„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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War Paulus Antisemit?
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- 28. März 2022
Der gestrige Sonntag „Laetare“ gehört zu den Tagen, deren Lesung aus den Briefen der Apostel für viele Menschen in der Gegenwart mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Konsequenterweise hat die Reform des Novus Ordo diesen Text denn auch weitgehend gestrichen: Zum 4. Fastensonntag wurde die Perikope aus dem Brief von Paulus an die Galater (Abschnitte 22-31) komplett durch eine Passag aus dem zweiten Brief an die Korinther (5, 17-21) ersetzt. Der ursprüngliche Text taucht nur noch in zensierter Form am Montag der 28. Woche im 2. Lesejahr auf - an einem Tag also, an dem man schon in den 60er Jahren davon ausgehen konnte, daß kaum ein Hörer in der Kirche anwesend sein würde. Anstoß eregt die Passage aus dem Brief an die Galater gleich in zweifacher Weise. Zum einen ist sie geradezu ein Musterbeispiel für die Methode, das Alte Testament aus der Sicht des Neuen Bundes zu lesen. Tatsächlich spricht Paulus in der Passage sogar ausdrücklich davon, den Text für seinen Brief „per allegoriam“ zu lesen – und die Allegorie, das lernen heute viele Theologiestudenten schon im ersten Semester, geht nun mal gar nicht.
Nun wollen wir die Problematik der Allegorese und ihres unbestreitbaren Nutzens, aber auch ihrer Grenzen, hier nicht weiter behandeln. Auch auf können wir uns hier nicht auf eine umfängliche Exegese der in der Tat für uns Heutige viele Fragen aufwerfenden Hagar-Erzählung aus dem Buch Genesis (Kap. 16 und folgende) einlassen. Zunächst nur eine sehr geraffte Inhaltsangabe: Sarah, die nach vielen Ehejahren immer noch kinderlos gebliebene Ehefrau Abrahmans, führt diesem die Sklavin Hagar zu, um durch den so gezeugten rechtlichen Sohn Ismael den Bestand der Familie zu sichern. Erst viele Jahre später bekommen Abraham und Sarah durch göttliche Intervention noch einen eigenen Sohn: Isaak. Dann kommt es wie so ift im Alten Testament in einem Streit um den Rang von Erst- und Zweitgeborenen zu Auseinandersetzungen zwischen Abraham und Sarah, die schließlich nach einem erneuten Eingreifen Gottes damit enden, daß Abraham den Ismael samt seiner Mutter Hagar verstößt, im wörtlichen Sinne: in die Wüste schickt. Dort gehen sie jedoch nicht elend zugrunde, sondern werden – wiederum durch göttliches Eingreifen – gerette, damit Ismael ebenfalls zum Stammvater eines großen Geschlechtes werden kann: Der 12 Stämme der Ismaeliten, zu denen das Alte Testament unter anderem die Araber zählt. Und worauf es hier entscheidend ankommt: Am Bundesschluß des Herrn mit Abraham haben die Ismaeliten keinen Anteil.
Auf diese Verstoßung und diese Spaltung bezieht sich nun Paulus in seinem Brief an die Galater, wenn er schreibt, „wir“, d.h. die Christgläubigen, seien wie Isaak „Kinder der Verheißung“, während dagegen diejenigen, die nicht an Christus glauben, „Kinder der Knechtschaft“ geblieben seien. Und er fügt noch das Zitat aus Genesis 21, 10 hinzu: „Verstoße die Magd mit ihrem Sohne, denn der Sohn der Magd soll nicht Erbe sein neben dem Sohn der Freien“.
Womit wir beim zweiten Stein des Anstoßes wären.
Das Ärgernis der geistgewirkten Empfängnis
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- 25. März 2022
Das Fest der Verkündigung Mariens ist – ebenso wie das bereits vorgestellte des hl. Joseph – im Pustet-Missale von 1884 mit einer „typologischen“ Illustration hervorgehoben. Das Bild stammt nach der für uns bislang unlesbaren Signatur noch nicht von Max Schmalzl, der erst ab 1883 regelmäßig für Pustet arbeitete. Möglicherweise geht es auf seinen Vorgänger Johannes Evangelista Klein, zurück, der schon seit 1875 die Illustrationen für Pustet betreute und bereits seit diesem Jahr mit einigen eigenen Arbeiten im Missale vertreten war – Bildern, die wahrscheinlich schon in den Vorjahren entstanden waren.
Das Bildprogramm der Umrahmung ist relativ bescheiden: Die beiden Symbole oben enthalten links das Alpha et Omega für Christus und rechts ein etwas ungewöhnliches, aber entzifferbares Marienmonogramm. Unten zwei Anrufungen aus der Lauretanischen Litanei: Rosa Mystica und Foederis Arca. Alle vier Kreisvignetten sind weder besonders einfallsreich konzipiert noch besonders kunstvoll ausgeführt; auch sie gehen vermutlich auf die Zeit vor Max Schmalzl zurück.
Hauptelement der Illustration ist eine durch und durch konventionell aufgebaute Darstellung (s. dazu das Gedicht von Denise Levertov auf The Catholic Thing von heute) der Verkündigungsszene mit dem Engel und der betenden Maria. Alle freien Flächen sind ausgefüllt mit Lilien und Rosen, und auf dem Sims unter dem Fenster in der Mitte steht, selbst in der anklickbaren Vergrößerung kaum zu erkennen, der englische Gruß: „Ave Maria“ – das bedarf keines Kommentars.
Wenden wir uns also den beiden typologischen Elementen zu, die in ihrer Ausführung dem Mittelteil entsprechen und dann wohl ebenfalls von Klein gestaltet worden waren.
Links spricht der Herr aus dem Baum der Erkenntnis (?) heraus der Schlange das Urteil:
Sie (die noch unbenannte Frau, die später mit Maria identifiziert werden sollte) wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihrer Verse nachstellen (Gen 3,15)
Die Stellenangabe ist wie des öfteren ungenau – der Hinweis auf das Kapitel 3, in dem der hier gemeinte Vers 15 steht, ist entfallen. Auffällig an der Darstellung ist, daß der Herr durch Gesicht und vor allem durch den Kreuz-Nimbus als Christus gekennzeichnet wird, während seine Platzierung im Baum eher der klassischen Darstellungsweise der Erscheinung Jahwehs im Dornbusch angenähert ist. Das muß freilich keine künstlerische Unbeholfenheit sein, sondern entspricht der von vielen Exegeten vertretenen Ansicht, daß überall dort, wo im alten Testament der Herr sichtbar und quasi „in der Welt“ mit seinem Volk oder dessen Vertretern agiert, das göttliche Wort, die seit Anbeginn existierende zweite Person des dreifaltigen Gottes, handelt, spricht oder sichtbar wird. Der allmächtige Vater selbst wohnt im unzugänglichen Licht.
Wirklich schwierig wird es bei der Vignette rechts, die in der Aufschrift auf das 6. Kapitel des Buches der Richter verweist.
Häresie der Formlosigkeit
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- 23. März 2022
In einem gestern auf Catholic Thing veröffentlichten Artikel konstatiert der amerikanische Kirchenrechtler Fr. Gerald E. Murray schwere Verstöße gegen das Liturgische Recht bei dem Gedenkgottesdienst zum 400. Jahrestag der Heiligsprechung des Jesuitengründers Ignatius von Loyola. Im Zentrum von Murrays Kritik steht der denkwürdige Auftritt von Papst Franziskus bei diesem Gottesdienst. Der Papst verzichtete darauf, die Messe selbst zu feiern, wie das zunächst angekündigt war, sondern überließ die Funktion des Vorstehers dem General seines Ordens Arturo Sosa - das ist der mit dem zu Jesu Zeiten noch nicht erfundenen Tonbandgerät (s. hier). Statt dessen reihte sich Franziskus – so nach seinen Gesten zu urteilen – der Reihe der Konzelebrantenein ein, freilich ohne die für Konzelebranten vorgeschriebenen liturgischen Gewänder zu tragen. Noch nicht einmal eine Stola legte er an, sondern beschränkte sich darauf, im „Papstzivil“ mit im Chorraum präsent zu sein. Über die Gründe können wir nur spekulieren – möglicherweise wollte er dem Chef seines Ordens eine besondere Ehre erweisen, ohne zu bedenken, daß er diese Ehre eben dadurch Christus dem Herrn verweigerte.
Das Handeln Franziskus’ ist nicht nur ein Verstoß gegen eine Handvoll liturgische Vorschriften – die könnte der Papst ja sogar ändern oder davon dispensieren – wenn denn „ein gerechter Grund“ dazu vorläge. Schwerer wiegt in unseren Augen der auch von Murray kritisierte Verstoß gegen die übernatürliche Ordnung. Die Bischöfe sind – und das zweite Vatikanum hat diese Lehre bekräftigt und verstärkt – eben nicht nur Direktoren einer kirchlichen Verwaltungseinheit, sondern für ihr Bistum gleichsam die Quelle aller priesterlichen Vollmacht. „Seine“ Priester können mit dem Bischof konzelebrieren – aber nicht der Bischof mit einem von ihnen in der Position des Hauptzelebranten. Das ist selbst dann nicht unproblematisch, wenn ein alter und kranker Bischof kaum noch in der Lage ist, selbst am Altar zu stehen oder zu sitzen.
Das gilt für jeden Bischof; für den von Rom aber in ganz besonderem Maße. Der Papst sollte ja nicht nur liturgisches Vorbild für die ganze Kirche sein, er ist es auch, die die Ortsbischöfe in ihr Amt beruft und sie, wenn sie die von ihm zu vertretende Ordnung verletzen, auch abberufen kann.
In früheren und formbewußteren Zeiten hätte man die von Franziskus demonstrierte Art der Konzelebration wahrscheinlich als Amtsverzicht ausgelegt oder zumindest zum Anlaß genommen, von Amtsverzicht zu sprechen. Unter dem Regime der Häresie der Formlosigkeit (Mosebach) sind solche Weiterungen eher nicht zu erwarten. Aber diese Hemdsärmeligkeit – die ja nicht alleine steht, wie Franziskus’ Meidung der Kniebeugen am Altar seit Jahren belegt – wirft ein äußerst trübes Licht auf das Verständnis, das dieser Papst aus der Pampas von den liturgischen Dingen und von seinem Amt hat, das unter seinem Regiment immer mehr zu einer selbstreferentiellen Autokratie verkommt. Und es macht ihn extrem unglaubwürdig, wenn er in seinem Begleitbrief an die Bischöfe zu Traditionis Custodes behauptet: „Ich bin traurig über die Mißstände bei der Feier der Liturgie, wie sie auf allen Seiten praktiziert werden.“
„Praedicate Evangelium“ und kuriale Schlamperei
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- 22. März 2022
Nun haben wir's also „from the horses mouth“, wie die respektlosen Amerikaner zu Äußerungen eines beauftragten Sprechers sagen: Die Erwähnung der „außerordentlichen Form“ des römischen Ritus in der neuen Grundordnung der Kurie „praedicate Evangelium“ war ein redaktioneles Versehen, das alsbald berichtigt werden wird. So Bischof Marco Mellino, Sekretär des Kardinalsrates (der im übrigen bei der Abfassung der Grundordnung wenig zu sagen hatte) bei der offiziellen Pressekonferenz zur Vorstellung am 21. März.
Kein Versehen hingegen ist die neue Bestimmung der Grundordnung, wonach auch Lai*innen als Häupter von Dikasterien mit den höchsten Leitungsämtern der Kirche betraut werden können – obwohl das im Widerspruch zu Abschnitt 129 des Rechtskodex der Kirche zu stehen scheint, der bestimmt: Can. 129 — § 1.
Zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, sind nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt, die die heilige Weihe empfangen haben. § 2. Bei der Ausübung dieser Gewalt können Laien nach Maßgabe des Rechtes mitwirken.
Das – so belehrte bei der Pressekonferenz der Jesuit Gianfranco Ghirlanda die stauenende Öffentlichkeit – bedeute nicht das, was da steht, sondern neuerdings etwas anderes, fortschrittlicheres: Die Leitungsgewalt in der Kirche kommt nicht vom Sakrament der Weihe, sondern von der „kanonischen Beauftragung“, d.h. von der Ernennung durch den Papst. Was für ein Glück, daß wir die Jesuiten haben: Die sakramententheologischen Implikationen dieser völlig aus der Luft gegriffenen „schwarz ist weiß“-Behauptung sind unerschöpflich.
Was sonst noch in „Praedicate Evangelium“ steht? Manches wird als sinnvolle zeitgemäße Anpassung von Organisationsstrukturen von einiger Dauer sein – die bis jetzt geltende Version hielt immerhin 50 Jahre. Anderes wird als dreister Ausdruck Franz’scher Allmachtsvorstellungen wohl schon von seinem Nachfolger korigiert werden. Entgegen seiner ständigen Beteuerungen, eine synodale und zuhörende Kirche errichten zu wollen, werden durch das neue Regelwerk immer mehr Entscheidungsabläufe auf den Papst hin ausgerichtet – eine Anleitung zum Zentralismus und zu Micromanagement, wenn man so will.
Eine höchst Informative Analyse der neuen Grundordnung bringt Andrea Cagliarducci auf TheCatholicWorldReport, deutsch beim Beiboot Petri.
Der hl. Joseph und seine Vorgestalt
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- 21. März 2022
Wegen technischer Probleme können wir das Bild zum Fest des hl. Joseph aus dem Pustet-Missale von 1884 erst heute zeigen und kommentieren.
Das zentrale Bild zeigt ein heute nur noch selten dargestelltes Motiv: Den Tod des hl. Joseph, umgeben von seiner ihm anvertrauten Braut Maria und dem göttlichen Pflegesohn. Die Szene ist nicht biblisch belegt, hat aber durchaus einige Wahrscheinlichkeit für sich. Bemerkenswert vielleicht noch aus heutiger Sicht: Der Heilige liegt nicht auf dem Totenbett, sondern gibt sein Leben aufrecht in einem Sessel sitzend in die Hand des Schöpfers zurück. Bis in die Mitte des 19. Jh. war das die bevorzugte Stellung des Sterbens bei denen, die die Gnade hatten, nicht aus schwerer Krankheit oder unter Krämpfen und -schmerhen den letzten Weg antreten zu können. Der Tod selbst war nicht eine tödliche Krankheit sondern gehörte als dessen Abschluß zum Leben dazu.
Die Typologie stellt, wie wir das auch schon aus der Litanei zum hl. Joseph kennen, vor allem den Bezug zu Joseph dem Sohn Jakobs heraus, dessen Geschichte in Genesis, Kapitel 37 und folgende, in großer Breite erzählt wird: Wie er von seinen Brüdern in die Sklaverei verkauft wurde, dort nach Leiden und Wirrungen zu großen Ehren aufstieg und schließlich seinen Brüder vergab und deren Volk in der Hungersnot beistand.
Das Mittelbild links zeigt die Szene aus Gen. 41,40, in der Pharao den Joseph zum Regenten einsetzt, der das Reich auf die prophezeite Hungersnot vorbereiten soll: „Tu eris super domum meam, et ad tui oris imperium (cunctus populus obediet)“. „Du sollst über mein ganzes Haus gesetzt sein und alles Volk soll dem Befehl deines Mundes gehorchen.“ Das Mittelbild rechts zeigt eine andere Szene aus der gleichen Geschichte, als das Volk sich nach Eintritt der Hungersnot hilfesuchend an Pharao wendet und der ihnen sagt: „Ite ad Joseph, et quidquid ipse vobis dicerit (facite)“. Wendet euch an Joseph und dann tut, was er euch sagt. (Gen 41,55)
Mit Feuer und Flamme für die Tradition?
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- 19. März 2022
Im südindischen Bundesstaat Kerala, wo mit der Syrisch-Malabarischen Kirche die größte und älteste christliche Minderheit des Subkontinents zuhause ist, ist es wegen einer Liturgiereform zu tumultarischen Protesten gekommen. Als makabrer Höhepunkt wurden sogar in Talar gekleidete Strohpuppen mit den Photo-Gesichtern der Kardinäle Leonardi Sandri und George Alencherry verbrannt. Ein Pressesprecher der in Einheit mit Rom stehenden Kirche äußerte sichauf höchste empört, sprach von einer „offenen Herausforderung von Kirche und Papst“ und kündigte „Maßnahmen gemäß den Bestimmungen des Kirchenrechtes“ gegen die Aufrührer an. Worum geht es?
Die Syro-Malabarische Kirche verfügt über eine sehr eigentümliche und vermutlich bis ins 7. Jahrhundert zurückreichende Liturgie, deren Hauptkennzeichen darin besteht, daß ihr Hochgebet, die Qurbana nach Addai und Mari, die Wandlungsworte in keiner der im Evangelium überlieferten Formen enthält, sondern in einer uns eher umständlich anmutenden Weise umschreibt oder besser noch umkreist. Diese Tatsache galt lange als Hindernis für die Anerkennung der Syro-Malabaren bzw. deren zur Union mit Rom bereiten Teile, die darin begründeten Auseinandersetzungen fanden erst unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. einen Abschluß, als dessen Experten – darunter auch Joseph Ratzinger – die Gültigkeit der Qurbana bestätigten.
Damit war der Konfliktstoff in der indischen Kirche, die ihren Ursprung bis auf die freilich sagenhafte Indienmission des hl. Thomas zurückführt, jedoch nicht ausgeräumt.