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Von Tradition und Traditionen

Der österreichische Theologe Michael Gurtner hat unter dem Titel „Das Geschichtsargument in der theologischen Debatte“ einen Artikel veröffentlicht, in dessen Mittelpunkt die Frage nach der unaufgebbaren göttlichen Tradition der Kirche und den vielerlei menschlichen „Traditionen steht, die im Lauf der Geschichte entstanden und auch wieder vergangen sind.“ Wir haben einen der inhaltlichen Schwerpunkte seiner Überlegungen für die Wiedergabe auf Summorum-Ponbtificum ausgewählt. Den vollständigen Beitrag finden Sie auf kath.net.

Es beginnt ein langes ZitatDie Tradition der Kirche ist als Offenbarung Gottes, die sich in historischen Fakten konkretisiert und unverrückbar sind, während die Traditionen ebenso historische Fakten sind, die aber nicht selbst Offenbarung sind, sondern sich auf Grund des geoffenbarten Glaubens herausgeformt haben, und deshalb nicht denselben Grad an Verbindlichkeit aufweisen. Daran sehen wir bereits ein erstes Mal, daß das historische Faktum als solches nicht ausreichendes Motiv sein kann, weshalb etwas so und nicht anders sein muß (oder nicht sein darf), sondern daß es einer genaueren Differenzierung bedarf.

Das bedeutet aber nicht, daß sie frei und nach Belieben änderbar wären. Denn auch Traditionen können eine innere Notwendigkeit aufweisen, die sich auf Grund ihres Zusammenhanges mit den Glaubenswahrheiten ergibt. Das zu ergründen ist eine der Aufgaben der Theologie. Nicht alles was den frommen Traditionen zuzurechnen ist, ist rein zeitbedingt, und nicht alles was zeitbedingt ist steht auch der Änderung frei zur Verfügung. Wo Änderungen vollzogen werden, auch wenn es sich um Kleinigkeiten handelt, so müssen sie stets durch ein deutlich höheres Gut, welches man durch die Änderung erlangt, gerechtfertigt sein.

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Keine Angst vor der Pracht!

Seit dem 3. Quartal des vergangenen Jahres erscheint die traditionsreiche Una Voce Korrespondenz unter neuer Schriftleitung. Anna María Pilar Koch hat es übernommen, das in den vergangenen Jahren etwas ins Schlingern geratene traditionsreiche Organ der katholischen Tradition wieder flott zu machen. Mit ansehnlichen Ergebnissen, wie die Ausgaben 2013-3 und insbesondere 2013-4 demonstrieren. Dort steht aus Anlaß des bevorstehenden 100. Geburtstages von Albert Tinz (1914 - 1987) als Schwerpunktthema die Musica Sacra im Mittelpunkt - mit sechs Beiträgen unter anderem von Albert Richenhagen, Martin Mosebach und Michael Tunger. Höhepunkt der Ausgabe 2013 ist jedoch ganz eindeutig ein Aufsatz des Kunsthistorikers Prof. Peter Stephan, der unter dem Titel: Keine Angst vor der Pracht! - Sinn und Schönheit des liturgischen Ornats den Band einleitet.

Wir übernehmen hier mit freundlicher Genehmigung des Verfassers die einleitenden Abschnitte dieses Aufsatzes, gekürzt um Zwischenüberschriften und Anmerkungen. Die aktuelle Ausgabe der Korrespondenz mit dem kompletten Text und den anderen lesenswerten Beiträgen kann man bestellen auf der Website von Una Voce Deutschland e.V.

Es beginnt ein langes ZitatWer in die bei Stuttgart gelegene Stadt Ludwigsburg kommt, sollte nicht nur die berühmten Gartenanlagen, sondern auch den Thronsaal des Schlosses besuchen. Das königliche Sitzkissen und vermutlich auch der prächtige Baldachin sind aus Messgewändern und Antependien gefertigt, die 1803, nach der Säkularisierung der Klöster und Reichsabteien, in den Besitz der württembergischen Krone gelangt waren.

Diese ziemlich drastische Umwidmung der Paramente war vor allem ein politisches Zeichen. Sie sollte die neuen territorialen Machtverhältnisse dokumentieren, aber auch den totalen Herrschaftsanspruch des aufgeklärten Absolutismus zum Ausdruck bringen. Eine Liturgie, die in ihrem Glanz die höfische Repräsentation des Königs in den Schatten stellte und in ihrer Symbolik den Absolutheitsanspruch weltlicher Herrschaft hinterfragte, war unerwünscht. So wurden die Paramente kurzerhand zu Accessoires umgedeutet, deren alleiniger Zweck darin bestanden habe, prunksüchtigen Prälaten zur Selbstdarstellung zu dienen. Sie einer anderen Bestimmung zuzuführen, erschien daher völlig legitim.

Begründen ließ sich die Abwertung der Paramente scheinbar mit der Abendmahltheologie Martin Luthers, der schon 1520 zu dem Schluss gelangt war: „Die Messe ist umso christlicher, je näher und ähnlicher sie der allerersten Messe ist, die Christus beim letzten Mahle gehalten hat. Aber Christi Messe war so einfach wie möglich, ohne jeden Prunk mit Gewändern, Gebärden, Gesängen und anderer zeremonieller Pracht." Daher sei es, so Luther weiter, wichtig, „daß niemand, durch den Glanz der Zeremonien betrogen und den vielfältigen Prunk verwirrt, (...) das schlichte Wesen der Messe verliert und an den vielen äußerlichen Zutaten des Gepränges hängt." Denn in der Urkirche sei die Messe in erster Linie ein Liebesmahl gewesen, bei dem die „Kollekten nach dem Beispiel der Apostel (Apg 4, 34f) an alle Bedürftigen verteilt werden sollten“.

Dass die von Luther geforderte Schlichtheit der Messe dem Anspruch protestantischer Landesväter nach alleiniger Prachtentfaltung entgegen kam, versteht sich von selbst. Erstaunlich ist jedoch, dass diese Denkungsart mittlerweile auch in der katholischen Kirche Einzug gehalten hat. Luthers Worte hätten auch aus dem Munde Annibale Bugninis, des Erfinders der Liturgiereform von 1969, stammen können. Und unter Papst Franziskus haben sie erneut an Bedeutung gewonnen.

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Salvete flores martyrum

Zum Fest der unschuldigen Kinder und zur Erinnerung an die Ungeborenen.

Transfigit ergo carnifex
Mucrone districto furens
Effusa nuper Corpora,
Animasque rimatur novas.

Locum minutis artubus
Vix interemptor invenit
Quo plaga descendat patens,
Iuguloque maior pugio est.

O barbarum spectaculum!
Inlisa cervix cautibus
Spargit Cerebrum lacteum,
Oculosque per vulnus vomit ;

Aut in profundum palpitans
Mersatur infans gurgitem,
Cui subter artis faucibus
Singultat unda et halitus.

Salvete, flores martyrum,
Quos lucis ipso in limine
Christi insecutor sustulit,
Centurbo nascentes rosas.

Vos, prima Christi victima,
Grex inmolatorum tener,
Aram ante ipsam simplices
Palma et coronis luditis.

*

Da durchbohrten die Schlächter
tobend mit blanken Schwertern
die gerade erst geborenen Leiber
und schnitten das junge Leben ab.

Kaum fanden die Mörder
an den kleinen Körpern den Ort,
wo sie zustoßen sollten,
da doch der Dolch größer als die Kehle ist.

Was für ein barbarischer Anblick:
ein Schädel, zerschmettert an Felsen,
verspritzt das milchweiße Hirn,
und speit die Augen aus wunden Höhlen.

Oder dort, ein zitterndes Kind,
geschleudert in einen tiefen Strudel,
dem in der zarten Kehle,
Wasser und Atem sich röchelnd vermischen.

Seid gegrüßt ihr Märtyrerblüten,
ihr, die euch an der Schwelle zum Leben
der Verfolger Christi niederstreckte
wie der Wirbelsturm die knospenden Rosen.

Ihr zarte Herde der ersten,
die für Christus zu Opfern wurden -
vor seinem allerhöchsten Thron spielt ihr nun
in kindlicher Einfalt mit Palme und Kronen.

Der große Epiphaniehymnus „QuicumqueChristum quæritis“ des Aurelius Prudentius aus dem späten 4. Jahrhundert gehört zu den frühesten außerbiblischen Erwähnungen des Kindermordes zu Bethlehem. Einzelne Strophen aus dieser langen Dichtung haben bis zum heutigen Tag ihren Platz im Breviergebet der lateinischen Kirche bewahrt - freilich nicht die überaus drastischen hier zitierten. Den vollständigen Text in 52 Strophen finden Sie im Hymnarium.

Vorweihnachtszeit der Ostkirchen

Der Advent und die Adventssonntage gehören so fest zu unserem Bild von Weihnachten, daß wir es uns kaum vorstellen können, daß es in der Kirche auch Traditionen gibt, die dieses Bild nicht teilen, ja kaum kennen. Genau das ist der Fall in der liturgischen Tradition der Ostkirchen – auch bei denen, die in Einheit mit dem Papst stehen.

In der östlichen Traditon geht dem Weihnachtsfest – wie Ostern – eine 40-tägige Fastenzeit voraus, die, soweit der gregorianische Kalender verwandt wird, am 15. November mit einer milderen Phase beginnt und am 11. Dezember in einer Weise streng wird, die im Westen seit Jahrhunderten unbekannt ist. In der Liturgie gibt es in dieser Zeit weder nach den Texten noch in der liturgischen Farbe ausgeprägte Besonderheiten – erst die beiden letzten Sonntage beziehen sich explizit auf Weihnachten, indem sie an die Vorfahren Christi dem Fleisch nach erinnern.

Eine Vorweihnachtszeit im engeren Sinne beginnt dann erst am 20. Dezember, wenn auch die Texte der Vesper und die Troparien eine weihnachtliche Färbung annehmen. Noch stärker als im Westen werden dabei alttestamentliche Texte insbesondere des Propheten Habakuk verwandt, die im Geiste der Ankunft des Erlösers gelesen werden. Gleichzeitig kommemoriert die Liturgie an den 4 Tagen dieser Vorweihnachtszeit vier auf grausame Weise zu Tode gebrachte Märtyrer, um den Gläubigen den Abgrund der Sünde vor Augen zu führen, aus dem sie zu erlösen Christus in die Welt kommt. zu werden.

Eine ausführlichere Darstellung der östlichen Gedankenwelt für die Vorweihnachtszeit bietet The New Liturgical Movement; Verfasser ist der Liturgiehistoriker Kyle Washut, der der Ukrainisch-Byzantinischen katholischen Kirche angehört.

Zum 4. Adventssonntag

Adventskranz mit vier brennenden KerzenVeni, veni o oriens!
Solare nos adveniens,
Noctis depelle nebulas,
Dirasque noctis tenebras.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.

O komm, o komm Du aufgehende Sonne,
komm uns entgegen als Leuchte,
zerstreu die nächtlichen Nebel
und die finsteren Schatten der Nacht.
Freue dich, Freue dich, Israel,
der Erlöser wird dir geboren.

- Aus dem Veni, veni, Emmanuel; die zweite Strophe.

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  • Stationskirchen

    Die römischen Stationskirchen

    Kupferstich von Giusepppe Lauro aus dem Jahr 1599

    In der Fastenzeit 2013 haben wir zu jedem Tag die entsprechende Stationskirche kurz vorgestellt. Damit sind zwar alle gegenwärtigen Stationskirchen erfasst, aber nicht alle Tage mit einer Statio, von denen es auch etliche außerhalb der Fastenzeit gibt.

    Bei der Vorstellung der Stationskirchen orientierten wir uns im wesentlichen an „Die Stationskirchen des Missale Romanum“ von Johann Peter Kirch, Freiburg 1926. Zu Ergänzungen haben wir Hartmann Grisar „Das Missale im Licht römischer Stadtgeschichte“, Freiburg 1925, und Anton de Waals „Roma Sacra - Die ewige Stadt“ von 1905 in der Überarbeitung Johann Peter Kirchs von 1925 (Regensburg 1933) herangezogen. Daneben haben wir auch auf Informationen aus Internetquellen zurückgegriffen. Die Illustrationen stammen, soweit nicht anders angegeben, von eigenen Aufnahmen.

    Wie der gegenwertige Nachfolger de Waals und Kirchs als Direktor des römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, Prof. Msgr. Stefan Heid, uns mitteilte ist diese älter Literatur insbesondere in Sachen der Datierungen vielfach überholt. Nach seinen Untersuchungen geht die Institution der Stationes nicht wesentlich vor die Zeit Gregors d. Großen zurück. Was natürlich nicht bedeutet, daß die Stationskirchen bzw. deren Vorgängerbauten nicht wesentlich älter sein können.

Zusätzliche Informationen