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Ein Kardinal spricht Klartext - II

Bild: M.Migliorato/CPP/CIRICDie Auseinandersetzung um das Kernstück dessen, was katholisch ist, um die Liturgie, geht in eine neue Runde. Sie entzündet sich erneut an der Person von Kardinal Sarah, der als Präfekt der Gottesdienstkongregation auf der einen Seite für alle liturgischen Angelegenheiten verantwortlich ist, andererseits aber mit Zustimmung oder auf Initiative des Papstes von liturgiefeindlichen Mitarbeitern umgeben und praktisch entmachtet ist. Papst Benedikt hatte der deutschen Ausgabe von Sarfahs Buch „Die Kraft der Stille“, die jetzt im Mai erschienen ist, ein Vorwort gewidmet, das allgemein als Rückenstärkung für den Kardinal verstanden worden ist. Er hatte geschrieben:

Kardinal Sarah ist ein geistlicher Lehrer, der aus der Tiefe des Schweigens mit dem Herrn, aus der inneren Einheit mit ihm spricht und so einem jeden von uns wirklich etwas zu sagen hat.

Papst Franziskus müssen wir dankbar sein, daß er einen solchen geistlichen Lehrer an die Spitze der Kongregation gesetzt hat, die für die Feier der Liturgie in der Kirche zuständig ist. Auch bei der Liturgie gilt wie für die Auslegung der Heiligen Schrift, daß Fachkenntnis notwendig ist. Aber auch bei ihr gilt, daß die Fachlichkeit am Ende am Wesentlichen vorbeireden kann, wenn sie nicht in einem tiefen inneren Einssein mit der betenden Kirche gründet, die vom Herrn selbst her immer wieder neu lernt, was Anbetung ist. Bei Kardinal Sarah, einem Meister der Stille und des inneren Betens, ist die Liturgie in guten Händen.

Die Aussage veranlaßte die Gegner der liturgischen und lehrmäßigen Überlieferung der Kirche zu wütenden Angriffen. Sie gipfelten in einem Artikel des Liturgologen Andrea Grillo von der Benediktiner-Hochschule San Anselmo, der Sarah fachliche Inkompetenz und Ungeeignetheit für seine Position vorwarf und in scharfen Worten dessen Ablösung verlangte. Grillo ging aber noch weiter, in dem er Papst Benedikt beschuldigte, gerne Vorworte zu fragwürdigen Büchern (ausdrücklich nannte er Alcuin Reid) zu verfassen und Benedikts Eintreten für Kardinal Sarah als „Amtsanmaßung“ und als Drohung mit einem „Rücktritt vom Rücktritt“ darstellte.

Auf der aktuell in Mailand stattfindenden Konferenz von „Sacra Liturgia“ hat Kardinal Sarah auf diese Attacken jetzt in der gebührenden Schärfe geantwortet. (Quelle)

Ich bete inständig für jene, die Zeit und Geduld finden, aufmerksam dieses Buch [Die Kraft der Stille] zu lesen: Möge Gott ihnen helfen, die Vulgarität und die Niedrigkeit zu vergessen, die von einigen Personen im Zusammenhang mit dem Nachwort und seinem Autor, Papst Benedikt XVI., gebraucht wurden.
Gewalttätigkeit der Sprache, der Mangel an Respekt und die unmenschliche Verachtung für Benedikt XVI. sind diabolisch und bedecken die Kirche mit einem Mantel der Traurigkeit und der Schande. Diese Personen zerstören die Kirche und ihre tiefere Natur. Der Christ bekämpft gegen niemanden. Er hat keine Feinde zu besiegen.“

Zur Sache der Liturgie selbst verdichtete Kardinal Sarah die unaufgebbare Grundlage unseres Glaubens in einer einzigen kurzen Formel:

„Wenn wir die Heilige Liturgie zelebrieren, nehmen wir an der Anbetung Christi teil, der für unser Heil Mensch geworden ist, ganz Mensch und ganz Gott.“ Aus diesem Grund „kann die Liturgie nicht bloße Feier der Brüderlichkeit sein, sondern muß ein Gotteskult sein“.

Von daher erneuerte er seine Forderung zur Feier des hl. Messopfers ad dominum und erinnerte daran, daß die reguläre Form des Empfangs der hl. Kommunion in der katholischen Kirche die knieend empfangene Mundkommunion ist - während andere Formen auf einer Ausnahmegenehmigung beruhen.

„Die Liturgie muß Gotteskult sein.“ Daran ist in Zukunft ebenso wie stets in der Vergangenheit zu messen, was von wem auch immer hinsichtlich der Gestalt der Liturgie behauptet, beschlossen und verfügt werden sollte. Für den Kult des Menschen brauchen wir keine Kirche. Und wo dieser Kult propagiert und gefeiert wird, mag alles Mögliche sein – nur nicht die Kirche Christi.

Gefakte Ökumene

Bild: Christliches ForumDer Pfingstmontag ist in Deutschland gebotener Feiertag – der Besuch einer hl. Messe ist daher für jeden Katholiken ebenso verpflichtend wie an Sonntagen. Freilich wird dieses Gebot auch sonntags vielfach nicht ernstgenommen. Auch nicht von den Funktionären der Bischofskonferenz, die für ihre Statistik der regelmäßigenTeilnehmer am Sonntagsgottesdienst auch die Personen zählen, die „etwa alle 14 Tage“ an einer Sonntagsmesse teilnehmen. Kommt ja nicht so drauf an, und die Zahlen sehen besser aus.

In der Bischofstadt Münster geht man, wie auf Christliches Forum zu erfahren,  in der Relativierung des Feiertagsgebots noch einen Schritt weiter. Dort findet bereits seit Jahren am Pfingstmontag auf dem Domplatz ein „ökumenischer Festgottesdienst“ statt – natürlich als Wortgottesdienst ohne hl. Messe. Und um die Besucherzahl dort zu erhöhen, läßt man in den meisten Pfarreien den Gottesdienst bewußt ausfallen. Was scheren ordentliche Deutschkatholiken schon die Kirchengebote. In diesem Jahr erlebten die Münsteraner, die sich zum „Festgottesdienst“ (das ökumenisch wird in der Werbung bestenfalls Kleingedruckt) begeben hatten, eine besondere Überraschung: Die „Festpredigt“, und die ist einem Wortgottesdienst nun mal das Herzstück, hielt der/die/das Präses der evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus. Ein wahres Pfingsterlebnis.

So feiern wir 500 Jahre Reformation. Oder wie es so schön heißt: In der „Praxis vor Ort“ sind wir ja schon viel weiter als die sturen Dogmatiker der Glaubenskongregation. Der Aufgabe der Liturgie folgt ganz konsequent die Aufgabe der hl. Messe und des Priestertums. Und wo es keine Priester mehr gibt, können auch Frauen predigen, soviel sie wollen und mit welcher Amtsbezeichnung auch immer. Paradiesische Aussichten. Wäre an der Zeit, daß ein paar bisher „noch nicht in voller Einheit“ stehende Bischöfe auch formell um Aufnahme in die EKD bitten, dann kann mitgehen, wer „schon weiter“ ist – und wer katholisch bleiben will, weiß, wo er dran ist.

Nachtrag zum Thema „zusammen schrumpfen“:

In diesem Jahr wird nicht nur die Diözese Osnabrück - s. unsere Meldung vom 18. Mai - sondern auch das Erzbistum Mainz keinen einzigen Priester neu weihen können. Ein vernichtenderes Zeugnis für die langjährigen Oberhirten dieser sterbenden Kirchenbezirke ist kaum vorstellbar.

Gemeinde und Gemeinschaft

Die „Option Benedikt“ - III

Die Ausgangsposition Drehers, die bis jetzt beschrieben worden ist, läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Die geistige Entwicklung des Westens in den letzten Jahrhunderten hat zur Herausbildung einer Anti-Kultur geführt, die sich in ihrer strikten Ablehnung der Transzendenz von allen früheren Menschheitsepochen unterscheidet. Sie lehnt nicht nur jede Bindung des Menschen an die Übernatur ab, sondern verweigert Bindung prinzipiell und kennt faktisch nur noch ein Gebot: Du sollst keine anderen Götter neben DIR dulden. Religion und Kultur überhaupt können nur noch im Widerspruch zu dieser dominanten Unkultur bestehen – und als Beispiel und Vorbild einer solchen Gegenkultur in einer Zeit des Zusammenbruchs der tradierten Ordnung sieht Dreher das von Benedikt von Nursia begründete westlicher Mönchstum. Es war im 6. Jahrhundert die kompromisslos gelebte Abkehr von den Angeboten der Welt aus der Einsicht, daß deren Ansprüche dem Leben nach dem Evangelium und der Verwirklichung der eigentlichen Bestimmung jedes Menschenlebens entgegenstehen.

Wenn Dreher heute von einer Option Benedikt spricht, bedeutet das allerdings nicht, daß er uns jetzt allesamt ins Kloster schicken möchte, durchaus nicht. Es bedeutet zunächst, daß Christen sich der bestehenden Situation stellen und überhaupt erst einmal begreifen bzw. zugeben sollen, daß der oben beschriebene Widerspruch besteht. Das bedeutet auch die Einsicht, daß die herrschende Unkultur nicht durch eine Diktatur aufgezwungen ist, sondern – wie man in kommunistischen Zeiten zu sagen pflegte, durchaus über eine „Massenbasis“ verfügt. Bei ausreichender Absicherung der dringendsten materiellen Bedürfnisse, sind Brot und Spiele, intellektuelle und ästhetische Verwahlosung, sexuelle Libertinage und „Unterhaltungs“angebote auf der Ebene von Dschungelcamp und Kettensägenmassaker absolut mehrheitsfähig. Die Entwicklung der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten deutet in vielem darauf hin, daß die postchristliche Gesellschaft in vielem mehr einer vorchristlichen Barbarei als der versprochenen leuchtenden Zukunft ähneln wird.

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Von der Kultur zur Antikultur

Bild: http://www.undiscoveredscotland.co.uk/lindisfarne/Die „Option Benedikt“ - II

Rod Drehers „Option Benedikt“ reagiert darauf, daß viele, vermutlich eine Mehrheit, der heute in den „westlichen Ländern“ lebenden Menschen, ihre Gesellschaft als in rapidem Wandel begriffen erfahren. Ein Teil der Menschen betrachtet diesen Wandel als unausweichlich und findet positive Seiten daran, andere begrüßen ihn geradezu enthusiastisch. Ein anderer, mindestens gleich großer Teil, beobachtet ihn skeptisch mit Befürchtungen und teilweise sogar panikartigen Reaktionen. Eine Verständigung zwischen Enthusiasten und Skeptikern findet immer weniger statt. Wo die Enthusiasten über politisch/mediale Mehrheiten verfügen, gehen sie immer entschiedener daran, die Skeptiker aus dem Rahmen des sozialen Konsens auszuschließen. Besonders entschieden gehen sie dabei gegen Gruppen und Personen vor, die sich unter Berufung auf die überlieferten Glaubens- und Lehrinhalte des Christentums der umfassenden Neudefinition aller sozialen Verhältnisse widersetzen. Das kann auch gar nicht anders sein, denn die Neue Gesellschaft ist Ausdruck einer fundamentalen Abwendung vom Christentum und eines Wandels hin zu einer neu-heidnischen Weltanschauung.

Es trifft zu, daß dieser Wandel erst etwa seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine derartige Form und derartige Geschwindigkeit angenommen hat., daß er für größere Teile der Gesellschaft erkennbar geworden ist. Tatsächlich hat er jedoch bereits sehr viel früher eingesetzt und lediglich in den letzten Jahrzehnten eine enorme Beschleunigung erfahren.
Rod Dreher gibt dazu (S. 23) eine Zeittafel:

  • Im 14. Jahrhundert der Verlust der integralen Verbindung zwischen Gott und Schöpfung – philosophisch ausgedrückt zwischen transzendenter und materieller Realität.
  • Der Zusammenbruch von Glaubenseinheit und Religionsautorität in der protestantischen Reformation des 16. Jahrhunderts.
  • Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die das Christentum durch den Kult der Vernunft ersetzte, das religiöse Leben zur Privatsache erklärte und das Zeitalter der Demokratie einleitete.
  • Die industrielle Revolution (ca. 1760 – 1840) und das Erstarken des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert.
  • Die sexuelle Revolution (1960-Gegenwart).

Auf den 25 folgenden Seiten gibt der Autor eine notwendigerweise sehr geraffte Übersicht der Inhalte dieser Entwicklung. Dabei ist dieses mit „Die Wurzeln der Krise“ überschriebene Kapitel eines der wichtigsten Kapitel des Buches, dessen Lektüre allein schon die Anschaffung lohnt.

Der mittelalterliche Mensch lebte in einem Kosmos, in dem nicht nur alles mit allem zusammenhing, sondern auch alles seine Existenz und seinen Sinn von Gott dem allmächtigen Schöpfer bezog. Dieser Bezug zu Gott war die eigentliche Realität aller materiellen und gesellschaftlichen Erscheinungen – alles andere hatte bestenfalls sekundäre Bedeutung. Den Höhepunkt dieses Denkens verortet Dreher im „metaphysischen Realismus“ der scholastischen Philosophie des Thomas von Aquin.

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Die „Option Benedikt“

Schutzumschlag-Illustration des Buches, Sentinel 2017Seit Wochen diskutieren glaubens- und bibeltreue Christen in den USA über das im März erschienene Buch des Publizisten Rod Dreher: The Benedict Option. Inzwischen hat die Debatte auch auf Deutschland übergegriffen( s. "Die Tagespost" vom 15. Mai, leider nicht allgemein im Netz zugänglich). Der Umfang der Diskussion kann nicht überraschen, denn Drehers Buch mit dem Untertitel „Eine Strategie für Christen in einer post-christlichen Nation“ berührt ein Thema, das allen Christen, die es mit ihrem Glauben ernst meinen, auf den Nägeln brennt: Wie kann man als Christ leben in einer Gesellschaft, die das Christentum bekämpft, und als Angehöriger einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft, deren Priester und Prediger zu großen Teilen um des lieben Friedens (und materieller Vorteile) willen ihren Frieden mit dieser Gesellschaft geschlossen haben?

Gleich zu Anfang sind zwei mögliche Mißverständnisse auszuräumen: Die „Option Benedikt“ hat nichts mit Joseph Ratzinger zu tun – auch wenn Autor Dreher an mehreren Stellen des Buches seine Hochachtung für den ehemaligen Papst zum Ausdruck bringt. Hier gemeint ist Benedikt von Nursia, der Vater des abendländischen Mönchtums – und das zieht das zweite denkbare Mißverständnis nach sich, dem auch schon verschiedene Teilnehmer an der Diskussion über das Buch zum Opfer gefallen sind: Dreher sieht zwar gewisse Parallelen zwischen der Lebenszeit Benedikts (~480 – 547), die vom Zerfall des römischen Reiches und dem Untergang seiner Zivilisation gekennzeichnet war, und der heutigen Zerfallsperiode des „Westens“. Aber er empfiehlt den übrig gebliebenen Christen von heute keinesfalls, sich in klösterliche Abgeschiedenheit zurückzuziehen. Vielmehr nimmt er Zeit und Werk des hl. Benedikt zum Anlaß, darüber nachzudenken, wie Christen in dieser gesellschaftlichen Katastrophe, auf ihre Gemeinschaft gestützt, materiell und spirituell überleben können. Und das nicht nur für sich, sondern so, daß es in die Gesellschaft ausstrahlt und dort Keime für die Entstehung von neuem bildet.

Mit der Empfehlung einer „Ghetto-Mentalität“, wie das z.B. der katholische Rezensent Fr. George Rutler befürchtet, hat Rod Dreher nichts im Sinn. Obwohl auch dieses Mißverständnis in einem gewissen Sinn nachvollziehbar ist, denn Drehers Kritik an der westlichen Entwicklung ist weitaus radikaler, als wir uns das gemeinhin gestatten. Seine Analyse – die er selbstverständlich nicht für sich durchgeführt hat, sondern bei der er sich unter anderem auf den amerikanischen Philosophen Alasdair MacIntyre (‚After Virtue‘) stützt  bleibt nicht bei dem Befund stehen, diese Gesellschaft sei leider, leider irgendwie über das Christentum hinaus und von ihm weggegangen. Quasi im wehmütigen Abschied und ohne Zorn. Dreher konstatiert statt dessen, daß diese Gesellschaft dabei ist, eine grundsätzlich antihumane und damit auch antichristliche Ordnung zu errichten – und diese Ordnung gegenüber Dissidenten auf autoritäre und brutale Weise durchzusetzen.

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