Der Ton wird schärfer
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- 08. November 2017
Daß die Kirche im Pontifikat Bergoglio in eine der schwersten Krisen ihrer bisherigen Geschichte gesteuert wurde, ist kaum bestreitbar. Gerade deshalb ist es verdienstvoll, daß der Vaticanist Andrea Gagliarducci in seinem neuesten Beitrag auf Monday Vatican den Blick darauf lenkt, daß auch die anderen Päpste der Nachkonzilszeit Gegenstand heftiger und und zum Teil wütender Kritik von innerhalb und außerhalb der Kirche ausgesetzt waren. Obwohl es dabei zum Teil um die gleichen Gegenstände ging – Ehescheidung, Zölibat, und Frauenordination stehen seit Jahrzehnten an der Spitze der Themenliste – hat die Diskussion in der Vergangenheit Kirche und Papstamt nie in der Weise erschüttert und in Frage gestellt, wie das heute zu beobachten ist. Gagliarducci beschreibt das so:
Alles, was derzeit in der Kirche geschieht, führt zur Herausbildung zweier Lager: Die Unterstützer und die Kritiker des Papstes. Auf beiden Seiten ist der Ton der Debatte immer schärfer geworden – das Ergebnis ist ein Kalter Krieg. Im Krieg ist es fast immer so, daß eine Seite den Kürzeren zieht und sich dann über die Niederlage beklagt. Was niemals während des Krieges geschieht, ist ein klarer Blick auf die Vergangenheit. Doch genau das wäre hilfreich, um die Probleme zu relativieren.
Aktuell ist viel von beispiellosen Angriffen gegen Papst Franziskus die Rede. Dieses Narrativ stellt fest, daß die Kritiker Franziskus‘ jede Einzelheit des päpstlichen Handelns nutzen, um sein Verhalten, seine Worte und seine Lehren zu kritisieren. In Wahrheit ist Kritik an Päpsten jedoch nichts neues. Sie findet, seitdem sie von Massenmedien mitgetragen wird, mehr Öffentlichkeit. Aber auch die Einmischung der Medien ist nicht neu – sie hat heute nur größere Reichweite.“
Dieser Einführung schließt Gagliarducci einen bemerkenswerten historischen Rückblick an. Er beginnt mit Papst Paul VI., der nicht nur wegen Humanae Vitae auf starken Widerstand gestoßen war. Er mußte auch heftigste Kritik sogar aus den Reihen deer Kardinäle dafür ertragen, weil er die Hoffnungen der Progressisten, die seine Wahl begeistert begrüßt hatten, enttäuschte, und nicht über das Konzil hinaus weiter voran stürmte, sondern – wie sie ihm vorwarfen – eine rückwärtsgewandte Politik verfolgte und das Konzil „verrate“.
Diese Kritik wurde nicht nur hinter vorgehaltener Hand geflüstert, sondern von hochrangigen Theologen und Kurialen auf dem Podium öffentlicher Veranstaltungen vorgetragen, und in Leitartikeln und in Büchern veröffentlicht. Gagliarducci fasst zusammen: Alles in allem – wie sah das Kirchenmodell aus, das den Kritikern Pauls VI. vorschwebte? Es war die Vorstellung einer säkularisierten Kirche im Dialog mit der Welt der Gegenwart, bei dem sie sich deren säkularer Sprache bediente. Diese Vorstellung von Kirche bildete auch die Grundlage der zahlreichen Kritiken, die gegen Papst Johannes Paul II. während seines Pontifikats vorgetragen wurden. Der jüngste Brief von 62 Theologen und Wissenschaftlern, der Franziskus‘ Positionen in Amoris Laetitae kritiaiert, ist keine Ausnahmeerscheinung. Der hl. Johannes Paul hatte wesentlich stärkere Angriffe auszuhalten.“
In diesem Zusammenhang erinnert Galliarducci an die „Kölner Erklärung“ der deutschen Theologen von 1989, die die Theologen zahlreicher Länder zu ähnlichen Erklärungen und „offenen Briefen“ nach Rom anregte. Die damalige Kritik habe, so Galliarducci, viele Punkte herausgestellt, die auch heute noch die Debatte bestimmen:
Sie beschreibt das zweite Vatikanische Konzil als eine „radikale und unumkehrbare“ Wende im „Verständnis des kirchlichen Glaubens“. Sie sagt, daß dem Depositum des Glaubens „kein absoluter Wert“ zukomme, sondern seinen Rang durch die „pastorale Verknüpfung“ erhalte, die es ermögliche „die Wahrheit im Rahmen der historischen Existenz von Gemeinschaft im Glauben zu interpretieren“. Die Briefe beschreiben den Heiligen Stuhl als unter dem Einfluß einer „privilegierten Mentalität“ stehend, die dem „Gedanken einer Kirche als einer Gemeinschaft von Kirchen“ weichen müsse. Auch eine Neubewertung der Funktion des Lehramtes wird verlangt.
Leicht zu sehen, daß Franziskus sich viele dieser Überlegungen zu eigen gemacht hat – und daß heute die Papstkritiker von damals auf der „herrschenden Seite“ stehen, wie Galliarducci an einigen besonders auffälligen Beispielen nachzeichnet.
Die wütenden Kritikkampagnen gegen Papst Benedikt sind vielen von uns noch so gut in Erinnerung, daß sie hier nicht eigens aufgezählt werden müssen. Auch Galiarducci beschränkt sich auf eine Auswahl. Dies reicht jedoch völlig aus, um seine abschließenden Überlegungen zu untermauern: Heftige Kritik am Papst ist seit dem Ende des Konzils keine Seltenheit, sondern eher der Normalzustand für eine breite Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb der Kirche. Es besteht kein Anlass, sie jetzt als übergriffig und gar als Versuch zur Deligitimierung des Papstes zu bezeichnen, zumal diese Empfindsamkeit exakt von Vertretern der Seite zur Schau getragen wird, die sich in vergangenen Jahrzehnten mit Dauerkritik an den regierenden Päpsten hervorgetan haben. Die damit verbundene Tendenz, jede Kritik quasi als „Hochverrat“ zu ächten und immer öfter auch durch Verlust von Ämtern und Stellungen zu sanktionieren, hat überdies nach Cagliarducci eine fatale Nebenwirkung: Sie läßt den Graben noch tiefer und den Bruch mit der kirchlichen Tradition noch gewaltsamer erscheinen, als von der Sache her vielleicht unvermeidlich. Und das führt zu der Frage, ob genau das der Absicht des Papstes entspricht, der bereits mehrfach erklärt hat, seine Modernisierungen „unumkehrbar“ machen zu wollen.
Damit könnte er Recht behalten: Eine einmal eingetretene Spaltung, das haben wir in diesem Jahr gelernt, läßt sich auch in 500 Jahren nicht umkehren.
An Grenzen der Papstmacht
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- 30. Oktober 2017
Die in Rom versammelten Teilnehmer der Tagung „50 Jahre Enzyklika Humanae Vitae – ihre Bedeutung gestern und heute“ haben am Sonntag die Gründung der Akademie Johannes Paul II für das Leben bekannt gegeben. Gründungsmitglieder sind unter anderem mehrere Persönlichkeiten, die von Johannes Paul II als „Mitglieder auf Lebenszeit“ in die von ihm gegründete Päpstliche Akademie für das Leben berufen worden waren, diese Position jedoch mit der Entlassung sämtlicher Mitglieder durch Franziskus zum Ende des vergangenen Jahres verloren hatten. Inzwischen hat der Papst eine neue Akademie mit neuen Mitgliedern und einer deutlich veränderten Schwerpunktsetzung gegründet: gegründet. Ziele der neugeschaffenen und bewährten Gefolgsleuten des Papstes anvertrauten Einrichtung sind jetzt auch die „Geschlechter- und Generationenforschung sowie individuelle Schutzrechte, eine „Humanökologie“ und das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt.“ (Quelle). Erster Vorsitzender der Neugründung wird der österreichische Philosoph Joseph Seifert, der von Papst Paul II. bereits auf Lebenszeit zum Mitglied der Vorgängerakademie berufen worden war.
Der Vorgang hat weit über den Bereich des Lebensschutzes hinaus Bedeutung für die gesamte Kirche. Zunächst signalisiert er einen empfindlichen Machtverlust des Papstes. Mit erheblichem Kraftaufwand hatten die Bergoglianer versucht, eine ihnen wegen ihrer Grundsatztreue unbequeme Einrichtung zu beseitigen. Das ist ihnen nicht gelungen. Statt sich den im Namen des Papstes ergangenen Verfügungen zu beugen, haben Exponenten des ursprünglichen Auftrags von Papst Johannes Paul II. nun eine Plattform gegründet, von der aus sie ihre ursprüngliche Arbeit mit hohem Anspruch fortsetzen können.
Damit ist die alte Akademie de facto gespalten – und das bezeichnet den zweiten bedeutsamen Aspekt. Zum ersten Mal seit langem, vielleicht seit vielen Jahrhunderten und seit den Wirren der lutherschen „Reformation“, deren Jahrestag morgen begangen wird, ist eine vom Papst errichtete katholische Institution formal gespalten in eine Nachfolgeeinrichtung, die dem kirchenrevolutionären Zeitgeist folgt, und eine andere, die ihrem ursprünglichen katholischen Auftrag treu bleibt. Nur daß diesmal der revolutionäre Impuls von der Seite des päpstlichen Hofes ausgeht.
Widerpart und Verkörperung des beharrenden sensus fidelium sind in der neugegründeten Akademie nicht Angehörige der Kurie oder des Kardinalats, sondern Laien. Soweit bisher bekannt, wird der Vorstand der neuen Akademie – neben Prof. Seifert werden Prof. Robert de Mattei, Prof. Claudio Pierantoni, Judie Brown (Vorsitzende der American Life League), Thomas Ward (Gründer der Vereinigung katholischer Familie in Großbritannien), Mercedes Wilson (Vorsitzende von Family of the Americas) und Christine Vollmer (Vorsitzende der American Alliance für the Family) genannt – ausschließlich aus Laien bestehen. Sie sind für ihren Lebensunterhalt in keiner Weise von der Kurie abhängig und stehen auch in keinem besonderen Gehorsamsverhältnis zum Papst, sondern sehen sich alleine der überlieferten und unveränderlichen Lehre der Kirche verantwortlich. Sie verfügen über einflußreiche Positionen in nationalen und internationalen Organisationen des Lebensschutzes und haben somit die besten Voraussetzungen, in Zukunft als die Stimme der katholischen Position zur Heiligkeit des Lebens wahrgenommen zu werden. Darüber hinaus bieten sie ein Vorbild dafür, wie auf weiteren Gebieten Laien als zur Verteidigung der überlieferten Lehre kraftvoll agieren können, wo diese Lehre von den der Diktatur des Relativismus unterworfenen Institutionen in Frage gestellt wird.
Die führende Rolle von Laien in dieser und vielleicht weiteren künftigen Bewegungen dieser Art bedeutet keinesfalls eine antiklerikale Frontstellung. Sie ist Ausdruck einer pragmatischen Klugheit, die darauf verzichtet, Würdenträger in den Vordergrund zu stellen, die von den immer despotischer agierenden Bergoglianer unter Druck gesetzt werden können. In der Sache wird die wiedergegründete Akademie wo immer das möglich und notwendig, ist auf die Unterstützung, die Sachkenntnis und auch auf die geistliche Anleitung von glaubenstreuen Bischöfen und Kardinälen bauen können und zweifellos auch gerne darauf zurückgreifen.
Torschlusspanik in Rom
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- 28. Oktober 2017
Fast möchte man glauben, daß in Rom die Torschlusspanik ausgebrochen ist – so viele Ansätze zu teilweise tiefgreifenden Änderungen von Lehre und Disziplin der Kirche wurden in den vergangenen Wochen zumindest als Versuchsballon in die römische Herbstluft gepustet. Ob dahinter ein großer Masterplan steht – wer weiß. Eine systematische Ordnung hinter den verschiedenen Vorstößen ist jedenfalls kaum zu erkennen, deshalb soll hier auch gar nicht erst versucht werden, eine solche Ordnung zu erfinden.
Die Liturgie steht zwar keinesfalls im Mittelpunkt des revolutionären Elans von Bergoglio – andere bieten sich an, diese Leerstelle auszufüllen. Es ist ja nicht nur die gerade aktuell ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückte und hier schon ausführlich behandelte Regionalisierung der Messe durch Principium maximum. Schon seit dem Sommer halten sich in Rom hartnäckig Gerüchte, daß es eine ohne Beteiligung der Gottesdienstkongregation geheim tagende Arbeitsgruppe gibt, die eine „ökumenische Messe“ für das „gemeinsame Abendmahl“ von Katholiken und Protestanten schaffen soll, ohne sich von kleinlichen dogmatischen Problemen aufhalten zu lassen. (Quelle) Als Mitglieder werden unter anderem Kardinal Arthur Roche, Erzbischof Piero Marini, und der Liturgiewissenschaftler Andrea Grillo ("Die Transsubstantion ist keine Dogma") genannt – ein fröhliches Zurück in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und zugleich ein beherzter Vorstoß dahin, „wo noch kein Mensch zuvor hingegangen ist“. Zumindest noch kein Katholik - und wo auch nie einer sein wird.
Und dann ist da die ebenfalls jetzt im Oktober angekündigte Amazonas-Synode. Die soll nach dem Willen des Papstes im Herbst 2019 stattfinden – so Gott will – und wenn es nach Leuten wie Missionsbischof Kräutler geht, würde dort für die unter Priestermangel leidenden Eingeborenen des Regenwaldes (wie viele Katholiken sind das eigentlich?) ein neuer Priestertyp geschaffen: „Erprobte“ Männer, die aus ihren Gemeinden heraus gewählt und von den Bischöfen zum Vollzug der Sakramente an Ort und Stelle zu weihen wären. Der Gedanke enthält Erweiterungspotential in zwei Richtungen: Schließlich gibt es auch erprobte Frauen, nicht wahr, und der Mangel an „konventionellen“ Priestern ist ein weltweites Phänomen - die Sache erscheint wie geeignet, um erst auf dem Wege der „Ausnahmeregelung“ weltweit zugänglich und dann zum neuen De-Facto-Standard gemacht zu werden. In beiden Richtungen.
Ebenfalls jetzt im Oktober das Interview mit dem Altkommunisten und Alt-Atheisten Scalfaro, in dem dieser den Papst dahingehend wiedergab, der Glaube an letztes Gericht und ewige Verdammnis sei nicht länger zu halten. Scalfari sprach davon, die Hölle sei „abgeschafft“ - irgend eine Art von Richtigstellung aus dem Vatikan war bisher nicht zu vernehmen.
Ein Rüffel für den Kardinal
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- 27. Oktober 2017
Mit strengen Worten hat die Theologieprofessorin Dorothea Sattler den Kölner Kardinal Woelki getadelt, weil der sich zurückhaltend zum aktuellen Stand und den Zukunftsaussichten der Ökumene geäußert habe, ohne dabei die bahnbrechenden Erkenntnisse des münsteraner Lehramtes genügend zu berücksichtigen. Katholisch.de, wo die Dame als Expertin stets gerne gesehen ist, reicht den Rüffel eilfertig weiter und gibt eine Kostprobe der sublimen akademischen Theologie, wie wir sie aus Münster kennen und schätzen:
Sattlers Kritik an Woelkis Verständnis von der Sakramentalität der Kirche bezieht sich offenbar unter anderem auf dessen Aussage, dass es keine gemeinsame Feier des Abendmahls geben könne, solange die Protestanten die "Christusgemeinschaft des je einzelnen Gläubigen von der Bekenntnisgemeinschaft mit Papst und Bischof" trennten. Sattler hingegen verweist in ihrem Aufsatz darauf, dass "nach ökumenischer Lesart gerade die Rede von der eigenartigen Sakramentalität der Kirche " dazu veranlasse, "deutlich zwischen dem Grund der Kirche und ihrer Gestalt zu unterscheiden", als so zwischen Christus und der Kirche in ihrer konkreten Gestalt.
Mit Blick auf den von Kardinal Woelki konstatierten "zunehmenden Dissens in moral- und sozialethischen Fragen" schreibt Sattler, es sei "sehr bedauerlich", das der Kardinal nicht die Ergebnisse einer von der Deutschen Bischofskonferenz und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zu diesem Thema eingesetzten Arbeitsgruppe würdige. Diese sei 2017 zu einem "höchst differenzierten Urteil in einzelnen Sachfragen" gekommen.
Aus diesen Sätzen schaut uns aber nicht nur das ganze Elend der deutschen Universitätstheologie an, sondern das der ganzen deutschkatholischen Kirche, den kritisierten Kardinal eingeschlossen. Hätten deren Oberhirten nicht das Lehramt seit Jahrzehnten an akademische Karrieristen abgetreten und würden sie nicht unentwegt Arbeitsgruppen einsetzen, deren einziger Daseinszweck der Dauerdialog ohne fassbare Ergebnisse ist – dann bliebe uns manches erspart.
Ginge es nur um das Geplänkel zwischen einer Vertreterin des (auftrumpfenden) akademischen und des (weitgehend verstummten) episkopalen Lehramtes, wäre der Auftritt Sattlers nicht der Beachtung wert. Interesse verdient er im Zusammenhang mit dem von Papst Franziskus durch die schallende Ohrfeige für Kardinal Sarah bekräftigten Willen des gegenwärtigen Pontifikats, die Gestaltung der Liturgie einschließlich der nationalsprachlichen Übersetzungen weitestgehend in die Hand der örtlichen Bischofskonferenzen zu geben.
Das bedeutet, daß wir in Zukunft nicht nur verstörende Unterschiede im Äußerlichen haben werden, wie sie heute schon oft genug zwischen benachbarten Pfarreien festzustellen sind. Auch die Differenzen zwischen den nationalen Bischofskonferenz, deren Aufbrechen wir jetzt z.B. am Fall der widerstreitenden Interpretation von Amoris Laetita durch die Bischöfe Polens oder Argentiniens beobachten können, werden sich auf die Liturgie auswirken. Und das nicht nur in Äußerlichkeiten, sondern wie schon beim Verständnis des Sakramentes der Ehe und der Eucharistie auch im innersten Kern. Außerdem werden wir – die Rüge Sattlers für den Kardinal gibt einen Vorgeschmack – erleben, wie es auf der nationalen/sprachgemeinschaftlichen Ebene zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden akademischen Schulen untereinander und mit einzelnen Bischöfen oder Fraktionen in den Bischofskonferenzen kommt.
Und weder auf nationaler noch auf gesamtkirchlicher Ebene wird es eine Autorität geben, die für ein Lehramt sprechen könnte, das sich in der Kapitulation vor dem antiautoritären Zeitgeist selbst aufgegeben hat. Solange dieses Lehramt nicht wiederhergestellt ist, bleibt als einzige verläßliche Autorität die Tradition.
Zeitgeister in Heiligenkreuz
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- 19. Oktober 2017
Das Stift Heiligenkreuz hat sich dieser Tage in starken Worten von der Unterschriftenaktion „Correctio filialis“ distanziert, die auch von einem Wissenschaftler unterzeichnet worden ist, der dort als Gastprofessor tätig ist. In der Erklärung heißt es:
(Wir) distanzieren uns entschieden davon, dass ein an unserer Hochschule zeitweise wirkender Gelehrter die öffentliche Kritik an Papst Franziskus, die sich euphemistisch „Correctio filialis de haeresibus propagatis“ nennt, unterzeichnet hat. Auch wenn der Betreffende nur als Gastprofessor tätig ist und seine Unterschrift einzig und allein in seinem Namen geleistet hat, so können wir es nicht hinnehmen, dass dies einen Schatten auf unsere Hochschule wirft. Wir stellen daher klar, dass die Hochschule Heiligenkreuz dem römischen Lehramt in allem aufs engste verbunden ist und wir es als unsere größte Ehre und erste Pflicht ansehen, dem jeweiligen Petrusnachfolger, das heißt unserem Heiligen Vater Papst Franziskus, die Treue zu halten."
Nun, diese Treue hätten wir uns auch gewünscht, als 2007 nach dem Erlass von Summorum Pontificum Studenten der Hochschule darum baten, auch die überlieferte Liturgie in den Ausbildungsplan aufzunehmen. Der damalige Rektor Karl Wallner hat die Bittsteller dann hochfahrend abgefertigt:
Es ist ein betrübliches Missverständnis von Summorum Pontificum wenn man daraus ableitet, dass es eine Ausbildung zum Alten Ritus geben sollte. Das Dokument dient der Versöhnung mit den Gestrigen und nicht einer Auflage des Gestrigen. (…) Wir sind nicht nach hinten verkorkst und nicht nach vorne vermurkst, sondern leben aus dem, was die Kirche uns durch das 2. Vatikanische Konzil WIRKLICH geschenkt hat. (…) Zelebrationsübungen im tridentinischen Ritus kann es daher nicht im Fächerkanon geben, weil wir die Liturgie der Kirche so feiern wollen, wie sie im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil durch die oberste Leitung der Kirche vorgegeben wurde. Und weil wir nicht wollen, dass unsere Absolventen zu einem Ritus erzogen werden, der zwar wieder erlaubt, aber nicht im großen Atem der Kirche liegt...
Glücklich, wer diesen „großen Atem“ zu erkennen weiß – selbst dann, wenn in einem päpstlichen Gesetz etwas ganz anderes steht, und das in jener Klarheit der Sprache, für die Papst Benedikt zu recht gerühmt wird.
Im gegenwärtigen Pontifikat, zu dessen Kennzeichen unter anderem auch eine bis zur Selbstwidersprüchlichkeit gehende Unklarheit der Aussageweisen in Worten und Gesten gehört, liegen die Dinge freilich anders. Das ist gerade in diesen Tagen, in denen die polnischen Bischöfe ( ) Amoris laetitia ganz anders auslegen als etwa ihre deutschen Kollegen, wieder schmerzlich deutlich geworden. Wer hier so argumentiert, wie die offizielle Erklärung von Heiligenkreuz, muß sich schon die Frage gefallen lassen, worin er denn das Wesen der Kirche erkennt, wenn „der jeweilige Petrusnachfolger“ etwas deutlich anderes zu sagen scheint als seine Vorgänger im gleichen Amt.
Die Kirche hatte bisher das große Glück und die große Gnade, daß solche Widersprüche und Unklarheiten nur selten vorgekommen sind, weil die jeweiligen Inhaber des Petrusamtes fähig waren, den Sinn ihrer hohen Stellung zu erkennen und in Demut zu erfüllen: Getreulich die empfangene Lehre weiterzugeben und entschlossen gegen Entstellungen zu schützen, die Brüder zu stärken und die Herde zu leiten. Auch die großen lehramtlichen Dokumente der unmittelbaren Vorgänger Franziskus' – selbst wenn einzelne Punkte ihrer Amtsführung Fragen aufwerfen mögen – sind von diesem Bewußtsein geprägt und verleihen ihm in großer Entschiedenheit Ausdruck: Pius XII. in Mediator Dei, Paul VI. in Humanæ Vitæ, Johannes-Paul II in Familiaris Consortio oder Dominus Jesus, Benedikt XVI. in Caritas in Veritate.
Auch diese Dokumente stießen innerhalb und außerhalb der Kirche auf zum Teil wütende Kritik und Ablehnung – aber nicht, weil sie sich von der überlieferten Lehre der Kirche entfernten, sondern weil sie diese Lehre im Widerspruch zum immer herrischer auftretenden Zeitgeist bekräftigten und entfalteten. Das hat sich unter Franziskus geändert: Die Zeitgeister in Welt und Kirche jubeln – aber glaubenstreue Theologen und Seelsorger schweigen mehrheitlich betreten. Einige wenige tragen Zweifel vor, um deren Zerstreuung sie bitten, oder mahnen, keine Anlässe zu geben, aus dem sich Abweichungen und Widersprüche von der Lehre entwickeln können.
Soll das unzulässsig sein, muß man sich davon distanzieren? Zählt nur noch das „jeweilige“ und der „große Atem“ des Zeitgeistes? Wie unterscheidet sich dieser Hyperpapalismus von einem Ultranationalismus nach der Art „right or wrong – my country!“
Die Heiligenkreuzer haben natürlich in einem Recht: Die Einheit der Kirche unter dem Papst ist ein hohes Gut und größter Anstrengungen zur Verteidigung wert. Aber die Einheit in der Kirche, darauf hat gerade Benedikt XVI. immer wieder hingewiesen, findet nicht nur im Raum der Gleichzeitigkeit statt, sondern erstreckt sich durch Zeit und Ewigkeit – sichtbar und wirksam durch die Kette von den Aposteln über die Kirchenväter und Kirchenlehrer bis zu den Dokumenten des lebendigen, aber in sich widerspruchsfreien Lehramts der Kirche. Der Papst mag Souverän des Kirchenstaates sein – hinsichtlich der Lehre ist er nicht Herr, sondern Diener. Wenn sein Reden und Schreiben Zweifel aufkommen läßt, daß er diesen Dienst erfüllt und die Einheit durch die Zeit bewahrt, hilft keine Berufung auf die Treue zum jeweiligen Papst. Christus, dessen mystischer Leib die Kirche ist, ist gestern, heute und morgen nicht nur der gleiche, sondern der selbe.