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„Ein Stück liturgischer Genialität“

Zum Fest der Kreuzauffindung, das nach den älteren Ausgaben des Missale Romanum (bis 1962) am 3. Mai begangen wurde, fanden wir einen überaus lesenswerten Text auf Vultus Christi, den wir hier gekürzt wiedergeben:

Es beginnt ein langes ZitatDie ältesten liturgischen Traditionen der Kirche betrachten auch in der Osterzeit das lebensspendende Kreuz unseres Herrn Jesus Christus und feiern es anbetend. Einige unerleuchtete Seelen sind dagegen, die Geheimnisse der Passion und des Kreuzes nach dem Pascha in Erinnerung zu rufen - das verrät wenig Kenntnis von der lebenden und beständigen Tradition der Kirche dazu.

Im hellen Licht der Auferstehung wird das Gedächtnis der Passion und des Kreuzes von Glorie durchleuchtet, die Feier von Leiden und Kreuz - insbesondere im Heiligen Messopfer - wird zu einem Vorgeschmack des Triumphes des Fürstens des Lebens; die Anbetung des Lammes, das geschlachtet wurde, wird im Hier und Heute zur Teilnahme an der himmlischen Liturgie, wie sie der hl. Johannes im Buch der apokalypse beschrieben hat:

Ich sah und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und um die Ältesten; die Zahl der Engel war zehtausendmal zehntausend und tausendmal tausend. Sie riefen mit lauter Stimme: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeiut und Lob. Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles was in der Welt ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in Ewigkeit.“ (Apokalypse 5.11-13)

Wenn bei Beginn der großen Osternachtsvigil  die Weihrauchkörner in die Osterkerze gedrückt werden, rufen wir mit diesem Gebet die Fünf Wunden „Christi an: „Der Herr Jesus Christus bewahre und beschütze uns durch seine heiligen und glorreichen Wunden.“ Diese Liturgische Formel passt zu allen Zeiten, aber in der österlichen Zeite findet sie besonderen Widerhall. Die Betrachtung der Wunden Christi begann mit seiner Erscheinung vor den Aposteln nach der Auferstehung. Ursprung und die Bewegung der Verehrung der Fünf Wunden sind somit dem Wesen nach biblisch und liturgisch. ... Es wäre wünschenswert, das Familiengebet während der österlichen Zeit mit der oben genannten Formel zu beschließen. Man könnte die Kinder dazu auffordern, das kurze Gebet auswendig zu lernen und aufzusagen, wenn sie die Fünf Wunden unseres Herrn auf einem Kruzifix oder einer Ikone des Auferstandenen küssen.“ (...)

Auch wenn das Fest der Auffindung des Heiligen Kreuzes am 3. Mai nicht mehr in den neueren liturgischen Büchern enthalten ist, blieb es doch in der Ausgabe 1934 des Benediktinischen Antiphonale, das noch viel benutzt wird, erhalten und wird nach wie vor in vielen Benediktinischen Klöstern begangen.

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Der Passionssonntag

Mit dem Sonntag „Judica“ tritt der hoffnungsvolle Ton, mit dem die Kirche die Katechumenen am vorausgehende Sonntag „Laetare“ in die letzte Vorbereitungsphase zur Taufe entlassen hatte, wieder in den Hintergrund, und die überlieferte Liturgie wendet sich der Betrachtung des Leidens Christi zu. Sie tut das mit unvermittelter Härte und sehr gründlich. Der Introitus betet den Psalm 42 „Judica“, aber nicht aus der Perspektive des Priesters, der sich auf den Aufstieg zum Altar vorbereitet, sondern aus der Perspektive des Herrn am Ölberg, der das Grauen der kommenden Tage herannahen sieht und den Vater anfleht, diesen Jelch, wenn es denn möglich wäre, vorübergehen zu lassen. Im Stufengebet fällt der Psalm daher an diesem Tage aus.

Warum dieser Kelch nicht vorübergehen kann, erklärt die Epistel mit den Worten des Apostels Paulus aus Hebr. 9: Nur das Blut des unbefleckten Opfers Christi selbst kann die Sündenschuld tilgen und den neuen Bund der Erlösung besiegeln. Das Evangelium (Johannes 8, 46-95) bietet dazu die historische Konkretisierung. Es berichtet von einem der großen Streitgespräche Christi mit den Pharisiäern, die seinen Anspruch, Sohn Gottes und der Messias zu sein, entrüstet zurückweisen: „Da hoben Sie Steine auf, um auf ihn zu werfen. Jesus aber verbarg sich und ging hinweg aus dem Tempel“.

Dieses Verbergen und Weggehen ist der Ursprung der Symbolik, daß die Kirche ab dem Passionssonntag die Kruzifixe verhüllt und das „Gloria Patri et Filio...“ nach den Psalmen in Missale und Offizium wegläßt.

Der Novus Ordo hat nicht nur die Bezeichnung dieses Sonntags als „Passionssonntag“ getilgt, sondern auch Aussage und Charakter der Liturgie radikal verändert. Nicht mehr vom Opfer am Kreuz und seiner zeitlichen Herleitung wie überzeitlichen Begründung ist in den insgesamt 9 Lesungen der drei Lesejahre die Rede, sondern in nachgerade österlichem Tonfall von Auferstehung und Erlösung allgemein, wobei einigermaßen unklar bleibt, warum es überhaupt einer Erlösung bedarf. Da der bedeutungsschwere Satz vom „Verbergen und Weggehen“ nirgendwo mehr vorgetragen wird, ist auch der Brauch der Verhüllung der Kreuze in vielen Gemeinden verloren gegangen oder wird in reichlich beliebiger Weise durch den Einsatz von „Fastentüchern“ und Verhüllungen von Bildwerken seit Anfang der Fastenzeit ersetzt.

Dominikanischer Ritus in Trinità dei Pellegrini

Am heutigen Samstag, dem 5. April und somit Festtag des hl. Vincenzo Ferrer aus dem Dominikanerorden zelebriert P. Reginald Rivoir von der Fraternität San Vincenzo Ferrer in der römischen Pfarrkirche der Petrusbruderschaft ein feierliches Amt im Eigenritus des Ordens. Die Predigt hält P. Bruno Cadoré, der Generalobere des Dominikanerordens. Das ist insofern bemerkenswert, als die der überlieferten Liturgie und Lehre folgende Fraternität nicht dem allgemeinen Orden angehört, der generell den Novus Ordo angenommen hat.

Um den dominikanischen Ritus hat es heute in mehrerlei Hinsicht eine besondere Bewandnis. Zunächst kann man sich fragen, ob es sich überhaupt um einen eigenen Ritus handelt oder nicht doch eher um einen Usus innerhalb des römischen Ritus. Tatsächlich hatten die großen Orden - bei einigen haben sich noch Reste davon erhalten - alle ihre eigenen Gebräuche bei der Liturgie, die vor der großen Vereinheitlichungswelle im 19. und 20 Jahrhundert auch selten Anlass zu Irritationen boten.

Eine zweite Frage besteht darin, ob und inwieweit auch die überlieferten Eigenriten der Orden durch Summorum Pontificum wieder zugelassen sind. Das Motu Proprio spricht von den liturgischen Büchern, die im Jahr 1962 gebraucht wurden - damit müssten auch die Missale der Orden erfasst sein. Andererseits haben Ordensangehörige jedoch ein besonderes Gehorsamsgelübde abgelegt und können sich - im Unterschied zum Diözesanklerus - schwerlich auf auf die Regelung des Motu Proprio berufen, die ausdrücklich keine besondere Genehmigung für die Verwendung dieser Bücher verlangt. 

Die Tatsache, daß der Generalprokurator der Dominikaner am heutigen Festtag in Ss Trinitá die Predigt hält, läßt eine gewisse Entspannung in dieser innerhalb des Ordens in den vergangenen Jahren kontrovers diskutierten und praktizierten Sache erwarten - s. dazu auch unsere Meldungen vom 24. Februar über die regelmäßige Zelebration in S. Clemente in Rom und vom 26. Februar über die weltweite Praxis der Dominikaner.

Das Große Scrutinium

Der Mittwoch nach dem vierten Fastensonntag war in der frühen Kirche Tag des „Großen Scrutiniums“ - eines feierlichen Abschnittes der Taufvorbereitung für die in der Osternacht in die Kirche aufzunehmenden Katechumenen. Die Liturgie in Rom begann um die Mittagszeit mit der Versammlung der Täuflinge und ihrer Paten im Vorhof von St. Paul vor den Mauern. Nach dem Introitus aus dem Propheten Ezechiel – die Messtexte blieben von der frühesten uns fassbaren Zeit bis einschließlich 1962 unverändert und wurden erst 1970 totalrenoviert – wurden die Katechumenen einzeln und namentlich in die Kirche gerufen und dann – nach Männern und Frauen getrennt – einem feierlichen Exorzismus unterzogen. Anschließend wurden die Lesungen aus dem alten Testament vorgetragen, dabei vollzogen Priester an den Katechumenen die Zeremonie der „Öffnung der Ohren“, wie sie heute noch im Taufritus der alten Form praktiziert wird.

Nach einem Psalmengesang erfolgte an der Stelle, zusätzlich vor dem Evangelium drei besondere Zeremonien. Die erste ist die „Übergabe der Evangelien“ – dazu wurden die Anfänge (jeweils 10-20 Verse) aller vier Evangelien vorgetragen und mit bereits früh formalisierten Predigten erklärt. Anschließend erfolgte die feierliche „Übergabe des Glaubensbekenntnisses“, das in Griechisch und Latein vorgetragen wurde, und schließlich als dritte  „Übergabe“ eine ausführliche Katechese zum Vater Unser. Auch diese Texte wurden früh fixiert und sind – zumindest als Muster – im Gelasianischen Sacramentar aus dem 7. Jahrhundert überliefert. Zum Abschluß der Einführung in das Vater Unser richtete in Rom der Papst – andernorts der Bischof – folgende Ermahnung an die Katechumenen:

Ihr habt nun, geliebte Söhne, soeben die Geheimnisse des Gebetes des Herrn vernommen; behaltet diese in euren Herzen beim Gehen und beim Kommen, damit ihr zur Vollkommenheit gelangt, um die Barmherziogkeit Gottes zu erflehen und zu erhalten. Der Herr unser Gott ist mächtig und er wird euch, die ihr auf dem Weg des Glaubens seid, zum Bade des wiedergebärenden Wassers führen. Möge er uns, die wir euch die Geheimnisse des katholischen Glaubens überliefern, mit euch zum Himmelreich gelangen lassen, er, der da lebt und regiert mit Gott dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Danach mussten die Katechumenen die Kirche für die eigentliche Opferfeier wieder verlassen. Ihre Paten traten bei der Opferung an den Altar um ihre Namen vorzutragen, die dann vom Papst oder Bischof innerhalb des Kanons beim Gedächtnis der Lebenden wiederholt wurden. Erst nach dem Opfermahl wurden die Katechumenen erneut in die Kirche gerufen um den Ort und die Zeit des nächsten Scrutiniums zu erfahren.

Laetare, Jerusalem

Seit unvordenklichen Zeiten singt die Kirche als Introitus am 4. Fastensonntag die Aufforderung des Propheten Jesaias:

Lætare, Jerusalem, et conventum facite omnes, qui diligitis eam. Gaudete cum lætitia, qui in tristitia fuistis.

Freu dich, Jerusalem! Kommt alle zusamen, die ihr es liebt, froh überlaßt euch der Freude, die ihr traurig waret.“

Die heute übliche Deutung dieser Verse geht darauf hinaus, daß hier vor dem Passionssonntag ein erster Vorausblick auf die Erfüllung des bevorstehenden Leidens im Jubel der Auferstehung fällt - deshalb ist das Violett der Buße an diesem Sonntag zum rosacea verhaltener Freude aufgehellt.

Keinesfalls im Widerspruch dazu, aber doch mit einer deutlichen Akzentverschiebung und noch stärkerer Einbettung in den Ablauf des Kirchenjahres, erklärt Rupert von Deutz († 1129) die Bedeutung dieses Sonntags und seiner Messtexte so:

Dieser Sonntag ist von dem Sonntag an, der Septuagesima heißt, der siebte, und stellt zeichenhaft den Sabbattag der Welt dar, ds heißt die Ruhe, in der die Seelen der Heiligen und der Auserwählten nach Ablegung der Last des Fleisches wie Sieger nach Kriegen und nach Niederlegen der Waffen sich in Muße freuen und jetzt (...) auf die Auferstehung harren. Dort aber freut sich 'jenes Jerusalem, das oben ist, das die Freie ist, die unser aller Mutter ist (Gal 4,26), und sie feiert den Festtag für die große Zahl ihrer Kinder, die nach dem Leben in der Fremde dieser Welt zurückkehrenund schüttet die für sie aufgesparten Speisen aus.“

Von da aus schlägt er einen großen Bogen vom Introitus über das irdische und himmlische Jerusalem der Epistel bis zur wunderbaren Brotvermehrung des Evangeliums, das über ein Jahrtausend alljährlich an diesem Sonntag vorgetragen wurde. Eine allegorische Deutung des Messformulars ohne Anspruch einer historischen Erklärung seiner Entstehung, aber von hohem Wert für das fromme Bemühen um Verständnis dessen, was wesentlich ist.

Römische Stationskirche des heutigen Sonntags ist S. Croce in Gerusalemme, errichtet in einem für die Aufbewahrung der Kreuzreliquien umgewidmeten Saal des Sessorianischen Palastes der Kaiserin Helena. Sie hatte den Boden mit einigen Schiffsladungen aus Jerusalem herbeigebrachter Erde vom Kalvarienberg bedecken lassen: Das Heilige Kreuz IN Jerusalem, nicht AUS Jerusalem. Das Apsis-Fresco aus dem 15. Jh. zeigt Christus Pantokrator über den Stationen der Kreuzauffindung zu Jerusalem.

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