„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Abschied vom Alleluja
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- 13. Februar 2022
Mit dem heutigen Sonntag Septuagesima - in der Buchhalterliturgie Bugninis und Pauls VI. schlicht als Siebter Sonntag im Jahreskreis bezeichnet - beginnt nach dem überlieferten Kalender die Vorfastenzeit; Farbe violett. So gewichtig war für die Christen früherer Zeiten die 40-tägige Fastenzeit zur Vorbereitung auf die Tage der Passion und Auferstehung, daß sie dieser Vorbvereitung eine weitere Vorbereitungszeit voranstellten. Mit der eigentlichen Fastenzeiot haebn diese Wochen gemeinsam, daß der seit Weihnachten unentwegt erklingende Gesang des Halleluja in der Liturgie verstummt. Ein Wechsel in der Stimmlage, wenn man denn so sagen will, der eine tiefe Wirkung auf die Gemeinden der Christen hatte. Insbesondere in Frankreich und Deutschland entstand daraus der Brauch, vor der ersten Vesper zum Sonntag - also am Frühabend des vorhergehenden Samstag - feierlich Abschied vom Alleluja zu nehmen,die „depositio alleluia“. Belegt ist der anscheinend aus der Volksfrömmigkeit hervorgegangene und später in die öffentliche Feier der Non vieler Konvente und Stifte eingewanderte Brauch ab dem 10. Jahrhundert. Durandus schreibt dazu in seinem Rationale: „Wir verabschieden uns vom Alleluja wie von einem lieben Freund, den wir vielmals umarmen und auf Mund, Kopf und Hände küssen, bevor wir uns von ihm trennen“.
Die Feier dieser Trennung scheint schon früh an einigen Orten zu bedenklichen Formen ausgewuchert zu sein. In der Kathedrale von Auxerre wurde das Alleluja nach dem letzten „Benedicamus Domino“ nicht weniger als 28 mal wiederholt, und aus Toul wird - allerdings aus dem 15. Jahrhundert - eine regelrechte Beisetzungsparodie beschrieben. Danach versammelten sich zur festgesetzten Zeit alle Messdiener und Scholasänger in der Sakristei, um dann nach dem „Benedicamus“ mit Vortragekreuz, Bannern, Weihrauch und Weihwasser in Prozession unter Trauern und Klagen durch das Kirchenschiff zu ziehen. Dabei führten sie ganz wie bei einer Beerdigung einen Sarg mit sich, der schließlich auf dem Kirchhof feierlich begraben wurde.
Solche Erscheinungen mögen es gewesen sein, die Papst Alexander II. bereits im 12. Jahrhundert dazu bewogen haben, für den „Abschied vom Alleluja“ nur noch „in höchstem Maße nüchterne und schlichte“ Zeremonien zuzulassen - mit geringem Erfolg, wie man am Falle Toul sehen kann. Erst im 16. Jahrhundert kam der feierliche „Abschied vom Alleluja“ allmählich aus der Übung. Im Breviarium Romanum vor der Liturgiereform ist davon nur ein zweifaches „Alleluja“ nach dem „Benedicamus“ der 1. Vesper zu Septuagesima übrig geblieben, mit der Liturgiereform wurde dann die Vorfastenzeit mitsamt dem Sonntag Septuagesima „abgeschafft“.
Lateinischen Text und deutsche Übersetzung der Hymne Alleluia dulce carmen zum „Abschied vom Alleluja“ finden Sie auf dem Hymnarium. Eine gesungene Version von der Capella Antiqua München findet sich auf Youtube.
Das falsche Super-Dogma muß fallen!
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- 11. Februar 2022
Martin Mosebach hat gestern in der NZZ einen überaus lesenswerten Artikel veröffentlicht, der geeignet ist, den Abwehrkampf gegen Traditionis Custodes sowie die Reformation 2.0 des synodalen Weges aus den Engführungen zu befreien, in die sie gelegentlich zu geraten drohen. Gegen die Anmaßung aus Rom, den seit anderthalb Jahrtausenden gültigen Ritus der Kirche des Westens „abschaffen“ zu wollen, helfen keine feingesponnenen rechtlichen Erwägungen, wenn Papst und Kurie das Recht so sehr verachten, daß sie sich noch nicht einmal die Mühe geben, es zu kennen. Und gegen den unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen den Mißbrauch“ vorgetragenen Angriff der vom kirchlichen Apparat lebenden Funktionärskaste, eine ihren Interessen als Arbeitnehmer und Politiker besser entsprechende Pseudokirche zu schaffen, hilft keine mahnende Erinnerung an die Dogmen des Glaubens.
Das einzige, was weiterhelfen kann, ist die Einsicht in die Tiefe der Krise, die in beidem zum Ausdruck kommt, und die schonungslose Analyse der Gründe und Ursachen. Mosebach hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, indem er sich über ein Tabu hinwegsetzt, das allzuvielen der für die Bewahrung von Kirche und Glauben eintretenden Katholiken bisher Zunge und Schreibhand lähmt: Die Übersteigerung des Konzils aus dem vergangenen Jahrhundert und seiner Texte, Geister und Gespenster zu einem Superdogma, vor dem alles, was in der Vergangenheit war, sein Recht verliert, und in der Gegenwart jeder Widerspruch verstummen muß.
Was für die Propheten des Konzilsgeistes besonders schmerzlich ist: Ausgerechnet das von ihnen so einträglich bewirtschaftete Phänomen des Mißbrauchs führt Mosebach nicht ausschließlich, aber doch in wesentlichem Umfang auf die irrlichternden Deklarationen des Konzils und deren Aufnahme und Umsetzung in weiten Bereichen der westlich geprägten Kirche zurück. Er schreibt:
Das Zweite Vatikanische Konzil, das vor sechzig Jahren beendet wurde, hat zwar die äussere Form der Hierarchie, die Leitung der Kirche durch den Papst und die Bischöfe, ebenso wie den überlieferten Glauben der Kirche bestätigt, es hat zugleich aber eine Entwicklung ins Rollen gebracht, die tatsächlich «keinen Stein auf dem andern liess» – das Gesicht der Kirche hat sich in diesen sechzig Jahren bis zur Unkenntlichkeit verändert. Und diese Veränderungen sind nicht abgeschlossen – es ist in Wahrheit so, dass dieser Prozess längst unbeherrschbar geworden ist, da die Gehorsamsstrukturen der nachkonziliären Kirche weitgehend zusammengebrochen sind.
Die Bischofskrise
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- 10. Februar 2022
Nicht Ursache, aber doch Ausdruck und verstärkendes Moment der Glaubens- und Kirchenkrise im 21. Jahrhundert ist die Krise der Bischöfe, die weltweit eine Mehrheit der Oberhirten erfaßt zu haben scheint. Zumindest diejenigen, von denen öffentlich zu hören und zu lesen ist. Es mag nach wie vor auch viele geben, die ihr Amt als Nachfolger der Apostel ohne Verbeugungen vor dem Zeitgeist oder gar aus eigenem Antrieb herrührende apostatische Regungen wahrnehmen – doch von denen hört man eher selten. Wie jetzt gerade wieder von Bischof Strickland von Tyler in Texas, der dem Treiben der Glaubensverderber in Gesellschaft und Kirche nicht nur still leidend zusieht, sondern die Mittel der Mediengesellschaft offensiv nutzt, um zu sagen, was gesagt werden muß. Wo bleibt denn – um nach Deutschland zu wechseln – der Aufschrei und erforderlichenfalls auch der Bannspruch der kläglichen knapp 20% der Bischöfe, die sich beim synodalen Irrweg von den Propagandisten einer neuen Kirche überstimmen ließen?
Für die Verkommenheit vieler Figuren, die sich in Mitteleuropa mit dem Titel eines Bischofs schmücken, gibt es zahlreiche Ursachen – ein wacher Sinn fürs Opportune bei Leuten, die sich eine Karriere in der Wirtschaft nicht zutrauen, gehören ebenso dazu gehören wie eine geistige Mittelmäßigkeit, die sich mit dem, was seit 60 Jahren als „Theologie“ gilt, bereitwillig arrangiert. Dazu kommen dann Hochschullehrende, die selbst nie über den Tellerrand der Mittelmäßigkeit hinausgeblickt haben, und später in Amt und Würden eine beißwütige Medienmeute, die jeden Versuch zur Verkündigung der Lehre Christi unter Wutgeheul und Hohngelächter zu ersticken sucht. Also eigentlich nichts, was einen „Nachfolger der Apostel“ erschrecken und von der Wahrnehmung seiner Pflichten abhalten sollte, wenn er nur selbst an diese Lehre glauben wollte.
Dazu kommt ein weiterer Faktor, der merkwürdigerweise im allgemeinen Bewußtsein auch bei glaubenstreu eingestellten Beobachtern nur eine geringe Rolle spielt. Seit der Verkündung und Durchsetzung des päpstlichen Jurisdiktionsprimates nach dem 1. Vatikanum liegt die Ernennung von Bischöfen – von sehr wenigen regionalen Sonderregelungen abgesehen – voll und ganz in den Händen des Papstes bzw. der von ihm als Zuarbeiter eingesetzten Behörde, also der Bischofskongregation. Kein Mann erhält den Bischofshut, ohne daß die Kurialen dieser Kongregation Gutachten eingeholt, seine Akten studiert und seinen bisherigen Lebenswandel in Augenschein genommen hätten. Bei derzeit fast 6000 Bischöfen mit einem jährlichen „Ersatzbedarf“ von vielleicht 10% ist das keine leichte Aufgabe. Und kein Papst kann wirklich wissen, wen er da ernennt, wenn täglich zwei entsprechende „Vorgänge“ auf seinem Schreibtisch landen.
Organisches Wachstum und Reformeifer
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- 08. Februar 2022
Manchmal hilft es, einen weiter entfernten Standpunkt einzunehmen, um einen klareren Blick auf die Nähe zu gewinnen. Wie etwa bei dieser Geschichte, die vor einigen Tagen durch die japanische Presse ging. Im kleinen, aber durchaus gut frequentierten (buddhistischen) Tempel Hozen-ji aus dem Jahr 1637 mitten in Osaka hatte sich gegen Ende des zweiten Weltkriegs der Brauch entwickelt, daß Besucher die dort aufgestellten steinernen Statuen von Schutzgottheiten mit Wasserspenden ehrten – vulgo: Sie mit Wasser besprengten. Das ist kein allgemein üblicher, aber auch kein exzeptioneller Brauch, der von den Mönchen daher akzeptiert wurde.
In der Folge überzogen sich die Statuen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit einer dicken Moosschicht, die alle Einzelheiten der Skulpturen überdeckte, im übrigen aber dem Ruf des Tempels durchaus förderlich war. Kurz vor Weihnachten hat nun ein Mann aus der Nachbarschaft mit fehlgeleitetem Ordnungs- und Reinheits-Sinn – vielleicht wollte er die ursprüngliche Einfachheit und den schlichten Glanz der Figuren wiederherstellen – das Moos von den Köpfen zweier Statuen entfernt - s. Bild oben. Die Gesichtszüge der Figuren waren erstmalig wieder sichtbar – und ihre geheimnisvolle Aura verflogen.
Der Tempel fand das gar nicht gut und erstattete Anzeige, und die Polizei begann umgehend die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Enweihung eines gottesdienstlichen Ortes. Nun war der Vorfall im Dezember aber von einer Sicherheitskamera aufgezeichnet worden, und und als der Missetäter Ende Dezember den Tempel ein weiteres Mal besuchte, wurde er er von den Mitarbeitern erkannt, die die Polizei benachrichtigten. Da in Japans Großstädten Polizeistationen nie weiter als wenige Gehminuten entfernt sind, waren die Uniformierten denn auch sogleich zur Stelle und nahmen den Mann ins Gebet.
Der gestellte Verbrecher entschuldigte sich daraufhin bei der Polizei und den Mönchen mit der Erklärung, ein kleiner Teil des Mooses hätte sich von selbst gelöst gehabt und er habe daraufhin beschlossen, die Statuen zu reinigen.
Glaubhaft oder nicht: Der Tempel zog jedenfalls seine Anzeige zurück, und der stellvertretende Vorstand Shinei Kanda entließ den zerknirschten Übeltäter mit der Mahnung: „Wieviele Jahre hat es gebraucht, daß das Moos so anwachsen konnte? Wieviele Menschen haben die Statuen mit Wasser besprengt und für die Erfüllung ihrer Wünsche gebetet? Mache so etwas nie wieder!“
Zum 5. Sonntag nach Erscheinung
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- 06. Februar 2022
In diesem Jahr fällt der 5. Sonntag nach Erscheinung wegen des späten Ostertermins noch ins Frühjahr – das kommt dem Evangelium vom Samann, der mit dem Ausjäten des feindlichen Unkrauts bis zur Ernte warten will, von der Jahreszeit her durchaus zu gute. Der 5. Sonntag hat aber eine weitere Besonderheit aufzuweisen, die noch weitaus seltener ist als sein Fall in den beginnenden Frühling: Das „Tagesgebet“ des „Fünften Sonntags im Jahreskreis“ wie man diesen Sonntag in zeitgeistig neutralisierender Weise genannt hat, ist nicht nur das gleiche, das die römische Liturgie seit unvordenklicher Zeit an eben diesem Sonntag betet, es hat auch die Besserwisserei des Consiliums in sprachlich unveränderter Form überstanden. Darauf hat Fr. Zuhlsdorf gestern in einer Glosse aufmerksam gemacht.
Der lateinische Wortlaut ist:
Familiam tuam, quaesumus, Domine, continua Pietate Custodi, ut, qua in sola spe gratiae celestis innititur, tua semper prutectione muniatur.
Der gute alte Schott (Ausgabe 1953) hatte das seinerzeit so übersetzt:
Wir bitten Dich, o Herr: Behüte Deine Familie unablässig in Deiner Vatergüte; sie findet ja die einzige Stütze ihrer Hoffnung nur in der himmlischen Gnade; drum möge sie allezeit unter Deinem Schutz in Sicherheit sein.
Der nicht so gute Online-Schott des Novus Ordo bietet dafür:
Gott, unser Vater, wir sind dein Eigentum und setzen unsere Hoffnung allein auf deine Gnade. Bleibe uns nahe in jeder Not und Gefahr und schütze uns.
Das ist ziemlich frei, aber nicht sinnentstellend; damit könnte man, wäre nur nicht der Begriff „Familie“ unerklärlicherweise umschrieben und das Personalpronomen „dein“ in der Anrede Gottes groß geschrieben, einigermaßen leben.
Die englischsprachigen Länder waren in dieser Hinsicht während der Jahrzehnte, in der die erste offizielle Übersetzung des Missales galt, nicht so glücklich. Dort hieß es in unserer Rückübersetzung:
Vater, behüte deine Familie und halte uns in deinem Schutz, denn all unsere Hoffnung setzen wir auf dich.
Auffällig ist hier die meidung jedes Hinweises auf Gnade. Seit 2011 gilt nun in Angelsachsien eine verbesserte Version:
Beschütze deine Familie, O Herr, mit nie versagender Sorge, damit sie, die sich alleine auf die Hoffnung der himmlischen Gnade stützt, allzeit unter deinem Schutz geborgen sei.
Damit sind wir dann nahe am Latein und auch am alten Schott – und meilenweit entfernt von der ersten Fassung aus dem Jahr 1971. Soviel zum Novus Ordo als „eine und einzige Form“ der lex legendi der römischen Kirche.
„Hau drauf, schlag tot!“
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- 03. Februar 2022
Inzwischen wird für Beobachter der römischen Szenerie etwas deutlicher sichtbar, wie die Durchsetzung des Missales von Papst Paul VI. als „einziger lex orandi“ des römischen Ritus bewerkstelligt werden soll. Die Promulgationsphase von TC im Jahr 2021 war sehr stark geprägt vom grobianischen Naturell des Papstes und seiner Berater von SanAnselmo, die den Übergang zum Novus Ordo am liebsten bis gestern vollzogen und die – ihrer Erwartung nach nur wenigen – Widerspenstigen dann per Machtwort aus der Herde ausgeschlossen hätten. Soviel nur zu den Themen Barmherzigkeit und Dialog.
Ganz so schnell wie vielleicht gedacht geht es nun aber doch nicht. Bei der Wahl der Mittel scheint man sich jetzt gelegentlich des Rates erfahrener Kurialer zu bedienen, deren lange Erfahrung sie gelehrt hat, daß „Hau drauf, schlag tot!“ nicht wirklich die effektivste Strategie zum Erreichen kirchenpolitischer Ziele darstellt. Am großen Ziel, die überlieferte Liturgie (samt der darin manifestierten Lehre) aus dem Leben der Kirche zu vertreiben, hat sich nichts geändert. Aber swohl die Responsa von Erzbischof Roche und die Maßnahmen von Kardinal Cupich als auch einige römische Mutmaßungen zur anstehenden „Disziplinierung“ der Priesterbruderschaften lassen sich dahingehend verstehen, daß weniger das völlige Verschwinden der alten Liturgie in den Vordergrund gestellt werden soll, zumindest für begrenzte Zeit nicht, sondern eine Art erzwungener Birituallismus. Wer die moderne Liturgie anerkennt und das nicht nur durch ihre verbale Anerkennung als einzige Form der lex orandi der römischen Kirche, sondern auch durch regelmäßige Zelebration nicht nur am Gründonnerstag belegt, darf auch im alten Ritus zelebrieren – sofern und solange der Bischof und die Gottesdienstkongregation das erlauben. Irenischen Gemütern könnte man das sogar als eine Art Kompromiss verkaufen, ein „Angebot, das Sie nicht ablehnen können“.