S. Bellarmin zur Liturgie
- Details
- 21. November 2020
Der hl. Robert Bellarmin war wie sein zeitlich etwas früheres deutsches Gegenstück Petrus Canisius Verfasser eines überaus einflußreichen Katechismus, trägt den Titel eines Kirchenlehrers, und gehörte ebenso wie dieser dem Jesuitenorden an. Die Jesuiten gelten gemeinhin als liturgisch uninteressiert – über Berechtigung und Begründung dieser Ansicht wäre ein andermal nachzudenken. Für Robert Bellarmin gilt das jedenfalls nicht oder nur begrenzt; eine amerikanische Bellarmin-Biographie von 1961 enthält unter anderen einschlägigen Hinweisen den Text eines Briefes, den Bellarmin – seit 1599 Kardinal – im Mai 1617 an seinen Ordensgeneral richtete:
Da bald die Fronleichnamsprozessionen stattfinden werden und diese, wie es heißt, größer und feierlicher sein werden als je zuvor, scheint es mir angemessen, schriftlich zu begründen, warum Diakone und Subdiakone in Dalmatik gekleidet in Hochämtern und bei Prozessionen ihren Dienst verrichten sollten.
1) So ist es, ohne daß irgendeine Ausnahme zulässig wäre, im Zeremoniale von Papst Clemens VIII. und dem Rituale von Papst Paul V. vorgeschrieben. Unter diesen Umständen sehe ich nicht, mit welchem Recht unsere Gesellschaft und vor aller Augen Roms eine dem entgegen stehende Praxis übt.
2) Der (vorgeschriebene) Ritus wird in den Kirchen der ganzen katholischen Welt eingehalten, in Kathedralen, Kollegienkirchen, Pfarreien und Klöstern, gleichgültig, welchem Orden sie angehören. Wie kann es dann unserer Gesellschaft erlaubt sein, etwas anderes zu praktizieren, zumal wir das römische Messbuch, das römische Brevier und das Rituale verwenden und uns dazu bekennen, den Weisungen des apostolischen Stuhles in allen Dingen zu folgen?
Ordo Missæ VII: Die Opferung
- Details
- 14. November 2020
Mit dem traditionell als „Opferung“ bezeichneten Offertorium beginnt der zweite Hauptteil der Messfeier – die eigentliche Opfermesse. Die innere Ordnung, der dieser Abschnitt folgt, erschließt sich allerdings nicht so leicht wie die Abfolge der Elemente im vorhergehenden Wortgottesdienst. Das eigentliche Opfer, die Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers Christi am Kreuz durch den Priester „in persona Christi“ und die Kirche, folgt ja erst im anschließenden Kanon – es ist also durchaus berechtigt, die Frage zu stellen, wer opfert hier eigentlich was? Das seit unvordenklichen Zeiten zum Grundbestand des römischen Ritus gehörende Offertorium, das diesen Abschnitt einleitet, ist in den meisten Messen sehr allgemein gehalten und kann keine Antwort geben. Eher dann schon die an seinem Schluß stehende Sekret, die in vielen ausdrücklich von den herbeigebrachten und nun bereitliegenden Opfergaben handelt und damit aussagt, daß der eigentliche Zeitpunkt des Opfers noch nicht erreicht ist.
Vor dem Nachzeichnen der Ordnung, der die Gebete dieses Abschnitts folgen, ist allerdings in einem ersten Beitrag auf den Umstand einzugehen, daß dieser seit an die tausend Jahren zum Bestand der Messfeier im römischen Ritus gehörende Teil der Opfermesse von einigen Vertretern der liturgischen Bewegung und insbesondere vom Consilium zur Litugiereform als so „unordentlich“ empfunden wurde, daß sie ihn abschafften und durch eine Neudichtung ersetzt haben.
Tatsächlich enthalten die zwischen Offertorium und Sekret vom Priester leise und als Teile des Ordinariums gesprochenen „Privatgebete“ an einigen Stellen Formulierungen, die zu Mißverständnissen führen können. Etwa, wenn z.B. in der Darbringung des Brotes von immaculatam hostiam, von einer makellosen Opfergabe, die Rede ist, oder es bei der Bereitung des Weines heißt:
Wir opfern Dir Herr, den Kelch des Heiles, und flehen dich, den Allgütigen an, laß ihn, uns zum Segen und der ganzen Welt zum Heile, wie lieblichen Wohlgeruch vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät emporsteigen.
Hier fehlt nur noch die Geste des Ausgießen des Weines über den Altar, um das Bild eines Opfers zu vervollständigen, wie es an den Altären der Heidengötter, aber auch im Tempel Yahwes – dort freilich eher mit Blut statt mit Wein – zu Jerusalem, vollzogen wurde. Doch noch trägt das Brot, von dem der Priester hier spricht, die Makel alles Irdischen an sich; noch ist der Kelch, den er emporhebt, nicht wirklich der „Kelch des Heils“, sondern enthält ganz schlichten Wein, der lediglich als Opfer vorbereitet ist, wie es im anschließenden „Veni Sanctificator“ heißt.
Ordo Missae V: Credo in Unum Deum
- Details
- 10. Oktober 2020
Wie das Gloria ist das Glaubensbekenntnis erst relativ spät in den Ordo der hl. Messe des römischen Ritus aufgenommen worden - wie es heißt auf Drängen von Kaiser Heinrich II., der bei einem Besuch in Rom 1014 das ihm aus fränkischem Brauch vertraute Glaubensbekenntnis in den Messen des Papstes vermißte. Zur Erklärung soll man ihm damals gesagt haben, anders als die Kirchen an den Rändern sei die Kirche Roms niemals von Irrlehren betroffen gewesen, so daß es einen besonderen Glaubensbekenntnisses nicht bedurft habe...
Wahrscheinlicher erscheint uns freilich eine andere Erklärung: Die römische Messliturgie – auch die zuweilen sehr reichhaltige Liturgie des päpstlichen Hofes – ist wie alle Kapitelsliturgien in enger Verbindung mit dem Stundengebet zu sehen. Und im römischen Stundengebet, das mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis beginnt, steht am Morgen jeden Tages seit alters her vor der Prim noch einmal das große Glaubensbekenntnis, das sehr umfangreiche „Quicumque Vult“, das auf den hl. Athanasius zurückgeführt wird. Von daher war es durchaus verständlich, daß das Glaubensbekenntnis in der Messfeier nicht noch ein weiteres Mal wiederholt wurde und sich tatsächlich auch nach der kaiserlichen Intervention nicht auf alle Messen ausbreitete, sondern auf die feierlichen Messen an Sonntagen und hohen Festen beschränkt blieb.
Während im Stundengebet meistens das athanasische Glaubensbekenntnis gebetet wurde, verwandt die Kirche in ihrer Taufliturgie seit frühester Zeit vorzugsweise das ihr mit der östlichen Tradition gemeinsame nikäno-konstantinopolische Bekenntnis, und in dieser Form wurde es wohl auch im 11. Jahrhundert in den Ordo Missae übernommen. Im Novus Ordo kann statt dessen auch das kürzere wohl auf gallo-römische Wurzeln zurückgehende apostolische Glaubensbekenntnis verwandt werden.
Ordo Missae IV: Gloria in excelsis Deo
- Details
- 03. Oktober 2020
Das Gloria und das Credo sind zwar erst nach der Zeit Gregors des Großen in die Messfeier aufgenommen worden, haben die bis dahin bestehende Ordnung jedoch dabei in keiner Weise aufgebrochen, sondern im Gegenteil bereichert und abgerundet. Fast noch mehr als die Evangelien – deren zentrale Aussagen sie in konzentrierter Form darbieten – bilden sie inhaltliche Gravitationszentren des ersten Hauptteils der Messfeier, und es ist überaus bedauerlich, daß die Reformliturgie das Gloria faktisch zur Disposition gestellt und das inhaltsreiche große Glaubensbekenntnis mit dem knapperen apostolischen Glaubensbekenntnis austauschbar gemacht hat.
Das Gloria ist ja mehr als ein feierlicher Gesang, der vom Lied der Engel auf dem Feld bei Bethlehem ausgehend die Erinnerung an die Menschwerdung Christi zurückruft. In seiner wohl erst spätmittelalterlichen Form des antiphonalen Chorals zwischen Schola und Gemeinde bildet es ein wichtiges Element von participatio actuosa, lange bevor dieser Begriff von Papst Pius X. ganz im Sinne der Tradition geprägt und später von den Reformern zum Schlüsselbegriff ihrer Neuerungen gemacht worden ist.
Die Ursprünge des Gloria verlieren sich im Nebel der frühesten Geschichte der Kirche. Der Text beginnt mit dem „Gesang der Engel auf dem Felde“ nach dem Lukasevangelium und erinnert in seiner Form zunächst stark an andere Hymnen des Neuen Testaments wie das Magnificat oder die Lobgesänge Simeons und Zacharias‘, deren Wurzeln ihrerseits in den Psalmen und Liedern des alten Testaments liegen. Er setzt diesen Gesang dann fort mit einem Lobpreis der göttlichen Majestät, des allmächtigen Vater- und Schöpfergottes. Dieses Lob des Vaters geht bruchlos über in die anbetende Verehrung des „Domine Fili unigenite“, die den deutlich größeren Teil des Hymnus einnimmt - 13 Zeilen der heutigen Fassung gegenüber sieben, die sich auf den Vater beziehen. Und diese Zeilen enthalten schwergewichtige Aussagen wie das „tu solus Sanctus, to solus Dominus, tu solus Altissimus, die die erhabene Göttlichkeit des Messias Jesus in einer Weise zum Ausdruck bringen, die die Vermutung aufkommen läßt, diese Anrufungen seien nicht nur als Absage an die nach wie vor in vielen Köpfen lebendigen Götter der Heidenwelt zu verstehen, sondern auch als demonstrativer Widerspruch gegen den Arianismus und die anderen christologischen Irrtümer, die die Kirche seit dem 3. Jahrhundert zerrissen.
Noch einmal: der Ritus von Lyon
- Details
- 28. September 2020
Am Fest des hl. Irenaeus, Stadtpatron von Lyon, hat die Niederlassung der Petrusbruderschaft in diesem ältesten Bistum auf französischem Boden am 6. September erneut ein feierliches Hochamt im spätmittelalterlichen Usus Lugdunensis zelebriert. Von früheren Zelebrationen hatten wir bereits im Juli berichtet. Die von der erneuten Zelebratione veröffentlichten Bilder geben noch mehr als die vom Juli einen Eindruck von der Feierlichkeit und auch von der Andersartigkeit dieses Usus. (S. dazu auch unseren Beitrag „Kleine Zeitreise in Lyon“ von 2018) Wobei die „Andersartigkeit“ sich auch in diesem Fall auf Unterschiede in einigen äußeren Abläufen, in der Gewandung der Priester und auch bei Texten einzelner Gebete oder Melodien der gregorianischen Gesänge beschränkt. Der Canon Romanus als das Herzstück der römischen Liturgie bleibt von alledem unberührt.
Nun könnte man einwenden, die Anhänger der überlieferten Liturgie und die Verteidiger der traditionellen Lehre insgesamt hätten in der derzeitigen Kirchenkrise andere Sorgen als die Wiederbelebung einer seit gut 200 Jahren praktisch weitgehend außer Gebrauch gekommenen Form der lateinischen Liturgie. So plausibel das klingt – so zu argumentieren könnte etwas zu kurz greifen.
Ein oft gehörtes Argument gegen die überlieferte Liturgie ist ihre angebliche Strenge und Uniformität. Streng in ihrem Verständnis von Gottesdienst ist sie – uniform ist sie nicht bzw. war sie nie. Der lebendige Blick auf ihre frühere Vielfalt könnte nicht nur helfen, dieses Vorurteil zu zerstreuen. Er könnte auch dazu beitragen, die Spielräume sichtbar zu machen, in denen Abweichungen in der Vergangenheit möglich und Weiterentwicklungen entsprechend konkreten Anforderungen in Zukunft denkbar wären.
Ein zweiter wichtiger Aspekt liegt in der Wiederentdeckung des Gottesdienstes bzw. seiner äußeren Formen als Mittel der Selbstvergewisserung, um nicht zu sagen „Identitätsfindung“ lokaler Gemeinden. Das Bedürfnis nach solcher Selbstvergewisserung scheint, betrachtet man die Formen und Unförmigkeiten der von „Liturgieausschüssen“ von Pfarreien und Vereinen „gestalteten“ Liturgien, enorm zu sein. Auch hier könnte der Rückgriff auf lokale Formen, die ja oft mit bestimmten Wegen und Plätzen zu bestimmten Heiligengedächtnissen verbunden waren, unschädliche Spielräume eröffnen. Auch hier kann nur das helfend und befruchtend wirken, was man kennt.
So bleibt nur zu heffen, daß die Lyoner Bemühungen um den alten Usus auch dann weitergehen werden, wenn der spiritus rector dieser Anstrengungen, P. Brice Messonier FSP, demnächst Lyon verläßt, um seine neue Aufgabe als Pfarrer der römischen Ritusgemeinde Santissima Trinità dei Pellegrini zu übernehmen.