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Alcuin Reid zu den Bittagen

Bild: Wikimedia Commons, public domainSeit alters her begeht die Kirche die drei Tage vor Christi Himmelfahrt als Bittage, an denen sie Gott um Abwendung von Unheil und Hilfe in der Not anfleht. Im Idealfall – der bis zur Katastrophe des Konzils der Regelfall war – waren diese Bittage mit einer Prozession durch die Gemeinde verbunden. Kernstück der als Litaniæ minores bezeichneten Bittprozessionen ist wie auch bei der auf uralten römischen Gebrauch zurückgehenden Flurprozession am 25. April – bezeichnet als Litaniæ majores – die Allerheiligenlitanei. Sie wurde zu diesen Gelegenheiten als „doppelte Litanei“ gesungen. Das heißt, die Teilnehmer beantworteten nicht nur die vom Vorsänger oder Chor gesungenen Namen der Angerufenen mit dem ora(te) pro nobis, sondern Vorsänger und Volk sangen jeweils die ganze Anrufung mit Namen und orate.

Dom Alcuin Reid, Prior der kleinen Benediktinergemeinschaft des Monastère Saint Benoît von La Garde-Freinet in der französischen Diözese Fréjus-Toulon hat auf New Liturgical Movement die Kapitels-Predigt veröffentlicht, die er seinen Mitbrüdern zu den Bittagen vorgetragen hat. Wir haben den Text mit geringfügiger Kürzung übersetzt.

In der Form ähneln die Begängnisse dieser Bittage den Litaniæ Majores vom 25. April, aber sie haben einen anderen Ursprung. Sie entstanden im 5. Jahrhundert in Gallien als Tage des Fastens und der Enthaltsamkeit, an denen man keine „knechtischen Arbeiten“ leistete, sondern die ganze Gemeinde an einer umfangreichen Bußprozession teilnahm, oft barfuß. In der römischen Liturgie fanden die Prozessione und die Litaneien erst viel später , nämlich etwa zu Anfang des 9. Jahrhunderts, einen Platz, und dann wurden sie dort auch lediglich als reine Bitttage begangen. Das Fasten und der Bußgedanke wurden als unvereinbar mit dem Charakter der Osterzeit angesehen.

Heute sind die Litaniæ minores ebenso wie die Litaniæ majores nach den Büchern für den Usus antiquor des römischen Ritus an allen vier Tage vorgeschrieben für alle Geweihten und alle Ordensangehörigen, die zum Beten des Breviers bzw. zur Teilnahme am Stundengebet verpflichtet sind – und zwar unabhängig davon, ob die damit verbundene Prozession stattfindet (was selbstverständlich wo immer möglich höchst wünschenswert ist). So bewahren also die älteren liturgischen Bücher diese Pflicht zu einer über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Anrufung Gottes und der Heiligen durch Kleriker und Ordensleute, die in den neueren aufgegeben worden ist.

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Zur 'fractio panis'

Bild: Gefunden auf http://www.elbonpastor.cat/2016/04/Mehrfach (hier ein Beispiel) hat Fr. Zuhlsdorf sich in den vergangenen Wochen gegen die an einigen Orten geübte Praxis des „Hostienabwurfs“ in die Hände der Kommunikanten gewandt, die vielfach zur Reduzierung des Corona-Infektionsrisikos empfohlen wird. Eine Zuschrift an sein Blog hat nun die Frage aufgeworfen, ob der Priester selbst nicht etwas ähnliches praktiziert, wenn er nach der fractio panis ein Segment der Hostie in den Kelch mit dem Blut des Herrn gibt. In seiner ausführlichen Antwort geht Fr. Zuhlsorf nicht nur auf die offenkundigen Unterschiede in Situation und Gestus der beiden Handlungen ein, sondern gibt auch eine Erläuterung des Sinns dieses Ritus-Elements – das übrigens beiden Formen des römischen Ritus gemeinsam ist. Hier der wesentliche Teil dieser Erklärung:

Es beginnt ein langes ZitatDer Priester vollzieht die Konsekration in einem zweiteiligen Akt, der die Trennung von Leib und Blut des Herrn, also seinen Tod, anzeigt. Später folgt dann der Ritus der Brechung der Hostie. Der hl. Thomas v. Aquin gibt dafür eine dreifache Interpretation: Erstens: Das „Zerbrechen“ des Leibes des Herrn während seines Leidens (So, wie Adam eine Rippe genommen wurde wird auch der Neue Adam am Kreuz durchbohrt). Zweitens (nach der Zahl der Teile) verweist der Ritus auf die dreierlei Existenzweisen des Herrenleibes – unter den Menschen, im Grab und im Himmel. Drittens schließlich die Gnaden, die aus Christi Leiden hervorgehen – die Entstehung und Einheit der Kirche und der Frieden Christi für die ganze Welt usw. Man beachte, daß der Priester alle Anwesenden mit einem „Pax domini sit semper vobiscum“ grüßt, wenn er mit einem Fragment der Hostie dreimal das Kreuzzeichen über dem Kelch macht. (Soweit Thomas)

Als nächstes folgt dann die Vermischung. Der Priester ist dazu angehalten, das bei der fractio panis abgebrochene Stück in das kostbare Blut im Kelch zu geben, Die Rubrik sagt dazu „Particulam ipsam inmittit in Calicem“ - Er gibt die Partikel in den Kelch. Da seine Hände sich noch wie beim „Pax domini“ über dem Kelch befinden, muß er die Partikel nicht irgendwie werfen, er läßt sie einfach in den Kelch fallen. Ja, er läßt sie in der Tat in das kostbare Blut fallen.

Dieser Ritus der Vermischung wird auch als fermentum bezeichnet, das bedeutet Hefe (und auch Bier, aber ich schweife ab). Wenn der Leib und das Blut in diesem Augenblick wieder zusammengeführt werden, kommt dem mehrfache symbolische Bedeutung zu: 1) So wie ein kleines Stück Hefe einen großen Klumpen Teig durchwirkt, so soll diese Partikel und seine Vermischung die ganze Kirche mit dem Frieden durchwirken, der beim „Pax domini“ angerufen wurde. 2) Der Augenblick, in dem die Partikel in das kostbare Blut gleitet ist wie die Wiedervereinigung der körperlichen Lebenskraft mit dem Leibe in der Auferstehung und 3) Obwohl die anderen beiden Teile der Hostie und das kostbare Blut noch voneinander getrennt sind, verweist die Vermischung doch auf ihre Einheit, sie alle sind Leib und Blut, Seele und Gottheit des Herrn in einem Sakrament, nicht zwei verschiedene Elemente.“

Die verlorenen Feste - II

Bild: Wikimedia, Gustavo La Pizza, CC BY-SAHeute ist also der zweite Termin unserer „Oktav der verlorenen Feste“: Das „Fest des hl. Johannes, Apostels und Evangelisten, von der lateinischen Pforte“, Farbe rot - wie bei Märtyrerfesten. Es gedenkt einer alten Erzählung, nach der der Apostel Johannes mit seiner Missionstätigkeit den Unmut der römischen Staatsgewalt erregte und deshalb wie seine Mitapostel Petrus und Paulus als Gefangener nach Rom gebracht wurde, um ihm den Prozess zu machen. Der habe vor der (heute noch zu besichtigen) Porta Latina stattgefunden, und nach vielen Foltern sei der Apostel zur Vollstreckung des Todesurteils in siedendes Öl geworfen worden. Doch der Herr habe ihn wunderbar daraus errettet, so daß er „stärker und reiner als zuvor“ (so das Martyrologium) hervorgegangen sei, um seine Mission fortzusetzen.

Man sieht geradezu, wie sich bei solchen Erzählungen Unmutsfalten auf der Stirn moderner Theologen bilden und sie allen Scharfsinn aufbieten, um uns zu erklären, daß dieses a) unmöglich tatsächlich stattgefunden haben könne und deshalb b) das unmögliche Fest aus dem Kalender der Kirche zu streichen sei. Und mit a) haben sie ja vermutlich auch recht: Es ist extrem unwahrscheinlich, daß der Apostel, der nach dem wenigen, was wir über ihn wissen, sicher kein römischer Bürger war, nach Rom gebracht und dort vor Gericht gestellt worden wäre.

Aber folgt daraus wirklich auch b)? Wäre es denn so unmöglich, rund um dieses Gedenken eine Katechese zu entwickeln, die es für den „modernen Menschen“ nicht nur akzeptabel, sondern ebenso liebens- (und glaubens)wert machte wie für unsere Vorfahren?

Doch darum geht es den Leuten mit den Unmutsfalten auf der Denkerstirn zuletzt. Schon der Gedanke des Martyriums bereitet ihnen Unbehagen (ach, wie recht sie haben). Die Rede von barbarischen Foltern und scheußlichen Hinrichtungsarten ist ihnen zutiefst zuwider, und zwar nicht nur, weil jeden, der davon hört, zu recht grausiges Schaudern überkommt – neben der bangen Frage: Und wie würde ich auf solche Drohung reagieren? Da ist noch mehr, das weit über die individualpsychologische Ebene hinausgeht.

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Die verlorenen Feste - III

Bild: gefunden auf http://www.gottliebtuns.com/monte_sant_angelo.htmDer überlieferte Kalender verzeichnet für den 8. Mai das Fest der Erscheinung des hl. Erzengels Michael auf dem Monte Gargano in Apulien um das Jahr 495. Neuere Ausgaben (des traditionellen Martyrologiums) fügen hinzu: „den Papst Pius XII zum Patron und Schutzherren der Radiologen und Strahlentherapeuten eingesetzt hat“. Wir sehen: Die römische Kirche wendet sich nicht gegen Innovationen per se, vertraut sie allerdings dem Schutz Gottes und seiner Heiligen an.

Für die Reformer von Liturgie und Martyrologium ist das freilich nicht genug: Als aufgeklärte Höhlenbewohner des 20. und 21. Jahrhunderts können sie die Vorstellung einer Engelserscheinung ebenso wenig ertragen wie die des Martyriums und der wunderbaren Errettung vor der Porta Latina. Folglich taucht das Fest in der aktuellen Fassung des Martyrologiums und im liturgischen Kalender (wie stets referenziert nach Schott-Online) nicht mehr auf.

Nun hat es mit der Verehrung der hl. Engel eine besondere Bewandnis: Weitaus stärker als der Kult der Heiligen, für deren Wirken es oft historische oder literarische Zeugnisse sowie beglaubigte Traditionen und kirchliche Regelungen gibt, eignen sich die unsichtbaren Geister dazu, anfälligen Personen (oder Gemeinschaften) Vorlagen für bedenkliche Phantasien oder direkt schädliche Irrtümer zu geben. Es fällt nicht schwer, in der Fassung der Mte-Gargano-Legende, die bei Jacopo de Voragine überliefert ist, Erinnerungen an einen „heiligen Ort“ aus vorchristlicher Zei zu vermuten. Wer will, mag auch an dem einzigen Eigentext des Propriums vom Hl. Michael von Gargano, dem Graduale, Anstoß nehmen, wo es heißt:

Alleluja, Alleluja. (V) Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe, auf daß wir nicht zu Grunde gehen im schrecklichen Gerichte. Alleluja. (V) Das Meer kam in Wallung, es wankte die Erde, als der Erzengel Michael vom Himmel herabstieg. Alleluja.

Der Wortgebrauch des zweiten Versikels ist exakt der von Psalm 18: 10,16 – wo es aber der Herr (Jahwe) selbst ist, der „den Himmel neigt und zur Erde herabfährt“. Die Gefahr zu gedanklichen Grenzüberschreitunen wird noch dadurch vergrößert, daß es im Alten Testament und seinen Apokryphen noch andere Passagen gibt, die die Unterscheidung zwischen dem Einen Einzigen Gott und den (zählbaren!) höchsten Engeln unscharf werden lassen.

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Fest der Auffindung des hl. Kreuzes

Bild: S. Anmerkung zum Text.Die Oktav der verlorenen Feste hat uns daran erinnert: Nach dem überlieferten Kalender wäre der 3. Mai das Fest der Auffindung des Hl. Kreuzes gewesen. Dieses Fest war auf Summorum-Pontificum schon mehrfach Thema: Hier über die legendäre Vorgeschichte des Kreuzesholzes vom Sprößling vom paradiesisschen Baum des Lebens auf dem Grabe Adams bis zur Verwerfung bei Salomos Tempelbau und Versenkung im Teich von Siloah. Dann über die Auffindung durch Helena und die anschließende wechselvolle Geschichte der Reliquie in Spätantike und Mittelalter. Lesenswert auch eine Meditation von P. Kilby von Silverstream Priory über die Liturgie dieses Tages.

Nachzutragen bleibt heute ein Detail der Legende von der Auffindung in der Version Jacopo de Voragines – wobei Helena selbst übrigens keine ganz so gute Figur macht: Durch Folter zwingt sie einen der jüdischen Bewohner von Colonia Aelia Capitolina (das war der Name, den die siegreichen Römer dem überwiegend heidnisch wiederbesiedelten Jerusalem nach der Zerstörung gegeben hatten), das in der jüdischen Gemeinde bekannte Versteck des Kreuzes zu verraten. Der Name dieses Juden wird passenderweise mit Judas angegeben. Tatsächlich findet man in dem von Judas als Versteck angegebenen alten Brunnen sogar drei Kreuze – die Kreuze der beiden Schächer sind mit dabei. Originaltext Legenda Aurea:

Nun mochten sie aber das Kreuz Christi von den Kreuzen der Schächer nicht unterscheiden, darum legten sie die Kreuze mitten in die Stadt und warteten, ob der Herr seine Macht erzeige. Und siehe, um die neunte Stunde trug man einen toten Jüngling vorüber; da hielt Judas die Bahre an und legte das erste und das zweite Kreuz über den Toten; aber er rührte sich nicht; aber da man das dritte auf ihn legte, ward der Tote alsbald lebendig. (...)

Als das aber geschehen war, schrie der Teufel in den Lüften: ‚O Judas, was hast du getan? Du hast gar ungleich getan meinem Judas: Der hat durch meinen Rat Christum verraten, du hast wider meinen Willen sein Kreuz gefunden; er hat mir viele Seelen gewonnen, durch dich werde ich die verlieren, die ich gewonnen hatte'.“

Und Jacopo weiß noch mehr: Judas wurde gläubig und ließ sich mit dem Namen Quiriacus taufen; später wurde er sogar Bischof von Jerusalem und starb unter Julian Apostata den Märtyrertod.

An der Historizität dieser Judas-Geschichte darf man getrost zweifeln. Man darf sie auch als einen Beleg für den sogenannten „Antijudaismus“ der Kirche des Mittelalters nehmen – wird dann aber nach dem Zeugnis Jacopos auch zugeben müssen, daß dieser „Antijudaismus“ nichts mit einem antisemitischen Rassismus zu tun hatte und auch die Juden nicht von der Errettung durch den verkannten Messias ausschloss.

Es kommt eben allein darauf an, das wahre Kreuz Christi zu finden und an den Erlöser zu glauben. Alles andere hat keine Bedeutung. Die Streichung des Festes von der Auffindung des hl. Kreuzes zu Jerusalem ist ein schwerer Verlust für die Kirche.

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Das Bild oben zeigt die Szene von der Ausgrabung der Kreuze auf dem Fresco in der Apsis von S. Croce in Gerusalemme in Rom. Gefunden in einer ausführlicheren Vorstellung des Gesamtgemäldes bei Sacerdos Viennensis.

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  • Stationskirchen

    Die römischen Stationskirchen

    Kupferstich von Giusepppe Lauro aus dem Jahr 1599

    In der Fastenzeit 2013 haben wir zu jedem Tag die entsprechende Stationskirche kurz vorgestellt. Damit sind zwar alle gegenwärtigen Stationskirchen erfasst, aber nicht alle Tage mit einer Statio, von denen es auch etliche außerhalb der Fastenzeit gibt.

    Bei der Vorstellung der Stationskirchen orientierten wir uns im wesentlichen an „Die Stationskirchen des Missale Romanum“ von Johann Peter Kirch, Freiburg 1926. Zu Ergänzungen haben wir Hartmann Grisar „Das Missale im Licht römischer Stadtgeschichte“, Freiburg 1925, und Anton de Waals „Roma Sacra - Die ewige Stadt“ von 1905 in der Überarbeitung Johann Peter Kirchs von 1925 (Regensburg 1933) herangezogen. Daneben haben wir auch auf Informationen aus Internetquellen zurückgegriffen. Die Illustrationen stammen, soweit nicht anders angegeben, von eigenen Aufnahmen.

    Wie der gegenwertige Nachfolger de Waals und Kirchs als Direktor des römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, Prof. Msgr. Stefan Heid, uns mitteilte ist diese älter Literatur insbesondere in Sachen der Datierungen vielfach überholt. Nach seinen Untersuchungen geht die Institution der Stationes nicht wesentlich vor die Zeit Gregors d. Großen zurück. Was natürlich nicht bedeutet, daß die Stationskirchen bzw. deren Vorgängerbauten nicht wesentlich älter sein können.

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