„Die Liturgiereform ist Gesetz“ - II
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- 06. März 2015
Die zweite große Ansprache von Papst Paul VI., gehalten am 26. 11. 1969, (hier der Text) bringt noch stärker als die erste zum Ausdruck, wie sehr sich der Papst des Bruches bewußt war, den er den normalen Gläubigen mit der anstehenden Neufassung der Liturgie zumutete. Nachdem die letzten Abschnitte der ersten Ansprache in immer neuen Wendungen beschworen, am Inhalt der Messe könne und werde sich nicht das Geringste ändern, sind die ersten Abschnitte der zweiten Rede ganz dem Bemühen gewidmet, die Gläubigen auf die bevorstehenden Umbrüche im (vermeintlich nur) formalen Bereich vorzubereiten. Der Papst spricht von „Veränderung einer verehrungswürdigen Tradition, die schon seit Jahrhunderten besteht“ und konzediert „Das berührt unser religiöses Erbe, dem das Privileg der Unantastbarkeit und der Stabilität zuzukommen schien“. Er räumt ein, daß díe Volkssprache „künftig die Hauptsprache der hl. Messe sein“ werde und bereitet die Gläubigen darauf vor, daß die Kirche „einen großen Teil jenes großartigen und unvergleichlichen künstlerischen und spirituellen Gebildes, der Gregorianik, verlieren“ werde. Insgesamt seien die Neuerungen „keine Kleinigkeit“, sondern stellten „tiefgehende Veränderungen“ dar.
Was wir in der Messe feiern
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- 13. Februar 2015
„Eucharistiefeiern“ wie die mit der Bundeswehr am 22. Januar im Kölner Dom zeigen, wie tief der Geist der Welt bereits in das Allerheiligste des kirchlichen Kultus eingedrungen ist - und wie wenig das offenbar als Problem empfunden wird. Frieden und Völkerverständigung ist doch etwas schönes - wer wird denn da kleinlich liturgische Formen und Formeln ins Feld führen wollen, wenn es doch einer guten Sache dient.
Vielleicht sollten wir in Zukunft ja statt von „Gottesdienst“ von „Gute-Sache-Dienst“ sprechen. Das käme dem Begriffsvermögen vieler Godi-Teilnehmer doch auf höchst pastorale Weise entgegen.
Eine der Wurzeln für diese nachgerade blasphemische Verflachung des gottesdienstlichen Denkens und Handelns haben wir beim Wortgebrauch„Eucharistiefeier“ und dessen gedanklichen Hintergründen ausgemacht. Wir stützten uns dabei auf Argumente aus dem Beitrag Johannes Nebels Von der actio zur celebratio - Ein neues Paradigma nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in dem von Stefan Heid herausgegebenen Tagungsbericht zur Liturgiereform des 20. Jahrhunderts.
Aus dem gegebenen Anlass zitieren wir heute die wesentlichen Aussagen aus dem Schlussteil dieses Artikels, der in seinem volumenmäßigen Hauptteil in einer akribischen Analyse von Schriften der frühesten Kirchenvätern nachweist, daß das im Anschluß an Ideen Odo Casels in die Liturgie eingedrungene Verständnis von Eucharistiefeier dort keine Stütze findet.
Schließen wir nun den Bogen zur Anfangsproblematik und greifen zunächst einen Aspekt des Formdenkens Odo Casels heraus, nämlich seine Begründung hierarchischer Abstufungen innerhalb liturgischer Vollzüge. Diese will er unter allen Umständen gewahrt wissen. Er tritt also - gegen gewisse damalige demokratisierende Tendenzen - für die Beibehaltung der liturgischen forma ein. Neu ist aber nun die Begründung: Casel setzt nicht mehr beim religio- pietas- oder actio-Begriff an, sondern beim Mysterium. So schreibt er: »Die Laien können nie den Dienst des geweihten Priesteramtes übernehmen, und jeder Stand hat sich an seine Ordnung zu halten. Nicht alles ist für alle! Und nicht alles muss sofort allen offen stehen' Das Mysterium bleibt immer Mysterium!« Die forma korreliert also mit dem Mysterium. und das Mysterium begrenzt zugleich ihre Geltung. Die Gott gebührende latreia aber, die im bisherigen Denken Sinn und Inhalt der liturgischen aetio war, wird von Casel dem Mysterium übertragen. Casel formuliert: »Haupt und Glieder sind eins in dem Opfer an den Vater, zu dem im heiligen Mysterium durch den Sohn im Heiligen Geiste alle Ehre emporsteigt«. Nicht für die latreia selbst also ist die Wahrung der forma noch nötig, sondern nur, um »den Schleier der Kultsprache über die Liturgie« zu breiten, das Mysterium dem »grellen Licht des Alltags« zu entziehen - also nur im Rahmen der Wahrnehmung, letztlich der äußeren Wirkung. Das ist - was der weitere Gang der Liturgiegeschichte lehrt - eine reichlich zeitbedingte Kategorie. Mit nachhaltiger historischer Wirkung zerbrach Casels Mysterienidee den Zusammenhang zwischen aetio und forma und entzog daher beiden den eigentlichen Existenzgrund. Wohl ohne Absicht bereitete er den Weg dafür, beides den Zeitumständen auszuliefern.
Herr oder Hüter der Liturgie
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- 29. Januar 2015
New Liturgical Movement hat in dieser Woche den ersten Teil eines äußerst lesenswerten Artikels gebracht, in dem der polnische Philosoph Paweł Milcarek einige Entwicklungslinien und Grundprinzipien der Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts nachzeichnet. Als einen dieser Grundzüge identifiziert er den „papalistischen Absolutismus“ in Angelegenheiten der Liturgie, den ja auch Joseph Ratzinger als Kardinal in seinem „Der Geist der Liturgie“ bereits heftig kritisiert hatte
Nach dem II. Vatikanum entstand der Eindruck, der Papst könne eigentlich alles in Sachen Liturgie, vor allem wenn er im Auftrag eines ökumenischen Konzils handle. ... Tatsächlich hat aber das I. Vatikanum den Papst keinesfalls als absoluten Monarchen definiert ... (ausführlicher hier).“
Zum Beleg zitiert Milcarek eine Passage aus der Rede von Cardinal Gaetano Cigogniani vor dem liturgischen Kongress in Assisi 1956, in der der Würdenträger den Papst tatsächlich in den höchsten Tönen zu preisen scheint:
Hauptziel dieses Kongresses ist es daher, an unserem Auge vorbeiziehen zu lassen die bewundernswerte Tätigkeit unseres Hl. Vaters Pius XII. auf pastoralliturgischem Gebiet, und das im Geiste der ehrfürchtigen und treuen Anhänglichkeit, die jeder Gläubige dem erhabenen Hirten schuldet, der uns führt.“
Dieses Zitat ist in der Tat typisch für den Geist und die äußeren Formen die damals in weiten Bereichen der Kirche verbreitet waren. Es ist aber nicht typisch für die inhaltliche Position des Kardinals in Hinblick auf die sich 1956 bereits abzeichnenden liturgischen Umwälzungen, denen er unter Berufung auf die päpstliche Autorität entgegentreten will, und es beschreibt erst recht nicht die Haltung der in Assisi versammelten Vertreter der „pastoralliturgischen Bewegung“. In den Einleitungsworten und an anderen geeigneten Stellen ihrer Beiträge lassen sie es nicht an geradezu byzantinistisch anmutenden Huldigungen für den „gesegnet regierenden obersten Hirten“ fehlen. Wo der Papst als „Oberster Brückenbauer“ ihnen in diesem Dokument in Formulierungen entgegenkommt und ihren Anliegen mit Freundlichkeit zu begegnen scheint, ergreifen sie mit dem kleinen Finger entschlossen die ganze Hand. Zur Sache selbst gehen sie mit der größten Unbekümmertheit über die von Pius XII in Mediator Dei festgeschriebenen Grundsätze der Tradition hinweg.
Kardinal Cicogniani beansprucht die päpstliche Autorität unter Berufung auf die Aufgabe des Papstamtes als Hüter von Überlieferung und Tradition. Die „Reformer“ sehen im Inhaber dieses Amtes den absoluten Potentaten, der reden und tun kann, was er auch immer will - solange es ihren Plänen nicht in die Quere kommt.
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Die außerordentlich aufschlußreichen Beiträge des Kongresses liegen in deutscher Übersetzung vor in dem von Johannes Wagner herausgegebenen Band: Erneuerung der Liturgie aus dem Geist der Seelsorge unter dem Pontifikat Papst Pius XII - Akten des Ersten Internationalen Pastoralliturgischen Kongresses zu Assisi. Erschienen 1957 im Paulinus-Verlag Trier.
Actio oder celebratio?
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- 26. Januar 2015
Der hier vor wenigen Tagen kurz problematisierte Einschub des Satzes „quem tibi offerimus“, den Paul VI. in das neugeschaffene Oratoriumsgebet des Missales von 1969 aufnehmen ließ, veranlasst Johannes Nebel als einen der Beiträger des Veranstaltungsberichtes Operation am lebenden Objekt zur eingehenden Analyse eines der nach dem zweiten Vatikanum in der Kirche vollzogenen Paradigmenwechsel. Sein Beitrag ist in dem genannten Band unter dem Titel Von der actio zur celebratio - Ein neues Paradigma nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, S. 53 - 90, erschienen.
Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der bereits von den Reformern selbst bemerkte und beklagte Umstand, daß damit dem Satz, der ursprünglich alleine dem Lobpreis Gottes als Schöpfers und Ernährers diente, einigermaßen gewaltsam eine Opferaussage implementiert wird. Nebel erkennt darin einen zentralen Unterschied zwischen dem reformerischen Liturgieverständniß und der katholischen Tradition:
Was sich in der lateinischen Gestalt der Gabenbereitungsformel zeigt, ist ein gedanklicher Konflikt zwischen der Idee eines gottesdienstgemeinschaftlich konzipierten Lobpreises, ungefähr im Sinne eines gemeinschaftlichen Erntedanks im Blick auf die nachfolgende Eucharistiefeier, und der Idee einer vom Priester am Altar im Namen aller vollzogenen Darbringungshandlung, die schon im Vorfeld sakramentaler Vollzüge steht.“
Ein in die Theologie eingedrungener eindimensionaler Rationalismus hatte bereits bei Luther Anstoß an diesem „Vorgriff“ auf die später im liturgischen Ablauf erfolgende eigentliche Opferhandlung genommen. Diesen „Vorgriff“ und die daraus angeblich hervorgehenden Mißverständlichkeiten zu beseitigen, war eines der Hauptanliegen der protestantischen Reformatoren ebenso wie der bugninischen Reformer. Genau das hatte der Papst mit seinem Bestehen auf der Einfügung zu konterkarieren versucht, ohne freilich eine wirkliche Klärung herbeizuführen.
„Traduttore, traditore“
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- 22. Januar 2015
Das italienische Sprichwort „traduttore, traditore“ findet, wie könnte es anders sein, unterschiedliche Übersetzungen, die teilweise sogar gegensätzlichen Sinn ergeben. Hier soll von der Lesart die Rede sein, daß beim Übersetzen allzu oft der rechte Sinn verloren geht, und das nicht nur wegen tatsächlicher Schwierigkeit, sondern aus bösem Willen. Dann erweist sich der Übersetzer nicht als Vermittler, sondern Verräter der Sache, die er doch treuhänderisch aus dem einen in den anderen Sprachraum überbringen sollte.
Bekanntestes Beispiel für einen solchen Verrat in vielen volkssprachlichen Übersetzungen des Novus Ordo ist natürlich das „pro multis“, zu dem freilich schon genug gesagt worden ist. Ein weniger bekanntes Beispiel findet sich in den neuen Gebeten zur an die Stelle der früheren „Opferung“ getretenen „Gabenbereitung“, deren Text nach dem Vorschlag der Reformatoren schlichtweg lauten sollte „Benedictus Deus Rex universi, quia te tua largitate accepimus panem, fructum terrae et operis manuum hominum, ex quo nobis fiet panis vitae.“ (Gepriesen seist Du Gott, König des Universums, denn aus Deiner Güte empfangen wir das Brot, Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit, aus dem uns das Brot des Lebens werden soll.)
In der offiziellen Fassung wurde der Text um ein „quem tibi offerimus" (nach dem „panem") ergänzt. Wie Annibale Bugnini in seiner autobiographischen „Geschichte der Liturgiereform" (S. 379 der englischen Ausgabe) mitteilt, geht diese Ergänzung auf eine ausdrückliche Rückfrage Papst Pauls VI. zurück, der angemahnt hatte, daß sonst die Absicht zur Darbringung eines Opfers nicht klar genug zum Ausdruck gebracht werde : „ohne das wäre es kein Offertoriumsgebet“.