Er selbst ist in den Sakramenten der Kirche gegenwärtig.

Die Kirche ist kein von Menschen gegründeter Verein, über dessen Struktur seine Mitglieder nach Belieben abstimmen. Sie ist göttlichen Ursprungs. „Christus selbst ist der Urheber des Amtes in der Kirche. Er hat es eingesetzt, ihm Vollmacht und Sendung, Ausrichtung und Zielsetzung gegeben“ (874). Die Mahnung des Apostels gilt bis heute, dass verflucht sei, wer ein anderes Evangelium verkündet, „auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel“ (Gal 1,8). Die Vermittlung des Glaubens ist unlösbar mit der menschlichen Glaubwürdigkeit seiner Boten verbunden, die in einigen Fällen die ihnen Anvertrauten im Stich gelassen, sie verunsichert und ihren Glauben schwer geschädigt haben. Hier trifft das Wort der Schrift diejenigen, die der Wahrheit kein Gehör schenken und sich nach eigenen Wünschen richten, die den Ohren schmeicheln, weil sie die gesunde Lehre nicht ertragen (vgl. 2 Tim 4,3-4).

Aufgabe des Lehramtes der Kirche ist es, das „Volk vor Verirrungen und Glaubensschwäche zu schützen“, um „den ursprünglichen Glauben irrtumsfrei zu bekennen“ (890). Dies gilt besonders im Hinblick auf alle sieben Sakramente. Die hl. Eucharistie ist „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (1324). Das eucharistische Opfer, in dem uns Christus in sein Kreuzesopfer einbezieht, zielt auf die innigste Vereinigung mit Christus (1382). Daher mahnt die Heilige Schrift im Hinblick auf den Empfang der hl. Kommunion: „Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn“ (1 Kor 11,27). „Wer sich einer schweren Sünde bewusst ist, muss das Sakrament der Buße empfangen, bevor er die Kommunion empfängt“ (1385). Von der inneren Logik des Sakramentes versteht sich, dass standesamtlich wiederverheiratet Geschiedene, deren sakramentale Ehe vor Gott besteht, nicht voll mit dem katholischen Glauben und der Kirche verbundene Christen, wie alle, die nicht entsprechend disponiert sind, die heilige Eucharistie nicht fruchtbar empfangen (1457), weil sie ihnen nicht zum Heil gereicht. Darauf hinzuweisen entspricht den geistigen Werken der Barmherzigkeit.

Das Bekenntnis der Sünden in der heiligen Beichte wenigstens einmal im Jahr gehört zu den Kirchengeboten (2042). Wenn die Gläubigen ihre Sünden nicht mehr bekennen und die Lossprechung von ihren Sünden erfahren, dann läuft die Erlösung ins Leere, schließlich ist Jesus Christus Mensch geworden, um uns von unseren Sünden zu erlösen. Auch für die schweren und lässlichen Sünden, die wir nach der Taufe begehen, gilt die Vollmacht der Vergebung, die der auferstandene Herr den Aposteln und ihren Nachfolger im Bischofs- und Priesteramt übertragen hat. Die aktuelle Beichtpraxis lässt deutlich werden, dass das Gewissen der Gläubigen nicht ausreichend geformt ist. Gottes Barmherzigkeit ist uns geschenkt, dass wir seine Gebote erfüllen, um dadurch eins zu werden mit seinem heiligen Willen und nicht, damit wir der Forderung zur Umkehr ausweichen (1458).

„Der Priester setzt auf Erden das Erlösungswerk fort“ (1589). Die Priesterweihe „verleiht ihm eine heilige Vollmacht“ (1592), die unersetzbar ist, denn durch sie wird Jesus Christus in seinem Heilshandeln sakramental gegenwärtig. Daher entscheiden sich Priester freiwillig für den Zölibat als „Zeichen des neuen Lebens“ (1579). Es geht um die Selbsthingabe im Dienst Christi und Seines kommenden Reiches. Im Hinblick auf den Empfang der Weihe in den drei Stufen dieses Amtes weiß sich die Kirche „durch [die] Wahl, die der Herr selbst getroffen hat, gebunden. Darum ist es nicht möglich, Frauen zu weihen“ (1577). Hier eine Diskriminierung der Frau zu unterstellen, zeigt nur das Unverständnis für dieses Sakrament, bei dem es nicht um irdische Macht geht, sondern um die Repräsentation Christi, des Bräutigams der Kirche.

4. Das sittliche Gesetz

Glaube und Leben gehören untrennbar zusammen, denn Glaube ohne Werke, die im Herrn getan werden, ist tot (1815). Das sittliche Gesetz ist Werk der göttlichen Weisheit und führt den Menschen zur verheißenen Seligkeit (1950). Demzufolge ist die Kenntnis des göttlichen und natürlichen Sittengesetzes notwendig, „um das Gute zu tun und sein Ziel zu erreichen“ (1955). Seine Beachtung ist für alle Menschen guten Willens heilsnotwendig. Denn wer in Todsünde stirbt, ohne bereut zu haben, wird für immer von Gott getrennt sein (1033). Dies führt zu praktischen Konsequenzen im Leben der Christen, von denen viele heute verdunkelt sind (vgl. 2270-2283; 2350-2381). Das sittliche Gesetz ist nicht eine Last, sondern Teil jener befreienden Wahrheit (vgl. Joh 8,32), durch die der Christ den Weg des Heils geht und die nicht relativiert werden darf.

5. Das Ewige Leben

Viele fragen sich heute, wofür die Kirche eigentlich noch da ist, wenn sich auch Bischöfe lieber in der Rolle als Politiker gefallen, denn als Lehrer des Glaubens das Evangelium verkünden. Der Blick darf nicht durch Nebensächlichkeiten verwässert, sondern das Proprium der Kirche muss thematisiert werden. Jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele, die im Tod vom Leib getrennt wird, indem er auf die Auferstehung der Toten hofft (366). Der Tod lässt die Entscheidung des Menschen für oder gegen Gott definitiv werden. Jeder muss sich unmittelbar nach dem Tod dem besonderen Gericht stellen (1021). Entweder ist noch eine Läuterung notwendig oder der Mensch gelangt unmittelbar in die himmlische Seligkeit und darf Gott von Angesicht zu Angesicht schauen. Es gibt auch die schreckliche Möglichkeit, dass ein Mensch bis zuletzt im Widerspruch zu Gott verharrt und indem er sich Seiner Liebe definitiv verweigert, „sich selbst sogleich und für immer verdammt“ (1022). „Gott hat uns erschaffen ohne uns, er wollte uns aber nicht retten ohne uns“ (1847). Die Ewigkeit der Höllenstrafe ist eine furchtbare Wirklichkeit, die – nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift – sich alle zuziehen die „im Stand der Todsünde sterben“ (1035). Der Christ geht durch das enge Tor, denn „weit ist das Tor und breit der Weg, der ins Verderben führt, und es sind viele, die auf ihm gehen“ (Mt 7,13).

Diese und andere Glaubenswahrheiten zu verschweigen und die Menschen entsprechend zu lehren ist der schlimmste Betrug, vor dem der Katechismus mit Nachdruck warnt. Er stellt die letzte Prüfung der Kirche dar und führt den Menschen zu einem religiösen Lügenwahn, um „den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit“ (675); es ist der Betrug des Antichrists. „Er wird jene, die verloren gehen, mit allen Mitteln der Ungerechtigkeit täuschen; denn sie haben sich der Liebe zur Wahrheit verschlossen, durch die sie gerettet werden sollten“ (2 Thess 2,10).

Aufruf

Als Arbeiter im Weinberg des Herrn haben wir alle die Verantwortung, diese grundlegenden Wahrheiten in Erinnerung zu rufen, indem wir an dem festhalten, was wir selber empfangen haben. Wir wollen Mut machen, den Weg Jesu Christi mit Entschiedenheit zu gehen, um durch die Befolgung Seiner Gebote das ewige Leben zu erlangen (2075).

Bitten wir den Herrn, Er möge uns erkennen lassen, wie groß das Geschenk des katholischen Glaubens ist, durch den sich die Tür zum Ewigen Leben öffnet. „Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommt“ (Mk 8,38). Daher setzen wir uns ein für die Stärkung des Glaubens, indem wir die Wahrheit bekennen, die Jesus Christus selber ist.

Gerade wir Bischöfe und Priester sind angesprochen, wenn Paulus, der Apostel Jesu Christi, seinem Mitstreiter und Nachfolger Timotheus diese Mahnung mit auf den Weg gibt: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Jesus Christus, dem kommenden Richter der Lebenden und Toten, bei seinem Erscheinen und seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne in aller Geduld und Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer sucht, um sich die Ohren zu kitzeln; und man wird von der Wahrheit das Ohr abwenden, sich dagegen Fabeleien zuwenden. Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verrichte dein Werk als Verkünder des Evangeliums, erfülle deinen Dienst!“ (2 Tim 4,1-5).

Möge Maria, die Mutter Gottes, uns die Gnade erflehen, am Bekenntnis zur Wahrheit Jesu Christi ohne Wanken festzuhalten.

Im Glauben und Gebet verbunden

Gerhard Cardinal Müller
Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre von 2012-2017

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