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Liturgiereform und Kirchenkrise

In New Liturgical Movement fanden wir Auszüge aus einem Text von Nicholas Postgate über die Notwendigkeit einer Rückkehr der Kirche zur überlieferten Liturgie, den NLM seinerseits in der Weihnachtsausgabe des renommierten Latin Mass Magazin gefunden hat. Wir bringen die dort zitierten Passagen hier zunächst in deutscher Übersetzung und werden in den nächsten Tagen noch einmal auf den Inhalt des gesamten Artikels zurückkommen.

Nicholas Postgate trägt den Namen eines berühmten Martyrers der Katholikenverfolgung im England des 17. Jahrhunderts. Er ist pensionierter Hochschullehrer, sollte jedoch nicht mit dem bekannteren Assyrologen gleichen Namens verwechselt werden. Hier finden Sie den kompletten Text als PDF.

Es beginnt ein langes ZitatDie schwere Krise der Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil, besonders in den reichen Ländern des Westens, hat zweifellos viele und komplexe Ursachen. Aber ich bin überzeugt, daß die Hauptursache darin liegt, daß Männer der Kirche Tradition und Recht der Kirche in großem Umfang verraten haben und dafür nun eine Strafe Gottes erdulden müssen – man könnte von einer Zeit des Bußleidens als Anfruf zu Reue und Umkehr sprechen. Bischöfe, Priester und manchmal sogar Päpste haben praktisch der vorkonziliaren Liturgie und Lehre den Rücken zugekehrt, in vielerlei Hinsicht sogar den Lehren des 2. Vatikanischen Konzils selbst, und das ist eine Art von Sünde gegen den heiligen Geist, die ein dauerndes Hindernis für eine echte Erneuerung darstellt. Dieses Hindernis wird nicht von selbst verschwinden, sondern nur durch eine gewissenhafte Zurückweisung jeglicher Diskontinuität und eine mutige Anstrengung zum Wiederaufbau der verwüsteten Stadt.

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Die Stimme des Lehramtes...

Petreus mit den Schlüsselnist undeutlich geworden. Noch nie hat man einen Papst so viel reden gehört wie in den letzten Monaten – und noch nie war es weniger klar, was er denn nun eigentlich gesagt hat oder sagen wollte. Und warum der, dessen Amt es ist, zu binden zu lösen, sich öffentlich fragt: „Wer bin ich, daß ich urteile?“

Die Medien versichern uns jeden Tag, in Rom sei die Revolution ausgerufen worden, nun werde alles anders und jedenfalls viel besser als das bisherige Unglück. Angesichts des Umstandes, daß diese Medien bisher nicht gerade als glühende Anhänger der Sache Christi aufgefallen sind, weckt das Irritationen. Sie werden auch nicht dadurch geringer, daß Papst Franziskus zwischendurch immer wieder einmal versichert, was doch selbstverständlich sein sollte: Er sei ein treuer Sohn der Kirche. Warum erscheint dann fast alles, was vor ihm war, in so schlechtem Licht?

Hilary White, die römische Korrespondentin von LifeSiteNews, hat diese Irritationen nun in einem aufschlussreichen Artikel ausgedrückt, den man hier in der vollständigen englischen Fassung und hier in einer gekürzten deutschen Zusammenfassung nachlesen kann. Sie ist bestrebt, ihre Ausführungen nicht als Kritik an Franziskus, sondern an der Arbeit des Pressebüros zu formulieren. Damit mag sie zum Teil recht haben, aber gerade bei diesem überaus autoritäts- und machtbewussten Papst ist kaum zu vermuten, daß das Pressebüro irgendetwas tut oder unterlässt, das nicht in jeder Hinsicht seine Billigung hat.

Mehr zum neuen Verkündigungsstil

Geht Freiburg ins Schisma?

Im Bistum Freiburg werden also künftig sog. „wiederverheiratete Geschiedene“ zum Tisch des Herrn treten und ihren neuen Bund in einer kirchlichen Zeremonie segnen lassen können. Das ist, wenn auch hinter viel Pastoralsprech und Wortnebel verborgen, der faktische Inhalt der nun vom „Seelsorgeamt Freiburg“ veröffentlichten Handreichung „Menschen begleiten – auch beim Scheitern von Ehen“. In einer Zeit, da der Bischofsstuhl von Freiburg vakant ist, unternimmt die Diözesanbürokratie damit einen Schritt, der das Potential hat, zur Initialzündung einer zweiten deutschen Reformation und der Bildung deutscher Nationalkirchen zu werden. Reaktionen aus der Weltkirche lassen erkennen, daß dieses Potential zwar teilweise erkannt wird – daß aber kaum Vorstellungen bestehen, wie dem zu begegnen wäre.

Der Freiburger Schritt hat enorme Konsequenzen kirchenrechtlicher und sakramententheologischer Art. Er bedeutet, sollte er nicht von einer höheren Autorität kassiert werden, ein Abrücken von der Einheit der Lehre und eine Neudefinition des Verhältnisses zwischen petrinischem Amt und Ortskirche. Er betrifft sowohl das Verständnis von Schuld, Sünde und Vergebung als auch von Eucharistie. Wir wollen uns hier zunächst nur mit dem letzteren befassen, weil da der Bezug zur Liturgie und ihren Veränderungen in den letzten Jahrzehnten offensichtlich ist.

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Wunden am Leib der Kirche

Als eine „Wunde für Summorum Pontificum“ hat nach Angaben von Sandro Magister Papst Emeritus Benedikt die Entscheidung der Ordenskongregation bezeichnet, den Priestern der Franziskaner der Immakulata pauschal die Zelebration im überlieferten Ritus zu untersagen. Magister beruft sich dafür auf Berichte von Besuchern des abgedankten Papstes und schreibt dazu im Einzelnen:

Das Verbot zur Feier der Messe im überlieferten Ritus, das Papst Bergoglio den Franziskanern der Immakulata auferlegt hat, bedeutet eine wirkungsvolle Einschränkung der Erlaubnis zur Zelebration dieser Liturgie, die Papst Benedikt XVI allen erteilt hatte. Aus Gesprächen mit Besuchern geht hervor, daß Ratzinger in dieser Einschränkung einen „vulnus“ für sein motu proprio Summorum Pontificum von 2007 sieht.

In seinem Interview mit „La Cività Cattolica“ hatte Franziskus die Freigabe des alten Ritus durch Benedikt XV. als eine bloße „vernünftige Maßnahme“ abgetan, die dieser für „Leute, die für so etwas empfänglich sind“, getroffen habe. Dagegen hatte Ratzinger, wie dieser damals auch in seinem Brief an die Bischöfe ausdrücklich dargestellt hatte, die Absicht, daß „diese beiden Formen des römischen Ritus sich gegenseitig bereichern“ sollten.

Im gleichen Interview beschrieb Franziskus die nachkonziliare Liturgiereform als „einen Dienst am Volk aus einer neuen Lektüre des Evangeliums, ausgehend von einer konkreten historischen Situation“. Das bedeutet eine starke Einschränkung des Begriffes von Liturgie, den Ratzinger als Theologe und Papst vertreten hatte.

Darüberhinaus hat Franziskus am 26. September sämtliche 5 Berater des Amtes für die liturgischen Feiern des Papstes abgelöst, darunter auch den Liturgiewissenschaftler P. Uwe Michael Lang, für dessen wichtigstes Buch zur Feier der Liturgie „zum Herrren hin“ Ratzinger seinerzeit selbst das Vorwort geschrieben hatte.“

Der ganze Artikel unter der Überschrift „The Francis Transformation“ ist überaus lesenswert.

Starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verbots für die Priester der FFI zur Zelebration der alten Messe hatte bereits im September der Kirchenhistoriker Roberto de Mattei geäußert und dabei festgestellt „Summorum Pontificum hat stärkere Rechtskraft als das Dekret einer Kongregation“. Sein Artikel war ursprünglich in der „Corrispondenza Romana“ erschienen, eine englische Übersetzung findet sich u. a. auf „The Eponymus Flower“.

In einem neuen Artikel, der unter dem Titel „Der Zweck und die Mittel“ ebenfalls bei Corrispondenza Romana erschienen ist, untersucht de Mattei Ursachen und Hintergründe der zunehmenden Neigung, jedes Wort und Verhalten des Papstes in den Rang der Unfehlbarkeit zu erheben und das ewige Lehramt der Kirche durch die Fiktion eines „lebendigen“ Lehramts zu ersetzen, das Tradition und Recht der Kirche praktisch der Willkür des Augenblicks preisgibt.

Der Papst ist oberster Gesetzgeber der Kirche. Er kann Gesetze aufheben und neues Recht setzen - aber nicht in Willkür, sondern nach der Ordnung und in der Tradition der Kirche. Oder wie es Josef Ratzinger in Bezug auf die Liturgie, aber mit Blick auf das Ganze ausgedrückt hat:„Die Vollmacht des Papstes ist nicht unbeschränkt; sie steht im Dienst der heiligen Überlieferung“. (Der Geist der Liturgie S. 143)

Was an Limburg zu lernen ist

Wenn der Streit um den Limburger Bischof Tebartz van Elst wirklich die Bedeutung hatte, die wir am 11. September vermuteten, dann haben wir jetzt – ein wenig und für kurze Zeit zumindest – Grund zum Aufatmen: Nach dem Kölner Kardinal Meisner, von dem wir das erwarteten, und dem Hamburger Erzbischof Thissen, der uns (nicht zum ersten Mal) überrascht hat, hat sich jetzt auch Kurienerzbischof Müller von der Glaubenskongregation mit einem starken „der Bischof bleibt“ zu Wort gemeldet. Solche Wortmeldungen sind nicht etwa deshalb von Bedeutung, weil sie zeigen, daß auch der Limburger Bischof „Stimmen“ auf sich vereinigen kann – die Kirche kennt in diesem Sinne keine Bischofswahlen oder -abwahlen, und Stimmen (oder gar Pressestimmen) haben da, wo die Kirche lebt, kein zählbares Gewicht.

Bedeutsam an diesen Wortmeldungen ist, daß sie auf unterschiedliche Weise etwas von dem eigentlichen Inhalt der Auseinandersetzung sichtbar machen, in deren Zentrum der Limburger Bischof geraten ist. Kardinal Meisner hat den Skandal beim Wort genannt, daß viele Amtsbrüder aus Opportunismus bereit waren (und wohl auch immer noch sind), Bischof Tebartz der Meute zum Fraß vorzuwerfen – Hauptsache, ihr guter Draht zur Presse, also zur weltlichen Macht, bleibt intakt. Bischof Thissen hat das Tabuthema angerührt, daß der Bischof an einen Verwaltungsapparat, der jahrzehntelange Bürokratisierung und geschäftigen Leerlauf auf Gremien-Sinekuren erfolgreich als Demokratisierung verkauft hat, wohl zu hohe Ansprüche gestellt habe: „Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Mitarbeiter da folgen.“ Und Erzbischof Müller benennt den innersten Kern der Sache: Die Kampagne – die wohlgemerkt nicht nur von außerhalb der Kirche betrieben worden ist – habe das „Ziel, Bischöfe, die nicht ins eigene Kirchenbild passten, einzuschüchtern oder zu eliminieren.“ Dazu setzt er noch die Erinnerung daß daß die Bischöfe keine Untergebenen der Bischofskonferenz seien – auch wenn deren Sekretär sich das noch so sehr wünschen mag.

Selten zuvor wurden die Spaltungen, die die Kirche in Deutschland (und anderswo natürlich auch) durchziehen, so deutlich sichtbar und auch von Bischöfen so deutlich benannt wie in den letzten Tagen. Es geht nicht um ein finanziell aus dem Ruder gelaufenes Bauprojekt oder um eine vielleicht zu üppig angelegte Reise mit unklarer Zielsetzung – wenn es darum ginge, hätten nicht nur alle deutschen Bischöfe, sondern auch alle deutschen Chefredakteure genügend Grund, in Sack und Asche zu gehen. Es geht um die Kirche, deren Verweltlichung – als „Verheutigung“ getarnt – die einen mit Macht anstreben, während die anderen anscheinend erst langsam dahinter kommen, daß es tatsächlich nicht um Stilfragen geht, sondern ums Ganze.

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