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Erster Fastensonntag

https://www.youtube.com/watch?v=2JOShBSsql0Da das „Alleluia“ in der Fastenzeit verstummt, wird in dieser Zeit zum Abschluß des Graduale ein Tractus angestimmt – und der erste Sonntag der Fastenzeit hat mit dem vollständigen Psalm 90 „Qui habitat in adjutorio altissimi“ gleich den längste Tractus in der gesamten überlieferten Liturgie. Dieser Tractus kann psalmodierend vorgetragen werden – dann steht er im 2. Ton. Er hat jedoch auch eine eigene gregorianische Melodie, die freilich nicht ganz trivial ist und daher heute nur noch selten zu hören ist. Das in der Slovakei beheimatete Graduale Project hat eine Aufnahme dieser Fassung auf Youtube bereitgestellt.

Das ursprünglich vor allem der Kirchenmusik des überlieferten Ritus gewidmete Blog Vox Cantoris verlinkt zum 1. Fastensonntag auf eine „altrömische“ Form dieses Tractus (Teil 1, Teil 2), wie sie während des 1. Jahrtausends an vielen Orten Italiens in Gebrauch war und in den letzten Jahrzehnten durch Entzifferung von Manuskripten und Vergleich verschiedener Traditionen mit einiger Sicherheit erschlossen werden konnte. Diese Form mutet unseren „gregorianisch“ geschulten Ohren einigermaßen orientalisch an. Nicht grundlos: Sie geht auf eine weit bis in die Zeit der Apostel reichende Tradition zurück. Vox Cantoris schreibt dazu: „Sie kommt dem am nächsten, was unser Herr Jesus Christus wohl im Tempel zu Jerusalem gehört und auch selbst gesungen hat.“

Sonntag Quinquagesima

Der Sonntag Quinquagesima steht in der überlieferten Liturgie ganz im Zeichen des bevorstehenden Erlösungsopfers Christi, auf dessen Gedächtnis uns die Fastenzeit vorbereitet. Die Matutin liest daher aus der Genesis den Bericht über die Berufung Abrahams, für den Dom Gueranger folgende Deutung bietet:

Wir müssen also Abraham als unser Haupt und Vorbild anerkennen. Sein ganzes Leben faßt sich in den Begriff der Gottestreue zusammen.Allen Befehlen Gottes unterwarf er sich, Alles gab er preis und brachte es zum Opfer, um dem heiligen Willen Gottes Genüge zu leisten. Darin liegt auch das charakteristische Kennzeichen eines Christen, und wir können daher aus dem Leben dieses großen Mannes die Lehren, die es enthält, als Richtschnur ansehen.“ (Das Kirchenjahr, Bd 4, S. 195-6)

Wie haben Gueranger zur Bedeutung dieser Schriftstelle bereits vor zwei Jahren ausführlicher zitiert.

Im Zentrum des Propriums der Messe steht der Bericht des Hl. Lukas vom Aufstieg der Jünger nach Jerusalem, bei dem Jesus den Zwölfen sein bevorstehendes Leiden und Sterben vorhergesagt hat.

Alles wird in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben steht. Denn er wird den Heiden überliefert, verspottet und angespien werden, und nachdem sie ihn gegeißelt haben, werden sie ihn töten, doch am dritten Tage wird er wieder auferstehen.

Die Wiedergabe dieser Prophezeiung endet bei Lukas mit dem angesichts der Klarheit dieser Ansage schwer verständlichen Hinweis, daß die Jünger nicht verstanden hätten, was Jesus damit sagen wollte. Und so schließt auch das heutige Evangelium den bereits bei Lukas unmittelbar folgenden Bericht von der Heilung des Blinden an: Sei sehend, dein Glaube hat Dir geholfen. Nachdem bereits die Epistel mit der Lesung aus dem Brief an die Korinther zum Ausdruck gebracht hat , daß „alles nichts ist ohne die Liebe“, sind damit die entscheidenden Voraussetzungen dafür benannt, die bevorstehende Leidensgeschichte nicht als Anlaß zur Verzweiflung zu begreifen, sondern als Heilsgeschichte, als Grund zur Hoffnung auf die Erlösung durch das Kreuz.

Die Liturgie Pauls VI. kennt die Vorfastensonntage nicht mehr, dementsprechend hat auch die Ankündigung seines bevorstehenden Leidens im Evangelium des „8. Sonntages im Jahreskreis“ keinen Platz mehr gefunden – in keinem der drei Lesejahre. Tatsächlich ist die ganze eindringliche Prophezeiung Jesu, wie sie Lukas in 18, 31-34 überliefert hat, in der neuen Leseordnung an keiner Stelle mehr enthalten; allein der Bericht von der Heilung des Blinden findet sich noch am Montag der 33. Woche im Jahreskreis.

Vom Fortschritt zum Hochmut

Illustration von Jerome Nadal, 1595, http://catholic-resources.org/Art/Nadal.htmWährend des Mittelalter gab es im süddeutschen Sprachraum für jeden der drei Vorfastensonntage eine eigene Präfation - selbstverständlich in lateinischer Sprache. Diese Präfationen wurden beim großen Liturgischen Aufräumen nach dem KOnzil von Trienbt nicht in das römische Missale aufgenommen. Sie wären es jedoch zweifellos wert, auch im Gottesdienst wieder gebraucht zu werden - wenn eines Tages wieder einmal ein weniger verkrampfter Umgang mit dem liturgischen Erbe der lateinischen Kirche möglich sein sollte.

Wir zitieren hier die Präfationen von Septuagesima und Sexagesima nach der deutschen Übersetzung von Martin Gerbert in seinen Monumenta veteris Liturgiæ Allemannicæ von 1777-79

Zum Sonntag Septuagesima:

In Wahrheit ist es würdig und recht, billig und heilsam, Dir immer und überall dankzusagen, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott! Denn durch das, was wir sehen, werden wir belehrt, auf welche Weise wir nach dem Unsichtbaren streben sollen. So werden wir im Laufe des Jahres ermahnt, vom Vergangenen zum Zukünftigen überzugehen, und vom alten Menschen zum neuen Leben, damit wir frei von irdischen Lasten sehnsüchtig die Fülle der himmlischen Gaben empfangen, und damit wir durch die Speise, die die himmlische Seligkeit vorwegnimmt, zum endgültigen Sieg gelangen, durch Ihn unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn loben die Engel Deine Majestät, die Herrschaften beten sie an, die Mächte verehren sie zitternd. Die Himmel und die himmlischen Kräfte und die seligen Seraphim feiern sie jubelnd im Chore. Mit ihnen laß, so flehen wir, auch uns einstimmen und voll Ehrfurcht bekennen:

Zum Sonntag Sexagesima: 

In Wahrheit ist es würdig und recht, (…) ewiger Gott! Dir hat es gefallen, die vernünftigen Geschöpfe die rechte Ordnung der Dinge zu lehren, damit sie nicht den vergänglichen Gütern erlegen nach dem ewigen Lohn streben müssen. Denn umso größer die Zucht ist, umso geringer ist die Gefahr, daß der Fortschritt zum Hochmut werde. So soll die Frömmigkeit des Menschen so großartig sein, daß keine Widrigkeit sie fortreißen oder besiegen kann. Durch Ihn unseren Herrn Jesus Christus...

Gefunden auf katholisches.info vom 16. Februa zusammen mit interessanten Informationen zum Liturgieverständnis der Klosterneuburger Choherren um Pius Parsch.

Am Sonntag Septuagesima

Bild: http://kunstmuseum-hamburg.de/die-koelner-bibel-kunstdrucke/Mit dem heutigen Sonntag Septuagesima vertieft sich – zunächst auf der sprachlichen Ebene – die Spaltung zwischen den Katholiken, die der überlieferten Liturgie anhängen, und denen, die auf dem Wege dauernder Reformationen um Anschluß an die jeweils aktuelle „Lebenswirklichkeit“ bemüht sind.

Bis zum vergangenen Sonntag stimmte zumindest die Zählung überein: Dem 5. Sonntag nach Erscheinung des Herrn in der Tradition entsprach der „5. Sonntag im Jahreskreis“ im Novus Ordo. Dort geht es heute mit dem „6. Sonntag im Jahreskreis“, was auch immer das bedeute, weiter, während die Tradition sich mit dem Sonntag Septuagesima als dem 1. Sonntag der Vorfastenzeit auf den Beginn des Osterfestkreises einstimmt.

Wie immer: Der Unterschied der Terminologie ist auch Ausdruck inhaltlicher Verschiedenheiten. Am deutlichsten kommt das zum Ausdruck in der Geschichte der Lesungen dieses Tages, nicht nur im Missale, sonder besonders auch im Stundengebet. Die überlieferte Liturgie setzt hier ein starkes Zeichen, wenn Sie in der Matutin mit der Lesung des Schöpfungsberichtes aus der Genesis einsetzt: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde... Jahrhundertelang wurde dann in der zweiten Nokturn in der Predigt des hl. Augustinus der Sündenfall der Stammeltern im Paradies in Erinnerung gerufen - beide Lesungen verweisen darauf, daß an diesem Tag ein neuer Abschnitt beginnt und heben dazu unterschiedliche Sichtweisen auf den Anfang der Heilsgeschichte hervor. Der biblische Bericht vom Sündenfall der Stammeltern im Paradies, ebenfalls wieder aus der Genesis, folgte dann am Mittwoch - bereits so nicht mehr enthalten im Brevier Johannes' XXIII

In der erneuerten Liturgie wird einfach weitergezählt, ein besonderer Akzent ist nicht erkennbar. Auch das ist ein starkes Zeichen, nämlich dafür, daß das Bewußtsein, daß wir unsere Welt und unser Leben aus der Gnade Gottes empfangen und diese bedingungslos gewährte Gnade durch Schuld verspielt haben, weitgehend verloren gegangen ist. Mit dem Begriff von der „Erbsünde“ kann die Lebenswirklichkeit der heutigen Theologie nur noch wenig anfangen – und damit geraten auch die Erlösungsbedürftigkeit und letztlich der Erlöser selbst aus dem Blickfeld. Konsequent entwickelt sich die Theologie „über Christus hinaus“.

In diesem Jahr steht der Sonntag Septuagesima im Schatten des erbitterten Streites um Amoris Laetitia, der in Wirklichkeit ein Streit um die Geltung der drei Sakramente Buße, Ehe und Eucharistie ist. Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts aufgetretene Auseinanderentwicklung in Formen und Formeln wird zunehmend kenntlich als Auseinandersetzung über den Wesenskern des Glaubens selbst, und 500 Jahre nach dem Beginn der unseligen „Reformation“ werden wir Zeuge der Entwicklung neuer Konfessionen.

Für weitere Informationen zur historischen Entwicklung der Liturgie dieses Sonntags verweisen wir auf unseren entsprechenden Beitrag vom letzten Jahr.

Finger weg vom Missale!

In der englischsprechenden Welt – soweit sie sich für liturgische Fragen interessiert, und so gesehen ist diese Welt auch nicht allzu groß – gibt es seit einigen Tagen eine heftige Diskussion um 14 Thesen von Fr. Stravinskas: Was der Novus Ordo zur Verbesserung des überlieferten Ritus beitragen kann. (Hier die Vorschläge, dazu ein erster Kommentar von Peter Kwasniewski) Stravinskas gehört zur angesichts der enormen Polarisierung der letzten vier Jahre ständig kleiner werdenden Zahl von „Neokonservativen“, die – motiviert von einer nicht unberechtigten Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Kirche – nach Kompromissen suchen die „den Laden zusammenhalten“ sollen. Deshalb muß man ihm nicht von vornherein unterstellen, seine Vorschläge zielten auf eine Zerstörung der überlieferten Liturgie ab – obwohl diese Zerstörung tatsächlich das Ergebnis wäre, sollten diese Ideen umgesetzt werden, und wären die Gläubigen, die der überlieferten Liturgie und Lehre treu sind, bereit, eine solche Umsetzung akzeptieren. Wovon heute ja nicht mehr ohne weiteres auszugehen ist.

Eine Durchsicht der Vorschläge Stravinskas' – hier in der Reihenfolge des Originalartikels numeriert – ergibt immerhin drei Punkte, über die man diskutieren könnte. Könnte, wenn nicht die aktuelle Situation jede Änderung gegenüber den Formen des Missales von 1962 und seiner Vorläufer im 20. Jahrhundert verbieten müsste:

Aufgabe der doppelten Rezitation einiger Gebete durch Priester und Gemeinde
Diese Praxis entstand im Mittelalter als Reaktion auf einen Mißstand: Vielfach waren Scholen oder Chöre nicht imstande, die ihnen zukommenden Texte korrekt zu verbalisieren – sie produzierten dann sinnloses Küchenlatein. Also entschlossen sich gewissenhafte Priester, diese Gebete zunächst selbst mit leiser Stimme vorzutragen – zur Sicherheit. Wo diese Notwendigkeit nicht besteht, spricht nichts dagegen, daß der Priester sich mit seinem Gebet dem Gesang der Schola anschließt. (Punkt 4)

Einbeziehung der Predigt in die Liturgie
Der historische Ursprung der Herausnahme der Predigt aus der Liturgie – versinnbildlicht durch die Ablegung von Manipel und Messgewand – war kurzfristig nicht zu ermitteln. Der Brauch hat möglicherweise damit zu tun, daß an Bischofs-, Stifts- und Klosterkirchen oft ein anderer Priester als der Zelebrant predigte. Jedenfalls ist der Einwand von Stravinskas ernst zu nehmen, daß die Einbeziehung der Predigt in die Liturgie eine Handhabe bieten könnte, um der Tendenz zu Laienpredigten entgegenzuwirken – die freilich in der überlieferten Liturgie ohnehin nicht sehr stark ausgeprägt sein dürfte und im NO bekanntlich nicht wirklich funktioniert. (Punkt 8)

Ad populum im Lehrgottesdienst, Ad Deum bei der  Opferliturgie
Wie beim Pontifikalamt, teilweise auch noch beim levitierten Hochamt zu sehen ist, kennt der römische Ritus auch heute noch eine Unterscheidung von Zeremonien, die am Altar und in der direkten Hinwendung zum göttlichen Empfänger des Opfers stattfinden von solchen, die sich freier im Kirchenraum orientieren und bewegen. Ihre Konzentration am und auf den Altar ist nicht zuletzt eine praktische Folge der Ein-Priester-Messe, und die latreutische Deutung dieser Ausrichtung am Altar ist wohl eher sekundär. Das macht sie keinesfalls wertlos, stünde aber auch einer (erneuten) Umorientierung nicht prinzipiell im Wege. (Punkt 11)

Mit Entschiedenheit abzulehnen, weil entweder Ausdruck eines Bewußtseins, das zur Entwicklung des Novus Ordo und seiner Mißsstände geführt hat – oder auf Denkweisen beruhend, die erst durch den Novus Ordo popularisiert und akzeptabel gemacht worden sind:

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