„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Prozession in ein dunkles Zeitalter
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- 26. Februar 2021
Hauptthema von Fr. Hunwickes Mutual Enrichment war in dieser Woche ein Artikel zur Kommunionprozession der aktuellen Gottesdienstpraxis. Also jene merkwürdige Veranstaltung, bei der die Anwesenden praktisch geschlossen zum Kommunionempfang antreten, obwohl die meisten von ihnen seit Jahren nicht mehr gebeichtet haben und allein wegen dieses Verstoßes gegen ein strenges Kirchengebot nicht recht zum Empfang der Eucharistie disponiert sein dürften. Einem Blick in die Geschichte des Kommunionempfangs seit dem Mittelalter gewinnt Fr. Hunwicke bemerkenswerte Einsichten über den Zusammenhang von liturgischem Brauch, religiösem Bewußtsein und gelebter Sexualmoral ab, und seine Schlußfolgerung dürfte die liturgisch Progressiven ernüchtern: Ihre schöne postkonziliare Errungenschaft führt geradewegs zurück in ein neues dunkles Zeitalter.
Inmitten der Auseinandersetzungen darüber, wie in Zeiten der Pandemie der Leib und das Blut des Herrn am besten zu empfangen wäre, ist es vielleicht sinnvoll, einen Schritt zurück zu treten und die Riten des Kommunionempfangs in einem größeren Zusammenhang zu stellen. Dazu möchte ich das in Mode gekommene Konzept der „Kommunionprozession“ betrachten.
Im Tagesmessbuch von CTS steht da, wo man die Überschrift „Kommunion“ erwarten würde, „Kommunionprozession“, dabei übernimmt „Kommunion“ eine adjektivische Funktion. Diese eher dem Germanischen angehörende Wortverbindung bezeichnet ein syntaktisches Phänomen, das recht häufig geworden ist und besonders oft in Zeitungsüberschriften vorkommt: „Fußballmanager“, „Vergewaltigungsopfer“, „Unfallüberlebender“. Gibt es im Ordo Missae irgendeine Rechtfertigung für diese Art der sprachlichen Fügung? Jedenfalls erscheint es mir seltsam, daß auf diese Weise die Betonung vom zentralen Akt der Kommunion weg und hin zum Vorgang der Prozession gelenkt wird.
Tatsächlich wird in der Institutio Generalis eine Kommunionprozession erwähnt. In der Originalfassung von 1969 heißt es in Absatz 56 (i) „... der Gesang zur Kommunion hat die Funktion, die Prozession zum Kommunionempfang stärker gemeinschaftlich zu gestalten“. In der Fassung von 2001 wurde daraus: „...der Gesang zur Kommunion hat die Aufgabe, den gemeinschaftlichen Charakter der Prozession derer, die zum Empfang der Eucharistie schreiten, stärker ins Licht zu rücken.“ Das bedeutet zweifellos eine Verstärkung des Gedankens. Allerdings kann ich in Band II des „Jungmann“ wenig finden, das dieses Konzept unterstützt.
Die Besonderheit dieser Entwicklung scheint mir auf den von Papst Pius X. geförderten häufigen Kommunionempfang zurückzugehen, der sich seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts so intensiviert hat, daß er zu etwas ähnlichem wie der „Allgemeinen Kommunion“ der Anglikaner geworden ist. Ich möchte daran erinnern, daß der Nachdruck, den der Heilige Papst auf dieses Thema gelegt hat, in einem ganz speziellen historischen Kontext zu verstehen ist.
Quatembermittwoch der Fastenzeit
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- 24. Februar 2021
Auch in diesem Jahr verdrängt wieder ein höherrangiger Festtag – das Gedenken des hl. Apostels Matthias – den Quatembermittwoch. Das soll uns aber nicht daran hindern, unsere Aufmerksamkeit den Texten des Propriums für diesen Tag zuzuwenden – sie erscheinen in diesen Jahren von besonderer Aktualität.
Als Kennzeichen dieser Jahre tritt in den Gesellschaften des hochentwickelten Westens immer stärker die Entschlossenheit zu Tag, sich von Gott und der von ihm sowohl der Natur als auch dem menschlichen Geist eingestifteten Ordnung der Dinge abzuwenden. „Non serviam“ - „ich will mich nicht unterwerfen“ erscheint immer mehr als der Wahlspruch dieser Welt, mehr als ein Wahlspruch: Es ist ein Glaubensbekenntnis, das jeden zum Ketzer und zum Feind erklärt, der sich nicht seinerseits diesm Spruch unterwirft.
Lange Zeit glaubte man, gewisse Grundtatsachen der Schöpfungsordnung seien der Willkür von Staat oder Gesellschaft entzogen – „2 + 2 = 4“ - daran war nicht zu rütteln, und wer auf der Antwort „5“ bestand, galt als lächerlich oder geisteskrank. Nun, genau das ist anscheinend die geistige Verfassung immer größerer Teile dieser Gesellschaft. In England und Australien, so war dieser Tage zu lesen, wird dem Personal der Geburtshilfeabteilungen in den Krankenhäusern der Gebrauch des Wortes „Muttermilch“ untersagt – man soll „Menschenmilch“ sagen, weil die Verwendung des Begriffs „Mutter“ eine unzulässige Einschränkung auf das angeblich bedeutungslose biologische weibliche Geschlechte bedeute. Die nicht gerade im christlichen Geist verwurzelte Autorin J.K. Rowling hat die größten Schwierigkeiten, seit sie öffentlich bekundete, Frauen erkenne man daran, daß ihr Körper eine Gebärmutter samt Vulva besitze. Ebenfalls in Angelsachsien hatte ein Gewaltverbrecher, der sich als Frau „identifizierte“ und dementsprechend ins Frauengefängnis eingeliefert werden muß, dort mehrere Mitgefanginnen vergewaltigt. Berichterstatter, die in diesem Zusammenhang vom Gebrauch „seines“ Penis sprachen, wurden richterlich darüber belehrt, es müsse „ihr Penis“ heißen – alles andere sei schändliche Diskriminierung und menschenrechtsverletzend.
Die Orationen der Fastenzeit
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- 20. Februar 2021
Zu den Verlusten, die die überlieferte Liturgie bereits in den Jahren 1955 und 1960 hinnehmen mußte, gehören auch die besonderen Orationen für die Sonn- und Werktage der Fastenzeit, die dem Gebet der Kirche in diesen Wochen seit vielen Jahrhunderten eine besondere Prägung verliehen. Während jeder Tag an erster Stelle seine eigenen Orationen hatte, wurden als zweite und dritte Oration allltäglich die vom Aschermittwoch wiederholt - bis zu den Reformen der 50er Jahre. Das Missale von 1962 enthält dann nur noch einen Bruchteil der Mehrfach-Orationen, die vordem einen besonderen Reichtum und eine besondere Flexibilität der Messordung ausmachten – auch und gerade in pastoraler Hinsicht.
Die Orationen, von denen hier zu sprechen ist, sind die einleitende Oratio, also das Tagesgebet, dann die Secreta vor dem Canon und schließlich die Postcommunio, das alte Schlußgebet vor der Entlassung der Gläubigen. Diese Orationen gehören zu den Säulen des Propriums für jeden Tag und jedes Fest, und dadurch, daß man ihre Zahl vermehrte, gewann man die Möglichkeit, Überschneidungen und Verdrängungen im liturgischen Kalender abzumildern. Ein Beispiel: Wenn ein Sonntag auf ein Datum fiel, an dem auch ein Heiligenfest zu begehen und die Vigil für einen kommenden Festtag zu halten war, „verdrängte“ der Sonntag diese beiden anderen Begängnisse nicht einfach, sondern nahm ihre Orationen als zusätzliche „Kommemorationen“ in sein Messformular auf. Andere Kommemorationen waren für bestimmte Zeiten des Kirchenjahres vorgeschrieben, wieder andere ermöglichten es dem Zelebranten, besondere Anliegen der Gemeinde oder auch seiner selbst in die Messfeier mit aufzunehmen.
Diese Möglichkeiten wurden in den „kleinen Liturgiereformen“ der 50er Jahre deutlich reduziert; im Novus Ordo von 1969 sind sie dann ganz verschwunden. Das erscheint einigermaßen inkonsistent, denn an anderen Stellen erweitert das Messbuchs Pauls VI. die Optionen von Priestern und Liturgieausschüssen ganz beträchtlich, wenn er etwa die Ersetzung von Gloria, Credo oder Sanctus durch „ein anderes geignetes Lied“ zuläßt bzw. sogar dazu ermutigt.
Ein Papstbrief zur Fastenzeit
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- 17. Februar 2021
Im ersten Jahr seines Pontifikats (1741) hat Papst Benedikt XIV. (Prosper Lambertini, 1675 – 1758) das Lehrschreiben Non Ambigimus an die Bischöfe der Kirche gerichtet, in dem er die Bedeutung des Fastens einschärfte und auf die Wiederherstellung einer dem entsprechenden Fastenordnung drang. Dieses Breve Non Ambigimus enthält die Grundlagen für die auch heute noch gültige Lehre und das Kirchenrecht zum Fasten, es ist auf der Website des Vatikans im italienischen Originaltext abrufbar. Wir haben den ersten Teil (mit Hinzuziehung einer allerdings sehr unvollkommenen englischen Übersetzung unter weitgehender Beibehaltung seiner sprachlichen Eigenart übersetzt und den zweiten zusammengefasst.
Wir haben keinen Zweifel, ehrenwerte Brüder, daß alle Anhänger der katholischen Religion wissen, wie sehr die Kirche, die sich über die gesamte christliche Welt erstreckt, davon überzeugt ist, daß die vorösterliche Fastenzeit zu den stärksten Bollwerken der wahren Lehre gehört.
Vorgezeichnet im Gesetz und bei den Propheten, geheiligt durch das Beispiel Unseres Herrn Jesus Christus, überliefert von den Aposteln und allerorten vom Heiligen Recht vorgeschrieben, wird dieses Fasten in der ganzen Kirche seit ihren Anfängen beachtet und eingehalten. Ganz gewiss können auch wir, die wir täglich sündigen, mit der Anwendung dieses allgemeinen Heilmittels, so wie es uns von den Vätern des Altertums überliefert ist, uns mit dem Kreuz Christi vereinen und so zu dem beitragen, was Er für uns bewirkt hat.
Gleichzeitig bereiten wir uns, durch das Fasten an Leib und Seele gereinigt, darauf vor, auf würdige Weise der heiligen Geheimnisse unserer Erlösung durch das Leiden und die Auferstehung zu gedenken, die ganz besonders in der Fastenzeit mit der größten Feierlichkeit begangen werden. Das Fasten, das nachgerade ein Kennzeichen unserer Heerschar ist, unterscheidet uns von den Feinden der Kirche. Durch seine Übung wenden wir den Blitzstrahl der göttlichen Vergeltung ab und erlangen mit Gottes Hilfe Schutz vor den Fürsten der Finsternis.
Neues Leben im Kloster Taggia
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- 16. Februar 2021
Eine Schönheit ist es nicht, das alte Kapuzinerkloster im norditalienischen Taggia, gerade einmal 20 km von der französischen Grenze und von Nizza entfernt. Dafür hat es eine andere Besonderheit zu bieten: Die Kapuziner (oder vermutlich eher ihr lokaler Freundeskreis), die das Kloster vor knapp 10 Jahren aus Mitgliedermangel aufgeben mußten, haben das ziemlich marode Gebäude (Bilder hier) den Benediktinern der Immacolata geschenkt – einer vor vier Jahren in der Diözese kanonisch errichteten Gemeinschaft alter benediktinischer Tradition und der überlieferten Liturgie. Gründer der Gemeinschaft waren zwei Mönche aus Le Barroux, die sich einvernehmlich von der ebenfalls altrituellen Kommunität dieses Klosters getrennt hatten, um ein Leben noch näher an der ursprünglichen Regel und dem Charisma des hl. Benedikt zu führen.
Vor zwei Jahren konnte die Gemeinschaft eine erste Neuaufnahme verzeichnen; in diesem Winter sind gleich drei Postulanten neu eingetreten, die während der nächsten 12 Monate Gelegenheit haben, ihre Berufung und ihre Bereitschaft sowie Fähigkeit zum Leben in der Gemeinschaft zu erproben. Das sehr einfache Leben der Brüder, ihr seelsorgerisches Angebot und ihre auch nach außen hin sichtbare harte Arbeit an Sicherung und Ausbau von Kloster und Kirche wirken offenbar anziehend.
Wie alle Gemeinschaften diözesanen Rechts sind die Benediktiner der Immacolata praktisch vollständig auf das Wohlwollen ihres Bischofs angewiesen. Ein Nachfolger auf dem Bischofsstuhl kann ihnen jederzeit die Existenzgrundlage entziehen. Außerdem wurde im vergangenen November in einem bemerkenswerten Akt der Zentralisierung das Kirchenrecht dahingehend geändert, daß neue Gemeinschaften auch auf diözesaner Ebene nur noch mit römischer Zustimmung errichtet werden können. Anscheinend arbeiten die gegenwärtigen Machthaber verstärkt darauf hin, auch hier die Kontrolle zu übernehmen. Von daher können wir nur hoffen und beten, daß den Benediktinern der Immacolata von dieser Seite keine Steine in den Weg geworfen werden – und daß die Liegenschaften ihres Klosters durch entsprechende rechtliche Gestaltung der Besitzverhältnisse der Begehrlichkeit der Immobilienverwerter von der Ordenskongregation entzogen bleiben.
Wo verlaufen die Bruchlinien?
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- 13. Februar 2021
Wo so viel von Bruch und Spaltung in der Kirche die Rede ist, stellt sich immer dringlicher die Frage: Wo genau verlaufen eigentlich die Bruchlinien – und welche Rolle spielt dabei die überlieferte Liturgie? Äbtissin Christiana Reemts OSB von Mariendonk hat dazu unter Datum vom 8. Februar einen durchaus lesenswerten Beitrag auf dem Blog der Abtei (https://mariendonk.de/index.php/blog) veröffentlicht, in dem sie die Situation ihres Kloster als „zwischen allen Stühlen“ beschreibt: „Die Progressiven finden uns hoffnungslos altmodisch, die Konservativen lehnen uns ab, weil wir nicht die tridentische Messe feiern und die Mundkommunion nicht für die Mitte unseres Glaubens halten.“ Mag sein, daß Sr. Christiana da ungute Erfahrungen gemacht hat – in Tradiland gibt es auch Leute mit einem ausgesprochen wenig charmanten Diskussionsstil. Aber die eigentliche Grenze zwischen „katholisch“ und „nicht mehr katholisch“ - eine Unterscheidung, die getroffen werden kann und in vielen Fällen auch getroffen werden muß – verläuft nicht entlang dieser beiden Fragen.
Rechtlich ist die Sache ganz eindeutig – und die römische Kirche als Erbin der Rechtskultur Roms tut gut daran, die Bedeutung von Geist und Buchstaben des Rechtes auch in Zeiten der allgemeinen Verwilderung hochzuhalten. Der „Novus Ordo“ nach dem Messbuch Pauls VI. ist (ein) ordentlicher Ritus der römischen Kirche, wer als Zelebrant oder Gemeindemitglied die Messe nach der Ordnung dieses Messbuchs feiert, kann nicht deshalb außerhalb der katholischen Gemeinschaft stehen. Ähnliches, wenn auch nicht genau das gleiche, gilt für die Handkommunion.
Von dieser grundsätzlichen Ebene zu unterscheiden sind zwei andere Aspekte des Problems: Ist die „neue Liturgie“ die geeignete, ja sogar die einzig sinnvolle und zulässige Antwort auf die Krise des Christusglaubens im 20. Jahrhundert? Und zum zweiten: Ist die Praxis der neuen Liturgie überall oder zumindest in der Regel von dem Willen geprägt, die Identität der Kirche mit sich selbst – und damit mit Christus – zu erhalten und in die Zukunft weiter zu tragen?