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Die Woche in Rom

Viel schlimmer kann es an einem päpstlichen Hof der Renaissance auch nicht zugegangen sein, wenn gerade wieder einmal die großen Familien mit allen Mitteln um Geld und Macht kämpften. Gut, Gift und Dolch sind aus der Mode gekommen, fürs erste zumindest, aber dafür gibt es große kirchenfeindliche Medien mit weltweitem Einfluss - und die weltklugen unter den Kämpfern im vatikanischen Dschungel zögern keine Sekunde, sich ihrer zu bedienen. Insoweit gerade so, wie vor 600 Jahren.

Nur daß es heute nicht allein um Geld und Macht geht - was man freilich nicht unterschätzen sollte - sondern um den Kernbestand der Lehre selbst. Zweitausend Jahre lang hat die Kirche die Lehre Christi klug entfaltet und entschieden verteidigt. Seit einigen Jahrzehnten wird diese Lehre im Geist der Revolte und unter Führung der rheinischen Allianz aus dem Lande Luthers immer dreister in Frage gestellt, verwässert und jetzt auch offen angegriffen.

Fassungslos beobachten wir, wie eine im höchsten Maße verweltlichte Theologie anscheinend mit Billigung des römischen Bischofs zur Leitlinie einer Synode erhoben wird. Staunend nehmen wir zur Kenntnis, daß einer der Protagonisten dieser Lehre ihre gedanklichen Voraussetzungen und schismatischen Konsequenzen per Interview in aller wünschenswerten Deutlichkeit ausspricht, dann offiziell dementieren lässt, dieses Interview gegeben zu haben - nur um sich dann eine Stunde später mit dem Tonmitschnitt eben seiner Äußerungen im Internet konfrontiert zu sehen. Ungläubig sehen wir zu, wie die Zusammensetzung eines wichtigen Organs der Synade quasi im Stundentakt verändert wird, um sicherzustellen, daß dabei nicht etwa das herauskommt, was hineingegeben wurde, sondern das, was den Revolutionären ins Konzept passt.

In den letzten Wochen habe ich mir - wie ja auch schon vor einem Jahr - erneut die Frage gestellt, ob die Sorge für die Liturgie unter den aktuellen Umständen nicht eher mit dem absurden Eifer eines Deckstewarts auf der Titanic zu vergleichen ist, der die Liegestühle auf dem Sonnendeck noch in die rechte Ordnung rücken wollte, als die Schräglage des sinkenden Kolosses das längst aussichtslos gemacht hatte. Aber abgesehen davon, daß uns zugesichert ist, die Kirche werde jedenfalls nicht untergehen, ohne ausreichend Rettungsboote freizusetzen: Gerade der aktuelle Streitgegenstand, die Frage der Kommunion für die „wiederverheirateten Geschiedenen“, ist in meinen Augen ein Beleg dafür, daß die Sorge um den würdigen Kult auch dann höchsten Stellenwert hat, wenn ein Papst diese Sorge offensichtlich nicht teilt. Das ist nicht allein der göttlichen Majestät geschuldet, der wir diesen Kult darbringen, das ist auch um des geistigen Lebens der Kirche unentbehrlich.

Die aktuelle Verwirrung um die Kommunion für die „wiederverheirateten Geschiedenen“ konnte dieses Ausmß nur annehmen, weil die Gestalt der 1970 deformierten Liturgie nicht mehr geeignet ist, vielleicht auch nicht mehr das Ziel hat, sinnfällig zu verkörpern, was hier der Fall ist: Es geht nicht allein um den Ausdruck einer Gemeinschaft in der Versammlung, sondern ebenso sehr um deren Voraussetzung in der Begegnung jedes Einzelnen mit seinem Herrn und Gott. Eine Begegnung, die ihrerseits nur fruchtbar werden kann, wenn die Voraussetzunge zur Begegnungsfähigkeit gegeben sind.  Den ganzen Inhalt dieses mysterium tremendum auszudrücken mag jede irdische Form von Liturgie überfordern. Der Verzicht darauf, dies auch nur zu versuchen, sondern diese Begegnung in die Sphäre der Alltäglichkeit zu „inkulturieren“, ist ein sicherer Weg, jedes Verständnis, jede Ahnung eines Verständnisses, zu zewrstören. Die Päpst der Vergangenheit wussten sehr wohl, warum es ihre Sorge sein muss, „dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“

Diese Website wird sich deshalb auch von scheinbarer Aussichtslosigkeit oder Unerwünschtheit nicht davon abbringen lassen, zu dieser Sorge beizutragen, was überaus bescheidenen Kräften möglich ist. Die Berichterstattung über das außerliturgische Treiben am päpstlichen Hof, das in diesen Tagen zu Recht allgemeine Bestürzung auslöst, müssen wir denen überlassen, die dazu über bessere Voraussetzungen verfügen. 

Wertvolle Chroniken der laufenden Ereignisse, zumeist aus vatikan-nahen italienischen Quellen gespeist, findet man unter dem entsprechenden Tagesdatum auf Rorate Cæli und katholisches.info. Deutschsprachige Zeugnisse des Entsetzens bieten unter anderem das Beiboot Petri, Superpelliceum, Der Katholik und die Welt, der Kreuzknappe, Geistbraus und sicher noch viele andere. Eine kleine Linksammlung findet sich hier. Aufschlußreich sind auch die Beiträge der letzten Tage von Fr. Ray Blake auf seinem Blog, in denen er besonders den Beitrag deutscher Theologen zur Glaubenszerstörung beleuchtet. Eine ausführliche Darstellung der bisherigen Geschichte der Synode und ihre Manipulation durch die Progressisten, die auch den Beitrag des Papstes einschließt, veröffentlicht heute Sandro Magister.

Entweiht und umgenutzt

Bild: Andrea Di Martino / Picturetank / Agentur Focus

Auch in Italien reifen die Früchte der nachkonziliaren Neuerungen in reicher Fülle: Zahlreiche Kirchen und Kapellen, die mangels gläubiger Nachfrage nicht mehr benötigt werden, konnten dem Immobilienmarkt zur Verfügung gestellt werden. Als Wohnstudio, Restaurant oder auch Autowerkstatt finden sie glückliche Abnehmer. Der Photograph Andrea Di Martino, der sonst gerne auch moderne Kirchen „für das dritte Jahrtausend“ ins Bild bringt, hat eine Reihe solcher umgenutzter Kirchen besucht und eindrucksvoll ins Bild gesetzt. Sein Titel zur Serie: "Die Messe ist zuende"- Spiegel-online konnte sich das natürlich nicht entgehen lassen und hat daraus eine Bilderserie gemacht: "Kirchen anders genutzt: Gott aus dem Häuschen."

Für die beim Autor titellosen Bilder hat die Hamburger Redaktion die Restbestände einstmals vorhandenen intellektuellen Witzes aufgeboten - zu dem oben zitierten Photo (hier zum Original) von der zum Restaurant umgenutzten Kirche schreibt sie: „Pizza oder Hostie? Egal, ist beides rund: In der Kirche Tutti i Santi in Viareggio wird heute Wein getrunken, wo früher Moral gepredigt wurde - die neuen Besitzer führen hier eine Pizzeria.“ Ach ja - ungefähr sagt das der Pfarrer auch, nur mit ein bißchen andern Worten.

Papst Pius X. zum Tage

Die neue Ausgabe der Una Voce Korrespondenz liegt auf dem Tisch - und damit auch die Fortsetzung des Abdrucks der Referate von der 16. Kölner Liturgischen Tagung in diesem Frühjahr. Solange wir uns nicht entscheiden können, welches davon hier ausführlicher vorgestellt werden soll - und um Ihnen Zeit zu geben, die Ausgabe der UVK komplett zu erwerben oder noch besser die Zeitschrift zu abonnieren - nehmen wir dankbar zur Kenntnis, daß Weihbischof Athanasius Schneider in seinem Beitrag „Der hl. Pius X. der Große - ein herausragender Förderer des katholischen und apostolischen Glaubens“ ausführlich aus einem uns bislang gänzlich unbekannten Hirtenbrief von Bischof Sarto aus dem Jahre 1887 zitiert. Das liest sich nicht nur wie eine Vorstudie zur großen Ezyklika „Pascendi“ von 1907, das ist auch heute noch von bestürzender Aktualität, ein Zeugnis wahrhaft prophetischer Weitsicht:

Viele Christen, die nur eine oberflächliche Kenntnis des Glaubenswissens haben und ihn wenig praktizieren, beanspruchen Lehrer zu sein, indem sie erklären, dass die Kirche sich nun endlich den Forderungen der Zeit anpassen soll, weil es in der Tat nicht möglich wäre, die ursprüngliche Vollständigkeit ihrer Gesetze aufrecht zu erhalten; dass die weisesten und praktischsten Menschen von nun an die barmherzigsten sein werden, d. h., dass sie fähig sein werden, etwas vom alten Schatz zu opfern, um den Rest zu retten. In solch einem modernen Christentum, in welchem die Torheit des Kreuzes vergessen sein wird, sollen sich die Dogmen des Glaubens bescheidenerweise den Anforderungen der neuen Philosophie anpassen.

Das öffentliche Recht des christlichen Zeitalters soll sich zaghaft den großen Grundsätzen der modernen Zeit stellen. Auch wenn es seinen Ursprung und seine Vergangenheit nicht verleugnet, so soll es wenigstens die Rechtmäßigkeit seiner Niederlage im Angesicht seines Siegers bekennen. Die zu strenge Sittennorm des Evangeliums soll den Freuden und den Anpassungen nachgeben und die Disziplin soll schließlich alle ihre die Natur belästigenden Vorschriften zurücknehmen, um selber beim glücklichen Fortschritt des Gesetzes der Freiheit und der Liebe mitzuwirken.

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Pascendi Dominici Gregis

Heute vor 107 Jahren, am 8. September 1907, veröffentlichte der hl. Papst Pius X. seine Enzyklika Pascendi Dominici Gregis - eine Abrechnung mit dem Modernismus von bestürzender Aktualität. Zweierlei ist, wenn man dieses Dokument heute erneut liest, enorm irritierend: Zum einen die Tatsache, daß buchstäblich alles, was Papst Pius X. seinerzeit als Irrtümer brandmarkte, heute zum anerkannten Bestand theologischer Universitätslehre gehören soll und auch von höchsten kirchlichen Würdenträgern widerspruchslos akzeptiert, wenn nicht gar aktiv verbreitet wird. Und zum anderen der Umstand, daß diese Entwicklung eintreten und sich durchsetzen konnte, obwohl die Verurteilung des Modernismus noch 1950 von Pius XII. in Humani Generis mit Entschiedenheit wiederholt und Pius X. selbst 1954 durch seine Heiligsprechung - es war die erste eines Papstes seit 400 Jahren - quasi in den Rang eines Kirchenlehrers erhoben worden war. Und als dritte Irritation kommt natürlich hinzu, daß es auch angesichts dieser Entwicklung als äußerst unzulässig, ja geradezu verdammungswürdig gelten soll, von einem „Bruch“ zu sprechen, der sich in der Überlieferung des Glaubens in der 2. Hälfte des 20. Jh. ereignet hat.

Wir können gespannt darauf sein, welche begrifflichen Akrobatenstücke unter dem Zeichen der „lebendigen Tradition“ man uns in den nächsten Jahren zumuten wird, um die unheilbaren Widersprüche zwischen dem Text von 1907 und der Realität von 2007 ff. wegzuerklären. Aber hat uns da nicht ein anderer Heiliger, der neuerdings wieder stark in Mode kommt, einen frommen Ausweg vorgezeichnet? „Und wenn die Kirche, was unserem Auge weiß erscheint, als schwarz definiert, so sind wir verpflichtet, es für schwarz zu erklären“, habe der Gründer des Jesuitenordens Ignatius v. Loyola einst geschrieben, wird vorbeugend zitiert. Dabei sprach er freilich von dem, was „dem Auge weiß erscheint“, also von der Wahrnehmung einer Sache, nicht von deren objektiver Eigenschaft.

Derlei ist allerdings eine Distinktion, zu der die akademische Theologie samt deren römischen Metastasen nach 50 Jahren modernistischer Praxis kaum noch fähig sein dürfte.

Herausforderung Islam

Joseph Shaw von der Latin Mass Society in England und Wales hat sich in einer dreiteiligen Folge mit der „Herausforderung Islam“ beschäftigt. Besonders nachdenkenswert fanden wir die zugespitzte Argumentation, die er zum Abschluss der kurzen Serie entwickelt. Sein Ausgangspunkt dabei ist die Beobachtung, daß es zum seit Jahrzehnten konstatierten Säkularisierungstrend in den modernen Gesellschaften auch Gegentendenzen gibt: Immer weniger Menschen mögen an den Gott des Christentums glauben – aber immer mehr glauben an Engel und Geister, Tarot und Wiedergeburt, wobei sie sich dann oft auch von der Vernunft, die zum christlichen Glauben gehört, verabschieden. Und so schreibt Shaw:

Es beginnt ein langes ZitatAlso hören wir auf, über die unaufhaltsam fortschreitende Säkularisierung zu klagen, und fragen wir uns lieber, warum die katholische Kirche nicht imstande ist, mehr von den Gegentendenzen zur Säkularisierung zu profitieren. Den Schlüssel dazu bietet die Frage, wie das Christentum sich denn aus der Außenperspektive darstellt – also aus der Sicht der Menschen im mittleren Osten oder auch im Westen, die sich vom radikalen Islam angezogen fühlen, vom Pfingstlertum in Lateinamerika, vom Wiedergeburtsglauben der Hindus und Buddhisten usw. Da gibt es viele kulturelle Unterschiede, aber wir können eine begründete Verallgemeinerung vornehmen: All diese Menschen lehnen die Werte des liberalen Westens ab. Sie mögen seine Konsumartikel schätzen, aber sie haben nicht vor, sich dem sinnentleerten Hedonismus anzuschließen. Sie denken dabei an die  früheren Kolonialmächte oder amerikanische Vorherrschaft. Sie wollen sich von der Banalität und Korruptheit nachgeäffter westlicher Kultur abgrenzen und an etwas glauben, das ihrem Leben wirklich einen Sinn gibt. Sie wollen eine Religion, die eben nicht säkularisiert ist, eine starke Religion, die Anforderungen stellt, die Grundlage für ein Gruppenbewußtsein bilden kann, einen Aufstand gegen „Westliche Werte“ und vielleicht auch gegen westlichen politischen Einfluss.

Wollen sie also etwas in der Art, wie man es in einer durchschnittlichen katholischen Pfarrei in England oder Wales (und wir ergänzen: Deutschland) findet? Nein, das wollen sie nicht.

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