„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Lesestoff zum Wochenende
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- 20. November 2021
Zunächst ein Hinweis auf zwei Nachträge zur kleinen Linkliste unseres Artikels über den aus dem Innern der Kirche selbst vorgetragenen Angriff auf das kontemplative Leben. Der Artikel Notes and question about the new directives on contemplative convents von Fr. Joseph Fessio S.J. stellt einige kirchenrechtliche Fragen, die für den Fortgang der Dinge bedeutsam sein können. Können, nicht müssen, denn wie die italienische Jura-Professorin Geraldina Boni in einem soeben erschienenen Buch ausführt, bedeutet die hemdsärmlige, um nicht zu sagen anarchistische Art, mit der Papst Franziskus das Kirchenrecht je nach Gusto übergeht oder ändert, eine Gefahr, die das ganze Gebäude des kanonischen Rechtes zum Einsturz bringen könnte. Eine englische Besprechung des bisher nur auf itralienisch erschienen Werkes bringt der National Catholic Register.
Doch zurück zum Thema der kontemplativen Orden: Peter Kwasniewski hat auf OnePeterFive einen Beitrag veröffentlicht, der im Wesentlichen zwei Aspekte beleuchtet: In einem ersten Teil skizziert der Autor Möglichkeiten, wie Angehörige von für „aufgelöst“ erklärten Gemeinschaften oder Klöstern ihr monastisches Leben als „Laienvereinigung“ fortsetzen können, ohne kirchenrechtliche Angriffspunkte zu bieten. Der zweite Teil greift auf ein Buch über das Untergrund-Leben orthodoxer Frauengemeinschaften im stalinistischen Russland zurück und endet mit dem einigermaßen erschütternden Statement: „Mentalität und Vorgehen der „katholischen“ Verfolger des traditionellen Ordenslebens ähneln auf seltsame und übelkeiterregende Weise denen der Kommunisten.“ Was die Bolschewiken überstanden hat, so können wir den Autor verstehen, wird auch Braz d‘Aviz und Co überdauern.
Auf verquere Weise mit dem Kampf gegen das kontemplative Leben verknüpft ist das Thema der anthropozentristischen Wende der Kirche, zu dem wir in dieser Woche Lesenswertes bei den Nachtgedanken von Uwe Lay gefunden haben. Wo es vor allem um den „Dienst am Menschen“ geht, muß der Gottesdienst allgemein und die Kontemplation insbesondere wie zur Zeit des Josephinismus im 18. Jahrhundert vor allem als Verschwendung gesellschaftlicher Ressourcen betrachtet und im Sinne der allgemeinen Wohlfahrt bekämpft werden. Und wegen des kollektivistischen Menschenbildes, das dem säkularien Anthropozentrismus zugrunde liegt, kann man dabei natürlich auf Bedürfnisse von Einzelnen keine Rücksicht nehmen: Der Staat, die Partei, die Kongregation wissen, was allen frommt und daher ausnahms- und gnadenlos für alle durchgesetzt werden muß.
Großes Thema der vergangenen Woche in den USA war die Herbst-Vollversammlung der amerikanischen Bischofskonferenz mit der Abstimmung über ein Dokument zur hochheiligen Eucharistie. Im Vorfeld hatte es heftige Auseinandersetzungen auch mit Rom gegeben, weil ein Teil der Bischöfe sich offen gegen den Mißbrauch des Sakraments durch Abtreibungspolitker – am prominentesten hier Präsident Biden – wenden wollten, die durch demonstrativen Kommunionempfang Stimmen von katholischen Wählern einwerben wollen. Der Vatikan hat sich mit seinen offenen Interventionen zugunsten von Biden & Co weitgehend durchgesetzt – wenn auch nicht vollständig, wie George Weigel in einem Beitrag auf Catholic World Report nachgezeichnet hat. Im übrigen ist das Dokument der US-Bischöfe abseits seiner politischen Zurückhaltung lehrmäßig von hohem Wert, zumindest, was die dogmatische Seite der Lehre von der der Eucharistie betrifft. Ebenfalls auf Catholic World Report hat Peter M. Stravinskas darauf hingewiesen, daß in der gottesdienstlichen Praxis das bereits im Titel des Dokuments herausgestellte „Geheimnis der Eucharistie“ vielfach nur unzureichend sichtbar und kenntlich gemacht wird – und daß die im Gefolge der Liturgiereform Pauls VI. vollzogene „anthropozentristischen Wendung“ des Gottesdienst dafür die Hauptschuld trägt.
Die Liturgiereform ist auch das Thema eines lesenswerten Artikels von Fr. Hunwicke auf Mutual Enrichment, der anhand eines Messbuchs von 1957 einen Blick auf die bereits vor dem Konzil erfolgten und stark von Bugnini beeinflußten Veränderungen und Verarmungen des römischen Ritus wirft. Sein Fazit: „Die Periode von 1955 bis 1976 ist eine einzige, zusammenhängende Periode von Einschnitten und Rissen, die immer brutaler und respektloser mit dem liturgischen Erbe der lateinischen Kirche umgegangen ist“.
Der Mißbrauch dauert an
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- 18. November 2021
Der Angriff des gegenwärtigen Pontifikats auf die Tradition der Kirche Christi ist umfassend. Die überlieferte Liturgie des hl. Gregor steht schon alleine wegen ihrer Reichweite und ihrer zunehmenden Resonanz bei den Gläubigen im Zentrum. Aber mit kaum geringerer Wut richten sich die Angriffe der Modernisten auf alle anderen Stränge, die die Kirche mit ihrer Vergangenheit verbinden und ihrer Umwandlung in einen global player in der Politik und auf dem Markt der Sinnstiftungangebote im Wege stehen. Veröffentlichungen in den letzten Wochen lenken (s. Links unten) unsere Aufmerksamkeit darauf, daß derzeit die kontemplativen Frauenorden frontal angegriffen werden – zumindest jene Klöster, die wie einige Niederlassungen der Klarissen (gegründet 1012) und der Karmelitinnen (gegründet 1452) ihr ursprüngliches Charisma – eben das der Kontemplation in Weltabgeschiedenheit und Armut – beibehalten oder wiedergewonnen haben.
Hauptakteur bei den aktuellen Attacken ist die Ordenskongregation unter ihrem berüchtigten Präfekten João Braz de Aviz, der 2013 den wegen ihrer partiellen Rückwendung zu überlieferten Liturgie unerträglich gewordenen Franziskanern der Immakulata und 2014 deren weiblichem Zweig mit ausgesuchter Brutalität den Garaus machte. Der selbst auf offiziellen Photos oft einigermaßen derangiert wirkende Brasilianer kann sich bei seinem Vorgehen nicht nur auf enge persönliche Verbindungen zu Papst Franziskus stützen, sondern auch auf von diesem verfaßte oder unterzeichnete (pseudo)lehramtliche Dokumente wie die apostolische Konstitution Vultum dei querere (hier deutsch zum Abruf als PDF) und die sich darauf berufende Instruktion Cor orans (hier ebenfalls deutsch) „über das weibliche kontemplative Leben“. „(Pseudo)lehramtlich“ deshalb, weil Dokumente, die, so sehr sie auch mit frommen Sprüchen und Zitaten der Väter und DES KONZILS verziert sein mögen, aber in wesentlichen Inhalten, Schlußfolgrungen und Konsequenzen der überlieferten Lehre und darauf gegründeten Praxis widersprechen, schwerlich als authentischer Ausdruck des Lehramtes gelten können.
Insbesondere Cor orans mit Vorschriften zur faktischen (kichenrechtlichen) Enteignung und Fremdbestimmung von Konventen
Wie überleben III
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- 15. November 2021
Bei aller berechtigten Empörung über die Lügen und Verdrehungen von Prälaten wie Cupich oder Roche sowie die jüngst über die Petrusbruderschaft in Rom durch den Generalvikar des Papstes verhängten Restriktionen sollte man zweierlei nicht übersehen: Die tatsächlichen und wirksamen Einschränkungen für die Gläubigen, an der heiligen Messe im überlieferten Ritus teilzunehmen oder die Sakramente nach der alten Form zu empfangen, sind gering, wenn überhaupt erkennbar. Die überwiegende Zahl der Bischöfe weltweit ist nicht bereit, sich dem Kreuzzug von Franziskus anzuschließen – warum auch immer. Und selbst mit dem Aufbau einer kirchlichen GeStaPo könnte Kardinal De Donatis kaum überprüfen oder gar verhindern, daß Taufen oder letzte Ölungen im überlieferten Ritus gespendet und Absolutionen nach der alten Formel erteilt werden. Ob und inwieweit solche Vorgänge dann öffentlich gemacht werden, ist zunächst eine Frage der Taktik: Vielleicht lernt das Pferd ja doch noch sprechen, oder der Kalif stirbt.
Ein zweites Element ist in Deutschland bisher weniger zur Kenntnis genommen worden, spielt dafür in den USA und weltkirchlich eine umso größere Rolle: Die von herzlichstem Einvernehmen bestimmten Zusammenkünfte des Papstes mit den Pro-Abtreibungs-Aktivisten Biden und Pelosi haben auch in bei Katholiken, die den Krieg gegen die überlieferte Liturgie kaum zur Kenntnis genommen haben, große Verärgerung und tiefgehende Befürchtungen ausgelöst. Die römischen Bemühungen, zu verhindern, daß die US-Bischöfe sich vernehmlich gegen den demonstrativen Kommuniongang von Abtreibungspolitkern aussprechen, spielen in diesen Kreisen die gleiche Rolle wie das Vorgehen gegen die überlieferte Liturgie bei den Konservativen: Sie machen erkennbar, daß in diesem Pontifikat trotz gelegentlicher frommer Sprüche alle traditionellen Formen und Inhalte des Glaubens zur Disposition stehen, wenn das den Machtinteressen der jesuitischen Kamarilla am päpstlichen Hof (und der Eitelkeit des regierenden Papstes) dienlich erscheint.
Unmittelbare Konsequenz dieser Entwicklung ist zunächst einmal ein deutlicher Rückgang bei den aus den USA eingehenden Spenden, die für den gerade von einem 100-Millionen-Verlust seiner Londoner Immobilienspekulation betroffenen Vatikan mindestens ebenso wichtig sind wie die Zuwendungen aus der deutschen Kirchensteuer. Längerfristig zeichnet sich als Folge ab, daß nicht nur amerikanische Kardinäle, sondern auch viele Teilnehmer des nächsten Konklaves „von den Rändern“ der dritten Welt nicht mehr so bereitwillig einen Franziskus II. wählen werden, wie das noch vor zwei, drei Jahren erscheinen mochte. Damit besteht noch kein Grund, die Wahl von Pius XIII. zu erwarten – aber das Schlimmste erscheint abwendbar.
Von daher ist es durchaus nachvollziehbar, wenn einige Beobachter der römischen Szene angesichts der jüngsten Entwicklung eine sich ausbreitender Panik in den päpstlichen Hinterzimmern konstatieren. Und es ist auch nicht völlig abwegig, in einigen Situationen als Strategie zum Überleben einfach mal die Füße ruhig zu halten. Für eine begrenzte Zeit.
Im Zeugnis für die Wahrheit II
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- 12. November 2021
Wie angekündigt bringen wir heute den zweiten und letzten Teil unserer Übersetzung des Briefes von P. Wojciech Gołaski, O.P. Um die Einheit der Übersetzung zu wahren bzw. wieder herzustellen, haben wir diesen zweiten Teil auf der gleichen Seite unmittelbar an den ersten angehängt. Hier geht es zum Anfang unserer Übersetzung und hier zum heute neu veröffentlichten zweiten Teil.
Im Zeugnis für die Wahrheit
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- 11. November 2021
Der polnische Dominikaner Wojciech Gołaski hat einen Brief an Papst Franziskus, mehrere hohe Würdenträger der Kirche, Obere und Mitglieder seines Ordens sowie an den Distriktsoberen der Piusbruderschaft in Polen veröffentlicht, in dem er die grundsätzlichste Auseinandersetzung mit Traditionis Custodes vornimmt, die uns bisher zur Kenntnis gekommen ist. Der Brief, der inzwischen auf Rorate Caeli in englischer Sprache nachzulesen ist, schließt mit der Mitteilung, daß P. Gołaski sich um Mitgliedschaft in der Piusbruderschaft bewirbt und die Bruderschaft bereits wohlwollende Aufnahme seines Anliegens signalisiert habe.
Über die generelle Zulässigkeit dieses Schrittes oder seine Klugheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt mag man unterschiedlicher Ansicht sein. Das ändert aber nichts am Wert und der Schlüssigkeit der von P. Gołaski vorgetragenen Gesichtspunkte und Argumente, mit denen sich künftig jeder auseinandersetzen muß, der die mit dem Pontifikat von Franziskus ja nicht nur erst seit TC aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf die Wahrheit des Glaubens beantworten will und sich nicht mit Machtworten zufrieden geben will.
Der Brief von P. Gołaski besteht aus drei Teilen: Einer Beschreibung seiner „Entdeckung“ der überlieferten Liturgie im 16. Jahr seines Priestertums und den daraus gewonnenen Einsichten, die ihn unter anderem zur regelmäßigen Zelebration im usus antiquor führten. Dann dem durch TC ausgelösten Schock, der nicht nur seine persönlichen Einsichten, sondern die gesamte liturgische und lehrmäßige Tradition der Kirche in Frage stellte und schließlich einer eingehenden Analyse der philosophischen und theologischen Fehlkonzeptionen des Papstes und seiner Berater, auf deren Grundlage TC (und andere Maßnahmen) erlassen wurden.
Den ersten Teil lassen wir hier ganz aus. Er enthält zwar eine durchaus lesenswerte Darstellung des Vorgangs und der Auswirkungen der Entdeckung der Tradition auf einen lange nach dem Konzil ausgebildeten und geweihten Priester, fügt aber früheren „Entdeckungsberichten“ anderer Priester nichts wesentlich Neues hinzu. Den zweiten Teil mit der Beschreibung des TC-Schocks und den dritten Teil mit der Analyse der Fehlkonzeptionen übersetzen wir im Folgenden ganz. Da der vorliegende englische Text bereits eine Übersetzung aus dem Polnischen darstellt, wird eine in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit dieser Analyse möglicherweise nur auf Basis des Originals erfolgen können. Wir begnügen uns hier mit der schlichten Übersetzung und überlassen die Detaildiskussion den Spezialisten.
Aus Ihren Dokumenten, Heiliger Vater, erfuhr ich, daß der Weg, auf dem ich die vergangenen 12 Jahre gegangen war, nicht mehr existierte. Wir haben nun Aussagen von zwei Päpsten. Seine Heiligkeit Benedikt XVI hatte gesagt, daß das römische Meßbuch des hl. Papstes Pius V „als der außerordentliche Ausdruck der lex orandi der katholischen Kirche des römischen Ritus anzusehen ist“. Aber seine Heiligkeit Papst Franziskus sagt, daß „die liturgischen Bücher der hl. Päpste Paul VI und Johannes Paul II (…) der einzige Ausdruck der lex orandi des römischen Ritus“ sind. Die Aussage des Nachfolgers verneint somit die seines noch lebenden Vorgängers.
Mit grenzenloser Barmherzigkeit
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- 10. November 2021
„Um den Katholiken, die sich einigen früheren liturgischen Formen verbunden fühlen, die kirchliche Gemeinschaft zu erleichtern“ und „in Ausübung lebendiger pastoraler Nächstenliebe“ (wörtlich zitiert aus dem Schreiben des Generalvikars) hat das Generalvikariat der Diözese Rom im Anschluß an Traditionis custodes Regelungen für die Praxis der überlieferten Liturgie erlassen, deren Inhalt in wenigen Sätzen zusammengefaßt werden kann:
- Alle Priester, die die überlieferte Liturgie feiern wollen, auch die der Orden und Gemeinschaften, müssen dafür eine nach Ort und Zeit spezifizierte Sondergenehmigung des Generalvikariats beantragen;
- Alle Feiern und Zeremonien nach den alten Büchern sind verboten mit Ausnahme der Messfeier nach dem Missale von 1962, bei der die Lesungen auf italienisch nach dem Lektionar von 2008 vorzutragen sind;
- An den Tagen des Triduums dürfen keine Messen oder Liturgien nach den überlieferten Riten gefeiert werden, auch nicht in der Kirche der (aufgehobenen?) Personalpfarrei Santissima Trinità dei Pellegrini.
Das Original und eine englische Übersetzung des Schreibens des Generalvikars bringt Rorate Caeli. Eine Reaktion der Petrusbruderschaft, der Papst Benedikt die Seelsorge im überlieferten Ritus in ST d Pellegrini anvertraut hatte, liegt noch nicht vor. Ebenso wenig von anderer Seite.
Unser Kurzkommentar: Der Inhalt des Schreibens überrascht uns nicht, wohl aber dessen zeitliche Platzierung. Anscheinend geht es darum, angesichts der bisher zögerlichen Aufnahme und Umsetzung von TC in den meisten Diözesen der Welt ein Präzedenz zu setzen, zu dessen Beachtung dann die Ortsbischöfe mit den jeweils für angemessen erachteten Mitteln (vom persönlichen Telephonanruf bis zur Drohung mit der Entlassung) gezwungen werden sollen.
Ein zweites Ziel dürfte darin bestehen, die von den Päpsten Johannes Paul II und Benedikt XVI errichteten Gemeinschaften, zu deren Charisma die Pflege der überlieferten Liturgie gehört, durch die fortgesetzte Verhöhnung („kirchliche Gemeinschaft erleichtern“) und Demütigung entweder zur Selbstaufgabe zu zwingen oder aber dazu zu veranlassen, den Gehorsam zu verweigern und so einen Vorwand zu liefern, sie als Sünder gegen die kirchliche Einheit zu verurteilen.
Falls das dieses Mal noch nicht gelingen sollte, gibt es noch viele andere Mittel, um die Schlinge weiter zuzuziehen. Die Barmherzigkeit dieses Papstes kennt keine Grenze.
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Inzwischen ist eine deutsche Übersetzung der Anweisung des Generalvikars mit zusätzlichen Informationen auch auf katholisches.info erschienen.