„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
Themen und Meldungen:
Die O-Antiphonen 2022
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- 19. Dezember 2022
Bereits im vergangenen Jahr hatten wir auf die Sammlung der O-Antiphonen im Hymnarium verwiesen und ihre Texte in den Zusammenhang mit der altes und neues Testament überspannenden Heilsgeschichte insgesamt gestellt: Kennzeichnend für diese in ihren Vorformen bis ins frühe 9. Jahrhundert zurückreichenden Antiphonen ist, daß sie in ihrem Wortlaut unverkennbar auf allgemeine Denkfiguren oder exakt identifizierbare Passagen aus dem Alten Testament zurückgreifen, diese Passagen aber aus der Perspektive des um seine künftige Erlösung flehenden Volkes Israel herauslösen und unter dem Blickwinkel des vollzogenen Erlösungswerkes neu interpretieren. Gleichzeitig wird die sehr stark auf irdische Verhältnisse gerichtete Erlösungshoffnung Israels ins Metaphysische gewendet: Nicht mehr die von babylonischer Versklavung und römischer Fremdherrschaft unterdrückten Juden der Zeit vor der Ankunft des Herrn, sondern das bereits befreite neue Volk Israel, das sich der nur durch eigenes, persönliches Verschulden fortdauernden Knechtschaft in der Beherrschung durch die Sünde bewußt geworden ist, erhebt in den O-Antiphonen seine Stimme.
In diesem Jahr können wir auf zwei hervorragende Artikel zu den O-Antiphonen verweisen, die bei Rorate Caeli und New-Liturgical Movement erschienen sind, die diesen Zusammenhang historisch und theologisch wohlfundiert ausbreiten:
Auf Rorate Caeli hat der im besten Sinndes Wortes „Schriftgelehrte“ Matthew Hazell die Geschichte, Theologie und Spiritualität der Antiphonen dargestellt. Eine deutsche Übersetzung in mehreren Folgen ist in Arbeit beim Beiboot Petri. Auf New Liturgical Movement hat sich Gregory Dipippo mit einem Artikel vom 17. Dezember des Themas angenommen. Beide sehr lesenswert.
Liturgie des Quatembersamstags im Advent
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- 17. Dezember 2022
In der überlieferten Liturgie sind die Messen der Quatembertage im Advent durch einen außergewöhnlichen Reichtum an Lesungen und Gesängen gekennzeichnet – insbesondere der Quatembersamstag. Während der Mittwoch neben dem Evangelium nur zwei Lesungen hat, sind für diesen Samstag sogar 6 zusätzliche Lesungen vorgesehen. Mit einer Ausnahme sind diese adventlichen Lesungen alle dem Propheten Isaias entnommen – dem großen Künder des kommenden Messias aus der Zeit des 8. Jahrhunderts vor Christi Geburt. Dazu kommt dann am Samstag die Lesung aus der 2. Epistel des hl. Paulus an die Thessalonicher, in der der Apostel die Gemeinde auf die 2. Wiederkunft des Herrn vorbereitet. Zwischen diesen Lesungen erfolgen Psalmengesänge (Graduale) und Fürbitten-ähnliche Orationen, wie am Karfreitag, sie werden auch wie dort mit dem Oremus – flectamus genua – levate eingeleitet.
Diese Leseordnung ist uralt und wurde so oder ähnlich bis zur Liturgiereform in allen Gemeinschaften der lateinischen Kirche praktiziert. Sie findet sich mit geringen Abweichungen bereits im zweiten Buch von Ruperts von Deutz’ De Divinis Officiis aus der Zeit um 1100, und sie ist, wie im folgenden zu zeigen ist, Ausdruck eines Selbstverständnisses der Kirche, das weit in ihre vorchristliche Vorgeschichte zurückreicht. Vielleicht war sie deshalb den Reformen, die doch behaupteten, den Reichtum der Schrift tiefer erschließen wollen, unerträglich.
Die Messe des Quatembersamstages im Advent ist von allen Adventsmessen diejenige, die Israels Erwartung des Herrn als Erlöser am stärksten zum Ausdruck bringt. Sie ist am tiefsten von allen Liturgien in der Tradition des auserwählten Volkes verankert. Gleichzeitig macht die Auswahl aus den Prophetien des Isaias schon von der ersten Lesung an deutlich, daß der Messias zwar aus dem Volk Israel hervorgeht, sein Erlösungswerk jedoch allen Menschen auf der ganzen Erde zugute kommen soll: Alle, die ihm folgen, werden zu den neuen Auserwählten, dem neuen Israel, gehören:
Ja, erkennen werden die Ägypter (= Heiden) den Herrn an diesem Tag und ihn Ehren mit Opfern und Gaben. Gelübde werden sie dem Herrn ablegen und erfüllen. So wird der Herr Ägypten mit Unglück schlagen und dann heilen. Sie werden sich zum Herrn bekehren, und versöhnen wird sich mit ihnen und sie Heilen der Herr unser Gott. (I. Lesung, Is. 19)
Quatember zum Winteranfang
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- 14. Dezember 2022
Mit dem Mittwoch nach dem 3. Adventssonntag, kurz vor Anbruch der astronomischen Winterzeit, beginnt nach der Tradition die Winter-Quatember. Im Zuge der nachkonziliaren Liturgiebrüche wurden die traditonellen Termine aufgegeben bzw. in das Belieben lokaler Bischofskonferenzen gestellt. In Deutschland rückte die Winterquatember in die Woche nach dem ersten Adventssonntag. Irgendein sachlicher Grund für diese „Verrückung“ ist nicht zu erkennen. Sie erfolgte wohl vor allem aus Lust am „alles anders“, und „selbst bestimmen“ – so ist es letztlich nur konsequent, daß der solcherart aus dem kosmischen Bezug gelöste und beliebig gemachte jahrtausendealte Brauch fast vollständig vergessen worden und verlorengegangen ist.
Im Schott Online, den wir hier als Referenz für den real existierenden Novus Ordo verwenden, ist auch in der Woche nach dem 1. Adventssonntag die Quatember unerwähnt. Die liturgischen Besonderheiten der Quatembertage sind restlos verschwunden. Dementsprechend werden die Quatembertage gegenwärtig in Deutchland nur noch in wenigen Gemeinden wahrgenommen und in irgendeiner Form begangen – mit Ausnahmen sind die Gemeinden und Gemeinschaften der Tradition, die das Missale von 1962 (oder ein noch älteres) verwenden.
Tatsächlich gehören die Quatembertage mit zum ältesten Erbe, das die Kirche vom Judentum und den heidnischen Gesellschaften aufgenommen und überformt hat. Die Einrichtung der Quatembertage wird im Liber Pontificalis, das auf das 4. Jahrhundert zurückgeht, dem Papst Callistus (217-222) zugeschrieben; Papst Leo der Große (440 – 461), von dem mehrere Quatemberpredigten erhalten sind, führt ihren Ursprung direkt auf die Apostel zurück.
Gaudete, Pax und Traditio
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- 12. Dezember 2022
Das „Gaudete“ des dritten Adventssonntages ging vielen Menschen in Europa seit langen Jahren nicht mehr so schwer von den Lippen wie in diesem: Krieg in der Ukraine mit der Gefahr unabsehbarer Weiterungen, Kampf in der Kirche um Bewahrung oder Preisgabe dessen, was die Kirche seit ihrer Stiftung den eingeborenen Sohn Gottes selbst ausgemacht hat. Und doch ist es wahr, was der Introitus nach den Worten des Apostels Paulus an die Philipper proklamiert:
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Wenn das heute reichlich unglaubhaft klingt, so vor allem deshalb, weil es mit „Eurer (also unserer) Güte“ wahrhaftig nicht weit her ist – und weil wir uns (oder man uns) das „betende Danken und flehende Bitten vor Gott“ gründlich abgewöhnt haben. Wir haben Rechte, erworbene und verbriefte Rechte, und für die kämpfen wir. Bis zum letzten Ukrainer und bis zur letzten vor 80 Jahren getauften alten Frau, die im Krankenhaus nicht nur ohne Begleitung der Familie, sondern auch ohne Salbung und Vergebung durch die Sakramente der Kirche aus dieser Welt gehen muß, weil die viel zu wenigen Priester des viel zu großen Pfarrverbundes von einem Gremientermin zum nächsten hetzen. Oder sich in der Diskussion mit einer Kampflesbe von Maria 2.0 aufreiben. Oder selbst in diesem Kampf Partei für die Sache des Fortschritts ergriffen haben. Oder gar nicht mehr da sind, weil Priestertum und Hierarchie sind ja sowas von gestern, wer soll da noch ins Seminar gehen...
Der Introitus des dritten Advent zitiert aus dem Brief des Apostels die Verse 4 – 6. In Vers 9 steht dann eine Aufforderung, deren Beherzigung zumindest für die Kämpfe in der Kirche zu einem guten Ende führen könnte.
Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein.
Zur Zeit der Herausbildung des Ritus galt das wohl als so selbstverständlich, daß die Verse nicht eigens in die Oration aufgenommen werden mußten. Umso dringlicher, sie heute wieder in Erinnerung zu rufen.
Eine Woche haeretisch.de
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- 10. Dezember 2022
Sollte jemand geglaubt haben, die Bischöfe und Verbandsfunktionäre des Synodalen Weges könnten nach dem anläßlich des Ad-Limina-Besuchs abgegebenen Warnschusses aus Rom ihre Sezessionspläne aufgeben oder zumindest ein Moratorium einlegen, kann er den Punkt abhaken: Es geht weiter, wie bisher, und wie es aussieht auch noch mit gesteigertem Tempo und größerer Entschiedenheit. Alarmrufe, die aus mehreren noch nicht unter die Funktionärsherrschaft gefallenen Teile der Weltkirche eingehen, verhallen ungehört.
Dabei hat insbesondere die Kirche der USA, in der die Mehrheitsverhältnisse in der Bischofskonferenz gerade umgekehrt sind als in Deutschland, eine zunehmend kritische Position entwickelt. Bei Entwicklung und Verbreitung dieser Position spielen besonders die katholischen Internetpublikationen, die in den USA überwiegend privatwirtschaftlich organisiert sind und ohne Geld aus den überaus knappen bischöflichen Kassen auskommen müssen (und können!), eine große Rolle. Der in Rom stationierte Europa-Korrespondent des National Catholic Register, Edward Pentin, hat seinen Lesern dieser Tage einmal einen Einblick gegeben, was sich da so innerhalb einer Woche auf dem offiziell inoffiziellen Webportal der deutschen Bischöfe abspielt. Die von ihm aufgespießten Themen:
- Die Forderung des Küng-Adepten und emeritierten Theologie-Professors Hermann Häring, die in seinen Augen verhängnisvolle Erbsünde-Lehre der Kirche zu verwerfen;
- Die Entschuldigung des Berliner Erzbischofs Koch bei den Homo- und sonstwie Anderssexuellen für das „Unrecht“, das die Kirche ihnen in der Vergangenheit mit ihrer falschen und menschenfeindlichen Sexualmoral angetan habe;
- Der völlig unkommentierte Bericht über ein Interview der bekannten Laien-Theologin und Schlagersängerin Sarah Connor, in dem sie meinte, viele katholische Kirchen hätten ja eine starke Atmosphäre – aber dieser überall hängende gekreuzigte Jesus sei doch reichlich gruselig;
- Die in einem Kommentar erhobene Forderung der Redakteurin Gabriele Höfling, der 30. Jahrestag der Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche sei kein Grund zum Feiern, sondern zu seiner Revision. Schließlich habe Papst Franziskus mit seiner Revision der Katechismus-Aussage zur Todesstrafe gezeigt, daß eine Modernisierung möglich sei;
- Die in einem eigenen Bericht gewürdigte Aussage der Erfurter Theologieprofessorin Julia Knop , wie herzerwärmend für sie es gewesen sei, das Evangelium im Gottesdienst von der Stimme einer Frau und in weiblicher Perspektive vorgetragen zu hören;
- Und schließlich die ausdrückliche Mahnung des Leitenden Redakteurs Matthias Altmann an seinen Arbeit- und Brötchengeber, keinesfalls auf die Warnungen aus Rom zu hören und die von dort kritisierten Beschlüsse des Synweges so schnell wie möglich umzusetzen.
Zu all diesen Punkten, die hier nur aufgezählt sind, unternimmt Pentin den Versuch einer inhaltlichen Einordnung, um seine amerikanischen Leser etwas mit der deutschen Situation bekannt zu machen.
Wie viele römische Riten gibt es?
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- 08. Dezember 2022
Der von Oktober bis November im Church Life Journal der Notre Dame University in fünf Folgen erschienene Artikel der Professoren Cavidini, Healy und Weinandy zur Unterstützung und Verteidigung von Traditionis Custodes wird in den USA nach wie vor intensiv diskutiert. Er ist jetzt auch als zusammenhängender Text erschienen, was Lektüre und Diskussion deutlich erleichtert. Die Wirkung des Artikel beruht weniger auf inhaltlichen Qualitäten – die sind selbst mit der Lupe kaum aufzufinden. Sie beruht auf dem schieren Umfang und der Tatsache, daß der Artikel erstmals eine Art Gesamtbild der Positionen der Befürworter der Liturgiereform Pauls IV und Annibale Bugninis entwirft und sich rückhaltlos hinter den Versuch von Franziskus stellt, die liturgische Tradition auszulöschen.
Das Bild, das die drei Autoren da zeichnen, ist völlig unbeeindruckt ist von den enormen Rückschlägen in der pastoralen Praxis, die die Kirche seit Durchsetzung des Novus Ordo hinnehmen mußte; ein Bild, das sich ausschließlich an den proklamierten Zielen der Reformvertreter orientiert und an keiner Stelle von der Überlegung getrübt ist, ob die proklamierten Ziele überhaupt mit den eingesetzten Mitteln erreichbar wären. Letztlich ein Phantasiebild, das keiner Beachtung wert wäre – wenn es nicht allzu exakt den Phantasien und Phobien des gegenwärtigen Papstes entsprechen würde, der die endgültige Durchsetzung der Reform von 1969 offenbar zu einem der Hauptziele seiner Politik gemacht hat.
Eric Sammons vom Crisis-Magazine hat jetzt ein über einstündiges Video-Interview mit Peter Kwasniewski gemacht, in dem die beiden Traditionsvertreter dem Rundumschlag der drei Notre-Dame-Autoren ein mehr den Realitäten entsprechendes Bild vom Kampfplatz – so muß man es wohl nennen – Liturgie und Tradition entgegenstellen. Wir referieren oder übersetzen daraus einige besonders lesenswerte Abschnitte, die freilich die Lektüre des Gesamttextes – Crisis Magazine hat dankenswerterweise dem Video ein vollständiges Transskript zur Seite gestellt – nicht ersetzen können.