Christus „von unten“
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- 11. Januar 2017
Mit seiner vorgestrigen Ansprache im Haus St. Marta hat Papst Franziskus einen tiefen Einblick in sein Christusbild gewährt und gleichzeitig einen Schlüssel zum Verständnis der liturgischen Entwicklungen unter modernistischen Vorzeichen bereitgestellt. Das zumindest nach den vom Vatikan zur Verfügung gestellten Zusammenfassungen der Predigt und deren Wiedergabe in den Medien – der volle Text und Wortlaut der Morgenansprachen wird seit Beginn dieses Pontifikates nicht veröffentlicht. Die hier gebrachten Zitate entnehmen wir dem Bericht von Armin Schwibach in kath.net.
Thema der Ansprache war danach die vom Papst als „universal“ bezeichnete Vollmacht Christi, die er er eine nur „formale“ Vollmacht der Pharisiäer und Schriftgelehrten gegenüberstellte. Diesen Gegensatz und seine Begründung der Vollmacht Christi entwickelt er in drei Punkten; als ersten nennt er den Dienst an den Menschen:
Jesus diente den Leuten, er erklärte die Dinge, damit die Leute sie gut verstehen: er stand im Dienst der Leute. Er hatte die Haltung eines Dieners, und das verlieh ihm Vollmacht. Diese Gesetzeslehrer dagegen, die die Leute... ja, auf sie hörten die Leute, sie respektierten sie, doch sie spürten nicht, dass sie eine Vollmacht über sie besitzen. Diese hatten die Psychologie von Fürsten: ‚Wir sind die Meister, die Fürsten, und wir lehren euch’. Kein Dienst: ‚Wir befehlen, ihr gehorcht’. Und Jesus hat sich nie so gegeben, als sei er ein Fürst: immer war er der Diener aller, und das ist es, was ihm Vollmacht verlieh“.
Die zweite Charakteristik, die ihm Vollmacht gebe und von den Pharisäern unterscheide, sei die der Nähe zu den Menschen:
Sie (die Pharisäer) waren getrennt von den Leuten, sie waren nicht nah. Jesus stand den Leuten sehr nahe, und das verlieh ihm Vollmacht. Diese da, die den Abstand wahrten, diese Lehrer: sie hatten eine klerikalistische Psychologie. Sie lehrten mit einer klerikalistischen Vollmacht, das ist der Klerikalismus. Es gefällt mir so sehr, wenn ich von der Nähe zu den Menschen lese, die der selige Paul VI. hatte. In Nummer 48 der Enzyklika Evangelii nuntiandi ist das Herz des nahen Hirten zu sehen: dort liegen die Vollmacht und Autorität jenes Papstes, in der Nähe“.
Drittes Element zur Begründung der Vollmacht und ebenfalls Gegensatz zur Haltung der Pharisäer sei die Kohärenz:
Diese Leute waren nicht kohärent und ihre Persönlichkeit war derart gespalten, dass Jesus seinen Jüngern rät: ‚Tut, was sie euch sagen, aber nicht das, was sie tun’. Sie sagten das eine und taten das andere. Mangelnde Kohärenz, Widersprüchlichkeit. Sie waren widersprüchlich. Und das Wort, das Jesus ihnen viele Male sagt, ist ‚Heuchler’. Und man versteht, dass einer, der sich wie ein Fürst fühlt, der eine klerikalistische Haltung hat, der ein Heuchler ist, keine Vollmacht hat! Er mag zwar die Wahrheit sagen, aber ohne Vollmacht. Jesus dagegen, der demütig ist, der im Dienst an den anderen steht, der nahe ist, der die Leute nicht verachtet und der kohärent ist, besitzt Vollmacht. Und das ist die Vollmacht, die das Volk Gottes spürt“.
Das ist, um es zurückhaltend zu sagen, bemerkenswert. Diese drei Punkte, die sich in Wirklichkeit auf eine Behauptung reduzieren lassen, sagen nichts anderes als: Die Vollmacht Jesu geht von seiner Nähe, ja von seiner Übereinstimmung mit „den Leuten“ aus. Er ist der aus dem Volk hervorgegangene und auf das Volk gestützte Führer der Menschen gegen im Namen der Religion angemaßte (klerikalistische) Machtausübung. Er ist bestenfalls ein Messias, wie ihn sich viele Juden als König erhofften, die auf einen Retter in der Not und Anführer gegen die römische Fremdherrschaft warteten – und die Jesus die Gefolgschaft verweigerten, als als seine Botschaft ihnen „zu hart“ erschien und er schließlich am Kreuz alle ihre irdischen Hoffnungen enttäuschte.
Kein Wort davon, daß Jesu Vollmacht nicht „von unten“ kommt, sondern „von oben“, aus der Gottessohnschaft und der Erfüllung des Willens dessen, der ihn gesandt hat und in dessen Namen sich jedes Knie beugen muß im Himmel und auf Erden. Kein Wort auch davon, daß sein Reich „nicht von dieser Welt“ ist und daß sein Wirken allein das Ziel hat, „den Leuten“, die durch die Verirrung des Menschengeschlechts von Gott getrennt in Verirrung, Sünde und Schuld leben, die Rückkehr zu dem zu ermöglichen, der alle Macht besitzt und von dem jede Vollmacht ausgeht.
Andererseits aber eine perfekte Übereinstimmung mit jener in vielen Gemeinden des Novus Ordo praktizierten liturgischen „Nähe“ zu „unserem Bruder und Herrn“ Jesus, dessen Gesicht viele nur noch im Gesicht eines selbst ausgedachten „Nächsten“ (oder Fernsten, je nachdem) erkennen können, als dessen einziges Defizit das betrachtet wird, was am leichtesten zu beheben scheint: Ein Mangel an materiellen Gütern. Was nicht von dieser Welt ist, scheint nicht mehr zu zählen.
Angesichts der bestürzenden Tatsache, daß dieses postkatholische Christusverständnis jetzt in der Spitze der verfassten Kirche angekommen zu sein scheint, erübrigt sich die Frage, ob derlei eher die Ursache oder die Folge des liturgischen Verfalls der letzten Jahrzehnte ist. Nur Widerspruch und Widerstand auf allen erreichbaren Ebenen bietet eine Chance auf Besserung.
Abschied von den Kirchen
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- 09. Januar 2017
Die Zukunft der Kirchen liegt wahrscheinlich allein in der Wiederherstellung des Kultus. Das klingt reaktionär, ist es auch. Andernfalls bleibt ihnen die „Öffnung zur Welt“. Aber was sie für Teilnahme am sozialen Prozeß halten — das eben ist ihre Liquidation.
Mit diesen bemerkenswerten Sätzen endet ein Artikel, den der Publizist Rüdiger Altmann im Jahr 1970 – also fünf Jahre nach dem Ende des 2. Vatikanums – im Spiegel veröffentlichte und den Tradition und Glauben zu Beginn dieses Jahres neu entdeckt und wiederveröffentlicht hat. Die Lektüre lohnt sich, weil Altmann nicht nur sehr präzise vorausgesehen hat, wie sich die katholische Kirche und die protestantischen Gemeinschaften in den seither vergangenen fast 50 Jahren entwickeln sollten, sondern auch Gründe und Motive dieser Entwicklung benennt, die wir heute manchmal nur mit Mühe erkennen können.
Noch ein Wort zum Verfasser: Nach einem Studium der Politk bei dem gemeinhin als ‚rechts’ eingestuften Politologen Carl Schmitt war Altmann Anfang der 50er Jahre Assistent des gemeinhin als ‚links’ (Frankfurter Schule) geltenden Marburger Politologen Wolfgang Abendroth. Später war er langjährig Geschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelstag, Redenschreiber von Bundeskanzler Erhard und Leiter einer Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er gehört in eine Zeit, als es sowohl ‚rechte’ als auch ‚linke’ Intellektuelle gab – die sogar miteinander sprachen – und bevor ‚linke’ Intellektuelle in der bundesdeutschen Gesellschaft eine solche Übermacht erlangten, daß sie zunächst die ‚rechten’ aus den Diskursen ausgrenzten und anschließend als ‚Progressisten’ den bemitleidenswerten geistigen Verfall erlebten, dessen letzte Stadien wir gegenwärtig gerade beobachten.
Der verwüstete Weinberg
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- 23. Dezember 2016
Der nun zu Ende gehende Advent ist die Zeit, in der die Kirche in den Lesungen der Liturgie immer wieder die Prophetien des Jesaja von der Ankunft des Messias vorträgt. Bei Jesaja finden sich weitere erinnernswerte Prophezeiungen – insbesondere die vom verwüsteten Weinberg, in dem der Prophet seinem Volk die Folgen der störrischen Abwendung vom Heilsplan Gottes vor Augen stellt.
Es wäre unklug, diese Prophezeiung als mit der Verwüstung Israel durch die Babylonier 150 Jahre nach Jesajas abgetan zu betrachten. Sie gilt ebenso wie die messianischen Prophezeiungen über die Zeit hinaus, und nicht nur für das von Gott immer wieder gezüchtigte Volk Israel, sondern ebenso für die in dessen Fortsetzung eingetretene Kirche – auch sie wird an ihren Früchten gemessen. Vieles spricht dafür, daß sie darüberhinaus auch Völkern insgesamt gilt, die sich grundsätzlich, bewußt und gewollt von Gott abwenden. Über sie verhängt Gott die schlimmste aller Strafen: Er überläßt sie sich selbst und ihrem Eigenwillen. In Jesaja 5 (nach der Übersetzung Alliolis) ist zu lesen:
Einen Weinberg hatte mein Geliebter auf einem fetten Hügel, Er umzäunte ihn, suchte die Steine heraus, bepflanzte ihn mit edlen Reben, baute einen Turm in seiner Mitte, machte eine Kelter darin und wartete, daß er Trauben brächte – aber er brachte nur Fuchsreben. Und nun, Ihr Einwohner Jerusalems, ihr Männer Judas, urteilt zwischen mir und meinem Weinberg. Was hätte ich meinem Weinberg noch tun sollen, das ich ihm nicht getan? Ich wartete, daß er Trauben brächte – warum brachte er Fuchsreben?
Und nun will ich euch anzeigen, was ich meinem Weinberg tun will. Wegnehmen will ich seinen Zaun, daß er geplündert, niederreißen seine Mauer, daß er zertreten werde. Ich will ihn in eine Wüste verwandeln, er soll nicht beschnitten, nicht beackert werden. Disteln und Dornen sollen darin aufwachsen, und den Wolken will ich gebieten, daß sie keinen Regen darauf herabgießen.
Der Weinberg des Herrn der Heerscharen aber ist das Haus Israel, und die Männer Judas die Pflanzung seiner Freude.Ich hoffte, daß sie Recht täten – und siehe, da war Unrecht. Daß sie Gerechtigkeit übten – und siehe, da war Geschrei. (…) Dieses kam zu meinen Ohren, spricht der Herr der Heerscharen. Wahrlich, die vielen Häuser sollen wüst werden, die großen und schönen ohne Bewohner sein....Darum wird mein Volk gefangen abgeführt, weil es keine Einsicht hat; seine Vornehme werden vor Hunger vergehen und das gemeine Volk vor Durst verschmachten. Darum wird die Hölle ihren Schlund auftun ohne Maß, daß hinabfahren die Starken und die Niedrigen, seine Stolzen und Herrlichen. Da wird der Niedrige gebeugt und der Vornehme gedemütigt, und die erhobenen Augen werden sich senken. Erhaben aber wird der Herr der Heerscharen sein im Gericht, und der Heilige Gott heilig genannt werden in der Gerechtigkeit.(...) Wehe euch, die Ihr Gutes bös und das Böse gut nennt, die Finsternis zu Licht und das Licht zu Finsternis macht, das Bittere in Süßes und das Süße in bitter verwandelt.“
Der ganze Absatz enthält noch vieles, das hier und heute zu bedenken wäre. Die Ankunft des von Jesajas versprochenen Messias hat uns die Wege geöffnet und die Gnaden bereitgestellt, die vom Herrn des Weinbergs erwarteten Früchte zu bringen. Nichts berechtigt zu der leichtsinnigen Erwartung, daß er auch das Gericht aufgehoben habe über die, die sich seinem Anruf verschließen und die Gabe ausschlagen. Er überläßt sie sich selbst. Nicht erst am Ende der zeit, schon jetzt. Und eben deshalb ist der weitgehend verkitschte und kommerzialisierte Advent tatsächlich eine Zeit von Umkehr und Buße.
Der verwüstete Weinberg ist der Titel eines 1973 erschienen Buches von Dietrich von Hildebrand über die Folgen des Konzils und der Liturgiereform.
Vorweihnachtliche Erdbeben
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- 23. Dezember 2016
Wenn wir Geschwister als Vorschulkinder - das war lange vor dem Konzil - vor Weihnachten besonders unleidlich wurden, ermahnte uns unsere Mutter: Gerade in diesen Tagen setze der Teufel alles daran, unsere kleinen Seelen zu beschmutzen, damit wir den neugeborenen Heiland nicht von ganzem Herzen begrüßen könnten.
Wahrscheinlich hatte er es auch damals schon genauso und noch viel mehr auf die Seelen von pflichtvergessenen Prälaten und abtrünnigen Theologen abgesehen, nur daß wir in den 50er Jahren nichts davon erfuhren. Internet gab es noch lange nicht, die Tageszeitungen hielten sich bei derlei Themen eher zurück, und die Bistumszeitung hätte eher ihr Erscheinen eingestellt, als irrlehrenden Schlaumeiern ein Podium zu bieten. Obwohl der eine oder andere von einem progressiven Professor ausgebildete Redakteur vermutlich schon damals nur mit Mühe sein Latinum, aber mit Bravour sein Häretikum bestanden hätte.
Heute lesen wir die Irrlehre im Sonntagsblatt der Wiener Dompfarre, deren ungetreuer Hirte Faber sich von jeder Modekrankheit infizieren läßt und dessen Oberhirte Schönborn vor lauter linientreuer Barmherzigkeit schon ganz wirr im Kopf ist.
In besagtem Blatt schreibt also die staatlich und kirchlich wohlbestallte Lehrerin der Gottesgelehrtheit Regina Polak folgendes:
Bitte erschrecken Sie jetzt nicht: Die Vorstellung von der ,Menschwerdung' Gottes ist eine Häresie – ein anderer als der biblisch bezeugte Glaube. Weder im Alten noch im Neuen Testament ist davon die Rede, dass Gott Mensch geworden ist.“ Weiter meint die Gelehrte sodann, die Vorstellung, daß der allmächtige Gott zu Weihnachten in Form eines Kindes zur Welt gekommen sei, komme aus einer „heidnisch-hellenistischen Vorstellung“ von Theophanien, die aber „nicht der Erfahrung der biblischen Autoren“ entspreche. Weihnachten gebe nun aber die Chance, endlich und nach zweitausend Jahren diesen „heidnischen Glauben zu ,entlernen'“.
Das Pfarrblatt der Wiener Apostatenpfarrei - ohne Inkarnation gibt es kein Christentum - mit dem skandalösen Weihnachtsartikel kann man derzeit hier downloaden.
Auf die Sache einzugehen, lohnt sich nicht - zum dreizehnten Mal aufgewärmte „Entmythologisierung“ wird immer noch nicht frisch. Was die Mühe lohnt, ist die Skandalisierung der Tatsache, daß Gestalten wie Faber immer noch und immer wieder trotz ihrer lächerlichen antikatholischen Aktivitäten als Pfarrer amtieren können und daß dafür verantwortliche Oberhirten wie Schönborn die Verbreitung von vielerlei Irrlehren und Falschpraxen dulden - wo sie das nicht gleich wie bei der Vorstellung von Amoris Laetitia selbst übernehmen.
Die Häresie des gottlosen Modernismus, von den Päpsten des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Kräften, aber letztlich erfolglos bekämpft, greift nach der ganzen Macht. Wenn der Papst sich nicht noch in letzter Minute seiner Pflichten erinnert und der Unklarheit, der Verwirrung und dem Chaos Einhalt gebietet, muß das mühsam verdeckte Schisma offen ausbrechen.
Wie soll es weitergehen?
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- 25. November 2016
Keine Woche mehr, ohne daß im Zentralorgan der Reformkirche Civilta Cattolica weitere Steine aus der Ruine dessen gebrochen werden, was einst das Gebäude der kirchlichen Lehre war. Und Franziskus immer vorne weg: „¡Hagan lío!“ Diese Woche in der Civilta also ein Lob der kasuistischen Moral, die kein absolutes gut oder böse mehr kennt, sondern nur noch barmherzig zu würdigende Einzelfälle. Alles andere ist starr und überholt und macht Franziskus Angst, und da Angst ja nicht nur bei Kirchens höchstes Erkenntniskriterium ist (solange es die richtige Angst vor den amtlich zugelassenen Angsmachern ist), hebeln wir damit mal jedes bisher für sicher gehaltene Wissen lässig aus den Angeln. Cool!
Oder wir betrachten das Gerede der Abbruchunternehmer als irrelevant, zumindest für die eigene Lebensführung und für das eigene Gewissen. Für alle, die sich zur Erhaltung ihres Seelenfriedens zu diesem Vorgehen entschieden haben, hat Fr. Hunwicke im Anschluß an Gedanken des Sel. Henry Newman über einen möglichen „suspense of the Magisterium“ interessante Überlegungen zum Thema entwickelt: Es kann vorkommen und ist in der Geschichte vorgekommen, daß Päpste aus Unkenntnis oder Charakterschwäche das Lehramt zeitweise nicht ausgeübt haben. Sie haben es nicht verspielt – wer sollte das beurteilen – sie haben es auch nicht verkehrt – wie sollte das möglich sein? – sie reden einfach nur vor sich hin so wie manchmal unsereins auch.
Und wir hören einfach nicht länger hin.
Was leichter gesagt, als getan ist, vor allem wenn man als Bischof – also als Mitglied jener hervorgehobenen Gruppe, die in der Nachfolge der Apostel steht – Verantwortung nicht nur für sich und die Seinen, sondern die ganze Kirche trägt. Das hat Weihbischof Athanasius Schneider von der Erzdiözese Unserer Lieben Frau in Astana dazu bewogen, eine ausführliche Rechtfertigung und Begründung für die Dubia der vier Kardinäle zu veröffentlichen. Sie wird eines Tages zu den großen Zeugnissen dieser Zeit der Wirrungen gezählt werden.