„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Liturgisches Überleben in Grauzonen
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- 10. Mai 2022
Zwischen den Blogs Caminante Wanderer (Argentinien) und MessaInLatino (Italien) findet derzeit eine durchaus freundschaftliche Diskussion über den Anteil von Papst Franziskus an den Aktivitäten gegen die überlieferte Liturgie statt. Der Wanderer vertritt dabei die Ansicht, das Franziskus an Liturgie prinzipiell desinteressiert sei, sich ausschließlich den Dingen widme, die sein neo-jesuitisches Denken für wichtig hält, und im übrigen den Stimmen folge, die am besten in sein aktuelles Machtkalkül passen. Dem wollen wir nicht widersprechen, zumal der Wanderer durchaus schwerwiegende Argumente zur Unterstützung seiner Ansicht anführen kann.
MessaInLatino hält dem entgegen, daß die bisherigen Aktionen des Pontifikats sehr wohl ein starkes Interesse des Papstes erkennen ließen, die überlieferte Liturgie aus dem Gottesdienst der Kirche zu vertreiben und daß die der Petrusbruderschaft gewährten Zugeständnisse allein den Zweck hätten, dort ein „Ghetto“ einzurichten und zu isolieren, das sich dann bei Gelegenheit umso leichter auslöschen lasse. Auch dem wollen und können wir nicht widersprechen, denn auch Messa in Latino kann schwerwiegende Argumente zur Unterstützung seiner Ansicht anführen.
Uns scheint, die beiden Versionen stehen nicht in direktem Widerspruch zueinander, sondern unterscheiden sich alleine im Grad der Einschätzung des persönlichen Engagements von Franziskus – und das ist unseres Erachtens doch eher ein Streit um des Papstes Bart, wenn man so sagen darf. Franziskus neigt dazu, gerade demjenigen Recht zu geben oder zumindest nicht zu widersprechen, der ihm gegenübersteht – und die Widersprüche, die daraus entstehen können, interessieren ihn nicht, solange sie seine Position nicht gefährden. Im Gegenteil: Wenn die Höflinge streiten, gewinnt der Herrscher umso mehr Spielraum, nach eigenen Plänen zu handeln – oder nach eigener Willkür, wie man bei Franziskus oft annehmen muß
Für die Parteien am päpstlichen Hof – und natürlich erscheinen auch die Verteidiger der überlieferten Lehre und Liturgie unter diesen Umständen als nicht mehr als eine Partei unter anderen – hat das zwiespältige Auswirkungen.
Priesterweihe beim Institut Bon Pasteur
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- 08. Mai 2022
Am Samstag den 7. Mai 2022 hat S.E. Gerhard Kardinal Müller im Seminar der Priestergemeinschaft vom Guten Hirten (Institut du Bon Pasteur) in Courtalain sieben Diakone und einen Priester geweiht. (Quelle). In seiner Predigt, die im vollen Wortlaut in deutscher Sprache auf Kath.net wiedergegeben ist, übte der Kardinal und ehemalige Präfekt der Glaubenskongregatuion scharfe Kritik an dem Vorhaben des deutschen Synodalen Weges, Grundwahrheiten des Glaubens, darunter auch die Lehre und das Verständnis des sakramentalen Priestertums, nach den Vorstellungen zeitgeist-trunkener Theologen und Funktionäre kirchlicher Apparate zu revidieren. Wir bringen Ausschnitte und verweisen für den vollen Wortlaut auf Kath.net, der nicht weniger darstellt als eine kraftvolle zusammenfassende Darstellung der katholischen Lehre vom Priestertum contra haereses.
Beim deutschen Synodalen Weg wurde die Existenz des Weihesakramentes in der katholischen Kirche zur Disposition gestellt. Dahinter steht die Meinung, eine beliebige Anzahl von Laien und Bischöfen könnten über die apostolische Lehre und Verfassung der katholischen Kirche entscheiden nach dem eigenen Gutdünken und dem Beifall der Mehrheit. Es gebe nicht die einmalige Offenbarung Gottes in Jesus Christus und ihre definitive Erkenntnis gemäß der Lehre der Apostel. Im Sinne der modernistischen Hermeneutik wird nur eine allgemeines Gefühl für die Transzendenz vorausgesetzt. Selbst das Person-Sein Gottes und damit ein tatsächliches Sprechen zu seinem auserwählten Volk sei nur eine von beliebig vielen menschlichen Vorstellung vom unerkennbaren Absoluten. Die Dogmen der Kirche gelten diesen agnostischen Relativisten darum nur als wandelbare und zeitbedingte Objektivationen des unbestimmten religiösen Grundgefühls. (...)
Wer kann noch Zweifel haben an der Stiftung eines apostolischen Dienstamtes, in dem die von Christus selbst berufenen Jünger teilhaben an seiner messianischen Sendung und Weihe ... Dieses eine Amt der berufenen Apostel Jesu Christi hat sich urkirchlich ausgefaltet in die Stufen des Bischofs, der Presbyter und der Diakone. Übertragen wird es durch die sakramentale Handauflegung und das Weihegebet. (...)
Weil sich in der Eucharistie die sakramentale Vergegenwärtigung des einmaligen Kreuzesopfers Christi vollzieht, ist in ihrer liturgische Feier der Bischof der Hirte der Herde Gottes, der im Namen des Hohenpriesters Christus die Gaben der Kirche darbringt, worin die Gläubigen in die Hingabe Christi an den Vater einbezogen werden. So hatte es schon Hippolyt in seiner Traditio Apostolica zu Beginn des 3. Jahrhunderts ausdrücklich formuliert (...)
Meine lieben Kandidaten für die Diakonen- und Priesterweihe!
Ihr seht also, dass die heiligen Weihen, die ihr heute durch die Hände des Bischofs als Nachfolger der Apostel empfangen werdet, auf einem festen christologischen Grund ruhen und in seiner sakramentalen Kirche verankert sind. Sie sind durch die Heilige Schrift und die Apostolische Tradition und durch die Autorität des kirchlichen Lehramtes gedeckt. Eure Erwählung, Berufung, Sendung und Autorisierung als Priester Christi wie auch als Hirten und Lehrer seiner Kirche geht persönlich auf Christus zurück.
Wir haben großen Grund zur Dankbarkeit gegenüber Kardinal Müller, der nun bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres einen Priester im und für den überlieferten Ritus geweiht hat. Und auf gewisse Weise sind wir auch den Protagonisten des Synodalen Weges dankbar, daß sie durch ihre unverholene Propagierung des Schismas zur Klärung der Fronten beigetragen haben, so daß Bischöfe wie Kardinal Müller oder auch Bischof Meier von Augsburg das ihnen Mögliche dazu beitragen, die von vielen Seiten angegriffene traditionelle Lehre und Liturgie der Kirche lebendig zu halten.
Der Verlust der Sequenzen
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- 06. Mai 2022
Als Kritik an der Liturgiereform nach Trient wird von traditioneller Seite häufig angeführt, daß diese Reform den reichen Sequenzenschatz der römischen Liturgie „abgeschafft“ habe. Irgendwie ist diese Ansicht zum nicht weiter hinterfragten Gemeingut geworden. Bei Wikipedia wird sie unter dem Stichwort „Choral“ ohne weiteren Beleg angeführt, und wir haben uns hier zweimal dazu hinreißen lassen, sogar von einem „Sequenzensturm“ zu sprechen, den die Reform Pius’ V. vermeintlich entfacht hätte.
Gregory Dipippo von NewLiturgicalMovement hat dieses „Wiejederweiß“ nun doch einmal hinterfragt und dabei festgestellt: Es stimmt nicht – wenigstens nicht so. Dazu hat er sich die Vorläufer des von Pius V. promulgierten Missales sowie zahlreiche andere Missale der Zeit vor Trient genauer angeschaut und dabei zweierlei festgestellt: Die regionalen oder von Orden gebrauchten Messbücher „vor Trient“ enthalten in der Tat eine große Zahl sehr unterschiedlicher Sequenzen, die von großer spiritueller Tiefe bis zu billiger Polemik gegen (kirchen)politische Gegner zeugen. Aber das bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgbare Missale der römischen Kurie, das von den Wissenschaftlern Pius’ V. als Vorbild betrachtet und daher mit wenigen Änderungen und Ergänzungen übernommen worden war, hatte niemals mehr als die bekannten vier Sequenzen zu Ostern, Pfingsten, Fronleichnam und dem Requiem. Dementsprechend kennt auch das Missale von Pius V. nur vier Sequenzen, später durch das Stabat Mater zum Fest der Sieben Schmerzen Mariens auf fünf erweitert. Von einer „Abschaffung“ von Sequenzen ist nirgendwo die Rede - zumindest nicht durch Pius V. und seine Reform des Missales.
Noch mehr zur Konzelebration
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- 05. Mai 2022
Peter Kwasniewski hat in einem langen Artikel auf OnePeterFive auf meinen – von ihm in englischer Übersetzung auf Rorate Caeli veröffentlichten – Artikel zur Konzelebration bei der Chrisammesse geantwortet und dabei mehrere Punkte durchaus kritisch beleuchtet. Er führt dazu zunächst historische und liturgische Argumente an, die ich einerseits sehr ernst nehme, andererseits aber weitgehend durch Verweis auf die hier referierte Veröffentlichung Uwe Michael Langs von 2017 als relativiert betrachte. Nach Lang gab es in der Zeit zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert auch in der lateinischen Welt eine Konzelebration – wohl nicht ohne ältere Vorbilder. Sie wurde hauptsächlich am päpstlichen Hof in Rom praktiziert, von da ausstrahlend aber auch in anderen Regionen, in denen der Ortsordinarius zu besonderen Gelegenheiten, darunter auch am Gründonnerstag, mit seinem Presbyterium konzelebrierte. Wie diese Konzelebration im konkreten Fall ihren liturgischen Ausdruck fand und ob es sich in jedem Fall um eine dem Wesen nach sakramentale Konzelebration handelte, ist schwer zu eruieren.
Von dieser bereits im 13. Jahrhundert praktisch ausgestorbenen Form der Konzelebration unterscheide ich im Anschluss an Lang, aber wohl noch schärfer als dieser, die mit Sacrosanctum Concilium eingeführte „neue Konzelebration“, deren Ritus erstmalig 1965 – also noch vor der Einführung des Novus Ordo – promulgiert wurde. Die „neue Konzelebration“ bemüht sich um Anschluß an ihren hochmittelalterlichen Vorläufer, verfehlt dieses Ziel jedoch in einem ganz wesentlichen Punkt: Sie löst die gemeinsame Messfeier aus dem Zusammenhang Ordinarius (Bischof oder Abt) mit „seinem“ Presbyterat und öffnet sie zu einer Kollektivmesse einer beliebigen Gruppe von Priestern. Unter dem Schlagwort einer „Versinnbildlichung der Einheit des Priestertums“ wurde diese Abirrung in den folgenden Jahren noch weiter vorangetrieben, bis der gegenwärtige Zustand erreicht wurde, in dem die Konzelebration aller gerade anwesenden Geweihten vielerorts als Normal- und Idealzustand gilt, während die Einzelmesse abgelehnt wird.
Erklärung von Bischof Meier
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- 04. Mai 2022
Bischof Meier von Augsburg hat gegenüber CNA eine Erklärung zu seiner Absicht abgegeben, am 28. Mai für die Petrusbruderschaft Diakonenweihen zu spenden. Wir zitieren hier seine Aussagen so, wie sie im Artikel auf der Website von CNA wiedergegeben sind:
"Die traditionelle Liturgie gibt nach wie vor Katholiken in unserem Bistum und weltweit Halt in ihrer Glaubenspraxis", so der Bischof. Papst Franziskus habe im Motuproprio Traditionis Custodes den Diözesanbischof als "Leiter, Förderer und Wächter des gesamten liturgischen Lebens in der ihm anvertrauten Teilkirche" beschrieben und ihm entsprechend "die Regelung der liturgischen Feiern in der eigenen Diözese anvertraut".
"Dieser Verantwortung stelle ich mich auch in Bezug auf die Feiern der Liturgie vor der Reform von 1970", sagte Meier. "Umgekehrt erwarte ich von der Petrusbruderschaft, dass sie sich als Teil der Diözesangemeinschaft von Augsburg versteht."
Er sehe sich als "Diener der Einheit, die in der Vielfalt liegt", betonte der Augsburger Bischof. "Das Bistum Augsburg ist geprägt von zahlreichen Klöstern, Ordensgemeinschaften und geistlichen Gruppierungen mit ganz unterschiedlicher Spiritualität. Die Petrusbruderschaft als Gesellschaft apostolischen Lebens von Klerikern päpstlichen Rechts ist ein Teil davon."
"Der Distriktobere der Priesterbruderschaft St. Petrus hat mich eingeladen, die Diakonenweihe zu spenden", erklärte Meier. "Der Einladung bin ich gerne gefolgt, zumal der Sitz des Priesterseminars in Wigratzbad liegt und damit auf dem Territorium der Diözese Augsburg."
Mehr zum Thema Konzelebration
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- 03. Mai 2022
Die aktuelle Debatte über die Bereitschaft zur Konzelebration in der Chrisammesse als Voraussetzung für die Tätigkeit von Priestern des überlieferten Ritus in einer Diözese lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Artikel des Liturgiewissenschaftlers Uwe Michael Lang, der vor 5 Jahren aus Anlaß des 10. Jahrestages von Summorum-Pontificum veröffentlicht wurde. Der Beitrag erschien damals in dem von Markus Graulich herausgegebenen Buch: Zehn Jahre Summorum – Pontificum: Versöhnung mit der Vergangenheit. Langs Text steht auch kostenlos als PDF zum Download im Internet zur Verfügung. Wir können die vollständige Lektüre nur sehr empfehlen und geben hier zur ersten Information einen Überblick über die wesentlichen Argumente samt einigen Anmerkungen zum aktuellen Kontext.
Nach einigen einführenden Überlegungen zum Problem von Bruch und Kontinuität in der Liturgiegeschichte versucht Lang zunächst einen Vergleich der Liturgiereform von 1969 mit früheren Reformen in karolingischer Zeit und nach Trient. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Schon allein aufgrund der völlig anderen Gesellschaftsverhältnisse und des niedrigen Standes der Kommunikationsmittel ist der Rückblick auf die karolingischen Reformen wenig ertragreich, und die nachtridentinische Reform hat sich entsprechend dem Auftrag dieses Konzils auf die Konsolidierung der damals bereits seit fast einem Jahrtausend bestehenden Tradition beschränkt. Einen kritischen Blick wirft Lang dabei auf den Umstand, daß die Form des Missales von Trient (nicht sein Inhalt oder der „Geist“ der Reform insgesamt) es begünstigte, die missa privata als die Grundform der römischen Liturgie erscheinen zu lassen. Dennoch bleibt das Fazit: „An einen „Umbau“ oder „Neubau“ des Messbuches, wovon Joseph Ratzinger und Joseph Gelineau in grundverschiedener Bewertung sprechen, war nicht gedacht.“
Ziel des Motu Proprio von Benedikt XVI war es daher, die durch den 1969 erfolgten „Neubau“ des Messbuches aufgetretenen Probleme zu bewältigen, ohne freilich den Neubau grundlegend in Frage zu stellen. In diesem Zusamenhang äußert Lang auch die Ansicht, eine Zielsetzung von SP sei es gewesen, die „erneuerte Liturgie“ wieder stärker in Geist und Form der Tradition zu verankern – auf die Möglichkeit und Erfolgsaussichten eines solchen Vorhabens wollen wir hier nicht weiter eingehen. Statt dessen folgen wir Lang bei seinem nun einsetzenden historischen Überblick zur Konzelebration im lateinischen Ritus, die durch die Liturgiekonstitution des II. Vatikanums nach vielhundertjähriger Pause wieder in den aktuellen Gebrauch eingeführt worden ist.