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Spätzeit des Christentums

Nichts von dem, was der Journalist Markus Günther in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über die in Deutschland angebrochene „Spätzeit des Christentums“ geschrieben hat, ist neu oder irgendwie überraschend. Das Hoch bei den Kirchensteuereinnahmen sei unbestreitbar - doch nun verabschiedeten sich die Generationen, die zumindest noch eine sentimentale Bindung an die Kirche bewahrt hätten, aus dem Berufsleben; es wüchsen kaum noch Steuerzahler nach, die Politik werde sich dieses Ballastes entledigen. Der Glaube selbst sei großflächig zusammengebrochen, reduziert auf Ermahnungen zum Gutmenschentum, die man gleichlautend und vielleicht sogar überzeugender auch anderswo hören könne. Nach vielen Jahren sinnentleerten Religionsunterrichtes wüssten die jungen Leute nichts über „ihre“ Religion - außer, daß man das alles heute nicht mehr so sehen könne. Der Apparat stehe als Scheinriese da wie die  SED vor dem 40. Jahrestag der DDR - den diese diese dann nur um wenige Monate überlebte.

Wie gesagt, nichts Neues, aber in diesem Blatt und mit solchem Nachdruck vorgetragen vielleicht doch für einige unserer Hirten, die seit Jahrzehnten vom „neuen Frühling“ schwafeln, ein Anstoß, sich ehrlich zu machen. Wir weigern uns, zu glauben, daß sie alle mit ihren Staatssekretärsgehältern am Ziel ihrer letzten Wünsche angekommen sind und darauf setzen, daß die Sintflut erst nach ihnen komme.

Unübersehbar ist der Zusammenhang dieses bevorstehenden Bankrotts mit der Zerstörung der Liturgie seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Was man für „unumgängliche Modernisierung“ ausgab, in vielen Fällen woch auch ehrlich dafür hielt, war letztlich nichts anderes als der vom Zeitgeist aufgenötigte oder vom Opportunismus getriebene Verzicht auf die äußeren Formen, das inkarnatorische Grerüst, ohne das der Glaube seine Verwurzelung in der Transzendenz nicht glaubhaft machen kann - so ging mit dem einen auch das andere verloren: „Lex Orandi - lex credendi“.

Verloren geht mit dem unausbleiblichen Zusammenbruch aber auch das einzige Argument, mit dem die Verteidiger der liturgischen Reformation bis jetzt noch hier und da ein paar Punkte sammeln konnten: Ohne die „erneuerte Liturgie“ und ohne den hierzulande erfundenen und inkarnierten Konzilsgeist wäre alles noch viel schlimmer gekommen. Der historische Konjunktiv ist zwar ganz allgemein kein Argument, aber in diesem Fall wird er, was sonst oft gar nicht so leicht ist, auch noch knallhart widerlegt: Schlimmer als das, was jetzt aus guten Gründen anzunehmen ist, kann es überhaupt nicht kommen - zumindest dann nicht, wenn man die von einer bis ins Mark verweltlichten und entgeistigten Zivilkirche selbst hochgehaltenen Maßstäbe anlegt.

Wer den Glauben wirklich bewahren will - und das nicht in einer leichtbekömmlich zubereiteten  Schwundform, sondern so, wie ihn Christus gelehrt, die Apostel verkündet, die Väter ausgebreitet und das Lehramt zweier Jahrtausende befestigt haben - kann ihn nicht in Formen anbieten, die seinen Inhalten nicht entsprechen oder diese sogar geradewegs dementieren.

Inzwischen ist der Artikel von Markus Günther auch im öffentlichen Internet zugänglich; eine gute Zusammenfassung gibt IDEA. Aber wie gesagt: Am Inhalt ist wirklich nichts überraschend oder gar neu. Nur der Ort der Veröffentlichung könnte vielleicht einigen der Armen Seelen, die sich bisher von den Propagandisten des Neuen Frühlings mundtot machen ließen, zu denken geben.

Religiös unmusikalisch?

Dafür, daß er sich als „religiös unmusikalischen Beobachter“ bezeichnet, wendet sich der Medienwissenschaftler Norbert Bolz erstaunlich oft Religionsthemen zu - und das mit einem Klarblick und einer Courage, um die ihn mancher hauptberufliche Religionsvertreter beneiden sollte. Am 15. Dezember hat der Südwestfunk einen Vortrag Bolz' ausgestrahlt, in dem er mit großer begrifflicher Präzision herausarbeitet, warum Religion nicht eines von vielen Elementen ist, die in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenspiel eine „pluralistische Gesellschaft“ ausmachen, sondern der grundsätzliche Gegenentwurf, das überlebensnotwendige Ganz Andere. Also nichts, das per „Aufklärung“ überwunden und abgetan werden müsste - eher schon andersrum. 

“Man denkt mit dem, was man glaubt“, hat Bolz beobachtert, um dann zuzuspitzen: 

„Es gibt also keinen großen Unterschied zwischen einem frommen Menschen und zum Beispiel einem Habermasianer. Nur dass der fromme Mensch weiß, dass er glaubt, während der Habermasianer glaubt, dass er weiß. Deshalb spricht auch nichts gegen Orthodoxie. Wer fromm ist, hat kein Interesse am Marktplatz der Ideen. Er hat die Wahrheit - und deshalb kein Interesse an einer anderen Wahrheit. Was nämlich eine Religion, die sich ernst nimmt, von einer bloßen Meinung unterscheidet, ist der Anspruch auf privilegierten Zugang zur Wahrheit. Nur tote Ideen existieren in der Form der friedlichen Koexistenz nebeneinander, sagt Robert Spaeman.“

Mit Unverständnis, wenn wir das richtig sehen, sogar mit Bedauern, konstatiert der Religionsbeobachter,  daß die Religionsvertreter des lieben lauen Friedens zuliebe davon heute wenig wissen wollen: 

Gegen diese Einsicht sperrt sich das moderne Christentum. Soweit sich die christlichen Kirchen auf das Konzept der Zivilreligion einlassen, beschreiben sie sich selbst funktionalistisch. Heilsversprechen gibt es dann nicht mehr. Als Zivilreligion hat das Christentum die großen Themen wie Kreuz, Erlösung und Gnade aufgegeben und durch einen diffusen Humanismus kompensiert. Wie andere westliche Institutionen gerät es damit in die Modernitätsfalle. Die christliche Zivilreligion leidet nämlich nicht daran, dass sie mit der Kulturentwicklung nicht mitkäme, sondern an ihrer eigenen Realitätsgerechtigkeit. Gerade weil sie so modern und „aufgeklärt“ ist, kann sie nicht mehr Heil versprechen und eine neue Welt prophezeien.“

Selten sah man das Wesen von Glaubensverlust, Verweltlichung und Selbstsäkularisierung präziser zusammengefasst. Der Vortrag ist beim SWR als Manuskript zu bekommen - die Lektüre wird dringend empfohlen.

Der Kampf um die Tradition - seit 1900 Jahren

Beim Blick in die Kirchengeschichte kann man immer wieder erstaunt feststellen, daß die Irrtümer und Irrlehren, die der Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit zu schaffen machen, sich auf ganz wenige Grundtypen zurückführen lassen. Doch so gering sie an Zahl sind, so sind sie doch äußerst zählebig und tauchen alle paar Jahrhunderte wieder auf. Mit neuen Protagonisten und meistens auch unter neuem Namen - aber im Grunde die selben alten Missverständnisse, der selbe alte Unglaube, der von den glaubenstreuen Theologen schon vielfach widerlegt und von der Kirche schon vielfach verurteilt worden ist.

Ein bemerkenswertes Beispiel bietet die gerade wieder einmal aktuelle Debatte um die Bindungskraft der Tradition, die derzeit mit Macht bestritten wird - und das nicht nur von Sektierern am Rande, sondern von Bischöfen und Kardinälen im Zentrum der Kirche. Schaut man genauer hin, sieht man, daß der Angriff aus zwei Richtungen und mit zwei Argumentationslinien erfolgt. Die eine, die neuere, die sich bis auf Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert zurückführen läßt, argumentiert mit einem verabsolutierten Begriff päpstlicher Autorität. Ihre Vertreter sehen in Auftreten und Äußerungen des gegenwärtigen Papstes Anzeichen für die Bereitschaft, die traditionelle Lehre - etwa hinsichtlich des Eheverständnisses - grundlegend zu verändern, und zwar in Richtung des von ihnen Gewollten. Das greifen sie begeistert auf und erklären schon einmal vorbeugend alle zu Feinden der Kirche und Verrätern am Papsttum, die ihren Ideen unter Hinweis auf die Tradition von Glauben und Lehre widersprechen.

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Der „Jahreskreis“

Die Rede vom „Jahreskreis“, die vielerorts den Begriff des „Kirchenjahres“ abgelöst hat, kann neben verschiedenen Nachteilen doch zumindest einen Vorzug geltend machen: Sie läßt an den zyklischen Charakter der Abfolge der Jahre denken, der weniger von den Kategorien des Anfangs und des Endes bestimmt ist, sondern von der Einsicht in die stete Wiederkehr aller zeitlichen Abläufe – bis der Herr der Zeit wiederkommt, ihr das wirkliche Ende zu setzen.

Die überlieferte Liturgie hat diesen Gedanken der Kontinuität über das Ende des einen und den Anfang des anderen Jahres hinaus unter anderen durch die Wahl der Evangelien zum letzten und zum ersten Sonntag des Kirchenjahres zum Ausdruck gebracht. Der vierundzwanzigste Sonntag nach Pfingsten, der nach traditioneller Zählweise immer der letzte des Kirchenjahres ist, auch wenn zuvor nach dem 23. Sonntag die im Frühjahr ausgefallenen Sonntage nach Erscheinung nachgeholt werden, bringt als Evangelium den Bericht des. hl. Matthäus von Jesu Prophezeiung vom Ende der Welt und den vorausgehenden Wirrungen und Katastrophen. Der 1. Advent – fern jeder vorweihnachtlichen Rührseligkeit – wiederholt exakt dieses Thema in den Worten des Evangeliums nach Lukas und setzt so das Ende des einen „Jahres des Herrn“ in eins mit dem Anfang des nächsten: Die Einteilung der Zeit nach dem Lauf der Gestirne mag den Menschen unentbehrlich sein, um ihr Leben zu gestalten. Für den Herrn der Zeit, der Menschen und Gestirne erschaffen hat, ist sie ohne Bedeutung.

Ob die seit den 60er Jahren zunehmende Verwendung des Begriffs „Jahreskreis“ tatsächlich vor diesem Hintergrund zu sehen ist, kann bezweifelt werden. Die Verlegung des Festes von Christus dem König auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres verstärkt zwar einerseits noch den teleologischen Charakter dieses Sonntags. Andererseits verbindet die neue Liturgie durch die Auswahl der Lesungstexte das Königtum Christi so stark mit dem Ende der Zeiten, daß dieses Königtum und das Reich Christi in der zyklischen Abfolge der Jahre in der Menschenwelt leicht aus dem Blick geraten kann: Darüber müssen wir uns heute und in den absehbaren Jahren nicht besorgen. So wird der im Wortgebrauch behauptete zyklische Zusammenhang aufgebrochen; die letzten Dinge, die doch für jeden von uns in jedem Jahr tatsächlich werden können, entschwinden irgendwo im Nebel am Ende der Zeit.

Die Bevorzugung der Bezeichnung „Jahreskreis“ hat jedoch vermutlich keine tiefergehenden theologischen Motive, sondern ist ein Ausdruck der Tendenz der Nachkonzilsjahre, sich in möglichst allem von früheren Bräuchen und Gewohnheiten abzusetzen und der Welt angenehm zu machen. Der Ausdruck „Kirchenjahr" kann schließlich so verstanden werden und wurde auch vielfach so verstanden, daß es zwei verschiedene Weisen der Jahreseinteilung gebe, eine weltliche mit dem Jahresanfang am 1. Januar, und eine kirchliche mit dem 1. Adventssonntag. Eine Gegenüberstellung von kirchlicher und weltlicher Macht klingt hier an, finsteres Mittelalter also, und nichts, was den Propagandisten einer „Kirche in der Welt von heute“ sysmpathisch sein könnte. „Jahreskreis“ hingegen ist angenehm neutral, auch Montessori-Kindergärten, Rohkost-Freunde und Neo-Kelten haben einen, da ist man in netter Gesellschaft.

Noch einmal: die Synode

Wenn wir schon bei Vergleichen mit der Titanic (s. Beitrag vom 17 10.) sind: Dem ersten Eisberg, der auf ihrem Weg lauerte, ist das Schiff der Familiensynode glücklich ausgewichen. Das Verdienst des Kapitäns, der zweifelhafte Gestalten als Offiziere eingesetzt, sie mit überholten Kursvorgaben ausgestattet und die Mannschaft mit widersprüchlichen Signalen verwirrt hatte, ist das zu allerletzt. In einem für die neuzeitliche Kirchengeschichte beispiellosen Drama haben die Bischöfe der Weltkirche die Verantwortung an sich gezogen und klar gemacht, daß sie ein Abweichen von dem Kurs, den der göttliche Stifter seiner Lirche vorgegeben hat, nicht unterstützen wollen.

Die Tricks und Finten, durch deren Einsatz die modernistische Minderheit die Bischöfe beim vergangenen Konzil überlisten konnten, sind durchschaut und können damit auch abgewehrt werden. Ob das auch beim nächsten Mal wieder gelingt - die Widerholung des Angriffs ist bereits angesagt -  und welche Folgen diese neu erwachte synodale Kraft für die weitere Entwicklung der Kirche haben wird, ist abzuwarten – denn ohne den sicheren Felsen Petri als Fundament kann die Kirche, wie ihre Geschichte lehrt, bestenfalls akute Notlagen überwinden, aber nicht auf Dauer gedeihen.

Eine möglichst vollständige Aufhellung der Abläufe der vergangenen Woche wird die Historiker noch eine Weile beschäftigen. Wir begnügen uns für heute mit der Wiedergabe einer Reihe von Einsichten und Ansichten aus Blogs und Publikationen, denen die überraschende Wendung in Rom nicht wie dem Mainstream die Sprache verschlagen hat.

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