„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Wer soll die Scherben zusammenkehren?
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- 12. November 2022
New Liturgical Movement berichtete dieser Tage über ein Interview (hier das Original auf Französisch), das Bischof Aillet von Bayonne dem konservativen französischen Magazin L’Homme Nouveau gegeben hat. Der Bischof sprach darin von beträchtlichen Unterschieden, die er zwischen dem Motu Proprio des Papstes und den anschließend von der Liturgiebehörde veröffentlichten „Responsa ad dubia“ erkennen will: Franziskus habe beim Ad-Limina Besuch der französischen Bischöfe gesagt, er wolle die Feier der Messe im überlieferten Ritus einschränken, während die Responsa Roches das auf die Spendung sämtlicher Sakramente ausgedehnt habe. Demgegenüber habe Franziskus durch seinen Staatssekretär Parolin mehrfach darauf hingewiesen, man müsse den Gläubigen, die der alten Liturgie verbunden sind, väterlich zuhören und ihnen Zeit geben. Es gehe um einen Prozess des Wachstums und der Erkenntnis.
Nun, das klingt für unsereinen nach den üblichen Phrasen dieses Pontifikats und gewinnt kaum an Glaubhaftigkeit durch die in den letzten Wochen mehrfach wiederholten scharfen Angriffe des Papstes auf die „rückwärtsgewandten Ewiggestrigen“. Dennoch zieht Bischof Aillet daraus den Schluß:
Wir“ – d.h. in erster Linie die französischen Bischöfe – „sind nicht gezwungen, das Motu Proprio unmittelbar und in drastischer Form umzusetzen. Im Allgemeinen sind unsere Beziehungen mit diesen Gemeinschaften doch so einverständlich, daß man gerne in einen wirklichen Dialog mit ihnen eintreten möchte: Über das Missale, über die Gründe, die sie für dies und jenes haben, über die Sakramente, über die liturgischen und katechetischen Bücher, die sie verwenden, um so die Dinge besser zu verstehen und vor allem, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen.“
Bieten Rituskirchen den Ausweg?
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- 10. November 2022
(Fortschreibung des Beitrags vom 29. Oktober)
Auf den ersten Blick bietet das Konzept der Rituskirche einen Ausweg aus der Kirchenkrise, wie sie sich in der von Traditionis Traditores (TC) manifestierten Absicht zur endgültigen Austreibung der überlieferten Liturgie aus dem Leben der Kirche darstellt. Die Priester und Gläubigen der Tradition würden damit aus dem seinen Namen ohnehin nur noch zu Unrecht tragenden römischen Ritus ausscheiden und eine „Kirche eigenen Rechts“ bilden. Diese Teilkirche würde weiterhin der päpstlichen Jurisdiktion unterstehen, hätte aber wie andere „Rituskirchen“ auch ihre eigene historisch gewachsene Liturgie – und in eiem durchaus begrenzten Rahmen – ihr spezifisches kanonisches Recht. Was daran realistisch und was Wunschvorstellung ist, wäre näher zu untersuchen.
Die heute bestehenden Rituskirchen oder „Kirchen eigenen Rechts“ sind in keinem Fall aus dem Nichts errichtet worden, sondern beruhen auf der Rückkehr in die Einheit von Kirchen oder ihren Teilen, die aus historischen oder politischen Gründen oft schon seit Jahrhunderten „unabhängig“ existierten. Prinzipiell gilt das auch für die Ordinariate ehemaliger Anglikaner, auch wenn diese nicht den Status von Rituskirchen haben und inzwischen auch der Übertritt von Einzelpersonen bzw. -familien aus „stammkatholischen“ Gemeinden möglich ist.
Einziger Fall, daß eine aus liturgischen Motiven erfolgte Schisma-ähnliche Spaltung innerhalb eines bestehenden katholischen Bistums durch die Errichtung einer besonderen Jurisdiktion für die „Altrituellen“ überwunden wurde, ist Campos in Brasilien. Über die Einzelheiten der damaligen Situation ist hierzulande wenig bekannt. Der damalige Bischof von Campos Antônio Castro Mayer hatte sich geweigert, die Reformen Pauls VI. umzusetzen und war schließlich 1981 zum Rücktritt gezwungen worden. Danach baute er mit seinen Anhängern als Träger der „altrituellen“ Seelsorge in Campos die Priestervereinigung Johannes Maria Vianney auf – eine mit dieser freundschaftlich verbundene Parellelorganisation zur Piusbruderschaft. Da Mayer 1988 als Co-Consekrator an den irregulären Bischofsweihen der Bruderschaft mitwirkte, wurde er zusammen mit Erzbischof Lefbvre exkommuniziert. Damit waren die Voraussetzungen für ein Schisma gegeben, das allerdings niemals offiziell erklärt worden ist.
Nach dem Tod Mayers 1991 weihten die Bischöfe der Piusbruderschaft mit Licino Rangel einen Priester der von Mayer gegründeten Vereinigung zum Bischof. In den Jahren nach 2000 konnte Bischof Rangel eine Vereinbarung mit Rom erreichen, die schließlich durch die Errichtung der „Apostolischen Personaladministratur vom Hl. Johannes Maria Vianney auf dem Gebiet der Diözese Campos“ zur Beendigung der Abspaltung führte. Rangel wurde offiziell zum Titularbischof von Zarna geweiht und als Administrator eingesetzt. Vermutlich vereinbarungsgemäß trat Rangel schon im kommenden Jahr „aus Gesundheitsgründen“ zurück, und sein Nachfolger wurde der ebenfalls offiziell geweihte und bis heute amtierende Bischof Rifan. Nicht alle Details der damals unter intensiver Beteiligung von Kardinal Ratzinger erzielten Vereinbarung sind öffentlich bekannt. Von daher ist schwer zu sagen, inwieweit Campos das Vorbild für die Errichtung einer ähnlichen Institution anderswo sein könnte – zumal es unseres Wissens nirgendwo vergleichbare Voraussetzungen gibt.
Während das kleine „Schisma von Campos“ nur ein Jahrzehnt gedauert hat, bringt es die wesentlich größere anglikanische Abspaltung auf über 500 Jahre; sie hat im Zuge der Ausweitung des britischen Empire weltweite Dimensionen angenommen.
„Dieser verflixte synodale Prozess“
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- 08. November 2022
Weihbischof Rob Mutsaerts von der Diözese s'Hertogenbosch, den wir bereits einmal mit einem kräftigen Wort zu Traditionis Custodes zitiert haben, hat sich jetzt mit ähnlich deutlicher Ansage zum Entwurf der römischen Synodenverwaltung zum Arbeitspapier für die kommenden Sitzungen der umstrittenen Veranstaltung geäußert. Sein Artikel erschien am 4. November auf dem Blog Paarse Pepers, und nachdem wir durch Rorate Caeli darauf aufmerksam gemacht worden sind, wollen wir ihn auch unseren Lesern nicht vorenthalten - direkt übersetzt aus dem Niederländischen.
Dient der Synodale Prozess als Instrument, um die Kirche zu ändern?
Am Donnerstag, 27. Oktober hat das Sekretariat der Bischofs-Synode in Rom das Arbeitspapier „Für eine synodale Kirche, communio, participatio, missio“ für die kontinentale Phase präsentiert. Das fand während einer Pressekonferenz unter dem Vorsitz von Kardinal Grech im Pressezentrum des Hl. Stuhls in Rom statt. Das Dokument trägt den Titel: „Mache den Platz in deinem Zelt weit“ (Jesaja, 54:2). Das Sekretariat der Bischofs-Synode hat das Instrumentum Laboris aus den Schlußdokumenten der Treffen auf den verschiedenen Kontinenten als Arbeitspapier für die Zusammenkünfte der Synoden 2023 und 2024 zusammengestellt.
Das Mantra des Prozesses ist: zuhören. Wem? Jedem. Das Arbeitspapier enthält eine Vielzahl von Zitaten. „Diese Zitate wurden ausgewählt, weil sie auf besonders starke, schöne oder präzise Weise die Gefühle ausdrücken, die allgemeiner in vielen Berichten ausgedrückt werden. Die synodale Erfahrung kann als Weg der Anerkennung für jene verstanden werden, die sich in der Kirche nicht ausreichend anerkannt fühlen.“ Die Umrisse des synodalen Prozesses werden zunehmend klarer. Er stellt ein Megaphon für nicht-katholische Ansichten bereit. Das Dokument zeigt, wohin der synodale Weg am Ende führen soll: „Das bedeutet eine Kirche, die ihre Evangelisierungs-Mission im Licht der Zeichen der Zeit zu erneuern lernt, um der Menschheit weiterhin einen Weg der Existenz und des Lebens vorzuschlagen, in den sich alle als Protagonisten angenommen fühlen können.“
Wer sind denn die, die sich ausgeschlossen fühlen? Arbeitspapier § 39: „Unter denen, die um einen bedutungsvolleren Dialog und einen einladenderen Raum bitten, finden wir auch diejenigen, die aus verschiedenen Gründen eine Spannung zwischen der Zugehörigkeit zur Kirche und ihrer eigenen Liebesbeziehung empfinden, wie: wiederverheiratete Geschiedene, Single-Eltern, Menschen die in polygamen Beziehungen leben, LGBTQ-Menschen usw.“ Kurz gesagt, jene, die den Lehren der Katholischen Kirche nicht zustimmen. Das Arbeitspapier scheint vorzuschlagen, daß wir eine Liste von Beschwerden sammeln und sie dann diskutieren. Der Auftrag der Kirche ist ein anderer. Jedenfalls besteht dieser Auftrag nicht darin, alle Meinungen zu erwägen und dann zu einer Übereinkunft zu kommen. Jesus hat uns etwas anderes geboten: die Wahrheit zu verkünden, d.h. die Wahrheit, die einen frei macht. Besonders seltsam ist die Bemerkung, daß die Kirche der Polygamie keine Aufmerksamkeit widmet. Allerdings findet das Papier nicht die geringste Aufmerksamkeit für die Traditionalisten. Die fühlen sich auch ausgeschlossen. Das werden sie tatsächlich auch buchstäblich durch Papst Franziskus (Traditionis Custodes). Offensichtlich gibt es für diese Gruppe keine Empathie.
Kardinal Zuppi und die wütende Grille
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- 07. November 2022
Mit Kardinal Matteo Zuppi hat ein bedeutender römischer Würdenträger – schließlich ist Zuppi nicht allein Erzbischof von Bologna, sondern auch Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz – anläßlich der Wallfahrt „Summorum Pontificum“ in der römischen Kirche des Pantheons eine Vesper im überlieferten Ritus gefeiert. Das scheint einige Leute mehr aufzuregen als die im gleichen Zusammenhang erfolgte Zelebration eines Levitierten Hochamtes im Petersdom.
Fragt man sich, warum, drängen sich zwei Überlegungen in den Vordergrund: Die Messe im Petersdom konnte nach einer ordentlichen Anfrage der Wallfahrtsorganisatoren stattfinden und hatte die Genehmigung der zuständigen Verwaltung. Andererseits war sie nicht wie in vorhergehenden Jahren ein Pontifikalamt, sondern „nur“ ein levitiertes Hochamt. Der Vorgang verweist einerseits auf die Bereitschaft der Anhänger der überlieferten Liturgie, trotz ihrer überaus rüden und auch gesetzlosen Behandlung durch die römischen Machthaber an den Grundregeln des innerkirchlich Gebotenen festzuhalten. Ebenso darauf, daß es auch im Rom noch Leute gibt, die diese Regeln zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls einhalten wollen. Solange es nach ihren Bedingungen geht, denn anscheinend war „von oben“ eine Weisung ergangen, daß man im Zusammenhang mit der Wallfahrt keine Mitra sehen möchte – soviel Diskriminierung muß sein.
Falls das tatsächlich die Absicht „von oben“ war, hat der Kardinal aus Bologna mit der Pontifikalvesper diese Absicht durchkreuzt.
Nachtrag zu Allerseelen
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- 05. November 2022
Zu unserem Artikel am Allerseelentag hat uns der Priester und Doktor der Theologie Marc Hausmann, dessen theologische Kompetenz die unsrige bei weitem übertrifft, Korrekturen und Ergänzungen zukommen lassen, die wir mit großem Interesse gelesen haben. Wir geben sie daher hier mit dem Einverständnis des Verfassers leicht redaktionell bearbeitet gerne weiter. Fehler sind unvermeidlich, zumal sich die wissenschaftliche Theologie fast völlig aus dem Gespräch mit dem gemeinen Kirchenvolk zurückgezogen hat, demgegenüber sie noch bestenfalls als Ideologieproduzent wirkt. Aber wo Fehler und Mißverständnisse unsererseits erkannt und korrigiert werden, wollen wir sie nicht einfach so stehen lassen. Hier die Hauptaussagen der kritischen Zuschrift Hausmanns:
Ich habe den Eindruck, daß Ihre Bemerkungen über die Sühnung für die Schuld der Seelen im Fegefeuer auf einem Mißverständnis beruhen, das ich hier erläutern darf:
Das Prinzip der vertretenden Leistung von einem Gegenwert für jemand anderen im Allgemeinen und des Verdienstes anstatt anderer im Besonderen liegt zum einen in der Natur der Sache – wir Menschen können bereits auf der materiellen Ebene unseres Seins, die ja auch von den Modernisten und Heiden anerkannt wird, zum Beispiel Geld und Blut anderen spenden, an ihrer statt erbringen, wieso dann nicht noch viel mehr auf der geistigen Ebene unseres Seins, wo die Seele mit ihren immateriellen Kräften noch viel kommunikativer nach außen hin sein kann? Zum anderen hat das Lehramt des Konzils von Trient ausdrücklich diese Lehre der Leistung eines Gläubigen, der in der Verfassung der „Gerechtigkeit“ ist, wir würden sagen im Stand der Gnade, von geistigen Gaben für andere Seelen bestätigt.
Ich möchte noch hinzufügen, daß es bei dieser Vertreterschaft, zumindest für die armen Seelen im Fegefeuer, nicht um die Vermittlung der Gnaden geht, sondern um die Wiedergutmachung der Sündenschuld, also die Buße, die im Unterschied zur Gnade nicht eine Qualität in der Seele ist, sondern ein Akt der Restaurierung der Rechte Gottes ist und daher auf der Grundlage der Relation der Gerechtigkeit zu Gott, der Religion, wirkt.
'Kirche' ohne Sakramente und Priester?
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- 03. November 2022
Das Bistum Mainz hat per Rundbrief das liturgische Formular für einen „Sterbesegen“ veröffentlicht, der auch von Laien erteilt werden können soll. Er soll offenbar an die Stelle des in der Praxis vieler Orte völlig aufgegebenen Sakraments der Krankensalbung/Letzten Ölung treten, dessen Spendung dem geweihten Priester vorbehalten ist. Nachdem kath.net eine theologisch begründete Kritik von Msgr. Schroedel an diesem Vorgehen veröffentlich hat, meldeten sich in den Zuschriften mehrere Leser zu Wort, die mitteilten, daß diese Praxis keineswegs neu sei, sondern in mehreren Diözesen schon seit 10 und mehr Jahren geübt werde. Die von uns hier zum Download verlinkte „Handreichung zum Sterbesegen“ des Bistums Rottenburg-Stuttgart aus dem Jahr 2012 kann das belegen.
Der Bischof von Essen hat in den vergangenen Monaten offizielle Beauftragungen von Laien und vorzugsweise Lainnen zur Spendung der Taufe vorgenommen, und andere Diözesen (bspw. Rottenburg und Aachen) darüber nachdenken wollen diesem Vorbild folgen. Die Beauftragung von Lai:innen zur Assistenz bei der Eheschließung ist zumindest im Gespräch. Auch hier gibt Essen den Vorreiter. Von der Wiege bis zur Bahre werden wir demnächst also von „bischöflich beauftragten“ Laien begleitet – den „Beerdigungsdienst“ (s. Bild oben, mit Verweis auf eine informative Quelle) haben die Verwalter der priesterlosen Kirche auch schon erfunden.
Damit ist für drei der klassischen sieben Sakramente die Spendung durch Priester in Frage gestellt. Da das Sakrament der Buße/Beichte vielerorts praktisch völlig außer Gebrauch gekommen ist und die Firmung – wenn sie überhaupt noch stattfindet – von den meisten Firmanden und Familien nur noch als spirituell entleerter Übergangsritus zum Erwachsenwerden (und Geschenke abgreifen) angesehen wird, muß man feststellen, daß der nachkonziliare Neue Frühling das sakramentale Leben der Kirche in Deutchland in eine tiefe Krise gestürzt hat.
Dabei ist eine mehrfache Differenzierung erforderlich.